Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vom Single-Channel zum Multi-channel-Vertrieb
2.1 Historische Entwicklung von Vertriebsansätzen
2.2 Grundprinzipien verschiedener Vertriebsansätze
2.2.1 Hol- und Bring-Prinzip
2.2.2 Direkte und indirekte Absatzkanäle
2.2.3 On- und Offline-Kanäle
3. Cross-Channel-Marketing
3.1 Multiple-Channel-Retailing
3.2 Multi-Channel-Retailing
3.3 Multi-Channel-Marketing
3.4 Multi-Channel-Marketing: Anwendungsbeispiel
3.5 No-Line-Handel
3.6 Anmerkung
4. Veränderung des Konsumentenverhaltens
4.1 Die neue Macht des Kunden
4.2 Internet Paradoxon
4.3 Relevanz von Benutzerbewertungen
4.4 Klassifizierung von Verbrauchertypen
4.5 Freeriding
4.6 Channal-Hopping
4.7 Statistik - Gründe für stationären Kauf
5. Auswirkung auf den Handel 2
5.1 Allgemeine Herausforderungen
5.1.1 Paradigmenwechsel: Produktorientierung zu Kundenorientierung
5.1.2 Der Wandel vom Mass- und Target- zum Attraction Marketing
5.1.3 Trennung von Point of Sale und Point of Decision
5.1.4 Customer-Buying-Circle
5.1.5 Cross-Selling
5.1.6 Disintermediation
5.2Spezielle Herausforderungen für den stationären Handel
5.2.1 ROPO-Effekt
5.2.2 Aufbau eines online Kanals
5.2.3 Erlebnisorientierung
5.2.4 Eignung von Produkten / Dienstleistungen für den Internetvertrieb
5.2.4 Shoppingkonzepte - Show Room
6. Rolle des Verkäufers im Wandel
6.1 Vom Provider zum Value Creator
6.1.1 Provider
6.1.2 Pursuader
6.1.3 Problem Solver
6.1.4 Value Creator
6.2 Verkäufer - Personifizierung des Images
6.3 Verkäufer - Personifizierung der Marke
6.4 Verkäufer - Der Garant für Kundenloyalität
7. Fazit & Ausblick
7.1 360°-Sichtweise auf den Kunden wird zunehmend verfügbar
7.2 Möglichkeit des Kunden zur früheren Informationsbeschaffung
7.3 Freeriding und Channel Hopping
7.4 Vom Produkt- zur Kundenorientierung
7.5 Customer Buying Circle
7.6 Showroom
7.7 After-Sales
7.8 Internetparadoxon
7.9 Convenience
7.10 Attraction Marketing - Emotionalisierung
7.11 Personifizierung des Unternehmens und der Marke
7.12 Kundenloyalität
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Ausgewählte Typen alternativer Vertriebswege
Abb. 2: Durchgängige Präsenz über alle Kanäle und Kontaktpunkte
Abb. 3: Die vier Stufen der Kanalintegration
Abb. 4: CTP-Matrix - Beispiel Kaufprozess
Abb. 5: Wachstumsstarke Geschäftskonzepte und typische Verbraucherverhalten
Abb. 6: Channel Hopping
Abb. 7: Statistik 2015a: Gründe für den stationären Kauf (online Shopper)
Abb. 8: Statistik 2015b: Gründe für den stationären Kauf (hybride Shopper)
Abb. 9: Statistik 2015c: Gründe für den Kauf im Internet
Abb. 10: Einflussfaktoren auf die Marktstrukturen
Abb. 11: Entwicklung vom Mass Marketing zum Target Marketing
Abb. 12: Die strategischen Pole Discount, Erlebnis und Convenience
Abb. 13: Target Marketing ist das Fundament für Attraction Marketing
Abb. 14: Der klassische Kaufprozess
Abb. 15: Der neue Kaufprozess
Abb. 16: Customer Buying Circle
Abb. 17: Schrumpfender Tätigkeitsbereich des Verkaufspersonals
Abb. 18: Einflussfaktoren auf die online Fähigkeit von Produkten
Abb. 19: Verkäufer Rollen
Abb. 20: Evolution von Verkaufspersonen
1. EINLEITUNG
Die Handels- und Vertriebsstrukturen der Zukunft werden nur wenig mit denen des zwanzigs- ten Jahrhunderts gemein haben. Technologische Fortschritte, verändertes Konsumverhalten und rasante Entwicklungen der Vertriebslandschaften werden die Märkte nachhaltig verändern und prägen.
