Von welchem Faktoren hängt die Zustimmung oder Ablehnung zur Videoüberwachung ab?


Term Paper, 2014

37 Pages, Grade: 1,0

Bernd Lauert (Author)


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1.Videoüberwachun

2.Videoüberwachung als Einstellungsobjekt

3.Datensatzbeschreibung

4.Deskriptive Befunde

5.Mulitvariate Regressionsanalyse

6.Entscheidung über die Hypothesen

7.Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb.1: Verteilung der Zustimmung zur Videoüberwachung

Abb.2: Verteilung der Bildungsjahre

Abb.3: Altersverteilung

Abb.4: Varianzanalyse: abhängige Variable: Zustimmung zur Videoüberwachung. unabhängige Variable: Viktimisierungsindex

Abb.5: Varianzanalyse: abhängige Variable: Zustimmung zur Videoüberwachung. Unabhängige Variable Nutzindex

Abb.6: Regressionsanalyse - Teilmodelle

Abb.7: Regressionsanalyse - Vollmodell

Einleitung

Debatten zur Videoüberwachung sind in den letzten Jahren Bestandteil der medialen Öffentlichkeit geworden. Sei es die Diskussion um deren Ausweitung oder der Kritik, Deutschland werde sich zu einem Überwachungsstaat entwickeln (Süddeutsche 2013). Vielfach genutztes Schlagwort in diesem Diskurs ist die Sicherheit. Die Verbesserung der Sicherheit und die Senkung der Kriminalitätsbelastung werden hierbei als Legitimation für eine Ausweitung dieser Maßnahme genutzt. Umso mehr verwundert es, dass bisher keinerlei gesicherte empirische Befunde zur Effektivität der Überwachung öffentlicher Räume präsentiert werden konnten. Weder von Seiten des Bundeskriminalamtes noch in der wissenschaftlichen Forschung (u.a. Reuband 2001; Steinbauer 2010). Die Kritik Videoüberwachung würde lediglich zu einer Verlagerung der Kriminalität führen, ist längst schon zur allgemeinen Überzeugung geworden. Dennoch wird immer wieder, insbesondere nach Attentaten aus dem amerikanischen Raum (Beispiel Bostoner Bombenanschlag), für eine Ausweitung der Überwachung öffentlicher Plätze geworben. In der wissenschaftlichen Literatur ist der Einsatz und die Effektivität der Videoüberwachung nicht unstrittig. Vielfach wird der Nutzen, d.h. der präventive Charakter hinsichtlich der Kriminalitätsbekämpfung und der Erhöhung der Aufklärungsquote hinterfragt (u.a Reuband 2001; Klocke 2001; Leopold 2005, Höschler 2003). Doch was hält die Bevölkerung von der Videoüberwachung? Unser Forschungsanliegen befasst sich mit der Einstellung der BürgerInnen zur Überwachung öffentlicher Räume. Datengrundlage ist die bereits im Jahr 2006 im Zuge eines Lehrforschungsprojektes erhobene Studie zur Meinung und Einschätzung öffentlicher Sicherheit in der Stadt Leipzig. Leipzig ist für unser Forschungsanliegen deshalb interessant, da diese Stadt gegenüber anderen deutschen Städten eine längere “Tradition“ zur Videoüberwachung aufweist. Seit 1996 gibt es in Leipzig eine gezielte Überwachung öffentlicher Plätze. Es kann somit vermutet werden, dass die Leipziger Bevölkerung eine stabile Meinung zu dieser Maßnahme einnimmt. Reuband (2001) und Höschler (2003) konnten bereits in ihren Untersuchungen zeigen, dass insbesondere der Glaube an die Effektivität der Videoüberwachung eine positiven Bewertung von Seiten der Bevölkerung begünstigt. Hierbei spielt das subjektive Sicherheitsempfinden eine entscheidende Rolle. Je mehr die befragten Personen glauben, dass mit der Videoüberwachung die Sicherheit erhöht werde, um so mehr befürworten sie diese. Dennoch bezweifeln beide Autoren, dass die Kriminalitätsfurcht als einzige Variable für die Befürwortung zur Videoüberwachung infrage kommt. Bezugnehmend auf die ostdeutschen Städte stellen beide Autoren die Frage, wieso die Zustimmung zur Videoüberwachung dennoch so hoch ausfällt. Begründung liefern sie damit, dass einerseits die ostdeutschen Städte aufgrund ihrer Geschichte einen Überwachungsstaat eher tolerieren. Anderseits unterstreichen sie die fehlende Auseinandersetzung zum Datenschutz, welche im Westen in den 80er Jahren intensiv geführt wurde (Reuband 2001: 8; Höschler 2003: 53). Diese Annahmen scheinen jedoch vor dem Hintergrund des derzeitigen öffentlichen Diskurses zum Datenschutz und zu Freiheitsrechten an Bild und Ton veraltet. Daher vermuten wir, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Wichtigkeit des Datenschutzes einen höheren Stellenwert in der Zustimmung oder Ablehnung zur Videoüberwachung einnehmen. Weiterhin wird der zunehmende alltägliche Nutzen mit eigener Videotechnik als Erklärungsfaktor einbezogen. Darüber hinaus werden wir anhand der Daten den Effekt von Effektivitätsüberzeugungen und subjektiven Sicherheitsempfinden erneut überprüfen. Theoretische Explikation finden diese Überlegungen zum einen mit dem Modell des geplanten Verhaltens von Fishbein und Ajzen (1985). Zum anderen werden die Habituation des Einstellungsobjekts und die Theorie der Zugänglichkeit den theoretischen Rahmen bilden (Fazio 2000).

