Selbstgesteuertes Lernen von Erwachsenen im Instrumentalunterricht. Theoretische Grundlagen und empirische Untersuchung


Seminar Paper, 2016

101 Pages, Grade: 14


Excerpt


Inhalt

1 EINLEITUNG

2 AKTUELLE SITUATION - MUSIZIEREN IM LAIENBEREICH
2.1 Schülerzahlen und Altersverteilung an Musikschulen

3 ERWACHSENENBILDUNG
3.1 Definition: Der Erwachsene
3.2 Lernen im Erwachsenenalter
3.3 Musikalisches Lernen im Erwachsenenalter
3.3.1 Aktueller Forschungsstand
3.4 Zusammenfassung

4 THEORETISCHE HINTERGRÜNDE: SELBSTGESTEUERTES LERNEN
4.1 Selbststeuerung
4.1.1 Komponenten der Selbststeuerung nach Kuhl
4.2 Selbstgesteuertes Lernen
4.2.1 Begriffsklärung
4.2.2 Modelle des selbstgesteuerten Lernens
4.2.2.1 3-Komponenten-Modell selbstgesteuerten Lemens von Friedrich und Mandel
4.2.2.2 3-Schichten-Modell des selbstregulierten Lernens nach Boekaerts
4.2.2.3 Die sozial-kognitive Perspektive nach Zimmermann
4.2.3 Lernstrategien
4.2.4 Selbst- versusfremdgesteuertes Lernen

5 METHODISCHES VORGEHEN
5.1 Datenerhebung: Qualitatives Interview
5.1.1 Leitfadeninterview
5.2 Datenauswertung nach der Grounded Theory
5.2.1 Grounded Theory
5.2.1.1 Das Verfahren

6 DIE EIGENE UNTERSUCHUNG
6.1 Untersuchungsdesign und Untersuchungsdurchführung
6.2 Forschungsergebnisse: Auswertung der Interviews
6.2.1 Auswertung des Interviews mit KN (68)
6.2.2 Auswertung des Interview mit IB (54)
6.2.3 Auswertung des Interview mit KL (57)
6.2.4 Auswertung des Interview mit US (61)
6.2.5 Auswertung des Interview mit TP (46)
6.3 Fallübergreifende Diskussion

7 FAZIT/AUSBLICK

8 REFLEXION DES ARBEITSPROZESSES

9 LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

10 ANHANG
10.1 Anhang I : Interviews
10.1.1 Interview mit KN
10.1.2 Interview mit IB
10.1.3 Interview mit KL
10.1.4 Interview mit US
10.1.5 Interview mit TP
10.2 Anhang II: Analysewege
10.3 Anhang III: Titelliste der MP3s auf CD

1 Einleitung

Durch die fortschreitende Globalisierung und die wirtschaftlichen Entwicklungen nimmt die Wichtig­keit des lebenslangen Lernens immer zu. Die Anforderung an Beschäftige wird größer. Es wird erwar­tet, dass sie in der Lage sind, sich immer weiter Wissen und neue Fähigkeiten anzueignen, um sich neuen Anforderungen und Situationen anpassen zu können. In diesem Zusammenhang spielt das Kon­zept des selbstgesteuerte Lernen eine große Rolle. Hier regelt der Schüler alle Komponenten des Ler­nens selbstverantwortlich. Ohne ein Mindestmaß dieser Selbststeuerung ist erfolgreiches Lernen nicht möglich (vgl. Weinert 1982). In den allgemeinbildenden Schulen werden die Fähigkeiten, die nötig sind, um selbstgesteuert lernen zu können, allerdings noch immer wenig gelehrt. Erst in den Universi - täten und auf dem zweiten Bildungsweg müssen sich Studenten ihr Wissen selbst aneignen und Bedin­gungen schaffen, um ein Lernziel erfolgreich erreichen zu können. Mit den durch den demografischen Wandel einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen bekommt das lebenslange und damit das selbstgesteuerte Lernen eine noch größere Bedeutung und wird zur Herausforderung für Lernende und Lehrende. Welche genauen Auswirkungen der gesellschaftliche Wandel hat, fasst das Statistische Bundesamt in der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung zusammen: ,,(...) Die Zahl der Gestorbenen übersteigt die Zahl der Geborenen immer mehr. Das dadurch wachsende Geburtendefizit kann auflange Sicht nicht von der Nettozuwanderung kompensiert werden. (...) (Abbildung aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.)

Abb. 1: Quelle: Statistisches Bundesamt: Lange Reihen, 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de, Bundeszentrale für politische Bildung, 2012

Das Altem der heute stark besetzten mittleren Jahrgänge führt zu gravierenden Verschiebungen in der Altersstruktur. (...) Die Alterung schlägt sich insbesondere in den Zahlen der Hochbetagten nieder. Im Jahr 2013 lebten 4,4 Millionen 80-Jährige und Ältere in Deutschland, dies entsprach 5,4% der Bevöl­kerung. Ihre Zahl wird kontinuierlich steigen und mit fast 10 Millionen im Jahr 2050 den bis dahin höchsten Wert erreichen. (...) Es ist also damit zu rechnen, dass in 50 Jahren etwa 13% der Bevölke­rung - das ist etwa jeder Achte - 80 Jahre und älter sein wird. Die Bevölkerung im Erwerbsalter wird von Schrumpfung und Alterung stark betroffen sein. Als Erwerbsalter wird hier die Spanne von 20 bis 64 Jahren betrachtet. Im Jahr 2013 gehörten 49,2 Millionen Menschen dieser Altersgruppe an. Ihre Zahl wird nach 2020 deutlich zurückgehen und 2030 etwa 44 bis 45 Millionen betragen. 2060 werden dann etwa 38 Millionen Menschen im Erwerbsalter sein. (...) Der Bevölkerung im Erwerbsalter wer­den künftig immer mehr Seniorinnen und Senioren gegenüberstehen. (...) Bei einer Altersgrenze von 67 Jahren wird der Altenquotient im Jahr 2060 bei schwächerer Zuwanderung 57 und bei stärkerer Zuwanderung 54 betragen (im Jahr 2013 lag erbei 30). (...)“ (Statistisches Bundesamt 2015, S. 5 ff.).

Durch diesen gesellschaftlichen Wandel werden die Hochbetagten bald einen unübersehbaren Bevöl­kerungsteil ausmachen und die Älteren von morgen werden auch gesünder, gebildeter und aktiver sein als die Älteren von heute. So müssen für die aktiven älteren Personen Möglichkeiten geschaffen wer­den, ihren Alltag sinnvoll zu gestalten, um weiterhin ein aktiver Teil der Gesellschaft zu sein und auch Sozialkontakte knüpfen zu können. Die Beschäftigung mit Musik kann hier eine große Rolle spielen. Auch Erwachsene im mittleren Alter finden immer öfter den Weg zum Instrument. Sie werden durch die eigenen Kinder motiviert, die ein Instrument lernen, möchten sich einen lange gehegten Wunsch erfüllen oder an den Musikunterricht anknüpfen, den sie als Kind begonnen, aber aus diversen Grün­den wieder abgebrochen haben.

