Erfolgsfaktoren für schlanke Produktionssysteme. Die Rolle des Controlling


Masterarbeit, 2015

69 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Zur Bedeutung der Sicherung industrieller Produktionsarbeit für den Wirtschaftsstandort Deutschland

2. Entwicklung der heutigen Merkmale schlanker Produktionssysteme
2.1 Allgemeine Kennzeichnung schlanker Produktionssysteme
2.1.1 Aufgabe von Produktionssystemen
2.1.2 Abgrenzung schlanker Produktionssysteme
2.2 Das Toyota-Produktionssystem als Urtyp schlanker Produktionssysteme
2.2.1 Geboren aus der Notwendigkeit: Zur Entstehung der schlanken Produktion bei Toyota
2.2.2 Neuheit des Ansatzes: Weshalb sich Taylor und Toyota ähnlicher sind als häufig behauptet
2.3 Bedeutende Elemente der schlanken Produktion
2.3.1 Kaizen: Der kontinuierliche Verbesserungsprozess
2.3.2 Mitarbeiterfokussierung: Die wertvollste Ressource des Unternehmens
2.3.3 Arbeitsfluss: Fließende Prozesse erzwingen
2.3.4 Null-Fehlerprinzip: Qualität erzeugen anstatt zu „erprüfen“
2.4 Zur Erfolgswirkung der schlanken Produktion nach Toyota

3. Einzelne, aber miteinander verknüpfte Erfolgsfaktoren für den Unternehmenswandel zur schlanken Produktion
3.1 Das Verhalten der Beteiligten am organisatorischen Wandel als Erfolgsfaktor
3.1.1 Aktives Veränderungsmanagement: Die Grundlage der erfolgreichen Veränderung
3.1.2 Die Rolle der Führungskräfte: Zur Bedeutung der vorgelebten Veränderung
3.1.3 Mitarbeiter, Führungskräfte, und Betriebsrat: Gelungenes Miteinander oder misslungenes Gegeneinander
3.2 Das Umsetzungskonzept als Erfolgsfaktor des schlanken Produktionssystems
3.2.1 Zur Gestaltung des Einführungsprozesses: Erst denken, dann handeln
3.2.2 Unternehmensindividuelle Ausgestaltung: „Kapieren statt von Toyota kopieren“
3.2.3 Externe Berater: Wenn schlechter Rat teuer werden kann
3.3 Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor schlanker Produktionssysteme
3.3.1 Wenn das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile: Philosophie statt einzelne Methoden
3.3.2 Alle Unternehmensteile einbeziehen: Weshalb das schlanke Produktionssystem nicht nur die Produktion betrifft
3.3.3 Ein Projekt ohne Ende: Der nachhaltig gelebte kontinuierliche Verbesserungsprozess
3.4 Bedeutung eines übergreifenden erfolgssichernden Managements bei Umorganisationen

4. Controllingbegleitung als übergreifender Erfolgsfaktor für schlanke Produktionssysteme
4.1 Gestaltung der Controllingintegration in das schlanke Produktionssystem als Erfolgsfaktor
4.1.1 Weshalb es für den Erfolg wichtig ist den Controller von Beginn an einzubeziehen
4.1.2 Wie die Zusammenarbeit zwischen Controlling und dem Produktionsbereich gelingen kann
4.2 Koordination im Führungsbereich: Weshalb der Controller bei der Einführung schlanker Produktionssysteme unverzichtbar ist
4.2.1 Entscheidungsunterstützung des Managements bei der Verschlankung des Produktionssystems
4.2.2 Delegative Koordination als Erfolgsfaktor für schlanke Produktionssysteme
4.2.3 Sicherstellung von Entscheidungslogik als Erfolgsfaktor für schlanke Produktionssysteme