Neue Absatzkanäle werden in bestehende Märkte integriert und führen zu veränderten Markt- formen und Marketingstrategien. Gewachsene Systeme werden außer Kraft gesetzt und traditi- onelle Marktteilnehmer vor neue Herausforderungen gestellt. Immer mehr Unternehmen ver- kaufen ihre Produkte und Dienstleistungen auf verschiedenen Vertriebskanälen. Die Verzah- nung von On- und Offline-Kanälen führt zu einer erhöhten Komplexität und es hat den An- schein, dass sich der Handel immer mehr in das Internet und Online-Kanäle verlagert. Hierbei stellt sich die Frage wie die Rolle des Verkäufers im stationären Handel zukünftig sein wird, welche Anforderungen an ihn gestellt werden und ob er in Zukunft überhaupt noch benötigt wird.
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über die Entwicklung hin zum Cross Channel Marketing und geht dabei speziell auf die Rolle des Verkäufers im stationären Handel ein.
Zu Beginn der Arbeit werden Grundprinzipien verschiedener Vertriebsansätze vorgestellt und es wird aufgezeigt, wie diese Grundprinzipien mit zunehmenden Reifegrad vom Multiple- Channel-Retailing bis zum No-Line-Handel kombiniert werden. Im Anschluss daran wird be- trachtet wie neue Technologien das Konsumverhalten verändern und welchen Einfluss dies auf den Handel im Allgemeinen und den stationären Handel im Speziellen hat. Weiterhin werden die Auswirkungen auf die Rolle des Verkäufers im stationären Handel herausgearbeitet. Neue Anforderungen an die zukünftige Rolle und zukünftigen Aufgaben des Verkäufer werden be- nannt und thematisiert.
2. VOM SINGLE-CHANNEL ZUM MULTI-CHANNEL-VERTRIEB
Im Folgenden werden die historische Entwicklung von Vertriebsansätzen sowie die Grundprinzipien verschiedener Vertriebswege dargestellt.
2.1 Historische Entwicklung von Vertriebsansätzen
Bis vor wenigen Jahren lag die Vertriebsbasis von Unternehmen auf einer Einkanal-Absatzstra- tegie. Hierbei wurde sich auf einen Vertriebskanal konzentriert, mit dem man größtmöglichen Umsatz und Profit erwirtschaftete (Schögel, 2001, S.9). Aufgrund der Veränderung des Kon- sumentenverhalten von einer „Entweder-oder-Einstellung“ zu einem „Sowohl-als-auch-Ver- halten“ stellen sich neue Anforderungen an die Unternehmen (Schögel, Sauer, Schmidt, 2003, S.3). Der multioptionale Konsument wird als souverän, individuell und selbstbestimmt charak- terisiert und sucht situationsabhängig nach Vielfalt und Qualität sowie nach Service und Leis- tung (Schlögel, Schulten, 2005, S.20 und Schögel, Sauer, Schmidt, 2003, S.3).
Neben dem Wandel der Kauf- und Konsumgewohnheiten der Kunden hat sich die Dynamik der Betriebsformen im Handel verändert. Klassische Waren- und Kaufhäuser verlieren immer mehr an Marktanteil und neue Vertriebskanäle wie bspw. Flughäfen und Bahnhöfe stehen dem Kon- sumenten zur weiteren Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung. Ein weiterer Einflussfaktor, der die Entwicklung des Handels vorantreibt, sind neue Kommunika- tions- und Informationstechnologien (Ahlert, Hesse, 2003, S.5). Die neuen Technologien er- möglichen eine Integration unterschiedlicher Kanäle oder auch eine effizientere Ausgestaltung von bestehenden Absatzwegen. Die bestehende Einkanal-Strategie scheint den gestiegenen An- sprüchen nicht mehr zu entsprechen. Mehrere Kanäle müssen zur Verfügung gestellt, und eine differenzierte, an den Kunden angepasste, Kommunikation verfolgt werden.