Der Forschungsbericht beginnt mit einer allgemeinen Darstellung zur Videoüberwachung in Deutschland und zeigt aktuelle Debatten über das Für und Wider auf. Nachfolgenden werden anhand der oben genannten Theorien zur Einstellungsbildung und deren Relevanz für das Verhalten, Hypothesen für unsere Forschungsfrage abgeleitet. Den deskriptiven Befunden schließen sich die Ergebnisse der Regressionsanalyse an. Im abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse berichtet und in der Rückführung zur theoretischen Grundlage diskutiert.

1. Videoüberwachung

„Der perfekte Disziplinarapparat wäre derjenige, der es in einem einzigen Blick ermöglichte, dauernd alles zu sehen (…): ein vollkommenes Auge der Mitte, dem nichts entginge und auf das alle Blicke gerichtet wären“ (Foucault 1994: 224)

Großbritannien wird immer wieder als Paradebeispiel angeführt wenn die Videoüberwachung (Closed Circuit Television, kurz CCTV) Grundlage der Diskussion ist. Schätzungsweise vier Millionen Kameras sind im Vereinigten Königreich täglich im Einsatz ( Gras 2004: 243). Im Vergleich zu Großbritannien ist Deutschland von diesem Ausmaß der totalen Überwachung noch nicht betroffen, wobei es keine genauen Zahlen gibt, wie viele Kameras tatsächlich in der Bundesrepublik installiert sind. Dennoch erhitzen die Vorschläge des Bundeskriminalamtes zur Ausweitung des Kameraeinsatzes in Deutschland die Gemüter. Laut Zeitungsberichten sollen allein in Bayern bereits 17.000 Kamera für eine Erhöhung der Sicherheit sorgen (süddeutsche.de: 27.02. 2013). Eine Ausweitung der Polizeiarbeit im Bereich Videoüberwachung und Kameraeinsatz sind von Seiten der Union geplant und im Haushaltsplan 2014 fest verankert (presseportal.de: 06.11. 2013). Weiterhin gab das Bundesministerium in einer Presseerklärung die Ausweitung der Videoüberwachung an Bahnhöfen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG bekannt. Dieses 6-Jahre-Programm umfasst ein Kostenvolumen von circa 36 Millionen Euro (pressemitteillung/bmi-bund.de: 13.08.2013). Begründet werden diese Maßnahmen in erster Linie mit einer Verbesserung der Sicherheit. Zweitens wird eine erhöhte Aufklärungsqoute von Delikten unterstrichen. Drittens sollen Tatgelegenheiten verhindert bzw. erschwert werden. Die präventive Wirkung wird maßgeblich betont. Dennoch gibt es bisher keinerlei gesicherte Ergebnisse zur Effektivität der Videoüberwachung öffentlicher Plätze. Auch die Bundesregierung äußert sich verhalten darüber, ob durch den Kameraeinsatz Straftaten verhindert werden können (Deutscher Bundestag: 2013). Das Bundeskriminalamt hat dazu bisher auch keine Statistiken präsentiert. Es muss dennoch bemerkt werden, dass die Evaluierung der Kameraüberwachung durch mehrere Faktoren erschwert wird. So müssten Vorher- und Nachheranalysen durchgeführt werden, um überhaupt eine Veränderung des Kriminalitätsaufkommens sichtbar zu machen. Darüber hinaus beeinflussen den überwachten Raum zahlreiche Faktoren die zu einer Veränderung führen können (Bsp. Geringere Fluktuation, erhöhte Polizeipräsenz, Neubebauung von Geschäften). Ausschlusskriterien sind hierbei schwer zu definieren. Weiterhin müssten Langzeitanalysen durchgeführt werden, um episodische oder periodische Faktoren zu berücksichtigen bzw. ausschließen zu können. Diese könnten die Kriminalitätsbelastung stark beeinflussen. Gleichwohl werden Stimmen laut, welche den Nutzen des Kameraeinsatzes hinterfragen und im Gegenzug für eine Verstärkung