5. Industrie 4.0: Schlank war gestern – das Ende der Lean-Ära?

Literaturverzeichnis

1. Zur Bedeutung der Sicherung industrieller Produktions­arbeit für den Wirtschaftsstandort Deutschland

´Wir können doch nicht dauerhaft davon leben, dass wir uns gegenseitig die Haare schneiden´, sagte einmal Hans-Olaf Henkel, früherer BDI-Präsident, in Bezug auf den in den 90er Jahren bestehenden Traum von einer deutschen Dienstleistungsökonomie.[1] ) Er sollte Recht behalten, denn die Erwartungen an einen Dienstleistungssektor, der wie bis dahin die Industrie, das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft bilden sollte, haben sich bisher nicht erfüllt.[2] ) Offenbar auch deswegen, weil ein großer Anteil dienstleistungsbezogener Leistungen abhängig ist von der industriellen Produktion.[3] ) Exemplarisch dafür zeigt sich im europäischen Vergleich, dass gerade diejenigen Länder, die einen hohen industriellen Produktionsanteil aufweisen – allen voran Deutschland – die Wirtschaftskrise 2008/09 am besten überwinden konnten.[4] ) Für Hochlohnländer wie Deutsch­­land stellt sich daher die Frage, wie die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und damit der Wohlstand gesichert werden kann.

Ein in diesem Zusammenhang viel diskutiertes[5] ) Konzept ist die schlanke Produktion, wie sie vom Autoproduzenten Toyota geprägt wurde.[6] ) 25 Jahre nach der ersten „Lean-Welle“ zeigt sich, dass schlanke Produktionssysteme nicht einer von vielen kurzweiligen Modetrends waren. Bis heute versuchen zahlreiche Unternehmen Toyota nachzuahmen und an dessen Erfolg anzuknüpfen. Während dies manchen Unternehmen sehr gut gelingt, bleiben viele andere ernüchtert und weit hinter den eigenen Erwartungen zurück – was in Anbetracht zahlreicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen und einschlägiger Beratungsangebote verwundern kann. Ziel dieser Arbeit ist es, diejenigen Faktoren darzustellen, die maßgeblich für den Erfolg schlanker Produktionssysteme sind.

2. Entwicklung der heutigen Merkmale schlanker Produktionssysteme

2.1 Allgemeine Kennzeichnung schlanker Produktionssysteme

2.1.1 Aufgabe von Produktionssystemen

Im Sinne dieser Arbeit wird unter Produktion die Kombination von Produktionsfaktoren (z. B. menschliche Arbeitsleistung, Betriebsstoffe) zur Erstellung von Sach- bzw. Dienstleistungen verstanden.[7] ) Nachfolgend sollen nur Sachleistungen betrachtet werden. Wenn im Verlauf der Arbeit isoliert von Produktion gesprochen wird, ist damit jedoch die Herstellung im Funktionsbereich Produktion, also i.d.R. die Fertigung bzw. Montage gemeint. Ein System dagegen ist eine von ihrer Umwelt abgegrenzte Gesamtheit von verschiedenen, miteinander in Verbindung stehenden Elementen und ggf. anderen Subsystemen.[8] ) Das Produktionssystem im Speziellen ist ein Subsystem des übergeordneten Systems „Unternehmung“, das mit anderen Subsystemen und seiner relevanten Umwelt in Beziehung steht.[9] ) Kern gliedert die Aufgabe von Produktionssystemen in Programm-, Potenzial- und Prozessgestaltung.[10] ) Weniger ausdifferenziert, aber für diese Arbeit zweckmäßig, lässt sich dies durch die Definition von Hoeschen zusammenfassen. Demnach umfasst ein Produktionssystem alle Elemente sowie deren Beziehungen untereinander, die zur Produkterstellung erforderlich sind und hat die Aufgabe den durch Art, Menge und Reihenfolge der zu erstellenden Sachleistungen gekennzeichneten Produktionsauftrag (Produktionsprogramm) zu erfüllen.[11] ) Speziell für diese Arbeit wichtig ist das Verständnis, dass ein Produktionssystem einen Ordnungsrahmen vorgibt, innerhalb dessen Produktionsprinzipien und Methoden entsprechend unternehmensindividueller Erfordernisse zielgerichtet und aufeinander abgestimmt eingesetzt werden können.[12] )

