Wachstumseffekte von Ressourcenreichtum unter Einfluss von Rent-seeking behavior. Eine empirische Analyse


Tesis (Bachelor), 2014

42 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2 Literaturüberblick

3. Theoretischer Rahmen
3.1 Das neoklassische Wachstumsmodell
3.2 Ressourcenreichtum und rent-seeking
3.2.1 Rent-seeking im öffentlichen Sektor
3.2.2 Rent-seeking im privaten Sektor

4. Empirische Analyse
4.1 Methodischer Ansatz
4.1.1 Modellspezifikation
4.1.2 Variablenauswahl
4.2 Empirische Evidenz
4.2.1 Bivariate Statistiken
4.2.2 Durchführung der Regression
4.3 Schlussfolgerungen

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Regressionsergebnisse

Tab. A1: Variablendefinitionen

Tab. A2: Datensatz

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Dynamische Entwicklung von Kapital und Produktion

Abb. 2: Einfluss von rent-seeking auf die Allokation von Sach- und Humankapital

Abb. 3: Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Wachstumsrate des BIP pro Kopf (1980-2005) und des Anteils der Rohstoffexporte am BIP (1980)

Abb. 4: Zusammenhang zwischen BIP pro Kopf (1980-2005) und des Anteils der Rohstoffexporte am BIP für (a) bessere und (b) schlechtere Institutionen

Abb. 5: Wachstumsraten des BIP pro Kopf (1980-2005) in Zusammenhang zur institutionellen Güte in ressourcenreichen Ländern

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

In ihren empirischen Untersuchungen zum Einfluss des natürlichen Ressourcenreichtums auf das Wachstumsverhalten ihres Ländersamples haben Jeffrey Sachs und Andrew Warner (1995; 1997) einen Zusammenhang nachgewiesen, welcher zur Grundlage einer tiefergehenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung wurde. Die Rede ist von dem negativen Verhalten des Rohstoffaufkommens eines Landes zu seiner über die folgenden zwei Jahrzehnte realisierten durchschnittlichen Wachstumsrate, welcher fortan unter Bezeichnungen des „Ressourcenparadoxons“, der „Ressourcenfalle“ oder des „Ressourcenfluchs“ Einzug in die Literatur und die Untersuchungen weiterer Wissenschaftler erhielt.

Die Relevanz der Thematik entstammt, wie bereits über die vorgestellten Begriffe suggeriert, der eigentlich inversen Erwartung, die dem Zusammenhang der beiden Variablen unterstellt werden könnte. Es erscheint auf den ersten Eindruck verwunderlich, weshalb sich die hohe natürliche Ressourcenausstattung eines Landes als Wachstumshemmnis heraus stellen sollte, insbesondere wenn es sich bei diesen Ressourcen um knappe, nicht-erneuerbare Rohstoffe wie Mineralien oder fossile Brennstoffe handelt, die auf dem Weltmarkt nachgefragt werden und ihren Eigentümern dadurch finanzielle Werte stiften. Auch aus historischer Perspektive lässt sich die Bedeutsamkeit natürlicher Rohstoffe wie Kohle und Stahl sowie der Erschließung von Rohstoffen aus einstigen Kolonien für die industrielle Entwicklung und die Prosperität vieler heutiger Industrieländer nicht leugnen (Pendergast et al., 2011, S. 411).

Obwohl vereinzelte Länder keinem negativen Einfluss ihres hohen Ressourcenaufkommens ausgesetzt sind und von eben diesem sogar profitieren ­– an dieser Stelle sind vor allem die Musterbeispiele Norwegen und Botswana zu nennen, die trotz oder gerade wegen ihres hohen Ressourcenreichtums konstant hohe Wachstumsraten realisieren konnten –, sieht die Realität vielerorts anders aus. Daecon und Rode (2012, S. 1f.) führen aus, dass schwache bis negative Wachstumsraten, Armut, Staatsversagen, Bürgerkrieg, Korruption und politische Repression die inneren Verhältnisse ressourcenreicher Länder wie Angola, dem Kongo, Nigeria, Venezuela oder dem mittleren Osten bestimmen. Nigeria sticht im Besonderen dadurch hervor, dass sein Pro-Kopf-Einkommen im Jahre 2000, trotz hoher Rohöleinkünfte, 30% niedriger ausgefallen ist als zum Jahre 1965.