2.2 Grundprinzipien verschiedener Vertriebsansätze
Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Vertriebsansätze sind die folgenden Grundprinzipien zu erkennen:
2.2.1 Hol- und Bring-Prinzip
Während Schögel (2001, S.11) mit Hilfe einer 4-Felder Matrix Stationär-, Beziehungs-, Home- Shopping- und Door-to-Door-Vertriebswege unterscheidet, unterteilt Wegener (2008, S.204) in Residenzprinzip, Domizilprinzip, Treffprinzip und Distanzprinzip. Die beiden Aufteilungen beschreiben die gleichen Beziehungen der beiden Akteure, Anbieter und Verbraucher.
Die genannten Vertriebswege lassen sich zum einen dem Hol- oder zum anderen dem BringPrinzip zuordnen (Abb. 1). Beim Hol-Prinzip zeigt der Kunde Eigeninitiative und übernimmt den Transport der Leistung des Anbieters selbst, während beim Bring-Prinzip dem Kunden die Leistung geliefert wird. Demnach folgt der stationäre Handel dem Hol-Prinzip, während HomeShopping bspw. eindeutig dem Bring-Prinzip folgt (Schögel, 1998, S.76).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Ausgewählte Typen alternativer Vertriebswege
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schögel. 1998, S.78)
− Im stationären Handel sind Produkte bzw. Dienstleistungen an einem Ort gebündelt und zu einem Sortiment zusammengefasst. Der Kunde trifft dort seine Auswahl, wobei der Ein- kaufsvorgang eher dem Plan- bzw. Routinekauf zuzuordnen ist und übernimmt den Trans- port der Produkte (Schögel, 2001, S.19).
− Der Beziehungsvertrieb folgt dem Treffprinzip (Heinemann, 2008, S.17). Hierbei steht der soziale Kontakt im Mittelpunkt. Der Anbieter hat während des Kaufprozesses die Chance emotional auf den Kunden einzugehen und auf diesen zu reagieren. Anwendung findet diese Form des Vertriebs bei Events, Konzerten oder auch auf dem Wochenmarkt. Zwei sehr erfolgreiche Bespiele geben die Firma Tupperware und das Unternehmen Vorwerk.
− Beispiele für den Door-to-Door Vertriebsweg sind neben den klassischen Haustürverkäu- fen, auch mobile Verkaufs- oder Abholstelle.
− Das Home-Shopping ist die maximale Form des Bring-Prinzips. Anbieter und Konsument sind physisch voneinander getrennt und der Kaufprozess wird durch ein Medium wie bspw. über das Internet abgeschlossen.
Bei einer Kombination der verschiedenen Typen, entwickelt sich aus einem Einkanal-Retailing ein Mehrkanal-Retailing (Multi-Channel-Retailing). Mit der Einführung mehrerer Absatzka- näle kann ein Unternehmen den steigenden Kundenansprüchen nachkommen und aufgrund der unterschiedlichen Wege die Chance auf Neukundengewinnung erhöhen (Wegener, 2008, S.205).
2.2.2 Direkte und indirekte Absatzkanäle
Neben den oben genannten Hol- und Bring-Prinzipien wird in der Literatur zusätzlich zwischen direkten und indirekten Absatzkanälen differenziert (Ahlert, Hesse, 2003, S.8).
Bei direkten Kanälen, wie stationärer Handel aber auch Onlineshops oder Katalogbestellungen steht der Produzent unmittelbar mit dem Konsumenten in Kontakt. So wird ein direkter Kundenkontakt hergestellt und das Absatzgeschehen direkt kontrolliert. Dies erfordert jedoch einen erhöhten Aufwand bei der Kundenbetreuung und Distribution speziell für Unternehmen, wenn deren Leistungsangebot breit aufgestellt ist.
Ein indirekter Absatzweg bedeutet den Weg über einen Absatzmittler und somit den Verlust des direkten Kundenkontakts (Kracklauer, Wagemann, Voigt., 2004, S.126). Vorteilig bei der Abgabe der Vertriebs- und Distributionsaufgabe an einen Partner ist ein geringerer Verwal- tungsaufwand. Der Absatzvermittler kann den Vertriebs- und Distributionsaufwand auf ein breiteres Produktportfolio aufteilen und somit wirtschaftlich abbilden (Schögel, 2001, S.13). Beispiel ist der Vertrieb von verschiedenen Lebensmitteln, Kosmetika etc. in Supermärkten.