2.1.2 Abgrenzung schlanker Produktionssysteme

Die Begriffe „schlanke Produktion“ und „schlankes Produktionssystem“ werden nachfolgend synonym verwendet, da weder in der Literatur eine Unterscheidung vorgenommen wird, noch dies für die Bearbeitung des Themas relevant ist. Schlanke Produktion kann nicht unabhängig von Toyota beschrieben werden. Denn der Autoproduzent ist sowohl Ursprung, als auch bis heute Industriemaßstab für schlanke Produktionssysteme.[13] ) Im Verlauf der Arbeit wird daher wiederholt Bezug auf Toyota genommen. Vorwiegend positive Beispiele sollten unterdessen nicht zu der Annahme verleiten der Autobauer wäre perfekt. Er scheint zwar in vielerlei Hinsicht erstrebenswerte Ideale zu verkörpern, jedoch ist wenig von den – wie in jedem Unternehmen vorhandenen – Schattenseiten bekannt.

Doch hätte man Anfang der 90er Jahre Beschäftigte bei Toyota gefragt was schlanke Produktion bedeutet, hätten sie vermutlich mit einem fragenden Blick geantwortet.[14] ) Obwohl sie das Toyota Produktionssystem nahezu perfekt beherrschten, waren es westliche Wissenschaftler, die dem „Toyota-System“ den Begriff „Lean Production“ zuwiesen und dieses seit Jahrzehnten praktizierte Konzept zu einer Industriephilosophie erhoben. Über fünf Jahre hatte das Team um Womack/Jones/Roos weltweit Erfolg und Misserfolg von Automobilunternehmen intensiv untersucht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie 1990 in der vielzitierten „MIT-Studie“[15] ) (deutscher Titel „Die zweite Revolution in der Automobilindustrie“). Sie lösten damit eine große Euphorie und Interesse an schlanker Produktion aus, denn scheinbar war damit endlich der Grund für die Stärke To­yotas und zugleich auch der Weg gefunden, um an diesen Erfolg anzuknüpfen.

Eine prägnante Definition für schlanke Produktion festzulegen, fällt schwer, da es sich nicht um ein starres theoretisches Konzept handelt, son­dern um eines, das aus der fortwährenden Lösung von Alltagsproblemen bei Toyota entstanden ist (und sich forthin entwickelt).[16] ) Im Kern kann schlanke Produktion jedoch beschrieben werden als das Vorhaben, jegliche Art von Verschwendung (z. B. Zeit, Arbeitsleistung, Raum) zu eliminieren und dadurch schnelle sowie flexible Abläufe zu schaffen, die kundenorientierte Wertschöpfung ermöglichen, d. h. dem Kunden mängelfrei und zu geringstmöglichen Kosten, zum gewünschten Zeitpunkt genau das zu bieten, was er möchte.[17] ) Dieses Ziel mag trivial erscheinen, doch offenbar hatten Toyotas Konkurrenten (und andere Unternehmen) es nicht verstanden oder zumindest nicht in ihren Produktionssystemen verwirklicht.

Die Geschichte der schlanken Produktion ist geprägt von zahlreichen Missverständnissen und Fehlinterpretationen – auch durch die MIT-Studie.[18] ) Deshalb sei explizit auf den größten Irrtum eingegangen: Schlanke Produktion wird häufig mit Personalabbau gleichgesetzt.[19] ) Viele Unter­neh­men reduzier(t)en die Zahl ihrer Beschäftigten, um sich dann – nach diesem häufig schwierigen Prozess – als schlank bezeichnen zu können. Jedoch ist ein wichtiger Grundbestandteil der schlanken Produk­ti­on Prozesse stetig zu optimieren. Unbedachtes „Downsizing“ hat dagegen zur Folge, dass es niemanden mehr gibt, der sich hinreichend mit eben dieser Prozessverbesserung beschäftigen kann. Tatsächlich werden in der schlanken Produktion weniger Mitarbeiter benötigt. Der zentrale Punkt besteht aber wohl darin, dass Mitarbeiterreduktion eher langfristiger Zweck als kurzfristiges Mittel ist. Ziel ist zudem Unternehmen so stark zu machen, dass sie expandieren und folglich alle Arbeitsplätze erhalten können. Kritisch anzumerken ist, dass dies wohl nicht immer möglich sein wird, oder zumindest mit einem Anteil an Leiharbeit ergänzt werden muss.