Das unterschiedliche Wachstumsverhalten ressourcenreicher Länder liefert Grund zur Annahme, dass der Ressourcenfluch-These kein deterministischer Zusammenhang zugrunde liegt. Diese Beobachtung entkräftet anfängliche theoretische Ansätze, die die Wachstumsschwäche ressourcenreicher Länder auf unvorteilhafte Wechselkursentwicklungen zurück geführt haben. Theorien der politischen Ökonomie scheinen diesem Sachverhalt besser Rechnung zu tragen.

An diese Stelle schließt auch die folgende Analyse an. Es soll untersucht werden, inwiefern der empirisch zu beobachtende negative Wachstumstrend ressourcenreicher Länder über eine Moderatorvariable – nämlich der institutionellen Güte bzw. des darüber gemessenen Ausmaßes an rent-seeking – zu erklären ist. Es stellt sich zudem die Frage, ob dieser negative Wachstumstrend, unter gewissen Rahmenbedingungen, sogar in sein Gegenteil verkehrt werden kann und es ressourcenreichen Ländern dadurch ermöglicht wird von ihren Ressourcen zu profitieren.

Kapitel 2 liefert einen Literaturüberblick. Es wird knapp dargelegt, welche Transitionsmechanismen zur Erklärung des Ressourcenfluchs bislang identifiziert wurden und wie diese zu beurteilen sind. Kapitel 3 wendet sich dem theoretischen Rahmen der vorliegenden Analyse zu. Das neoklassische Wachstumsmodell wird herangezogen, um die Auswirkungen von rent-seeking auf die Effizienz der Sach- und Humankapitalakkumulation und damit einhergehend auf den langfristigen Wachstumserfolg ressourcenreicher Länder zu untersuchen. Es wird die Hypothese aufgestellt, dass der Ressourcenfluch über den rent-seeking Kanal operiert und demnach konditional auf die Güte der institutionellen Rahmenbedingungen eines Landes in Erscheinung tritt. Kapitel 4 überprüft die Forschungshypothese empirisch. Den Kern dieses Kapitels stellt die Integration eines Interaktionsterms im Rahmen eines Querschnittsvergleichs dar, der den gemeinsamen Einfluss der Ressourcenausstattung und der institutionellen Güte eines Landes auf sein Wachstumsverhalten ermitteln soll. Hierbei handelt es sich um eine direkte Operationalisierung der Forschungshypothese. Im Fazit werden schließlich die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst.

2 Literaturüberblick

Die Literatur zum Ressourcenfluch umfasst inzwischen eine Anzahl an verschiedenen Erklärungsansätzen. Eine der geläufigsten, die sogenannte Holländische Krankheit (dutch disease)1, führt die Wachstumsschwäche ressourcenreicher Ökonomien auf ein Phänomen zurück, welches ökonomischen Niedergang mit nachteiligen Wechselkursentwicklungen aus dem Rohstoffexport begründet. Deviseneinkünfte führen hierbei zu einer Aufwertung des realen Wechselkurses eines Landes und erschweren der übrigen exportierenden Industrie wettbewerbsfähig zu bleiben. Corden und Neary (1982) bezeichnen den industriellen Sektor als lagging sector, der einem Kostendruck und der Deindustrialisierung ausgesetzt wird, weil Arbeitskräfte in den boomenden Ressourcen- oder Dienstleistungssektor wechseln. Wachstumstheoretisch bedenklich ist diese Entwicklung insbesondere dann, wenn dadurch positive Externalitäten in Form von Lern- und Verkettungseffekten verloren gehen, die vor allem im industriellen Sektor zu beobachten sind (Papyrakis u. Gerlagh, 2004, S. 182; Sachs u. Warner, 1995, S. 5). Obwohl „Dutch disease“-Ansätze einen hohen theoretischen Erklärungsgehalt aufzuweisen scheinen, zählen diese in empirischen Untersuchungen jedoch zu den schwächeren Determinanten des Ressourcenfluchs (Akanni, 2007, S. 7). Ein Problem besteht darin, dass diese Ansätze einen monoton negativen Effekt der Rohstoffexporte auf das Wachstum eines Landes unterstellen, welcher nicht mit der Beobachtung vereinbar ist, dass unterschiedliche Rohstoffe in unterschiedlicher Konzentration auch unterschiedlich zur Wohlfahrt beitragen können (Deacon u. Rode, 2012, S. 8).