2.2.3 On- und Offline-Kanäle
Neben der Unterscheidung von direkten und indirekten Absatzkanälen gibt es Weitere zwischen On- und Offline-Kanälen. Die beiden Abgrenzungen schließen sich jedoch nicht grundsätzlich gegenseitig aus. So kann ein Offline Kanal zugleich ein direkter Kanal sein, wie z.B. der Kata- logversand (Kracklauer, Wagemann, Voigt, 2004, S.128).
Die Kanäle unterscheiden sich vor allem durch ihre Interaktion und Kommunikation mit dem Kunden (Wegener, 2008, S.203). Somit lassen sich die beiden Kontaktprinzipien Residenz (offline) und Distanz (online) zur Unterscheidung heranziehen (Heinemann, 2008, S.19).
Eine Großzahl von Unternehmen haben ihren Ursprung im stationären Einzelhandel, weshalb diese Verkaufsform zu den klassischen gezählt wird. Daneben sind der Katalogversand, Han- delsvertreter und der Postweg bereits jahrelang bewährte Prozesse, weshalb diese ebenso den klassischen Verkaufskanälen zugeordnet werden (Kracklauer, Wagemann, Voigt, 2004, S.129). Mit den, in den letzten Jahren stark zunehmenden Informations- und Kommunikationsmöglich- keiten haben sich neue Absatzkanäle wie das Internet, E-Mails und das Mobile Shopping ent- wickelt und das Potential für Multi-Channel-Handels im Rahmen des Distanzhandels stark aus- geweitet.
Die dem Residenzprinzip folgenden offline Kanäle haben die folgenden Vor- und Nachteile. Bezüglich des Service verfügt der klassische Handel über die Möglichkeit, fachkundige Bera- tung über angebotene Produkte und Dienstleistungen zu leisten. Unentschlossene oder unsi- chere Kunden können Produkte berühren und ausprobieren, was sich eine Großzahl der Kunden wünschen (Abb. 7). Zudem ist der Kunde auf keine langen Lieferzeiten angewiesen und kann seine Waren direkt mit nach Hause nehmen (Kollmann, Kuckertz, Kayser, 2012, S.186).
Uneingeschränkte Öffnungszeiten und den Verzicht auf eine zeitintensive Parkplatzsuche kann im Gegensatz dazu nur der zumeist webbasierte Distanzhandel bieten. Kunden können in ihrem häuslichen Umfeld über ein Medium (Kataloge, Prospekte oder elektronische Medien) schrift- lich, mündlich oder telefonisch bestellen (Heinemann, 2008, S.21). Neben den neuartigen Ab- satzwegen wie das Internet, E-Mails oder das Mobile-Shopping sind hier ebenso klassische Kanäle wie den Katalogversand zu finden. Die Bequemlichkeit, die der Distanzhandel bietet steht mit 93% an der Spitze der Gründe für den Kauf im Internet bzw. dem Versandhandel. Auf den nächsten Plätzen folgen die uneingeschränkten Öffnungszeiten (92%), eine große Auswahl von Waren (89,9%) und die Möglichkeit Preise und andere Angebote miteinander zu verglei- chen (80,0%) (Abb. 9). Das online Shopping spart Zeit und lässt eine einfache Vergleichbarkeit zu, während im stationären Handel hierzu viele verschiedene Geschäfte aufgesucht werden müssten (Rohm, Swaminathan, 2004, S.755). Somit ermöglichen es Online-Kanäle im Sinne des Distanzhandels neue Kunden zu erreichen und diesen unterschiedliche Verkaufs- und In- formationswege anzubieten. Problematisch aus Sicht der Unternehmen ist der Verlust der di- rekten sozialen Interaktion sowie komplexe logistische Herausforderungen und hohe Kosten für Bestellabwicklungssysteme und Lieferungen (Kracklauer, Wagemann, Voigt, 2004, S.132).
Folglich lässt sich festhalten, dass an die verschiedenen Absatzkanäle unterschiedliche Erwartungen und Anforderungen geknüpft sind. So wird bspw. von einem online Kanal eine möglichst große Auswahl zu niedrigen Preisen erwartet, von einem stationären Handel hingegen eine gute Beratung und ein emotionales Einkaufserlebnis (Wegener, 2008, S.211).