Hauptgedanke der schlanken Produktion ist also die Vermeidung von Verschwendung, nicht des Notwendigen (z. B. produktive Mitarbeiter). Taiichi Ohno, Begründer des Toyota-Produktionssystems, klassifiziert dementsprechend sieben – nicht ganz überschneidungsfreie – Arten der Verschwendung, die es fortwährend zu vermeiden gilt:[20] )

1. Überproduktion: Mehr produzieren als vom Kunden nachgefragt.
2. Wartezeit: Der nächste Bearbeitungsschritt beginnt nicht sofort.
3. Transport: Schlechte Anordnung der Produktionsschritte, die zu unnötigen oder mehrfachen Wegen führt.
4. Herstellung: z. B. überflüssige Arbeitsschritte oder nicht nachgefragte Qualität.
5. Lager: Bestände oberhalb des notwendigen Minimums binden Kapital, verursachen Transporte, schaden der Qualität (Bsp.: Rost).
6. Bewegung: z. B. durch ungünstige Teile- oder Werkzeuganordnung.
7. Defekte Produkte: verursachen Nacharbeit.

Zur Umsetzung des schlanken Produktionssystems stehen zahlreiche Prinzipien und Methoden zur Verfügung. Die Literatur trennt uneinheitlich zwischen diesen beiden Kategorien.[21] ) Da der Fokus dieser Arbeit aber auf den Erfolgsfaktoren liegt, wird die genaue Differenzierung nicht weiter thematisiert. Eine Auswahl der wichtigsten, insbesondere für den Fortlauf der Arbeit relevanten Elemente, wird in Kap. 2.3 in Kurzform dargestellt.

Im Zusammenhang mit „Lean“ kam es zu zahlreichen Wortneuschöpfung­en.[22] ) Davon nennenswerte, wie „Lean Management“ oder „Lean Enterprise“ drücken die Ausdehnung des „Lean-Gedanken“ auf Unternehmensbereiche außerhalb der klassischen Produktion aus.[23] ) Ein Gedanke, der wie im Verlauf der Arbeit ersichtlich aber eigentlich bereits im – richtig verstandenen – Konzept der schlanken Produktion enthalten ist.

2.2 Das Toyota-Produktionssystem als Urtyp schlanker Produktionssysteme

2.2.1 Geboren aus der Notwendigkeit: Zur Entstehung der schlanken Produktion bei Toyota

Wie bereits angesprochen entstand das Konzept der schlanken Produktion aus der Lösung von Alltagsproblemen bei Toyota. Toyotas Ursprünge liegen weit zurück in der Webstuhlproduktion unter der Leitung von Saki­chi Toyoda.[24] ) 1933 wurde eine eigene Automobilabteilung gegründet, aus der später die Toyota Motor Industry Co., Ltd. hervorging. S. Toyoda hatte bereits 1910 die USA besucht und war überzeugt von der Zukunft der Automobiltechnologie. Deshalb verkaufte er 1930 sein Webstuhl-Patent, um den finanziellen Weg für die Automobilentwicklung durch seinen Sohn Kiichiro Toyoda zu ebnen. Auch dieser war nach einem USA-Besuch 1929 von der florierenden Motorindustrie überzeugt, so dass er selbst begann Prototypen zu entwickeln. Nach Ende des zweiten Weltkriegs gab K. Toyoda die Vision vor, Amerika innerhalb von drei Jahren einholen zu müssen, da die Autoindustrie Japans sonst nicht überleben würde.[25] ) Gemeint war die Arbeitsproduktivität, die in den USA durchschnittlich neunmal (in Deutschland dreimal) höher war als in Japan. Für die fortschrittliche amerikanische Automobilbranche lag der Wert vermutlich sogar noch höher – mit anderen Worten: Die Arbeit, die bisher von 100 Personen geleistet wurde, musste in Zukunft von zehn getan werden.[26] )