Vereinbar hingegen sind diese Beobachtungen mit theoretischen Ansätzen, die eine Interaktion des Ressourcenreichtums und des politischen Systems unterstellen. Ross (2003) und Collier und Hoeffler (2004) stellen einen Zusammenhang zwischen dem Reichtum an natürlichen Ressourcen und militärischen Auseinandersetzungen und Bürgerkriegen her. Letztere finden empirisch heraus, dass der Anteil der Rohstoffexporte am Wirtschaftsprodukt einen signifikanten Einfluss zum Ausbruch dieser Konflikte leistet. Caselli und Cunningham (2009) untersuchen den Einfluss von Ressourcenrenten auf die Anreizstruktur politischer Machtinhaber und stellen heraus, dass Investitionen und die Bereitstellung öffentlicher Güter der Verwendung von Ressourcen zur Instandhaltung der eigenen Machtposition weichen. Gylfason (2001) zeigt auf, dass Ressourcenreichtum mit Korruption sowie geringen Sach- und Humankapitalinvestitionen einher geht. Öffentliche Bildungsausgaben, die Jahre der Schulausbildung sowie die Rate der Hochschuleinschreibungen fallen in ressourcenreichen Ländern deutlich geringer aus. Tornell und Lane (1999) sowie Torvik (2002) führen die Wachstumsschwäche ressourcenreicher Länder auf rent-seeking behavior zurück, einer Einflussgröße, die auch der folgenden Untersuchung zugrunde gelegt werden soll.

Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass den unterschiedlichen Erklärungsansätzen des Ressourcenfluchs ein zentraler Determinant gemein ist: die kritische Rolle der institutionellen Rahmenbedingungen in dessen Gegenwart die oben beschriebenen Entwicklungen Ausprägung finden. Obwohl Sachs und Warner (1995) die Rolle von Institutionen in ihren Untersuchungen zurückgewiesen haben, lassen die Untersuchungen von Mehlum et al. (2006) den gegenteiligen Schluss zu – gute Institutionen ermöglichen es hierbei, den Ressourcenfluch zu neutralisieren.

3. Theoretischer Rahmen

Es wurde die Vermutung aufgestellt, dass der wachstumshemmende Einfluss des Ressourcenreichtums womöglich auf schwache Institutionen zurückzuführen sein könnte. Das vorliegende Kapitel bildet den theoretischen Rahmen dieses Arguments und widmet sich einer genaueren Analyse der zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen. Es wird eine detaillierte Beschreibung des verwendeten Modells gegeben, welches anschließend auf unser Forschungsproblem angewandt wird.

3.1 Das neoklassische Wachstumsmodell

Das neoklassische Wachstumsmodell, auch Solow-Swan-Modell genannt, bildet ein zweckmäßiges Instrumentarium zur Untersuchung langfristiger Wachstumseffekte. Grundlage dieses Modells stellt die aggregierte Produktionsfunktion dar, die die Abhängigkeit der aggregierten Produktion Y vom aggregierten Kapitalstock K2, der aggregierten Beschäftigung N und dem Stand der Technik A beschreibt:

Y = F ( K, N, A) (1)

