Die Fabel des verlorenen Sohnes in der Buchmalerei


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2003

20 Pages, Note: 1.0


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung:

Parabel in der bildenden Kunst:

Erste Arten der Darstellung:
Szenen im Evangelium:
Dargestellte Szenen:

Das Evangeliar von Goslar:

Marburger Bildteppich:

Rücklaken der Nürnberger Sebalduskirche:
Pflanzensymbole:

Der Zyklus von Chartres:
Parabel in den Heilsbüchern und Bilderbibeln:

Spiegel menschlicher Behaltnis:

Symbolgehalt und Personen in den Darstellungen:

Zusammenfassung:

Literaturnachweise:

Einleitung:

Die Verwendung von Parabeln und Gleichnissen ist seit jeher bekannt. Doch die Verwendung der Parabel vom verlorenen Sohn findet man in der christlichen Dichtung und in der bildenden Kunst erst sehr spät.

Das älteste Zeugnis ist die „Milstäter Sündenklage“ aus dem 12. Jahrhundert.[1]

In dieser ruft der Beter die heilige Dreifaltigkeit an und legt sein Sündenbekenntnis ab. Somit bittet er um Vergebung und bezieht sich eindeutig auf den verlorenen Sohn.

In dieser Arbeit soll gezeigt werden, wie die bildende Kunst mit dem Gleichnis umgeht und welche bildlichen Darstellungen am wichtigsten für die Erzählung der Handlung in kompletten Zyklen waren. Dagegen wird ein Initialblatt des Goslarer Evangeliars gestellt, in dem mehrere Szenen zu einem Simultanbild verarbeitet wurden.

Ferner werden die symbolhaften Gegenstände in den einzelnen Zyklen vorgestellt, die die Deutung der Emotionen und Handlungen verstärken.

Parabel in der bildenden Kunst:

Üblich war es in der sakralen Kunst, daß einer Szene des Neuen Testaments, die sich meist in der Mitte befindet, zwei Szenen des Alten Testaments zugeordnet sind.

Diese Szenen des Alten Testaments stellen die Ankündigung der Szenen des Neuen dar und somit ist die Szene des Neuen Testaments die Erfüllung des Alten.

Das Gleichnis des verlorenen Sohns findet man nicht nur in den Bilderbibeln bis ins 15. Jahrhundert, wie z.B. die „Biblia pauperum“ (die Armenbibel), den vielen Heilsspiegeln, sondern auch in der Glasmalerei der französischen Kathedrale in Chatres.

Diese Darstellungen dienten zur Verbreitung der christlichen Lehre bei den ungebildeten Bewohnern, die nicht lesen und schreiben konnten.

Daher wurde gerade dieses Gleichnis, das den Zuhörer an die Umkehr von den Sünden zu Gott aufruft, im 16.Jahrhundert durch Predigten und Dramen weit verbreitet.

Kallensee stellt fest, daß die Polemik der Reformation gerade dieses Gleichnis benutzt, um die neue Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden zu demonstrieren und zu verteidigen.[2]

Solche bildlichen Erzählungen boten sich natürlich zur Darstellung in Bildzyklen an, wie beispielsweise in einem Fenster in Chartres mit dreißig Szenen, im Evangeliar zu Goslar mit drei, auf dem Marburger Bildteppich mit acht und dem Rücklaken von Nürnberg mit neun Szenen.

Ursprüngliche Bildkompositionsprinzipien in der Kunst waren, die Bildfolge, das Einzelbild oder die Gruppe, oder eine Hauptgruppe, der im Vordergrund Nebenszenen zugeordnet sind. In vielen Zyklen, wie z.B. Chartres und Marburg ist die ganze Parabel erzählt, bei der meist von zwei verlorenen Söhnen die Rede ist, nämlich der jüngere Heimkehrende und der protestierende Ältere. Doch meist wandte sich die Kunst überwiegend dem ersten Teil des Gleichnisses zu.[3] (Luk. 15, 11-25) Das heißt von der Forderung des Erbes bis zum Festmahl für den Heimkehrer. Hier wird weder eine Rahmenhandlung, noch die beiden „Vorgleichnisse“ erzählt.

Doch bei jeder dieser Darstellungsformen steht der gütige Vater und somit das zentrale Thema im Mittelpunkt.