Die Gründe, warum Erwachsene und Senioren den Musikunterricht besuchen, sind vielfältig und stel­len die Musikschulen und Musikpädagogen vor Herausforderungen. Das Forschungsprojekt, das die Grundlage für diese Arbeit bildet, befasst sich deshalb mit der Frage nach dem Lernen von erwachse - nen Instrumentalschülern und Instrumentalschülerinnen1. Im Mittelpunkt steht das „selbstgesteuerte Lernen“, das in der Erwachsenenbildung eine große Rolle spielt. Hierzu ist es nötig, sich zuerst mit den theoretischen Hintergründen von „Lernen im Erwachsenenalter“ auseinanderzusetzen. Hier wer­den die Fragen geklärt, welche Merkmale erwachsene Schüler aufweisen und welche Unterschiede zu Schülern im Kindesalter zu erwarten sind.

Die Forschungen zum musikalischen Lernen bei Erwachsenen sind noch recht jung. Diese Arbeit soll dazu einen Beitrag leisten. Anhand der in dieser Forschungsarbeit ausgewerteten Interviews soll her­ausgefunden werden, wie das Lernen eines Instrumentes im Erwachsenenalter erlebt wird, wie mit der Lemsituation umgegangen wird und inwiefern die Merkmale des Lemens im Erwachsenenalter zutref­fen. Darüber hinaus soll in Erfahrung gebracht werden, welche Komponenten der Selbststeuerung, die im dritten Kapitel erklärt werden, am häufigsten oder am geringsten anzutreffen sind und welche Konsequenzen daraus entstehen. Zur Beantwortung dieser Fragen wurden fünf erwachsene Instrumen­talschüler zu ihrem Übeverhalten befragt.

Das erste Kapitel dieser Arbeit befasst sich mit der Frage nach der Brisanz der musikalischen Erwach­senenbildung im Hinblick auf die aktuelle Situation des musikalischen Laienmusizierens und der Si­tuation an Musikschulen. Im nächsten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der allgemeinen und der musikalischen Erwachsenenbildung im Speziellen behandelt. Im abschließenden Teil des Ka­pitels wird der aktuelle Forschungsstand dargelegt und ein Fazit aus den gewonnenen Erkenntnissen gezogen.

Das dritte Kapitel setzt sich mit den theoretischen Hintergründen zu selbstgesteuertem Lernen ausein­ander. Dazu werden zuerst die Komponenten der Selbststeuerung erklärt und dann der Begriffs des selbstgesteuerten Lernens erläutert, um anschließend drei Modelle des selbstgesteuerten Lernens zu beleuchten. Der nächste Teil dieses Kapitels befasst sich mit den Lernstrategien und dem Unterschied zwischen selbst- und fremdgesteuertem Lernen. Im fünften Kapitel wird das methodische Vorgehen für die vorliegende Forschungsarbeit dargestellt. Dabei werden die Methoden der Datenerhebung und -auswertung skizziert und das Verfahren erläutert. Im sechsten Kapitel wird das eigene Untersu­chungsdesign und die Untersuchungsdurchführung beschrieben und danach die Auswertung der ein­zelnen Interviews mit einer vorangestellten Kurzvorstellung der Interviewpartner präsentiert. Im nächsten Kapitel werden die Ergebnisse der fünf Interviews verglichen und zueinander in Beziehung gestellt.

2 Aktuelle Situation - Musizieren im Laienbereich

Den Angaben des Deutschen Musikinformationszentrums zufolge, die sich auf Studien und Bevölke­rungsumfragen verschiedener Forschungsinstitute stützen, singen etwa 4 Millionen Menschen über 14 Jahre in einem Chor oder in einem anderen Ensemble. Im Bereich des instrumentalen Laienmusizie- rens sind es rund 9 Millionen. 32% der Sänger geben an, auch ein Instrument zu spielen. So beläuft sich die Summe der musizierenden Laien ab 14 Jahren insgesamt auf rund 12 Millionen Menschen (vgl. Reimers 2014, S. 2).

Nach einer Repräsentativerhebung des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft, die der Verband deutscher Musikschule 1988 in Auftrag gegeben hatte, hat mehr als ein Drittel der erwachsenen Be­völkerung Deutschlands ernsthaftes Interesse an Musik. 11 % davon gaben an. schon ein Instrument zu spielen, während 14% aussagten, dass sie Spaß daran hätten, ein Instrument zu erlernen. Die aktuelle Diskussion konzentriert sich mittlerweile stark auf die musisch-kulturellen Bedürfnisse älterer Men­schen (vgl. Spiekermann 2009, S. 15). Auch der Deutsche Musikrat hat sich mit der Frage der musika­lischen Fortbildung für Erwachsene beschäftigt und prangert an, dass die „Möglichkeit zur Erfahrung von und zur Beschäftigung mit Musik für die Älteren signifikant unterentwickelt sind“

(Deutscher Musikrat 2007, o. S.). So ist das Ergebnis eines Kongresses die „Wiesbadener Erklärung“, die Handlungsaufforderungen an Politik und Gesellschaft enthält, um das aktive Musizieren im Alter zu verbessern. „Der Deutsche Musikrat kann - angesichts der schon heute vorhandenen Altersarmut - nicht akzeptieren, dass zukünftig breite Bevölkerungsschichten, insbesondere im dritten und vierten Lebensalter, von der kulturellen Teilhabe ausgeschlossen werden. Angesichts dieser Erkenntnisse ist es ein gravierendes Versäumnis, dass die gesellschaftspolitische Debatte und die damit einhergehende Bewusstseinsbildung um die Wirkungen von Musik im Hinblick auf die Generationen 50+ bislang so gut wie gar nicht geführt wird“ (ebd.).

Die Wiesbadener Erklärung enthält zwölf Forderungen, die klar fordern, dass die Rahmenbedingun­gen für das Musizieren mit Erwachsenen und Älteren angepasst werden müssen. Was das in der Praxis bedeutet, wird bspw. in Punkt 4 und 5 erläutert:

4. Die Hochschulen und Universitäten müssen die Studierenden gezielt auch für die fachspezifi­schen Anforderungen der Arbeit mit älteren Menschen qualifizieren. Die Fachdidaktik bedarf einer verstärkten Forschung.
5. Die Musikschulen müssen strukturell und finanziell in die Lage versetzt werden, Angebote für ältere Menschen bedarfsgerecht bereitstellen zu können. Dazu gehört eine Erweiterung des Angebotes, um auch bei denen die Motivation zum Musizieren zu wecken, denen bisher musi­kalische Erfahrungen vorenthalten wurden (vgl. Deutscher Musikrat 2007, o. S.).

Schafft man neue Möglichkeiten, Erwachsenen und Älteren den Weg zur Musik zu vereinfachen, schafft man auch einen größeren Anreiz und weckt die Neugierde derjenigen, die vielleicht auch we­gen des geringen Angebots fälschlicherweise denken, dass Musik- und Instrumentalunterricht nur für Kinder ist und Jugendliche möglich ist.