Es wird angenommen, dass diese Funktion linear-homogen vom Grade 1 ist und somit konstante Skalenerträge aufweist. Für einen gegebenen Stand der Technik bedeutet dies, dass eine proportionale Veränderung des Kapitalstocks und der Beschäftigung auch die Produktion mit demselben Proportionalitätsfaktor ansteigen lässt. Darüber hinaus werden abnehmende Grenzerträge der Produktionsfaktoren unterstellt. Aus erster Annahme folgt, dass man die Variablen der Produktionsfunktion auch als Einheiten „je Beschäftigten“ ausdrücken kann:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Gleichung (2)3 zeigt, dass die Produktion eine Funktion des Kapitals je Beschäftigten – der sogenannten Kapitalintensität – darstellt. Um den Einfluss der Sach- und Humankapitalakkumulation auf das Wachstum bzw. das langfristige Niveau des Pro-Kopf-Einkommens zu untersuchen, legt das Solow-Swan-Modell Annahmen über die zeitliche Veränderung des Kapitalstocks zugrunde, welcher im vereinfachten Modell durch die Investitions- und die Abschreibungsquote einer Volkswirtschaft determiniert wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die linke Seite der Gleichung bezeichnet die zeitliche Veränderung der Kapitalintensität zwischen den Zeitpunkten t+1 und der Vorperiode t. Die Funktion sf ist die Produktionsfunktion aus Gleichung (2), multipliziert mit der Sparquote s – ein konstanter Anteil des Einkommens wird somit gespart und investiert. Der zweite Term auf der rechten Seite der Gleichung gibt das Investitionsniveau an, welches benötigt wird, um den Kapitalbestand je Beschäftigten konstant zu halten. Da ein konstanter Anteil des Kapitalbestandes über die Zeit hinweg verschleißt und unbrauchbar wird, bezeichnet die Abschreibungsrate des Kapitals. Das Investitionsniveau muss deshalb genau den Anteil des Kapitalstocks annehmen, um den Kapitalbestand je Beschäftigten4 konstant zu halten (Blanchard u. Illing, 2009, S. 368f). Gleichung (3) besagt demzufolge, dass die Kapitalintensität steigt, sofern die tatsächlichen Investitionen die benötigten Investitionen übersteigen, und fällt, sofern das Gegenteil der Fall ist.

Die Gleichungen (2) und (3) enthalten die benötigten Informationen, um den dynamischen Einfluss der Kapitalakkumulation auf die Produktion verstehen und Aussagen über die Determinanten des Wachstums im Solow-Swan-Modell treffen zu können. Abbildung 1 visualisiert die zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen. Der Schnittpunkt zwischen der Gerade der benötigten Investitionen und der tatsächlich realisierten Investitionen ist jener Punkt, an dem das Verhältnis von Kapital zu Beschäftigung konstant bleibt. Wir befinden uns an dieser Stelle im sogenannten Steady State, einem Ruhepunkt, an dem kein Wachstum der Pro-Kopf-Größen mehr verzeichnet werden kann.5 Im Steady State befinden wir uns darüber hinaus in einem Gleichgewichtszustand. Weicht das in einer Volkswirtschaft realisierte Investitionsniveau von demjenigen Investitionsniveau ab, welches notwendig ist, um die Kapitalintensität konstant zu halten, dann konvergiert das Verhältnis des Kapitalbestands zur Beschäftigung (K/N) zu seinem ausgewogenen Steady State Niveau (K/N)*. Übersteigen die tatsächlichen

Abbildung 1: Dynamische Entwicklung von Kapital und Produktion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Blanchard u. Illing, 2009, S. 339.

Investitionen (Punkt B) in Abbildung 1 die benötigten Investitionen (Punkt A), findet im Zeitverlauf eine Kapitalintensivierung statt. Der Kapitalbestand wächst jedoch nur vorübergehend schneller als die Beschäftigung, solange wie die getätigten Investitionen die Abschreibungen übersteigen. Die Kapitalakkumulation führt somit lediglich während des Anpassungsprozesses zum Steady State Niveau zu einem Wachstum der Produktion je Beschäftigten. Im Steady State hingegen wächst diese nur über den Parameter des technischen Fortschritts .