Erste Arten der Darstellung:

Diese häufige Verkündigung bot den Künstlern und Schreibern einige Anregungen. Schon im 11. und 12. Jahrhundert sind in einigen byzantinischen Handschriften erste Illustrationen überliefert, wie z. B. in einem Pariser Codex.

In der Buchmalerei wurden die Gleichnisse bildlich unterlegt und teilweise sogar mit mehreren Szenen bebildert. In den Anfängen jedoch wurden nur die Textseiten mit Bildstreifen am oberen und unteren Rand begrenzt. In diesem Pariser Codex sieht man oben den jüngeren Sohn bittend vor dem Vater, der das Erbe ausgibt, daneben hütet der verlorene Sohn die Schweine. Auf dem unteren Bildstreifen sieht man das Ende der Parabel, nämlich den sich demütig verbeugenden Sohn vor dem Vater, der ihn daneben liebevoll umarmt. Eine weitere Szene zeigt die Einkleidung des Sohnes.[4]

Szenen im Evangelium:

Geht man das Evangelium von Lukas durch, kann man folgende Szenen:

Empfang des Erbes – Abschied – Szenen in der Ferne – Bitte um Arbeit - beim Schweinehüten – Buße – Heimkehr – Wiederaufnahme durch Vater – heimkehrender älterer Sohn – Vater im Gespräch mit dem älteren Sohn.

Dargestellte Szenen:

Forderung und Empfang des Erbes – Abschied (meist Reiterszenen) – Verführung des verlorenen Sohnes – Badeszenen – Buhlszenen – Gelage – Tanz – Ausplünderung und Vertreibung – auf der Wanderschaft – Bitte um Arbeit - Schweinehüten – Bußszenen – Umkehr und Heimkehr – Empfang durch den Vater – Kleiderbringende Diener – Kalbschlachtung – Festmahl – heimkehrender älterer Sohn – Auseinandersetzung mit dem Vater.

Das Evangeliar von Goslar:

Das Evangeliar von Goslar bietet uns das älteste deutsche Zeugnis des Gleichnisses. Es ist eine Buchmalerei, ein Evangeliar, das zwischen 1230 und 1240 für das Neuwerkkloster in Goslar geschrieben wurde.

In Evangeliaren wurden immer Initialen mit Begebenheiten verziert. So ist auch die Initiale F mit drei Szenen des Gleichnisses vom verlorenen Sohn mit einem Simultanbild geschmückt.[5] F daher, da die Bilderbibeln und Heilsspiegel in dieser Zeit natürlich in lateinischer Sprache verfaßt wurden und das Lukasevangelium wie folgt beginnt: „Fuit in diebus Herodis, regis Judaeae, sacerdos quidam nomine Zacharias.“(Luk 1,5) (dt.: Es war in den Tagen Herodes, des Königs von Judäa, ein gewisser Priester namens Zacharias.)

Die Architektur, in die die beiden Illustrationen eingebunden sind bilden den Buchstaben F. Die Bildfolge ist von unten her zu lesen.

So finden wir im unteren Bildteil eine Figurengruppe, die mit einem Spruchband verbunden ist, das der Vater mit einem Finger der linken Hand hält. Die Rechte Hand ist mit der Fläche nach außen erhoben. Der Blick des Vaters ist sehr ernst und zurückhaltend. Auf dem Spruchband steht: „Cito proferte stolam primam et induite illum et calciamenta in pedes.“ (Luk 15,22) (dt. „Bringet schnell das beste Kleid herbei und ziehet ihn an und gebt ihn einen Ring an seine Hand und Schuhe an die Füße.“) Wir sehen hier die Heimkehr des Sohnes. Die Illustration ist in drei Architekturbögen geteilt. In deren rechtesten steht der Vater, hinter ihm ein Diener. In der Linken steht leicht gebeugt und spärlich gekleidet der Sohn. Er blickt den Vater sehr reumütig und gespannt an, als hätte er gerade gefragt, ob der Vater ihn wieder aufnehmen würde. Zwei Diener stehen zwischen den beiden und führen den Befehl des Vaters vom Spruchband aus.[6] Ein Diener blickt sehr mitfühlend und mit geneigtem Haupt zum Sohn und steckt ihm den Ring an den Finger. Über einen Arm hat er das Gewand gelegt, das bringen sollte. Hinter ihm steht ein Mann der ebenso mitfühlend zum Sohn blickt. Ein weiterer Diener liegt zu seinen Füßen und zieht ihm die Schuhe an. Die starke Kühle, die von der Situation ausgeht, läßt vermuten, daß der Sohn nicht gerade mit herzlicher Liebe empfangen wird. Doch durch die starken Gesten kommt die Güte und Liebe des Vaters zum Ausdruck. Die Hände sind im Vergleich zu den Köpfen sehr groß gestaltet, was die Symbolik des Gestus erhöht.[7] Beispiel dafür sind die Hände des Vaters, der die eine hoheitsvoll erhebt, oder die des Sohnes, der die eine zur Brust nimmt, um für Vergebung zu bitten und die andere ausstreckt, um die Güte entgegenzunehmen.