2.1 Schülerzahlen und Altersverteilung an Musikschulen

Lag der Fokus der musikalischen Ausbildung an Musikschulen bis vor ein paar Jahren noch vor allem auf der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen, so verändern sich seit einiger Zeit durch die grö­ßere Nachfrage langsam auch die Lehrangebote für Erwachsene und Senioren. Dazu tragen auch die aktuellen Forschungsergebnisse bezüglich der Möglichkeit des Erlernens eines Instrumentes im Er­wachsenenalter bei. Sprichwörter wie „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ sind über­holt. Wie sieht also der aktuelle Stand an den Musikschulen aus? Der Anteil der Erwachsenen stabili - siert sich bundesweit seit mehreren Jahren bei etwa 10% der Schülerbelegungen der Musikschulen (s. Abb. 2). Besonders ältere Erwachsenen, mit leichten Zuwächsen bei den Senioren, suchen den aktiven Kontakt zur Musik, indem sie sich an Musikschulen anmelden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Schülerzahl und Altersverteilung an Musikschulen (VdM 2014)

https://www.musikschulen.de/medien/fotos/zahlen_und_fakten/grafik-schuelerzahl-und-altersverteilung-2015.jpg

Auch das Deutsche Musikinformationszentrum veröffentlicht regelmäßig Zahlen, wie sich die Schü­lerzahlen entwickeln und sich altersmäßig verteilen. Demnach hat sich die allgemeine Schülerzahl aus dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2014 von 867 961 Schülern auf 1 332 634 Schülern erhöht. Wenn man sich darunter die Entwicklungen in den Erwachsenenjahrgängen anschaut, hat man bei den 19 bis 25­Jährigen ein Wachstum von 35 150 auf 38 892 Schülern, bei den 26 bis 60-Jährigen von 50 562 auf 70 816 und bei den über 60-Jährigen ein Wachstum von 5 388 auf 18 760 Schülern. Die Erwachsenen und Senioren entwickeln sich immer mehr zu einer wichtigen Zielgruppe in der Musikpädagogik.

3 Erwachsenenbildung

3.1 Definition: Der Erwachsene

„Erwachsen sein lässt sich nicht nur durch das Lebensalter definieren, sondern ist eine soziale und kulturelle, aber auch eine individuelle Konstruktion: Jugend, Erwachsensein, Alter hängen von der Lebenssituation und vom Lebensgefühl, von der Selbst- und Fremdwahrnehmung, auch von den ge­sellschaftlichen Verhältnissen ab “ (Siebert2011, S. 14).

Da Menschen sich ganz unterschiedlich entwickeln und es in der Entwicklung (vor allem im Erwach­senenalter) keine Sprünge oder abrupten Veränderungen gibt, ist es schwierig, die verschiedenen Le­bensabschnitte klar zu trennen und einem Alter zuzuordnen. Die Abschnitte gehen fließend ineinander über. Nichtsdestotrotz ist es üblich, die Entwicklung in „Stadien“ einzuteilen. Die einfachste Tren­nung unterscheidet zwischen der Kindheit und der Jugend (Adoleszenz). Auch das Erwachsenenalter wird grob in drei Abschnitte eingeteilt: das Frühe, das Mittlere und das Späte Erwachsenenalter. Meh­rere Entwicklungspsychologen haben entschieden, dass sich das Frühe Erwachsenenalter auf den Al­terszeitraum von 20 bis 40 Jahren erstreckt, darauf folgend das Mittlere Erwachsenenalter, das bei 65 Jahren endet, und das Späte Erwachsenenalter. Diese Abschnitte können im Einzelfall,je nach persön­licher Entwicklung und Lebensereignissen, natürlich variieren und sind nur eine Annäherung (vgl. Mietzel 1997, S. 18).

3.2 Lernen im Erwachsenenalter

„Das Lernen im Alter gehört zu den gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft. Ältere Men­schen lernen zwar langsamer als junge, dafür haben sie jedoch bereits sehr viel gelernt und können dieses Wissen dazu einsetzen neues Wissen zu integrieren“ (Spitzer 2010, S. 31).

Die Menschen werden mit dem Drang zum Lernen und Entdecken ihrer Umwelt geboren. Diese Neu­gierde treibt sie an, die Welt zu erkunden und verstehen zu wollen. Kinder suchen von Natur aus nach neuem Wissen und Erfahrungen und gehen meist vorbehaltlos an neue Dinge heran. In Versuchen konnte nachgewiesen werden, dass, je neugieriger die Probanden einer Versuchsreihe auf die Antwort einer Frage waren, desto größer war der Anteil der korrekt behaltenen richtigen Antworten. „Ereignis­se in der Umgebung (Fragen) triggern in unterschiedlichem Maß die Neugier, das heißt die Suche nach Information. Diese Information hat belohnenden Charakter, und dieser Belohnungseffekt ist in den Basalganglien2repräsentiert. Diese wiederum versorgen das Arbeitsgedächtnis im Fronthim mit dopaminergem Input, (...) eine stärkeren Repräsentation (...) der Frage bewirkt eine bessere Einspei­cherung der Antwort und sichert damit ihr besseres langfristiges behalten“ (Spitzer 2009, S. 17).

Je mehr Dopamin ausgeschüttet wird, also je mehr Freude man empfindet, desto besser lernt man. „Die Dopaminfreisetzung direkt im Kortex kann zu einer besseren Klarheit des Denkens führen“ (Spitzer 2002, S. 177).

Leider kann diese Neugierde bzw. die Lust am Lernen durch negative Reaktionen von Erwachsenen, vor allem von Lehrern in der Schule oder auch von den Eltern, abgewöhnt werden und geht oft im Laufe der Schulzeit verloren. „Denken wir nur an die flächendeckenden Demotivationskampagnen an deutschen Schulen - von schlechten Noten bis zur Aussortierung der Hauptschüler im dritten und vierten Schuljahr. Das Diktum ,Du kannst nicht' erstickt kindliche Neugier“ (Spitzer 2009, S. 44). So kann sich eine Lernangst einstellen, die den Menschen auch noch im Erwachsenenalter hemmen kann. Damit dies nicht geschieht, ist es wichtig, die Lernlust und Neugierde der Kinder zu fördern, damit sie aus sich selbst heraus motiviert bleiben, sich neuen Herausforderungen zu stellen und Neues zu entde - cken. Wie beim Kind, so ist auch beim Erwachsenen die Frage nach der Motivation entscheidend, wenn es darum geht, etwas dauerhaft zu lernen. Dabei werden zwei Arten der Motivation unterschie - den: die intrinsische und die extrinsische Motivation.

Intrinsische Motivation bedeutet, dass der Lernende um der Tätigkeit willen handelt, deren Ausfüh­rung ihm Freude und Zufriedenheit bereitet, im Gegensatz zur extrinsischen Motiviation, bei der die Handlung nur Mittel zum Zweck ist, bspw. um eine Belohnung zu bekommen oder eine Bestrafung zu vermeiden. Intrinsisch motivierte Personen weisen eine insgesamt höhere Leistung auf als extrinsi­sche motivierte Personen, wobei die eine die andere nicht zwangsläufig ausschließt. Viele Handlun­gen werden durch eine Kombination von beiden Motivationen durchgeführt, z. B. das Nachgehen ei­ner Arbeit, die einem Spaß macht, durch die man sich aber auch den Wunsch nach finanzieller Absi­cherung oder Erfolg erfüllt.

Allgemein gesprochen ist die intrinsische Motivation durch einen von „innen“ gesteuerten Antrieb zum Lernen gekennzeichnet und die extrinsische Motivation durch äußerliche, externe Reize (vgl. Krapp 1999, S. 388). Für die Erwachsenenbildung gilt laut Siebert: „Ohne den Wunsch zu lernen, ohne einen Lernwillen, ein Minimum an intrinsischer Motivation kommt ein nachhaltiger Lernprozess nicht zustande. Gelernt wird letztlich nur das, was als sinnvoll, subjektiv bedeutsam und/oder praxis­relevant wahrgenommen wird. (...) Entscheidend für das Gelingen von Bildungsarbeit ist, dass es auch von den Adressat/innen als bedeutungsvoll erlebt wird“ (Siebert 2006 S. 59). Was ist nun der Unterschied zwischen Lernen in der Kindheit und Lernen im Erwachsenenalter? Illeris (2006) fasst die Situation des erwachsenen Lerners folgendermaßen zusammen: „Erwachsene lernen, was sie ler­nen wollen und was für sie sinnvoll ist zu lemen. (...) Erwachsene übernehmen so viel Verantwortung für ihr Lernen, wie sie übernehmen wollen (wenn man sie lässt), und Erwachsene sind nicht sehr ge­neigt etwas zu lernen, das sie nicht interessiert oder das für sie keine Bedeutung oder Wichtigkeit hat“ (Illeris 2006, S. 37). Ein großer Vorteil Erwachsener gegenüber Kindern ist, dass sie im Laufe ihres Lebens schon viel gelernt haben. Dieses Wissen kann dazu eingesetzt werden, sich neues Wissen an­zueignen.