Die Sach- und Humankapitalakkumulation, so lässt sich festhalten, bildet im vereinfachten Solow-Swan-Modell mit exogen gegebenem technischem Fortschritt den zentralen Wachstumsmotor. Da wir im Rahmen unserer Analyse die effiziente Allokation unserer Produktionsfaktoren jedoch hinterfragen, ist es nötig das Modell um einen Parameter zu ergänzen, der einer ineffizienten Verwendung von Ressourcen Rechnung trägt. beschreibt aus diesem Grund denjenigen Anteil an Ressourcen, der der produktiven Verwendung abhanden kommt, etwa weil ein schwaches institutionelles Umfeld ausgeprägte Rentensuchanreize befördert, welche die effiziente Allokation von Sach- und Humankapital beeinträchtigen.6 Renten sind im Allgemeinen definiert als Auszahlungen, die der Eigentümer einer Ressource über seine Opportunitätskosten für deren Nutzung hinaus erhält ohne eine weitere Gegenleistung dafür zu erbringen (vgl. Kolstad u. Wiig, 2009, S. 5318). Rent-seeking beschreibt das Streben nach Renten. Übersteigen die zu erwartenden Auszahlungen aus rent-seeking Aktivitäten den zu erwartenden Nutzen der alternativen und zumeist produktiveren Verwendung, dann ist es individuell rational, Ressourcen, ob in Form von Sach- oder Humankapitalvermögen, in gesamtgesellschaftlich unproduktive Tätigkeiten zu überführen. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive impliziert rent-seeking demnach eine allokativ ineffiziente Aufteilung von Fähigkeiten und Talenten – anstatt produktive Wertschöpfung zu betreiben und neue Vermögenswerte zu generieren, findet lediglich eine Redistribution bereits bestehender Vermögenswerte statt (vgl. Murphy et al., 1991, S. 505; Kolstad u. Søreide, 2009, S. 216). „Real resources, like labor time, entrepreneurship and talent, are allocated to unproductive corruption and rent seeking, rather than being employed in productive and growth-promoting activities. For instance, entrepreneurs, lawyers, lobbyists, chief executives, etc., invest time and resources on red tape and bribing, lobbying and political influence, spying, negotiations or court suits, and other wasteful corruption/rent seeking activities.” (Angeletos u. Kollintzas, 2000, S. 4).

Abbildung 2 erweitert unser Modell graphisch um den erwähnten Parameter , der als Ausmaß realisierten rent-seekings interpretiert oder auch alternativ als Indikator für die Güte bestehender Institutionen aufgefasst werden kann. Diese Zweideutigkeit ergibt sich schlicht aus der Tatsache, dass rent-seeking zumeist dort Verbreitung findet, wo Regierung und Staatsapparat korrupt und intransparent, Verfügungsrechte über Ressourcen unzureichend geregelt und Institutionen allgemein schwach etabliert sind. Die Interpretation der Abbildung gestaltet sich analog zu derjenigen aus Abbildung 1, mit dem Unterschied, dass eine Abschreibung auf das in einer Volkswirtschaft potentiell zur Verfügung stehende Sach- und Humankapital abbildet. Gegeben der zuvor abgeleiteten Eigenschaften des rent-seeking behavior erscheint es plausibel, die allokative Ineffizienz unserer Produktionsfaktoren als Abschreibung auf den aggregierten Sach- und Humankapitalbestand zu betrachten. Leicht plünderbare physische Ressourcen können hohe Rentensuchanreize im privaten Sektor befördern, ebenso kann sich der öffentliche Sektor an den Renteneinnahmen seiner Ressourcenexporte insgeheim bereichern. In beiden Fällen findet eine Abschreibung auf den Sachkapitalbestand statt, weil Investitionen zur Abschöpfung gegebener Renten nicht benötigt werden. Im ersten Fall findet zudem eine Abschreibung auf den Humankapitalbestand statt, weil rent-seeking die Bildungsanforderungen an eine Gesellschaft herabsetzt und darüber hinaus fähige und talentierte Menschen, die das Potential zur unternehmerischen Selbstständigkeit mitbringen, in die Unproduktivität überführt: „Rent-seeking exerts negative externalities on the productivity of human capital“ (Lagerlöf u. Tangeras, 2008, S. 760) . Zwei wichtige Beobachtungen lassen sich festhalten: (1) der langfristige Steady State einer Ökonomie liegt umso höher, je geringer der