der Polizeipräsenz appellieren. Nicht zuletzt wird das Spannungsfeld zwischen der Sicherheit der Bevölkerung und der möglichen Verletzung ihrer Grund- und Freiheitsrechte thematisiert (Reuband: 2001; Leopold: 2005). Gesetzlich sind die Befugnisse und Anwendungsbereiche zur Überwachung öffentlicher Plätze grob umrissen. Es obliegt der Polizei Kriminalitätsschwerpunkte zu kennzeichnen (Bsp. Bahnhofbereichs, Parkplätze) und diese überwachen zu lassen. Darüber hinaus können Videoaufzeichnungen und Tonaufnahmen von Veranstaltungen oder auch Versammlungen angefertigt werden, wenn davon auszugehen ist, dass Personen eine Straftat begehen werden (Sächsische Datenschutzgesetz § 33)1. Kritisch zu hinterfragen ist, wann eine Veranstaltung in diese Kategorie des Verdachts fällt. Eine genaue Definition gibt es dazu nicht. Vielmehr liegt hier die Vermutung polizeilicher Willkür nahe. In Leipzig wurden von der Polizei bisher vier Gefahrenschwerpunkte definiert. Der Bahnhofvorplatz, der Martin-Luther-Ring, die Eisenbahnstraße und das Connewitzer Kreuz werden ständig videoüberwacht. Besonders die Installation der Kamera am Connewitzer Kreuz 1999 sorgte für wochenlange Proteste seitens der Bürger. Kritisiert wurde, dass dieser Platz erst durch die Polizei als kriminell sowie gefährlich kategorisiert wird (leipzigerkamera.twoday.net). Weiterhin wurde der Verdacht eines politischen Motivs geschürt, wonach das linke Spektrum und Personen vor der Einkaufhalle an diesem Platz überwachen werden sollten. Nach kurzzeitiger Beendigung der Videoüberwachung wird seit 2005 ständig Bildmaterial aufgezeichnet. Neben diesen staatlich installierten Kameras sorgen im Innenstadtbereich circa 700 Videokameras (bspw. Straßenbahn, Bahnhofsbereich, Kaufhäuser) für eine permanente Aufzeichnung des Geschehens (leipzigerkamera.twoday). Dass es hierbei zu Überschneidungen des Verfügungs- und Anwendungsbereiches kommen kann, zeigt das bereits kurz angerissene Beispiel der Kooperation zwischen der Deutschen Bahn und des Bundeskriminalamtes. Die Deutsche Bahn stellt zum großen Teilen den finanziellen Rahmen zur Kamerainstallation an den Bahnhöfen. Ihr obliegt es aber nicht, Entscheidungen hinsichtlich der dauerhaften Aufzeichnung bestimmter Bereiche im Bahnhof zu erheben und zu speichern. Diese Befugnisse trägt das Bundeskriminalamt, wenn ein Tatverdacht besteht (BKA-Gesetz §23). Generell werden alle Aufzeichnungen innerhalb von zwei Tagen gelöscht. Am Fall des versuchten Bombenanschlags am Bonner Hauptbahnhof 2012 lässt sich dieses Zuständigkeitsproblem sehr gut illustrieren. Kameras waren im Bereich des Tatortes installiert, jedoch nicht zu Aufzeichnung angeschaltet. Die Deutsche Bahn argumentierte folglich, dass es nicht in ihren Befugnisbereichen liegt, welche Kameras wann Bildmaterial erheben. Vielmehr entscheidet das BKA welche Inhalt aufgezeichnet und langfristig gespeichert werden (zeit.de: 17.12. 2012). Diese zunehmende Vernetzung von privaten Akteuren und Staatsapparat bei der Verbrechensbekämpfung mittels Videotechnik birgt die Gefahr, dass Freiheitsrechte der Bürger durch die permanente Überwachung seitens privater Akteure verletzt werden könnten. Es entsteht eine Überwachungsnetzwerk aus unterschiedlichen Nutzungsbereichen der Videoüberwachungssysteme zu sogenannten „Sicherheitspartnerschaften“ (Hempel/Metelmann 2005: 11). Es kann somit nicht mehr nachvollzogen werden wer, wann, wo und zu welchem Zweck überwacht wird.