„Je mehr man weiß, desto besser kann man neues Wissen mit bereits vorhandenem Wissen verknüp­fen. (...) Wissen kann helfen, neues Wissen zu strukturieren, einzuordnen und zu verankern“ (Spitzer 2004, S. 36). Erwachsene lernen zwar anders und langsamer, aber nicht schlechter als Kinder. Das soll im Folgenden ausgeführt werden. Ein in der Psychologie heute weit verbreitetes 2-Faktoren-Modell zur Intelligenz und die Auswirkung auf das Lernen stammt von Raymond Bernhard Cattell. Nach die­sem Modell gibt es zwei Intelligenzkomponenten, die als Mechanik der Intelligenz („fluide Intelli­genz“) und Pragmatik der Intelligenz („kristalline Intelligenz“) bezeichnet werden. Dieser Theorie nach ist die fluide Intelligenz angeboren und genetisch bedingt. Darunter fallen bspw. Problemlö­sungsfähigkeit, abstraktes Denken, Lernen, logisches Schlussfolgern und eine schnelle Auffassungs - gabe (vgl. Cattell 1973, S. 312 ff.).

Zur kristallinen Intelligenz zählen die Erfahrungen und Kenntnisse, die man im Laufe des Lebens er­worben hat wie soziale Kompetenz, Fachwissen (Schulbildung), verbales Ausdrucksvermögen etc. Die fluide Intelligenz nimmt im Laufe des Lebens ab, laut Psychologie-Professor Detlef Rost etwa ab dem 25. Lebensjahr. Die kristalline Intelligenz hingegen kann noch lange wachsen, weswegen ein Ab­fallen der fluiden Intelligenz nicht zwangsläufig eine Minderung der geistigen Leistungsfähigkeit be­deutet. Die Weiterentwicklung durch die kristalline Intelligenz kann also das Abfallen der fluiden In­telligenz kompensieren, wobei auch durch neue geistige Anreize und Herausforderungen dem schnel­len Abbau der fluiden Intelligent entgegengewirkt werden kann. Diese Ergebnisse konnten in der „Berliner Altersstudie“ von Mayer und Baltes 1999 bestätigt werden. So lautet das in empirischen Studien dargestellte Fazit der Entwicklung im Erwachsenenalter:

- Mit zunehmendem Alter gibt es keinen physisch festgesetzten Abbauprozess. Vielmehr sind zujeder Lebensphase Entwicklungsgewinne und Entwicklungsverluste zu ver­zeichnen.
- Zwischen verschiedenen Personen bestehen große Unterschiede.
- Die Lernfähigkeit von Erwachsenen ist veränderbar und lernbar.

(vgl. Faulstich und Tymister 2002, S. 2 ff.)

Ein weiterer Bereich, der im fortgeschrittenen Erwachsenenalter eine große Rolle spielt, ist das Ge­dächtnis. Aber auch hier verläuft der Abbauprozess im hohen und sehr hohen Alter unterschiedlich hinsichtlich der verschiedenen Gedächtnisarten.

Man unterscheidet zwischen episodischem Gedächtnis, semantischem Gedächtnis, Arbeitsgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis und impliziertem Gedächtnis. Im episodischen Gedächtnis speichert man die Er­fahrungen und persönlichen Erlebnisse sowie auch Namen und Gesichter. Diese Gedächtnisleistung lässt mit zunehmendem Alter merklich nach, was daran liegt, dass ältere Menschen Informationen an­ders speichern: weniger detailliert, sondern allgemein. Das Arbeitsgedächtnis, das aktiv aktuelle Infor­mationen verarbeitet, unterliegt einem ähnlichen Leistungsabfall wie das episodische Gedächtnis. Das semantische Gedächtnis, in dem das „Weltwissen“ gespeichert wird, welches Teil der kristallinen In­telligenz ist, bleibt dagegen bis ins hohe Alter leistungsstark.

Genauso wie das Kurzzeitgedächtnis, das im Gegensatz zum Arbeitsgedächtnis nur kurz angebotene Informationen wiedergeben kann, und das implizite Gedächtnis. Darunter versteht man Erfahrungen, die das Verhalten beeinflussen, ohne dass die Erinnerungen bewusst werden; wie fast alle Bewegun­gen, die man automatisch ausführt (vgl. Spiekermann 2009, S. 65 f.).

Zusammenfassend ist zu sagen, dass jeder Erwachsene ein sehr individuelles kognitives Profil hat, ausgehend von den unterschiedlichen Erfahrungen, Erlebnissen, Lebensbedingungen, Bildung etc., weswegen Erwachsene im gleichen Alter große Leistungsunterschiede aufweisen können, die man bei der Arbeit mit ihnen berücksichtigen und mit einbeziehen muss.

3.3 Musikalisches Lernen im Erwachsenenalter

Im Allgemeinen untersuchte man bisher die musikalischen Fähigkeiten und Entwicklung von Erwach­senen mit denselben Methoden wie bei Kindern und Jugendlichen. Fraglich ist allerdings, ob musika­lisches Lernen oder musikalische Leistung bei Erwachsenen das gleiche ist wie bei Kindern und Ju­gendlichen, da die Voraussetzungen ganz andere sind. Bei Kindern und Jugendlichen herrschen eine gewisse Einigkeit und klare Vorstellungen darüber, was sie lernen sollen und was die Entwicklungs - ziele sind (bspw. harmonische, rhythmische oder melodische Fähigkeiten). Je nachdem, ob diese Fä­higkeiten beim Erwachsenen in der Jugend erworben wurden oder nicht, muss das im Musikunterricht berücksichtigt werden und die Ziele und Inhalte des Unterrichts verschieben sich dementsprechend. Das verlangt auch von den Lehrkräften ein gewisses Maß an Flexibilität, da es bei Erwachsenen keine klaren Vorstellungen über musikalische Entwicklungsaufgaben gibt (vgl. Gembris 2013, S. 406). „Musikalische Entwicklung und ihre Bedingungen lassen sich (...) für das Erwachsenenalter kaum allgemeingültig beschreiben, sondern sie bedürfen in hohem Maße der differenziellen Betrachtung“ (Gembris 2009, S. 367).