T. Ohno, damaliger Werksleiter, erhielt den Auftrag Toyotas Produktivität an die von Ford heranzuführen.[27] ) Jedoch waren die Rahmenbedingungen völlig anders. Ford besaß eine exzellente Kapitalausstattung, einen großen nationalen sowie internationalen Markt und konnte die Massenproduk­t­ion mit ihren Skalenvorteilen nutzen. Toyota dagegen stand kurz vor der Insolvenz, agierte in einem kleinen Land, hatte begrenzte Ressourcen und war deshalb bspw. auf einen schnellen Kapitalumschlag angewiesen und gezwungen mehrere Typen in kleinen Serien auf der gleichen Fertigungsstraße zu produzieren. Dennoch nahm Eiji Toyoda, damaliger Präsident von Toyota, seine Manager 1950 mit auf eine zwölfwöchige (!) Studienreise, um von Ford zu lernen. Überraschenderweise stellten sie fest, dass Fords Produktionssystem auf dem Stand der 30er Jahre verharrt war und unzählige systembedingte Schwächen aufwies. Toyota erkannte darin die Chance, dass es möglich war im Wettbewerb zu bestehen. Ohno beschrieb sich selbst als jemanden, dem es sehr gefällt ´Pro­­bleme immer wieder zu durchdenken‘.[28] ) Diese Vorgehensweise half Toyota beim Finden eigener Lösungen, anstatt blind aktuellen Trends zu folgen (z.B. Produktivitätserhöhung einzig durch Automatisierung).[29] ) Der Umgang mit den schwierigen Rahmenbedingungen einerseits und andererseits der Blick auf mögliches Verbesserungspotenzial, das man bei Ford entdeckte, führte zur Entwicklung der typischen Toyota-Methoden, die über die folgenden Jahrzehnte stetig ergänzt und weiterentwickelt wurden.[30] )

2.2.2 Neuheit des Ansatzes: Weshalb sich Taylor und Toyota ähn­licher sind als häufig behauptet

Bisweilen entsteht der Eindruck, beim Thema schlanke Produktionssysteme habe alles mit Toyota begonnen.[31] ) Dies ist nicht richtig, inhaltlich liegen die Anfänge bereits über 100 Jahre zurück, beim Konzept der „wissenschaftlichen Betriebsführung“[32] ) nach Winslow Taylor. In großem Umfang umgesetzt wurden dessen Ideen durch Henry Ford in der Massenproduktion weniger Autotypen. Häufig entsteht daher der Eindruck, Taylor und Toyota stehen im Widerspruch zueinander, denn mit Toyota wird die kundenindividuelle Produktion vieler Typen in kleinen Losen verbunden.[33] ) Außerdem ist Taylor bekannt – und kritisiert – für die Trennung von „Hand- und Kopfarbeit“, also der Nichtnutzung des Mitarbeiterpotenzials bei der Prozessoptimierung.[34] ) Bei Toyota steht der Mitarbeiter dagegen im Mittelpunkt, insbesondere als Ideengeber für die kontinuierliche Verbesserung.[35] )

Tatsächlich bestehen Unterschiede bei mitunter gleichen Zielen. So setzte das System Taylor/Ford etwa darauf Kosten zu senken, indem man große Mengen produzierte ohne das Werkzeug (z. B. Pressmaschine) umrüsten zu müssen. Bei Toyota versuchte man dagegen auch kleine Lose kostengünstig zu produzieren, indem man die Umrüstungszeit minimierte.[36] ) Ebenso optimierte Ford die Lagerung, produzierte jedoch enorme Lagebestände. Toyota dagegen beseitigte das Lager quasi komplett.