Nach der kurzen Vorstellung der Grundprinzipien Hol- und Bring-Prinzip, direkte und indirekte Vertriebsformen, sowie online und offline Kanäle, soll nun das Zusammenspiel dieser im Fokus stehen.
3. CROSS-CHANNEL-MARKETING
Ahlert und Evanschitzky (2004, S.19f.) unterscheiden verschiedene Reifegrade des Zusammenspiels der oben erläuterten Grundprinzipien.
3.1 Multiple-Channel-Retailing
Multiple-Channel-Retailing liegt vor, wenn mehrere Absatzkanäle parallel und unkoordiniert eingesetzt werden (Ahlert, Evanschitzky, 2004, S.19 f.). Hierbei hat der Konsument die Wahl seine Leistungen über unterschiedliche Absatzwege zu beziehen (Schneider, 2001, S.173). Eine große Problematik, die sich auf der ersten Entwicklungsstufe von Multikanalsystemen findet, ist eine mangelnde Verknüpfung der Channel. Der Kunde hat die Möglichkeit seine Leistung auf unterschiedlichen Absatzwegen abzurufen, allerdings kann er seinen Kauf- und Kommuni- kationsprozess nicht in einem anderen Channel fortsetzen. Aufgrund mangelnder Abstimmun- gen oder unterschiedlicher Informationen in den einzelnen Channel, kann es zu Verunsicherun- gen beim Kunden kommen (Heinemann, 2013, S.231). So besteht die Gefahr, dass der er- wünschte Effekt, den Kunden auf allen Channeln zu erreichen, umschlägt in Unzufriedenheit. Ein Nebeneffekt bei der Einführung mehrerer Channel ist, die Unberechenbarkeit der Entschei- dung des Kunden. Der Kunde ist frei in seiner Entscheidung und entscheidet situativ bei der Nutzung eines Vertriebs- oder Kommunikationschannel. Die Problematiken des Channel-Hop- pings und des Freeriders werden später vertieft und diskutiert.
3.2 Multi-Channel-Retailing
Der nächste Entwicklungsschritt des Zusammenspiels ist das Multi-Channel-Retailing. Im Ge- gensatz zu dem vorherigen Modell sind bei diesem die Absatzkanäle miteinander koordiniert und integriert. Dem Kunden ist es möglich, zwischen den Channeln zu wechseln. Er kann auf eine einheitliche Produktpalette vertrauen, in einem Channel kaufen und anschließend in einem anderen reklamieren bzw. die Ware zurückgeben. Für solch ein funktionierendes System benö- tigt das Unternehmen eine channelübergreifende Kundeninformation. Die gesamte Kommuni- kation auf allen Channeln zwischen dem Unternehmen und dem Kunden muss an einer Stelle zusammenlaufen und bei Bedarf abrufbereit sein. Multi-Channel-Retailing bedeutet demnach eine parallele, integrierte und ebenso koordinierte Nutzung von direkten und indirekten Absatz- kanälen (Ahlert, Hesse, 2003, S.13). Allerdings unterbleibt beim Multi-Channel-Retailing eine gezielte Ausrichtung der Kommunikationsmaßnahmen auf das Angebot der unterschiedlichen Vertriebswege.
3.3 Multi-Channel-Marketing
Bei genauerer Betrachtung verschiedener Absatzkanäle von Unternehmen, lässt sich erkennen, dass diese ihre Kommunikationsmaßnahmen gezielt auf die Absatzkanäle ausrichten und somit spezifische Vorteile der individuell angepassten Kommunikationsweise zu ihren Kunden nutzen. Dieses Vorgehen, die Absatzwege des Multi-Channel-Marketing nicht nur als reinen Vertriebsweg zu sehen, sondern diese ebenso als Kommunikationsweg mit dem Kunden zu nutzen, wird in der Literatur als Multi-Channel-Marketing bezeichnet (Ahlert, Hesse, 2003, S.14). Im Rahmen des Multi-Channel-Marketing kommt daher dem Informationsaustausch und der Kommunikation mit dem Kunden eine gesonderte Bedeutung zu.
