Mit der Einwanderung von Menschen aus fremden Kulturräumen gehen seit geraumer Zeit auch strafrechtliche Diskurse einher, die sowohl in der Strafrechtswissenschaft, aber auch medial geführt werden. Ein Diskursstrang dreht sich dabei um die Frage, ob Täter, deren Tatmotivation maßgeblich auf fremdkulturellen Anschauungen und Wertvorstellungen beruht, einer vermeintlich zur besonderen Milde gesonnenen Strafgerichtsbarkeit begegnen, welche bei der Strafzumessung, aber auch bereits bei der Bewertung der Strafbarkeit die kulturellen Tatmotive tätergünstig berücksichtigt. Vielfach ist in diesem Phänomenzusammenhang in der medialen Debatte von einem „kulturellen Bonus“ die Rede.
Die Bezeichnung als Bonus, die originär das gute, gedeihliche oder glückliche meint und auch nach herkömmlicher Begriffsbestimmung positiv konnotiert ist, wird in dem hier interessierenden Zusammenhang dysphemistisch gebraucht. Der mit dieser Begriffsbenutzung einhergehende Vorwurf lautet vorwiegend dahingehend, dass derjenige Täter, der eine Tat maßgeblich aufgrund kultureller Wertvorstellungen begeht, welche den in Deutschland vorherrschenden Wertvorstellungen fremd sind und gerade aufgrund dieser fremdkulturellen Tatmotivation eine strafmildernde strafgerichtliche Behandlung erfährt, letztlich zu Unrecht diesen strafrechtlichen bzw. strafzumessungsrechtlich relevanten Vorteil, also einen ungerechtfertigten Bonus erhält.
Dabei liegt dem Vorwurf des Bonus die Befürchtung zugrunde, dass eine Strafgerichtsbarkeit, die die fremdkulturelle Tatmotivation tätergünstig berücksichtigt, partiell die strafgesetzlichen Normbefolgungsansprüche zurücknimmt und dadurch letztlich die der inländischen Rechtsordnung inhärenten Wertvorstellungen preisgibt, indem fremdkulturelle Wertvorstellungen zum Maßstab für die Strafbarkeitsbewertung und Strafbemessung erhoben werden.
Insbesondere die mediale Debatte um die Ehrenmordproblematik wird dabei vielfach mit einem empörten Unterton in einem politischen Kontext geführt, was zu einer Polarisierung des Diskurses geführt hat, der sich letztlich im Austausch von schlagworthaften, politisch aufgeladenen Formulierungen erschöpft, aber eine sachgerechte Befundsermittlung nicht zu leisten vermag.
Die vorliegende Seminararbeit nimmt sich der genannten Thematik an und untersucht, inwieweit sich ein "Ausländerbonus" im oben genannten Sinne in der Strafgerichtsbarkeit wiederfindet.
Inhaltsverzeichnis
- Der Mythos vom „Ausländerbonus“?
- Ehrenmorde
- Strafzumessung
- Auswirkungen kultureller Hintergründe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit dem Mythos vom „Ausländerbonus“ im Kontext von Ehrenmorden und der Strafzumessung. Sie analysiert die Auswirkungen kultureller Hintergründe auf das deutsche Strafrecht und hinterfragt, ob und inwieweit der „Ausländerbonus“ tatsächlich existiert.
- Ehrenmorde als spezifische Form von Gewalt und ihre strafrechtliche Bewertung
- Die Rolle kultureller Hintergründe bei der Strafzumessung
- Der Einfluss von Vorurteilen und Stereotypen auf die Wahrnehmung von Straftaten
- Die Bedeutung interkultureller Sensibilisierung im Strafrecht
- Die Frage der Vereinbarkeit von kultureller Vielfalt und Strafrechtsdogmatik
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Definition und dem Verständnis von Ehrenmorden im Kontext von Kultur und Gesellschaft. Es beleuchtet die historischen und sozialen Hintergründe dieser Tatmotive und analysiert die verschiedenen Formen und Erscheinungsbilder von Ehrenmorden. Darüber hinaus werden die rechtlichen Rahmenbedingungen und die strafrechtliche Bewertung von Ehrenmorden in Deutschland diskutiert.
- Kapitel 2: Das zweite Kapitel befasst sich mit der Strafzumessung bei Ehrenmorden. Es analysiert die verschiedenen Faktoren, die bei der Festsetzung der Strafe eine Rolle spielen, und untersucht, ob und inwieweit kulturelle Hintergründe bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Es werden auch die Probleme und Herausforderungen bei der Berücksichtigung kultureller Unterschiede im Strafrecht aufgezeigt.
- Kapitel 3: Dieses Kapitel befasst sich mit den Auswirkungen kultureller Hintergründe auf das Strafrecht im Allgemeinen. Es analysiert die Rolle von Vorurteilen und Stereotypen bei der Wahrnehmung und Bewertung von Straftaten und beleuchtet die Bedeutung interkultureller Sensibilisierung im Strafrecht. Darüber hinaus wird die Frage der Vereinbarkeit von kultureller Vielfalt und Strafrechtsdogmatik diskutiert.
Schlüsselwörter
Ehrenmorde, Strafzumessung, kulturelle Hintergründe, „Ausländerbonus“, interkulturelle Sensibilisierung, Strafrechtsdogmatik, Vorurteile, Stereotypen.
- Arbeit zitieren
- Milad Ahmadi (Autor:in), 2016, Der Mythos vom "Ausländerbonus"? Ehrenmorde, Strafzumessung und die Auswirkungen kultureller Hintergründe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334925