Diese Beispiele offensichtlicher Unterschiede dürfen aber nicht über tieferliegende Gemeinsamkeiten hinwegtäuschen. Ohno selbst lobt den Weitblick H. Fords und kritisiert was dessen Nachfolger daraus machten.[37] ) So habe Toyota bei der Gestaltung eines Arbeitsflusses (vgl. Kap. 2.3.3) viel vom Ford-Sys­tem gelernt, es aber auch weiterentwickelt. Bspw. weitete Toyota das Flussprinzip­­­ auf alle Fertigungsschritte aus, im Gegensatz zu Ford auch auf die vorgelagerten Arbeitsgänge. Ohno ist der Ansicht, dass das bereits H. Fords ursprüngliches Ziel war, seine Nach­folger dies aber nicht verstanden und deshalb nicht vollendet haben. Ebenso sieht er H. Ford als Vordenker der typischen Toyota-Stärken, wie Verschwendungs­­­ver­mei­dung, Standardisierung und präventiver Instandhaltung um Probleme erst gar nicht entstehen zu lassen (vgl. nachfolgende Kapitel). Ferner war H. Ford überzeugt, um effizient zu sein, müsse man stets die besten bekannten Methoden anwenden, nicht die nächstbesten. In Zeiten Toyotas heißt das: Nicht mehr nur Menge und Geschwindigkeit, sondern vor allem die Marktbedürfnisse vorne anzustellen. Auch bei Taylor lässt sich feststellen, dass manche Kritiker seine Aussagen wohl nicht zu Ende gelesen ha­ben und ebenfalls eher seine Nachfolger zu kritisieren sind.[38] ) So schreibt Taylor schon seinerzeit wie wichtig der Mitarbeiter für das Ersinnen neuer, bes­serer Arbeitsmethoden ist und dass er dafür auch belohnt werden sollte.[39] ) Nur darf er nicht willkürlich jedes Werkzeug bzw. jede Methode anwenden, die er gerade für gut hält. Schlägt er jedoch eine Verbesserung vor, muss diese geprüft und wenn sie sich als nützlich erweist, als neue allgemeine Norm festgelegt werden. Dies entspricht dem Prinzip der „flexiblen Standardisierung“ (vgl. Kap. 2.3.1). Auch Taylor versuchte Verschwendung zu vermeiden, zu der er u. a. die mitunter sehr individuellen „Faustregeln“ der Arbeiter zählte.[40] )

2.3 Bedeutende Elemente der schlanken Produktion

2.3.1 Kaizen: Der kontinuierliche Verbesserungsprozess

Das zentrale Element für tägliche Produktivitätsgewinne steht unter dem japanischen Stichwort „ Kaizen “, was so viel wie kontinuierliche Verbesserung in kleinen Schritten bedeutet.[41] ) Ziel ist es im Tagesgeschäft permanent Verschwendung zu lokalisieren und nachhaltig zu beseitigen.[42] ) Dies ist zugleich verbunden mit dem Zweck, robuste und störungsfreie Wertschöpfungsprozesse aufzubauen. Das geschieht selten durch scharfsinnige Methoden, sondern vielmehr durch Einsatz des „gesunden Menschenverstands“. Oftmals sind es viele kleine Verbesserungen, die in Summe große Effekte bewirken. Dabei soll jede erkannte Verbesserung eine Anpassung des bisher bestehenden Leistungsstandards nach sich ziehen und u. U. auch für andere Unternehmensbereiche übernommen werden. Die Standardisierung von Arbeitsabläufen, Kommunikationswegen usw. ist die Basis für einen erfolgreichen Verbesserungsprozess. Standardisierung erfordert, dass die aktuell beste bekannte Vorgehensweise für eine bestimmte Tätigkeit exakt dokumentiert und visualisiert wird (z. B. durch eine detaillierte, bebilderte Arbeitsbeschreibung). Standards helfen komplexe Unternehmensprozesse für den Mitarbeiter beherrschbar zu machen und schützen ihn vor Überlastung. Ferner unterstützen sie eine effiziente bereichs- bzw. schnittstellenübergreifende Zusammenarbeit. Die Einhaltung von Standards ist daher zwingend notwendig. Gleichzeitig dürfen sie niemals starr sein. Wenn es im Alltagsgeschäft zu Abweichungen vom Standard kommt, ist dies ein Hinweis auf mögliches Optimierungspotenzial. Es muss sofort untersucht werden, ob der Prozess nicht gut genug beschrieben war oder ob eine bessere Vorgehensweise gefunden werden kann. Damit sind Standards sowohl Zielwert als auch Ausgangspunkt von Verbesserungen. Da sie sich u. U. täglich ändern können, spricht man auch vom Prinzip der flexiblen Standardisierung. Zur Verdeutlichung des möglichen Ausmaßes: 2005 wurden bei Toyota 590.000 Verbesserungsvorschläge eingereicht, von denen 90 % realisiert wurden. Pro Mitarbeiter sind das ca. 61 Vorschläge und damit fast das Hundertfache des Durchschnitts in deutschen Unternehmen).[43] )