Im Multi-Channel-Marketing werden simultan verschiedene Marketingkanäle zur Leistungser- bringung, den Aufbau und der Pflege von Kundenbeziehungen genutzt (Bachem, 2004, S.30). Unter Leistungserbringung wird hier die Information und Kommunikation über den Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen verstanden. Die Kommunikationskanäle zwischen Unter- nehmen und Kunden können in institutionelle, z.B. Außendienst oder Filialen und mediale, z.B. Brief, Fernsehen oder Internet, unterteilt werden. Dabei kann die Kommunikation klassisch monologisch oder interaktiv dialogisch erfolgen (Bachem, 2004, S.31). Im Rahmen der Kom- munikation ist es für ein Unternehmen fundamental, stets einen umfassenden Eindruck von Kunden zu haben und auf allen Channeln einheitliche Präsenz zu zeigen (Abb.2) (Schneider, 2001, S.179).
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Abb. 2: Durchgängige Präsenz über alle Kanäle und Kontaktpunkte (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schneider, 2001, S.179)
Die Relevanz der Kommunikation zeigt sich darin, dass „das Geschäftsvolumen, das durch Informationsaustausch mit dem Kunden im Internet beeinflusst wird, ist viel größer als das Geschäftsvolumen durch den Kauf im Internet (dem eigentlichen E-Commerce) selbst“ (Ahlert, Hesse, 2003, S.16 nach Schneider, 2001, S.37 f.).
Im Multi-Channel-Marketing ist es notwendig die verschiedensten Kommunikations- und Distributionskanäle optimal aufeinander abzustimmen, damit neue Möglichkeiten zum Dialog mit dem Kunden genutzt werden, Kosten gesenkt werden und die Vertriebs- und Absatzwege effizienter gestaltet werden können (Tectem, 2001, S.2).
Anhand der folgenden Abbildung (Abb. 3) zeigt sich die zunehmende Verbindung von Anspra- che, Vertrieb und Service durch die Systeme hinweg. Die anfangs sehr autark verlaufenden Schritte werden mehr und mehr miteinander auf Kunden- (frontend), sowie auf Anbieterseite (backend) vernetzt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Die vier Stufen der Kanalintegration
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bachem, 2004, S.32)
Bei der Ansprache soll im Kunden Interesse für ein Produkt oder eine Dienstleistung geweckt werden. Daraufhin folgt die Verkaufs- und Kaufphase, der Vertrieb. Der Servicekanal dient der Kundenbindung und der Sicherstellung weiterer Verkaufsprozesse.
Die Vernetzung der einzelnen Absatzkanäle nimmt beginnend mit der isolierten (Multiple- Channel) über die fokussierte (Multi-Channel) bis hin zur hybriden Handelsstruktur (Multi- Channel-Marketing), stets zu (Bachem, 2004, S.32). Nach Schneider (2001, S.171) sind für den Erfolg eines Multi-Channel-Systems die drei folgenden Aspekte des Multi-Channel-Marke- tings konsequent zu verfolgen: Schaffung eines nahtlosen Kundenerlebnisses, die Erzeugung einer Cross Frequenz und die Nutzung der jeweiligen Stärken der Kanäle (Schneider, 2001, S.171).
3.4 Multi-Channel-Marketing: Anwendungsbeispiel
Zaharia und Schröder (2008, S.453) unterteilen den Kaufprozess in die zunächst erfolgende Informationssuche und den anschließenden, eigentlichen Transaktionsprozess. Dies hat zur Folge, dass sich ein Kunde auf einem Channel informiert und auf einem anderen kauft. Der Kunde kann sich z.B. im Internet (online) über Produkte informieren, jedoch anschließend im stationären Handel (offline) kaufen oder eine fachliche Beratung im Verkaufsladen in Anspruch nehmen und später im Internet günstig kaufen. Dieser Prozess wird in der Literatur als ROPO- Effekt bezeichnet (Bruce, 2011, S.50 ff.) und steht für, entweder research online - purchase offline oder research offline - purchase online. Dieser Effekt wird im späteren Verlauf dieser Arbeit vertieft.