Es stellt sich die Frage, an welchen Stellen die Videoüberwachung ansetzt und welche Möglichkeiten sie zur Eindämmung von Kriminalität liefern kann. Die Videoüberwachung fokussiert den urbanen Raum, welcher durch Anonymität und hoher Bevölkerungsdichte gekennzeichnet ist. Hier soll sie angreifen, um bestimmte Kriminalitätsschwerpunkte aufzudecken bzw. präventiv vorzugehen. Das Beispiel der Stadt Leipzig zeigt, dass zu diesem Zweck Gefahrenzone definiert werden, an welchen das Kriminalitätsaufkommen scheinbar sehr hoch ist (Gras 2004: 244). Der Bahnhofbereichs und die Eisenbahnstraße sind an dieser Stelle genannt, da an diesen Orten besonders gegen Beschaffungskriminalität und kleinere Delikte ( Bsp. Diebstahl, Körperverletzung) vorgegangen werden soll. Im Hinblick auf die Überwachung dieser Gebiete wird in der wissenschaftlichen Literatur auf mehrere wesentliche Punkte hingewiesen. Erstens kann die Definition als “gefährlicher Raum“ bei der Bevölkerung eine abschreckende Wirkung erzielen, sodass diese Orte vor allem in den Abendstunden nicht mehr besucht werden. Zweitens kann die Kamerapräsenz eine Verlagerung der Kriminalität in Randbezirke verursachen, welche nicht überwacht werden (Steinbauer 2005; Höschler 2003). Jedoch können zu dieser Vermutung aufgrund der bereits genannten schwierigen empirischen Überprüfbarkeit, keine gesicherten Aussagen getroffen werden. Die PKS führt einen Vorher-Nachher-Vergleich des Kriminalitätsaufkommen bestimmter Gebiete. Jedoch können aufgrund methodischer Schwachstellen wie bspw. die Diskrepanz zwischen Hell- und Dunkelfeld oder aber ein verändertes Anzeigeverhalten der Bürger die Ergebnisse verfälschen.

Drittens wird die Vermutung eines geplanten Verbrechens unterstellt, bei dieser der Täter die Tat kalkuliert und die Videoüberwachung in sein Handeln einbezieht. Für bestimmte Delikte insbesondere die Drogenkriminalität kann die Behauptung des situationsbezogenen Handelns zutreffen (Gras 2004). Dennoch ist kritisch zu hinterfragen, ob sich ein Täter gegen die Tat aufgrund einer Kamera entscheidet. Insbesondere unter Alkoholeinfluss oder Stresssituationen in Beziehungsverhältnissen ist von der spontanen Natur eines Delikt auszugehen. In der Verknüpfung mit Punkt Zwei können zweierlei Ergebnisse unterstrichen werden. Die präventive Wirkung entfaltet sich demnach nur bei Mehrfachtätern, welche ihre Taten an anderen Orten ausüben. Gelegenheitstäter oder spontane Taten werden nicht verlagert, da sie dem Affekt geschuldet sind. Somit kann die Videoüberwachung lediglich im Bereich der kleineren Delikte (Diebstahl, Schlägerei) eine positive Bilanz erzielen. Die Behauptung wird gestützt durch die anhaltende Kritik im wissenschaftlichen Diskurs, dass insbesondere der Tätertypus des Kleinkriminellen fokussiert wird. Die Selektion der überwachten Gebiete führt gleichzeitig zu einer Selektion der Täter- und Deliktgruppen (Steinbauer 2010; Reuband 2001).