In der oberen Hälfte des Initials wird die Illustration des Textes fortgesetzt. „Und führt das Kalb herbei, das wir gemästet haben und schlachtet es, und wir wollen Festmahl feiern und fröhlich sein; denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, [...]“[8] (Luk 15, 23-24)

Hier erkennt man, daß zwei zeitlich unterschiedlich stattfindenden Szenen gleichzeitig im Bild verarbeitet wurden. Der Schlachtvorgang findet vor dem Tisch des Festmahls statt. Die Figuren sind so klein dargestellt, daß sie nicht über die Tischkante reichen. Zwei Männer ziehen dem Kalb das Fell ab. Zwei Musiker begleiten die Szene rechts und links. Im Hintergrund wetzt ein Schlächter schon das Messer. Der Hund der vor dem Kalb sitzt schnappt schon nach dem Fleisch des Kalbes. Man kann erkennen wie würdevoll diese ganze Handlung zelebriert wird. Hinter dieser Szene ist der Tisch schon festlich gedeckt. Der Vater sitzt in der Mitte, rechts neben ihm auf dem Ehrenplatz der Sohn. Vater hebt die rechte Hand und der Sohn voll Erstaunen die Linke. Rechts und links von beiden nähern sich weitere Gäste. Diese Anordnung erinnert stark an Abendmalsdarstellungen wie beispielsweise von Da Vinci, Bouts und viele mehr. Doch nicht nur bildlich, sondern auch symbolisch kann man diese Ähnlichkeit erklären. Der Vater nimmt die Stellung von Christus ein, der die Sünden der Menschen und der anwesenden Jünger vergibt.

[...]


[1] Kallensee, Kurt: Die Liebe des Vaters – Das Gleichnis vom verlorenen Sohn in der christlichen Dichtung und bildenden Kunst, evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1960, S. 16.

[2] Kallensee, Kurt: Die Liebe des Vaters – Das Gleichnis vom verlorenen Sohn in der christlichen Dichtung und bildenden Kunst, evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1960, S. 16.

[3] Ebenda, S. 17.

[4] Kallensee, Kurt: Die Liebe des Vaters – Das Gleichnis vom verlorenen Sohn in der christlichen Dichtung und bildenden Kunst, evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1960, S. 20.

[5] Ebenda, S.28.

[6] Kallensee, Kurt: Die Liebe des Vaters – Das Gleichnis vom verlorenen Sohn in der christlichen Dichtung und bildenden Kunst, evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1960, S. 28.

[7] Ebenda, S.29.

[8] Luk., 15,23-24: nach Schürmann, Heinz und Schelke, Karl Hermann: Das Evangelium nach Lukas – geistliche Schriftlesung, Patmos Verlag, Düsseldorf 1966, S.71f.

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Die Fabel des verlorenen Sohnes in der Buchmalerei
Université
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg  (Germanistik)
Note
1.0
Auteur
Année
2003
Pages
20
N° de catalogue
V33496
ISBN (ebook)
9783638339483
Taille d'un fichier
482 KB
Langue
allemand
Mots clés
Fabel, Sohnes, Buchmalerei
Citation du texte
Barbara Kunze (Auteur), 2003, Die Fabel des verlorenen Sohnes in der Buchmalerei, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33496

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