Laut Gembris gelten die folgenden allgemeinen Leitsätze der Entwicklungspsychologie der Lebens­spanne (vgl. Baltes 1990, S. 64) auch für die musikalische Entwicklung (vgl. Gembris 2002, S. 47 ff.):

- Lebenslange Entwicklung: Die musikalische Entwicklungspsychologie geht heute von der Prämisse aus, dass musikalische Entwicklung ein lebenslanger Prozess ist und musikalisches Lernen potenziell zujedem Zeitpunkt im Leben stattfinden kann. (...)
- Wechselspiel von Stabilität, Gewinnen und Verlusten: Die Lifespan-Psychologie geht allge mein von einem Entwicklungsbegriff aus, der Entwicklung als ein Wechselspiel von Stabilität, Gewinnen und Verlusten betrachtet (vgl. Martin und Kliegel 2005, S. 32 ff., 52 ff.). Typisch für dieses Wechselspiel ist, dass in jungen Jahren die Entwicklungsgewinne weitaus größer sind als die Verluste. Dieses Verhältnis ändert sich im Laufe der Zeit und kehrt sich tendenzi ell zum Alter hin um. (...)
- Multidirektionalität: Entwicklungsprozesse können sich gleichzeitig in verschiedenen musi kalischen Bereichen und auf unterschiedlichen Ebenen vollziehen. Dabei können Gewinne in einem Bereich (z. B. durch Spezialisierung, Übung) mit Verlusten in anderen Bereichen ein hergehen (z. B. durch Vernachlässigung und Nichtgebrauch von Fähigkeiten). Gleichzeitig ab laufende Entwicklungsprozesse müssen sich nicht in die gleiche Richtung bewegen, sondern können unterschiedliche Richtungen annehmen.
- Plastizität und Kapazitätsreserve: Analog zum kognitiven Potenzial, das auch bei Erwachse nen und Älteren durch Übung veränderbar ist und erweitert werden kann, kann man davon ausgehen, dass auch in musikalischen Bereichen nicht genutzte Kapazitäten und latente Kom petenzen vorhanden sind und durch musikalisches Lernen, Üben und gezieltes Training akti viert werden können. Das gibt z. B. auch Erwachsenen prinzipiell die Möglichkeit, neue musi kalische Fähigkeiten zu erlernen (z. B. auf einem Instrument) oder vorhandene Fähigkeiten zu steigern.

Eibach fasst die besonderen Merkmale des musikalischen Lernens im Erwachsenenalter folgenderma­ßen zusammen:

- hohes Maß an Selbststeuerung und Eigenverantwortung des Lernenden
- Orientierung an den subjektiven Bedürfnissen
- Berücksichtigung der individuellen musikalische-biografischen Situation
- subjektive Bedeutsamkeit des Lernprozesses im Hinblick auf Sinnfindung und Identitätsbildung (vgl. Eibach 2005, S. 60 f.)

Wenn man sich mit der musikalischen Entwicklung mit Erwachsenen befasst, muss zwischen Berufs- musikem und Amateuren unterschieden werden, während Sänger3 noch einmal gesondert betrachtet werden müssen, da die Stimme mit zunehmendem Alter durch die körperlichen Veränderungen beein­trächtigt wird (Erschlaffung der Muskeln und des Bindegewebes, Verkalkung der Kehlkopfknorpel, Veränderung der Stimmlippenoberflächen).

Erwiesen ist auch, dass die Hörfähigkeit im Alter nachlässt, auch wenn man hier durch Training des Gehörs dem Abfallen der Hörleistung entgegenwirken kann. Häufig besteht ein weiteres Problem der erwachsenen Laien darin, dass die eigenen Ansprüche und Erwartungen zu hoch sind. Wiedereinstei­ger können vielleicht nicht an das schon mal dagewesene Niveau anknüpfen und Anfänger, die an­sonsten evtl. erfolgreich im Leben sind, werden durch in ihren Augen zu langsame Fortschritte oder begrenzte Möglichkeiten frustriert.

Dadurch können sich Zweifel an der musikalischen Lernfähigkeit oder der allgemeinen musikalischen Begabung entwickeln. Dann ist es nötig seine Einstellung zu ändern, wenn man weiterhin Spaß an sei­nem Instrument haben möchte. In dieser Situation kann der Lehrer eine große Hilfe sein. Freude und Spaß am Musizieren müssen nicht unbedingt an hohe Leistungen und musikalisches Talent geknüpft sein (vgl. Gembris 2013,S.419f.).

3,3,1 Aktueller Forschungsstand

Insgesamt gibt es nur wenige aussagekräftige Studien, die sich mit der Entwicklung oder Leistungsfä­higkeit von erwachsenen Laien befassen und es mangelt noch an einer allgemeingültigen Theorie mu­sikalischen Lernens im Erwachsenenalter (vgl. Kaiser 1996). Eine mögliche Begründung sieht Kaiser darin, „dass man eigentlich gar nicht genau weiß, was man denn unter musikalischem Lernen verste - hen will oder was sinnvollerweise darunter verstanden werden kann“ (ebd., S. 9). Auch wenn es bis­lang noch an einer umfassenden Theorie mangelt, verändert sich die Situation seit einigen Jahren und die musikalische Erwachsenenbildung gerät mehr und mehr in den Fokus der Forschung. So gibt es mittlerweile einige Studien zu diesem Thema. Im Folgenden werden einige Ergebnisse bislang durch­geführter Studien zum Thema skizziert.

Dazu gehören die Forschungsarbeiten von Alicia C. Gibbons (1979), welche die melodischen, harmo­nischen und rhythmischen Wahrnehmungsfähigkeiten von 119 Personen zwischen 65 und 93 Jahren untersuchte. Es konnte festgestellt werden, dass keine generellen, auf das Alter zurückzuführende Leistungsdefizite bestanden, nur bei den über 90-Jährigen gab es geringe Leistungseinbußen (vgl. Spiekermann 2009, S. 68).

Studien, die sich mit dem Lemen eines Instrumentes im Erwachsenenalter befassen, gibt es sehr weni­ge. Eine davon ist von J. B. Eberly (1954). 26 Personen im Alter von 60 bis 84 Jahren nahmen über 15 Wochen einmal wöchentlich Klavierunterricht. 6 der Teilnehmer gaben im Laufe der Untersuchung auf, die anderen 20 gaben positive Rückmeldungen. Betont wurde dabei das gute Verhältnis zum Leh­rer und die Freude am Musizieren. Vor allem bei den Älteren der Gruppe (über 80-Jährige) beeinfluss­ten körperliche Gebrechen und langsame Reaktionen das Lernen, positiv überrascht waren aber alle darüber, welche Lernfortschritte noch erreicht werden konnten. Festgestellt werden konnte auch eine überaus große Freude, welche die Personen an den Klavierstunden hatten, besonders diejenigen, die das geringste Ausgangsniveau hatten.

Auch Ralf T. Krampe beschäftigte sich mit Klavierspielern. Wenn auch vor einem anderen Hinter­grund (in seiner Studie wurden die Leistungen von Berufsmusikern mit denen von pianistischen Laien verglichen), sagen die Ergebnisse aus, dass die älteren Amateure in gewissen Bereichen keinen Leis­tungsunterschied zu denjüngeren Amateuren zeigen (vgl. Spiekermann 2009, S. 68 f.).

,,(...) Das geringe Trainingsniveau von Amateuren führt dazu, dass sich die Funktionen, die für das Klavierspiel relevant sind, gemäß den ,normalen' Alterungsprozessen entwickeln. Es muss betont werden, dass die älteren Amateure sich in drei Bereichen, nämlich Effizienz einfacher repetitiver Be - wegungen, Memorisierung von Bewegungsabfolgen und Variationen von Timing und Lautstärke nur wenig oder gar nicht von jüngeren Amateuren unterschieden. (...) Im Rahmen des untersuchten Alter­sspektrums gibt es weder bei Experten noch bei Amateuren Grund zu der Annahme, dass pianistisches Können mit dem Alter abnehmen muss, wenn das Training aufrechterhalten wird“ (Krampe 1994, S. 258).