Abbildung 2: Einfluss von rent-seeking auf die Allokation von Sach- und Humankapital

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Blanchard u. Illing, 2009, S. 339; eigene Modifikation.

rent-seeking Parameter ausfällt und desto effizienter unsere Produktionsfaktoren verwendet werden (Punkt SS0). Darüber hinaus wachsen Ökonomien im Rahmen des Transitionsprozesses umso stärker, je weiter diese von ihrem langfristigen Steady State entfernt sind und desto geringer ihre anfängliche Kapitalintensität ausfällt.7 (2) Initiativen, die die institutionelle Güte eines Landes verbessern, können das Ausmaß an rent-seeking vermindern, Produktionsfaktoren ihrer produktiven Alternative zuführen und dadurch einen Transitionsprozess einleiten, der von Wirtschaftswachstum und letztlich einem höheren Pro-Kopf-Einkommen begleitet wird.

3.2 Ressourcenreichtum und rent-seeking

Im vorliegenden Abschnitt soll eine Anwendung der zuvor hergeleiteten theoretischen Überlegungen auf unseren Untersuchungsgegenstand erfolgen. Rent-seeking wurde in der Theorie als Faktor identifiziert, der Wachstumsschwäche über den Kanal der wegbrechenden Sach- und Humankapitalakkumulation zu erklären vermag. Die folgende Argumentation soll darlegen, dass dieser Mechanismus auch zur Erklärung der Wachstumsschwäche ressourcenreicher Länder herangezogen werden kann.

Um das Wachstumsverhalten ressourcenreicher Länder näher untersuchen zu können, ist es notwendig, sich den Eigenschaften ihrer Ressourcen bewusst zu werden. Während Wettbewerbsmechanismen die ökonomischen Profite reproduzierbarer Güter in der Regel gegen Null konvergieren lassen, ist es der geographischen Verfügbarkeit und des relativ fixen Angebots natürlicher nicht-erneuerbarer Ressourcen zuzuschreiben, dass diese Profite zu realisieren vermögen, die die Produktionskosten bei weitem übersteigen können (Kolstad u. Søreide, 2009, S. 219). Inwiefern Ressourcenrenten (alternativ auch windfall gains oder windfall profits genannt) produktive Verwendung finden bzw. wie stark die zuvor abgeleiteten rent-seeking Anreize auf die involvierten Akteure wirken, ist dabei maßgeblich auf die institutionellen Rahmenbedingungen einer Gesellschaft zurück zu führen.

Rent-seeking8 umfasst nicht nur die Entscheidung privater Akteure ihre Ressourcen (Zeit, Geld, etc.) alternativen, produktiven oder unproduktiven, Verwendungen zuzuführen. Insbesondere der öffentliche Sektor kann sich an seinen Einnahmen aus dem Ressourcenexport bereichern, anstelle die generierten finanziellen Mittel für wachstumstheoretisch sinnvolle Investitionen zu nutzen. Wir unterscheiden im Folgenden zwischen zentralisierten öffentlichen rent-seeking und dezentralisierten privaten rent-seeking. Während erstes vor allem die unproduktive Verschwendung externer Renten durch politische Eliten beschreibt, behandelt zweites die Anreizwirkungen privater Akteure und die Allokation ihrer Ressourcen zwischen produktiven und unproduktiven Verwendungen (Kolstad u. Wiig, 2009, S. 5318). Es wird im Folgenden dargelegt, dass unvorteilhafte institutionelle Rahmenbedingungen einen Wohlfahrtsverlust induzieren können, der den ökonomischen Wert der Renten sogar übersteigen und der Wirtschaft dadurch beträchtlichen Schaden zufügen kann.