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Präventivwirkung der Videoüberwachung als Maßnahme formeller Sozialkontrolle. So können wir mutmaßen, dass nicht die Kamera an sich das Problem ist, sondern ihre sozialen Funktionen. Dem Kern der Prävention unterliegt gleichzeitig eine Disziplinierung der Gesellschaft. Straftaten sollen vermieden werden, indem sich die BürgerInnen gesetzestreu verhalten. Vielfach wurde hierzu darauf verwiesen, dass das Verhalten der Bevölkerung im öffentlichen Leben aufgrund der Überwachung verändert werden könnte. Grundrechte wie Versammlungsfreiheit oder Meinungsfreiheit könnten unter diesem Überwachungsdruck verletzt werden (Müller 2002). Dem entgegen sprechen die Ergebnisse von Müller. In einer Untersuchung verschiedener englischer Städte zum Sicherheitsgefühl konnte er nachweisen, dass die Installation von Kameras im Zeitverlauf in der Wahrnehmung der Personen abgenommen hat (Müller 2002: 45).

Dennoch könnte diese Form der sozialen Kontrolle andere Mechanismen hervorrufen. Insbesondere die Ausgrenzung bestimmter Personengruppen kann verstärkt werden.

Personen welche durch nicht-konformes Handeln, wie einfaches Herumstehen im Bahnhofbereich oder in Parkanlagen auffallen werden in den Fokus der Überwachung gerückt. Hierbei sind vorwiegend Jugendliche, Obdachlose oder „Punks“ gemeint. Solche Gruppen könnten durch eine gezielte Videoüberwachung der Vorfeldkriminalisierung unterliegen. Zumal hier die Frage offenkundig wird, was mit „konform“ gemeint ist, wer das definiert und welche Motive hinter solchen Definitionen stecken. Als ein Beispiel sei die polizeiliche Willkür in Hamburg zu nennen, welche zu Beginn des Jahres Gefahrengebiete definierte und somit verdachtunabhängige Kontrollen legitimierte (Zeit.de: 13.01.2014). Ein ähnliches Zukunftsszenario, welches vielleicht auch in Deutschland umgesetzt wird, bietet uns das bereits realisierte Programm in Chicago. Hier sorgt ein umfassendes System aus 250 Kameras für die Überwachung von Passanten. Sollte etwaige Unstimmigkeiten im Verhaltensmuster bemerkt werden - etwas das Ablegen von Paketen und Entfernung von diesem Gegenstand oder das „planlose herumtreiben“ dieser Person, wird der Verdächtige in das Visier des Monitors gerückt und kann durch die ganze Stadt verfolgt werden (Hempel/ Metelmann 2005: 11). Foucaults Zitat zu Beginn dieses Kapitels spiegelt sich in diesem Szenario perfekt wider.

2. Videoüberwachung als Einstellungsobjekt

Without guiding attitudes the individual is confused and baffled...Attitudes determine for each individual what he will see and hear, what he will think and what he will do (Allport z.n Fazio 2000: 3).