In einer weiteren Studie von Myers (1986), in der 32 Personen verschiedener Altersgruppen (21 bis 37, 50 bis 59, 60 bis 76 Jahre) an einem zwanzigminütigen Musiklernprogramm teilnahmen, wurde wiederum nicht bestätigt, dass die Leistung mit dem Alter absinkt. Es wurden u. a. rhythmische und melodische Imitationen, verbale Assoziationen, Vom-Blatt-Spiel bzw. -Singen und die Selbsteinschät­zung der Lernerfolge in diesen Bereichen erfasst. Es wurden zwar bei den 50 bis 59-Jährigen und den 60 bis 67-Jährigen etwas geringere Lernfortschritte festgestellt, die Gesamtleistung wurde dadurchje- doch nicht beeinträchtigt. In einzelnen Leistungskategorien (melodic singing skills) schnitten die älte­ren Teilnehmer im Vergleich zu den Ausgangsleistungen sogar besser ab als die Jüngeren (vgl. Gem - bris 2013, S. 413 f.).

Eine letzte Studie, die ich aufgreifen möchte, ist von Linda Mack (1982). Es wurde untersucht, wie sich die musikalischen Leistungen von 125 neuen Mitgliedern in Amateur-Chören im Alter von 18 bis 82 nach einem Semester Singen im Chor inklusive Gesangsunterricht und Unterricht in allgemeiner Musiklehre verändern. Durch praktische und schriftliche Tests konnten nach einem Semester wesent­liche Verbesserungen festgestellt werden, wobei die Jüngeren besser abschnitten als die Älteren. Dar­aus zog Mack den Schluss, dass musikalisches Lernen injedem Alter noch möglich ist, aber dass älte- re Erwachsene mehr Zeit und mehr Übung brauchen, um den gleichen Leistungsstand wie jüngere Er­wachsene zu erreichen (vgl. Mack 1982, S.214 f.).

Auch eine vom Verband deutscher Musikschulen durchgeführte Untersuchung bestätigt diese Ergeb­nisse. Von 1990 bis 1992 wurde die Lernfähigkeit von 954 Personen im Alter von 25 bis über 60 Jah­ren untersucht und gleichzeitig die Erfahrungen von 660 Lehrern in verschiedenen Unterrichtsberei­chen (Instrumentalunterricht, elementarer Musikunterricht, Ensemblespiel) gesammelt. Auch hier konnte kein generelles Leistungsdefizit der Erwachsenen festgestellt werden. Allerdings finden sichje nach Lernbereich unterschiedliche musikalische Lernfähigkeiten, was die Auswertung der Beurteilun­gen der Lehrer ergibt (vgl. Gembris 2013, S. 418).

„Eine generelle Abnahme der musikalischen Leistungsfähigkeit in den höheren Altersklassen hat sich nicht erwiesen. Die Klasse der 50-Jährigen schnitt lediglich in wenigen Teilqualifikationen schlechter ab, während in einer Reihe von Fächern die Klasse der 40-Jährigen durchweg bessere Werte erhielt als die 30-Jährigen. (...) Mit überwältigender Mehrheit bezeichneten die Lehrer (...) die musikali­schen Lernfähigkeiten von Erwachsenen allgemein als unterschiedlich. Die Lernfähigkeit im Ver­gleich zu Kindern wurde auf der kognitiven Ebene als sehr gut bis gut, auf der musikalischen als noch gut, auf der Ebene der instrumentaltechnischen Anforderungen hingegen als befriedigend bis ausrei - chend beurteilt“ (Klüpplholz 1993, S. 5). Weng (1992, S. 85) hat biografische Interviews erwachsener Instrumentalschüler analysiert und folgende Problemfelder festgestellt:

- physiologische Probleme (bspw. Fingerfertigkeit)
- psychomotorische Probleme (Rhythmus, Koordination beider Hände etc.)
- Probleme bei der Gehörbildung
- musiktheoretische Probleme bei Notenkenntnissen und der allgemeinen Musiklehre
- Konzentrationsprobleme
- Zeitprobleme (vgl. Gembris 2009, S. 419)

Auch ist das musikalische Lernen im Erwachsenenalter mit anderen Motivationen als im Kindesalter verbunden. Die sozialen Aspekte wie gemeinsames Musizieren mit anderen und auch das Verhältnis zum Lehrer sind für die Lernmotivation Erwachsener von großer Bedeutung, der Leistungsaspekt oder das solistische Auftreten treten in den Hintergrund. Es ist für sie Ausgleich und steigert das Wohlbe - finden (vgl. Weng 1992; Klüppelholz 1989; 1993).

3.4 Zusammenfassung

Insgesamt lässt sich festhalten, dass musikalisches Lernen im Erwachsenenalter in vielen Bereichen (wie Notenlesen, Instrumentalspiel, Schulung des musikalischen Gehörs etc.) ohne Altersbeschrän­kung möglich ist (vgl. Eberly 1954; Mack 1982; Myers 1986). Ein allgemeines Absinken der Leistung konnte nicht nachgewiesen werden, auch wenn Ältere im Vergleich zu Jüngeren in gewissen Berei­chen Nachteile aufWeisen, v. a. im psychomotorischen Bereich, da dieser eher einem altersbedingten Abbau unterliegt als der kognitive Bereich. In anderen Bereichen haben Ältere aber auch Vorteile ge­genüber Jüngeren, da sie einen größeren Schatz an Erfahrungen haben und Lernstrategien effektiver anwenden können.

Allerdings lassen sich die Befunde wegen der immer wieder bestätigten individuellen Unterschiede schwer verallgemeinern. Dazu kommt die noch immer geringe Anzahl an Untersuchungen und ein recht hoher Prozentsatz unvollständiger oder fehlerhafter Daten, was bedeutet, dass eventuell schlech­tere Leistungen, gerade im hohen Alter, gar nicht erst in die Datenanalyse eingehen. Festzuhalten ist, dass der Zugang zum Musiklernen bei Erwachsenen eher kognitiver Natur ist und mehr Probleme im psychomotorischen Bereich zu erwarten sind.

Das Wissen darum ist für den Lehrenden von großer Bedeutung, da er seinen Unterricht dementspre­chend ausrichten muss. Dajeder Erwachsene mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Vorkenntnissen und unterschiedlichen motorischen Voraussetzungen kommt, ist es wichtig, dass der Lehrer flexibel ist und sich auf die verschiedensten Probleme, die im Unterricht auftreten können, einlassen und seinen Un­terricht dementsprechend ausrichten kann. Wichtig für den Lehrer ist auch, hinreichend auf die Moti­vationen und Wünsche seines Schülers einzugehen und evtl. seine eigenen Ziele zurückzuschrauben und den eigenen Leistungsgedanken hinten anzustellen.

4 Theoretische Hintergründe: Selbstgesteuertes Lernen 4.1 Selbststeuerung

Unter Selbststeuerung versteht man in der Psychologie die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, eige­ne Ziele zu bilden und sie gegen innere und äußere Widerstände umzusetzen (vgl. Kuhl 1983; 1998; 2001). Bei der Zielbildung werden Ziele formuliert, mit denen man sich identifizieren kann, es wer­den persönliche Bedürfnisse, Werte und Interessen berücksichtigt. Auch gehört die Fähigkeit dazu, be­wusst zu handeln, sich mit Schwierigkeiten und Hindernissen auseinanderzusetzen und selbstständig Lösungen zu deren Überwindung zu finden, ohne sein Ziel aus den Augen zu verlieren.