3.2.1 Rent-seeking im öffentlichen Sektor

„Secrecy over states revenues encourages ruling elite to mismanage and misappropriate money rather than invest in long-term development.” (George Soros, zitiert nach Li, 2013, S. 573)

Regierungen stellen in der Regel diejenige Instanz dar, die die primäre Verfügungsgewalt über den physischen Ressourcenreichtum ihres Landes inne hat und dadurch als Erste in den Genuss von Ressourcenrenten gelangt (Kolstad u. Søreide, 2009, S. 219; Tornell u. Lane, 1999, S. 39). Inwiefern der Ressourcenreichtum zum Wohlstand eines Landes beitragen kann, ist deshalb insbesondere auf die Art und Weise zurück zu führen, auf die daraus generierte Ressourcenrenten von öffentlichen Entscheidungsträgern verwendet werden. Unter optimalen Bedingungen stimulieren die additionalen Ressourcenrenten das öffentliche Investitionsverhalten, wodurch gesamtgesellschaftlich mehr Sach- und Humankapital akkumuliert und Wachstum generiert werden kann. Die Realität ist in vielen ressourcenreichen Ländern jedoch eine andere. „They [the rents] are shared between resource companies and governments in the first instance, and from then on are distributed in the form of side payments to powerful elites, as subsidies to a wider swath of society, and so on; they then finally enter the public coffers to be transformed into government saving, consumption, and investment for public good.” (Barma et al., 2012, S.22) .

Tornell und Lane (1999) legen über den sogenannten „voracity-effect“ dar, wie windfall gains Investitionen und damit Wachstumspotentiale in Ländern beeinträchtigen können, die durch eine geringe „legale politische Infrastruktur“ geprägt sind und deren Machtinhaber sich über ihre fiskalpolitische Autonomie ungehindert selbst bereichern können. Die Wachstumsschwächen in Nigeria, Venezuela und Mexico während mehrerer Ölpreisschocks, so wird dargelegt, scheinen maßgeblich auf die überproportionale Erhöhung der Staatsausgaben dieser Länder für unproduktive Zwecke zurück geführt werden zu können – „[...] appropriated resources were consumed, invested in safe but inefficient activities, or transferred overseas.“ (Tornell u. Lane, 1999, S. 40) . In Ländern, in denen sich das Wirtschaftsprodukt aus einem hohen Anteil an Ressourcenrenten zusammensetzt, sind die beschriebenen Anreizstrukturen vielmehr die Regel als die Ausnahme (vgl. Kolstad u. Søreida, 2009, S. 214). Diese sogenannten rentier states weisen zumeist autoritäre und institutionell schwache Strukturen9 auf, die wie maßgeschneidert auf die möglichst hohe Abschöpfung von Ressourcenrenten zu sein scheinen. Unter anderem liegt dies darin begründet, dass die externen Renten aus dem Ressourcenexport die fiskalpolitische Steuerbedürftigkeit des Staates bzw. seiner Machtinhaber und damit einhergehend die Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bürger schmälern. Es ist aus diesem Grunde nicht verwunderlich, dass unter den Entwicklungsländern vor allem diejenigen rudimentäre bis gar keine funktionsfähigen Steuersysteme aufweisen können, die reich an natürlichen Ressourcen sind (vgl. Farzanegan, 2014, S. 8).

Um sich dem privilegierten Zugang zu Ressourcenrenten auch längerfristig gewiss sein zu können, nutzen die machthabenden politischen Eliten eben jene Renten auch zur Instandhaltung ihrer eigenen Machtposition. Sind zivile Rechte institutionell unzureichend verankert, können staatlich unabhängige soziale Bewegungen oder andere staatliche Vetospieler ohne größere Schwierigkeiten zerschlagen werden, dies gilt umso mehr, je größer der Anteil der Verwendungen aus den Ressourceneinnahmen für militärische Aufrüstungen oder anderweitige Repressalien ausfällt (vgl. Akanni, 2007, S. 6).