Das vorangegangene Kapitel lieferte einen Überblick zu verschiedenen Diskussionsschwerpunkten der Videoüberwachung. Nicht zuletzt die mediale Diskussion zur NSA-Affäre bot der Gesellschaft einmal mehr die Gelegenheit über Ausmaß, Anwendung und Befugnisse der Überwachung nachzudenken. Ähnlich der Videoüberwachung begründet auch diese Form ihre Maßnahmen mit der Erhöhung der allgemeinen Sicherheit. Unser Forschungsanliegen möchte vor dem Hintergrund dieser anhaltenden Debatten einmal mehr Aufschluss darüber geben, welche Indikatoren die Einstellung zur Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen positiv sowie negativ beeinflussen können. Dass Einstellungen das Verhalten von Menschen maßgeblich lenken und beeinflussen, bekräftigt das Zitat von Allport zu Beginn dieses Kapitels. Dennoch ist es schwer zu erfassen, welche Reize auf die Einstellungsbildung und das Verhalten wirken. In der Sozialpsychologie wird die Einstellung daher auch als latente Variable bezeichnet (Fischer/Wiswede 2001: 221). Unsere nachfolgenden theoretischen Zusammenhänge postulieren ein ergebnisorientiertes Verhalten der befragten Personen. Ergebnisorientiert in dem Sinne, da die einflussnehmenden Variablen den Nutzen bzw. die Gefahr der Videoüberwachung fokussieren. Diese Herangehensweise unterstellt die Vermutung, dass die Einstellung zur Videoüberwachung mehr von der öffentlichen Wahrnehmung als von tatsächlichen Ereignissen geprägt ist. Die Mehrzahl der Bevölkerung hat noch keinen Missbrauchsfall erlebt, sondern bezieht ihr Wissen vornehmlich aus dem Hörensagen bzw. der medialen Berichterstattung (Reuband 2001: 8). Darum konzentrieren wir uns vornehmlich auf die kognitive Ebene der Einstellung, welche die Auffassung bzw. Wahrnehmung zu einem Objekt kennzeichnet. Die theoretische Analyse ist in vier Bereiche unterteilt:

- Erstens: Der Einfluss soziodemographischer Merkmale (Alter) und des subjektiven Sicherheitsempfinden.
- Zweitens: Die Wirkung von Effektivitätsüberzeugungen.
- Drittens: Der Einfluss der Nutzungshäufigkeit eigener Videotechnik.
- Viertens: Der Einfluss normativer Leitbilder anhand des Wissen und der Wichtigkeit zum Datenschutz und zur informationellen Selbstbestimmung.

Den theoretischen Rahmen der Annahmen bildet zum einen die Theorie des geplanten Verhaltens von Fishbein und Ajzen (1985) und zum anderen Fazios Einstellungstheorie (2000).

Das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung ist immer wieder Dreh- und Angelpunkt im Diskurs zur Videoüberwachung und dient oftmals zur Legitimation dieser Maßnahme. Es kann demnach ein starker Einfluss dieser Variable auf die Meinung der Bürger zur öffentlichen Überwachung vermutet werden. Laut einer Studien ´zur Sicherheit der Leipziger BürgerInnen äußerten sich die Hälfte Befragten „sehr stark“ bis „stark“ besorgt über die Kriminalitätsentwicklung in ihrer Stadt (Sicherheitsbefragung 2011). Dies bedeute jedoch nicht, dass sie bereits Opfer eines Verbrechens wurden. In der Forschungsliteratur als Kriminalitätsfurchtparadoxon bekannt, gilt diese Lücke zwischen der wahrgenommenen Viktimisierungswahrscheinlichkeit und der tatsächlichen Viktimisierung als unumstritten (u.a. Reuband 2008).

[...]


1 Diese Bestimmungen beziehen sich auf die sächsische Rechtsgrundlage.

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Details

Title
Von welchem Faktoren hängt die Zustimmung oder Ablehnung zur Videoüberwachung ab?
College
University of Leipzig  (Institut für Soziologie)
Course
Forschungsseminar Herrschaft, soziale Kontrolle und abweichendes Verhalten
Grade
1,0
Author
Year
2014
Pages
37
Catalog Number
V334679
ISBN (eBook)
9783668243491
ISBN (Book)
9783668243507
File size
921 KB
Language
German
Keywords
Videoüberwachung, NSA, Öffentliche Meinung, Einstellung, Soziologie, aktuelle Forschung, Statistik, Regression, Multivariate Regression, Recht, Viktimisierung
Quote paper
Bernd Lauert (Author), 2014, Von welchem Faktoren hängt die Zustimmung oder Ablehnung zur Videoüberwachung ab?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334679

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