„Damit ist der allgemeine Begriffe der Selbststeuerung bereits in zwei Komponenten aufgeteilt: Die erste Komponente, d. h. das Bilden und Aufrechterhalten selbstkongruenter Ziele, nennen wir Selbst­regulation und die zweite Komponente - die durch explizite Absichten vermittelte Zielverfolgung - wird weitgehend durch Prozesse der Selbstkontrolle beschrieben“ (Fröhlich und Kuhl 2003, S. 222).

4.1.1 Komponenten der Selbststeuerung nach Kuhl Selbstregulation:

Die Selbstregulation dient der Unterstützung selbstrelevanter Ziele. Folgende Faktoren sind dafür be­stimmend:

- Selbstbestimmung: wirklich hinter den Zielen stehen, die man verfolgt und sich mit ihnen identifizieren. Ziele und Bedürfnisse entsprechen sich in diesem Fall (Selbstkongruenz).
- Positive Selbstmotivierung: wie gut gelingt es der Person, auch unangenehmen Dingen etwas Positives abzugewinnen, sich bei Laune zu halten.
- Stimmungsmanagement: allgemeine Fähigkeit, sich in die „richtige“ Stimmung zu versetzen, sei es, sich aufzuheitern oder eine negative Stimmung abzubauen.
- Selbstaktivierung: aktiviert, wach, in Form sein, wenn Schwierigkeiten und Herausforderungen anstehen.
- Selbstberuhigung: die Fähigkeit, innere Anspannung und Nervosität gezielt abbauen zu kön­nen.
- Entscheidungsfähigkeit: Entscheidungen zügig fällen, mit dem Gefühl, das Richtige zu tun.
- Automatische zielbezogene Aufmerksamkeit: Konzentration, die sich von selbst einstellt, das Aufgehen in einer Tätigkeit, das Beibehalten des Zieles, wenn sich der Prozess als schwierig erweist.
- Zielbezogene bewusste Aufmerksamkeit: sich gezielt auf das konzentrieren können, was wich­tig ist.

Selbstkontrolle:

Selbstkontrolle meint die (zeitweilige) Unterdrückung vieler selbstrelevanter Bedürfnisse, Gefühle und Interessen, um ein konkretes Ziel gegen mögliche attraktivere Alternativziele durchzusetzen. Die Selbstkontrolle beschreibt kognitive und affektive Prozesse.

Zur kognitiven Selbstkontrolle zählen:

- Planungsfähigkeit: sich einen Plan machen, bevor man an eine Sache herangeht; konkrete Einzelschritte festlegen.
- Vergesslichkeitsvorbeugung: Erinnerungshilfen nutzen, um Beabsichtigtes nicht zu vergessen.
- Zielvergegenwärtigung: noch nicht erledigte oder geplante Aktivitäten sich immer wieder be­wusst machen; Angst, etwas Vorgenommenes zu vergessen.

Zur affektiven Selbstkontrolle zählen:

- Misserfolgsbewältigung: sich von Fehlern nicht lähmen lassen, sondern das Ziel im Auge be­halten und es erneut versuchen; aus Fehlern lernen.
- Selbstdisziplin: Sich selbst unter Druck setzen, sich zusammenreißen und zwingen bei der Sa­che zu bleiben.
- Ängstliche Selbstmotivierung: man motiviert sich, indem man sich die negativen Konsequen­zen der Handlungsunterlassung vorstellt (vgl. Fröhlich und Kuhl 2003, S. 224; 225; 763).

4.2 Selbstgesteuertes Lernen

4.2.1 Begriffsklärung

Wenn man sich mit dem Begriff „selbstgesteuertes Lernen“ auseinandersetzt, stößt man auf eine Viel­zahl von Begriffen, die für diese Art des Lernens verwendet werden und die sich nicht klar voneinan­der abgrenzen. Der Begriff ist weder „präzise wissenschaftlich definiert noch wird er in der Alltags - sprache einheitlich gebraucht“ (vgl. Noß und Achtenhagen 2000, S. 235). Synonym werden unter an­derem „selbstorganisiertes“, „selbstreguliertes“ oder „selbstbestimmtes Lernen“ verwendet, oder auch im englischen Sprachraum „self-directed learning“, „self-planed learning“ und „autodidaxy“. Als Grund für die verschiedenen Begrifflichkeiten wird die unterschiedliche Betrachtungsweise der ver­schiedenen Teildisziplinen der Psychologie gesehen.

Eine in der Literatur häufig zitierte Definition von selbstgesteuertem Lernen stammt von Weinert, nach der die Formen des Lernens als selbstgesteuert bezeichnet werden, wenn „der Handelnde die we­sentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich be - einflussen kann“ (1982, S. 102). Nach Knowles (1980) ist selbstgesteuertes Lernen ein Prozess, bei dem „der Lerner - mit oder ohne Hilfe anderer - initiativ wird, um seine Lernbedürfnisse festzustel - len, seine Lernziele zu formulieren, menschliche und dingliche Ressourcen für das Lernen zu identifi­zieren, angemessene Lernstrategien zu wählen und zu realisieren und um die Lernergebnisse zu evalu­ieren“ (Knowles 1980, S. 18; Übers. durch den Autor). So besteht bei den Definitionen Einigkeit, dass es sich beim selbstgesteuerten Lernen um eine komplexe und facettenreiche Form des Lernens han­delt.

4.2.2 Modelle des selbstgesteuerten Lernens

Selbstgesteuertes Lernen beinhaltet motivationale, kognitive und metakognitive Komponenten (vgl. Friedrich und Mandl 1997; Boekaerts 1999; Zimmermann 2000). In der neueren Forschung wird zu­sätzlich zwischen kognitiven und metakognitiven Anteilen unterschieden, weshalb das im Folgenden vorgeschlagene 3-Komponenten-Modell von Friedrich und Mandl (1997) von Tiaden (2006) um die metakognitive Komponente erweitert wurde. Alle bisher entwickelten Modelle aufzugreifen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und es wird davon ausgegangen, dass alle neueren Modelle die Forschungsergebnisse und Theorien der älteren aufgegriffen und integriert haben.

4.2.2.1 3-Komponenten-Modell selbstgesteuerten Lernens von Friedrich und Mandel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Drei Komponenten selbstgesteuerten Lemens (Friedrich und Mandl 1997, S. 242), erweitert um metakognitive Komponenten (Tiaden 2006)

Bei diesem Modell wird zwischen drei Komponenten unterschieden: den motivationalen (Wollen), ko­gnitiven (Können) und metakognitiven (Denken) Komponenten, innerhalb derer nochmal zwischen prozessualen (Strategien) und strukturellen (Aufbau) Unterkomponenten unterschieden wird.

Die motivationalen Komponenten werden gebildet aus den Interessen, Bedürfnissen, Zielen und der Selbstwirksamkeit des Lernenden (strukturell) und werden im Lernprozess unterstützt von den prozes­sualen Komponenten wie selbstwerterhaltende und volitionale4 Strategien sowie durch emotionale Prozesse. Die kognitiven Komponenten werden gebildet aus Inhaltswissen (Vorwissen), Aufgabenwis- sen und Strategiewissen (strukturell), die dann im Lernprozess durch die prozessualen Komponenten wie Ressourcenstrategien, Informationsverarbeitungsstrategien und Kontrollstrategien unterstützt werden. Die metakognitiven Strategien bauen auf Wissen über die eigene Person, Wissen über die Aufgabe und Wissen über einsetzbare Strategien auf und werden im Lernprozess durch Planen, Über­wachen, Evaluieren und Anpassen unterstützt.