Folglich findet der Kaufprozess nicht geschlossen in einem Channel statt, sondern wird auf zwei verteilt. Es lässt sich ein progressives Informationsverhalten der Kunden feststellen. Viele Kunden nutzen das Internet als Informationsquelle, aber der eigentliche Kaufakt wird nach wie vor im stationären Handel vorgenommen (Kracklauer, Wagemann, Voigt, 2004, S.131). Im Folgenden sollen die Zusammenarbeit der Channel anhand des Kaufs eines Home-Cinema- Systems (HC-System) verdeutlich werden (siehe Abb. 4).
Während des Kaufs oder des Empfangs einer Dienstleistung tritt der Kunde an verschiedenen Stellen in Kontakt mit dem Unternehmen. Die Berührungspunkte, auch Customer Touch Points (CTPs) genannt, entsprechen den Schnittstellen zwischen dem Kunden mit den Vertriebs- oder Kommunikationsstellen der Unternehmen (Hukmann, Weich, 2003, S.230). Eine Auswahl dieser CTPs sind in der folgenden Matrix mit den Prozessschritten der Markttransaktion in Beziehung gesetzt. Die Interaktion mit dem Kunden wird so mit den einzelnen Prozessschritten eines Kaufs verbunden und zeigt die Beziehung der Channel.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: CTP-Matrix - Beispiel Kaufprozess
(Quelle: Hukmann, Weich, 2003, S.231 in Anlehnung an Schwanitz, 2001, S.590)
Zu Beginn des Prozesses verschickt ein Unternehmen einen allgemeinen Katalog mit vielen verschiedenen Produkten, ohne dass ein Empfänger diesen explizit angefordert hätte. Im vor- liegenden Fall, reagiert der Käufer interessiert und fordert telefonisch beim Call Center weitere Informationen über die Produkte an. Zusätzlich informiert er sich auf verschiedenen Internet- seiten, um für sich eine optimale Zusammenstellung seines Heimkinosystems zu erstellen. Nach einer erfolgreichen, webbasierten Informationssuche geht er in ein stationäres Geschäft, um die recherchierten Produkte zu sehen, anzufassen und auszuprobieren. Anschließend bezahlt der Kunde im Laden und möchte sich das System der Bequemlichkeit halber nach Hause liefern lassen. Zu einem späteren Zeitpunkt erweitert der Kunde sein System um einen Media Player und möchte diesen mit seinem System verbinden. Beim Anschließen stellt er jedoch fest, dass das beiliegende Kabel des Heimkinosystems nicht zum Anschluss des Players geeignet ist. Er informiert sich in Internetforen oder den FAQs des Herstellers über Lösungsmöglichkeiten, kann aber keine passende Antwort finden, weshalb er den Rückrufservice, den der Hersteller aus seiner Internetseite vorstellt, benutzt. Der Mitarbeiter der Hotline erklärt dem Kunden die fehlende Komptabilität der Systeme und bietet an, ihm ein passendes Kabel zuzuschicken (Huk- mann, Weich, 2003, S.231 f.). Der Kunde kann dabei den Verlauf der Auslieferung per Order- Tracking an seinem Computer nachverfolgen und weiß so wann das Kabel bei ihm eintreffen wird (Wegener, 2008, S.215).
Anhand dieses Beispiels, lassen sich die Zusammenarbeit und die Stärken eines jeden Absatzkanals erkennen. Die nahtlose Zusammenarbeit der Channel stellt für Unternehmen eine sehr arbeits- und kostenintensive Aufgabe dar. Letztlich muss ein Unternehmen für sich selbst entscheiden, welche Art von Kanälen gewählt werden und ob diese die spezifischen Wünsche der Kunden erfüllen können (Bachem, 2004, S.46).
3.5 No-Line-Handel
No-Line-Systeme werden nach Heinemann (2013, S.10) als höchste Evolutionsstufe des MultiChannel-Handels angesehen. Die Basis bildet der Cross-Channel-Handel bei dem die vorhandenen Channel maximal miteinander vernetzt sind, sodass On- und Offline-Channel zusammen mit Mobile-Commerce ein grenzenloses Einkaufserlebnis ermöglichen. Mobile-Commerce ist die Möglichkeit sich im stationären Handel parallel über Mobilgeräte, z.B. durch abscannen eines QR-Scanner zu informieren oder einzukaufen.
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