Patronage-Netzwerke bildet ein weiteres Instrumentarium zur Machterhaltung. Während politischer Wettbewerb der Willkür der Regierenden in der Regel Grenzen setzt und diese disziplinieren kann (Kolstad u. Søreide, 2009, S. 217), werden Ressourcenrenten gezielt dazu eingesetzt, diesen Wettbewerb zu unterbinden und die eigene Machtposition weiter zu verfestigen. Dies geschieht etwa über die Bestechung oder Repression politischer Wettbewerber sowie über die Bevorzugung politischer Unterstützer. Rentier states sind dafür bekannt, einen überflüssig hoch besetzten öffentlichen Sektor zu unterhalten, der dadurch bedingt wird, dass politischen Unterstützern Stellen in der Regierung oder in anderweitig öffentlich unterhaltenen Einrichtungen in Aussicht gestellt werden. Die allokativ ineffiziente Verwendung öffentlicher Ressourcen kommt darüber hinaus auch im Rahmen getätigter Investitionen selbst zum Vorschein – ob Investitionen Wachstum induzieren können ist nicht nur eine quantitative, sondern insbesondere eine qualitative Frage. Robinson und Torvik (2004) beschreiben Investitionen, die politisch von Bedeutung sein können, ökonomisch jedoch keinen Mehrwert, sondern vielmehr einen Wohlfahrtsverlust bedingen durch „white elephants“. Investitionen werden hierbei spezifischen Gruppen der Gesellschaft zuteil, deren Unterstützung man sich damit für bevorstehende Wahlen sichert – man spricht deshalb auch von politischen Klientelismus.

[...]


1 Benannt nach den negativen ökonomischen Entwicklungen der Niederlande nach der Entdeckung von Erdgasvorkommen in den 1960er Jahren.

2 Der aggregierte Kapitalstock K setzt sich im Rahmen unserer Untersuchung sowohl aus dem Sach-, als auch aus dem Humankapitalbestand einer Volkswirtschaft zusammen. Die Interpretation des Humankapitals gestaltet sich analog zu derjenigen des Sachkapitals (Blanchard u. Illing, 2009, S. 355)

3 Der Stand der Technik A wird zur Vereinfachung ausgeklammert.

4 Um sich auf die Bedeutung der Kapitalakkumulation für das Wachstum zu konzentrieren, wird vereinfachend eine konstante Bevölkerungsgröße, Partizipationsrate und Arbeitslosenquote angenommen. Dies impliziert, dass auch die Anzahl der Beschäftigten N konstant bleibt.

5 In einem Modell mit technischem Fortschritt beschreibt der Steady State einen ausgewogenen Wachstumspfad – ausgewogen, gerade weil im Steady State die Produktion und die Inputfaktoren ausgewogen mit der gleichen Rate des technischen Fortschritts wachsen (Blanchard u. Illing, 2009, S. 372).

6 Eine umfangreichere Modellierung von rent-seeking im neoklassischen Wachstumsmodell liefern Barelli und Passôa (2004).

7 Unterentwickelte Länder weisen zumeist eine äußerst geringe Kapitalintensität auf, die ein Entwicklungshemmnis darstellen kann. Die Annahme abnehmender Grenzerträge des Kapitals impliziert jedoch auch, dass der Grenzertrag der Kapitalakkumulation in Länder mit geringer Kapitalintensität umso höher ausfällt.

8 Eine genauere Abgrenzung zum traditionellen rent-seeking (monopolies, tariffs, subsidies) Begriff findet sich in Deacon u. Rode (2012).

9 Beblawi (1987) stellt die starke Abhängigkeit von Renten, sowie die Konzentration dieser Renten auf wenige staatliche Autoritäten als förderlich und charakteristisch für die Entwicklung zum rentier state heraus.

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Detalles

Título
Wachstumseffekte von Ressourcenreichtum unter Einfluss von Rent-seeking behavior. Eine empirische Analyse
Universidad
Ruhr-University of Bochum
Calificación
1,3
Autor
Año
2014
Páginas
42
No. de catálogo
V334509
ISBN (Ebook)
9783668247086
ISBN (Libro)
9783668247093
Tamaño de fichero
766 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Wachstumseffeke, rent-seeking behaviour, Ressourcenreichtum
Citar trabajo
Kevin Grubiak (Autor), 2014, Wachstumseffekte von Ressourcenreichtum unter Einfluss von Rent-seeking behavior. Eine empirische Analyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334509

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