4.2.2.2 3-Schichten-Modell des selbstregulierten Lernens nach Boekaerts

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Das 3-Schichten-Modell des selbstgesteuerten Lernens nach Boekaerts (1999, S. 449)

Boekaerts geht von drei Schichten aus, die am selbstregulierten Lernen beteiligt sind. Die äußere Schicht, Steuerung des Selbst, meint die Wahl von Zielen, Tätigkeiten und Ressourcen, die den eige­nen Wünschen, Bedürfnissen und Erwartungen entsprechen, d. h. zielorientierte, motivationale und volitionale Prozesse, also diejenigen Aspekte, die wichtig sind, um beim selbstgesteuerten Lernpro­zess selbst aktiv zu werden und sich auf sein Ziel zu konzentrieren. Dazu gehören auch die verhal­tensbezogene Selbststeuerung (Selbstbeobachtung und strategische Regulierung der Handlungen), die umgebungsbezogene Selbststeuerung (Beobachtung und Anpassung physischer und sozialer Umge­bungsbedingungen) und die innere bzw. verdeckte Selbststeuerung (Beobachtung und Anpassung ko­gnitiver und affektiver Zustände) (vgl. Straka 2006, S. 395).

Die mittlere Schicht umfasst die Steuerung des Lernprozesses an sich mithilfe metakognitiver Lern­strategien, bspw. Strategien zur Planung und Bewertung, Überwachung des Lernfortschritts und Be­wertung der Lernergebnisse. Die innere Schicht bezieht sich auf die Fähigkeit, geeignete kognitive Lernstrategien auszuwählen, um ein erfolgreiches Lernziel zu erreichen. Die Schichten und ihre Inhal­te stehen in Beziehung zueinander und sind miteinander verbunden. Im Vergleich zum folgenden Mo­ dell nach Zimmermann trifft das 3-Schichten-Modell von Boekaerts allerdings keine Aussage zum Verlauf des Handlungsprozesses.

4.2.2.3 Die sozial-kognitive Perspektive nach Zimmermann

Aus sozial-kognitiver Perspektive können Menschen Einfluss auf ihre eigene Entwicklung und ihre Lernprozesse nehmen, sie haben die Voraussetzungen, diese selbst zu regulieren. Die Selbstwirksam­keitserwartung ist dabei eine Schlüsselfunktion, d. h. die Erwartung einer Person aufgrund eigener Fä­higkeit, gewünschte Handlungen selbst ausführen zu können oder in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Verhalten ausführen zu können.

„Perceived self-efficacy is concerned not with the number of skills you have, but with what you belie - ve you can do with what you have under a variety of circumstances“ (Bandura, 1997, S. 93). Selbst­wirksamkeitserwartungen bilden also eine Grundvoraussetzung für die Motivation und Leistungsfä­higkeit bzw. Leistungsbereitschaft einer Person. Dem folgenden Lernmodell nach Zimmermann liegt die sozial-kognitive Theorie von Bandura zugrunde. Selbstregulation stellt eine Interaktion aus perso­nen- und verhaltensbezogenen sowie umweltbedingten Prozessen dar, die sich wechselseitig beein­flussen (vgl. Zimmermann 2000). Für Zimmermann ist selbstgesteuertes Lernen ein zyklischer Pro­zess von Planung (Vorüberlegungen, Ziele), Handlung (Selbstkontrolle und Selbstbeobachtung) und Selbstreflexion (Selbstbeurteilung).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Zyklische Phasen der Selbststeuerung nach Zimmermann und Campillo (2003, S. 239

Auf dieser Basis unterscheidet Zimmermann einen kompetenten und einen nicht-kompetenten Lerner. Im Bereich der Planung und Vorüberlegung setzt sich der kompetente Lerner im Unterschied zum nicht-kompetenten Lerner spezifische und erreichbare Ziele und zeigt eine hohe intrinsische Motivati - on. Der nicht-kompetente Lerner setzt sich ferne Ziele und ist eher desinteressiert. Beim Lernen (Han­deln) selbst ist er unfokussiert und beobachtet mehr das Handlungsergebnis als den Handlungspro­zess. Der kompetente Lerner hingegen hat den Handlungsprozess im Blick und arbeitet mit selbstmo - tivierenden Strategien. In der Phase der Selbstreflexion vermeidet der nicht-kompetente Lernen die Selbstbewertung und neigt zu negativen Selbstreaktionen, während der kompetente Lerner die Selbst­bewertung einfordert und durch die Schlussfolgerungen sein weiteres Handeln anpassen kann (vgl. Zimmermann 1998, S. 6).

4,2,3 Lernstrategien

Wie in den vorgestellten Modellen deutlich wird, spielen Lernstrategien bei dieser Art des Lernens eine zentrale Rolle. Zimmermann äußert sich dazu folgendermaßen: „To qualify specifically as sel­f-regulated in my account, students' learning must involve the use of specified strategies to achieve academic goals (...)“ (Zimmermann 1989, S. 329).

Friedrich und Mandel definieren Lernstrategien wie folgt: „Lernstrategien sind demnach Handlungs­sequenzen zur Erreichung eines Lernziels ... (und) sind häufig als Pläne repräsentiert“ (Friedrich und Mandel 1992, S. 6). Lernstrategien werden benutzt, um die Effektivität des Lernens zu steigern und um Lernprozesse effizienter zu gestalten. Es gibt viele Möglichkeiten, Lernstrategien zu systematisie­ren. Die in der Literatur am häufigsten Anzutreffende ist die Dreiteilung nach Friedrich (1995):

Kognitive Strategien (Strategien zur Informationsverarbeitung)

- Memorierstrategien
- Elaborationsstrategien
- Transformationsstrategien
- reduktiv-organisierende Strategien

Metakognitive Strategien (Strategien zur Lernprozessteuerung)

- Planung
- Überwachung
- Regulation

Strategien des Ressourcenmanagements (Strategien zur Motivation und Lernumgebungsgestaltung)

[...]


1 Im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit und in Ermangelung einer befriedigenden Sprachregelung immer das ge­nerische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten sowohl für das männliche als auch für das weibliche Geschlecht.

2 Unterhalb der Großhirnrinde beidseitig gelegene Kerne, die für wichtige funktionelle Aspekte motorischer, kognitiver und limbischer Regelungen von großer Bedeutung sind.

3 Da sich diese Arbeit mit erwachsenen Laien im Instrumentalunterricht beschäftigt, wird nicht weiter auf die Entwicklung der Sänger oder der Berufsmusiker im Alter eingegangen.

4 volitional: durch den Willen bestimmt

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Details

Title
Selbstgesteuertes Lernen von Erwachsenen im Instrumentalunterricht. Theoretische Grundlagen und empirische Untersuchung
College
University of Music Saarbrücken
Grade
14
Author
Year
2016
Pages
101
Catalog Number
V334606
ISBN (eBook)
9783668316775
ISBN (Book)
9783668316782
File size
980 KB
Language
German
Keywords
Musik, Erwachsenenbildung, Musikpädagogik, Lernen Erwachsener, Instrumentalunterricht, Musikschüler, Lernen, Selbststeuerung, selbstgesteuertes Lernen
Quote paper
Carina Brunk (Author), 2016, Selbstgesteuertes Lernen von Erwachsenen im Instrumentalunterricht. Theoretische Grundlagen und empirische Untersuchung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334606

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