2.3.2 Mitarbeiterfokussierung: Die wertvollste Ressource des Unternehmens

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess funktioniert nur, wenn er von allen Mitarbeitern gelebt wird, denn sie sind diejenigen, die ihre Prozesse am besten kennen und täglich vor Ort Verbesserungspotenzial identifizieren können.[44] ) Dementsprechend nehmen sie eine zentrale Rolle im Konzept der schlanken Produktion ein. Die Möglichkeit, den eigenen Arbeitsprozess mitzugestalten wirkt sich positiv auf ihre Motivation und Identifikation mit dem Arbeitsplatz aus.[45] ) Zur Erschließung ihres Potenzials dient unter anderem die Methode Teamarbeit. Diese allgemein bekannte und kontrovers diskutierte Methode wird hier nur in einigen ihrer für die schlanke Produktion typischen Ausprägungen vorgestellt. So werden etwa Verbesserungsideen im Team besprochen. Bei speziellen Qualitätszirkeln ist es auch nicht unüblich, die Ergebnisse dem Management in einer kurzen Präsentation vorzustellen, was den Mitarbeitern wiederum Wert­­schätzung entgegenbringt.[46] ) Eine andere Ausprägung ist die bereichs­übergreifende Zusammenarbeit und Job Rotation.[47] ) Dadurch lernen die Mit­­­­­ar­bei­ter Prozesse aus verschiedenen Perspektiven kennen und verstehen Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Arbeitsschritten besser. Dabei steht Teamarbeit nicht nur für eine Organisationsform, sondern auch für das Erreichen eines gemeinsamen Teamgeists, der dazu führt, dass die Gruppe Leistungen erbringt, die größer sind als die Summe der Einzelbeiträge.[48] ) Teamarbeit ist unterdessen nicht mit Konzepten der selbstorganisierten Gruppenarbeit der 90er Jahre zu verwechseln (vgl. dazu auch die noch folgenden Ausführungen zur Rolle des Teamleiters).[49] )

Eine weitere wichtige Methode der Mitarbeiterführung ist die Visualisie­rung.[50] ) Darunter wird die Bereitstellung aktueller Produktionsinformationen auf schnell erfassbare Art und Weise verstanden. Störungen (Abweichung­­en vom Standard) sollen sofort erkennbar sein, so dass Gegenmaß­nah­men schnell eingeleitet werden können. Neben bereits genannten Arbeitsbeschreibungen zählen dazu z. B. Kennzeichnungen am Boden. Befinden sich Teile außerhalb ihres Stellplatzes muss der Grund ermittelt und die Standardsituation wieder hergestellt werden. Ein anderes Beispiel sind Schautafeln in der Produktion, die prozess- und teamspezifische Informationen zu Kosten, Qualität, Sicherheit usw. darstellen und das Team für eigenverantwortliches unternehmerisches Denken sensibilisieren sollen.[51] )

Die 5S-Methode steht für Sauberkeit und Ordnung am Arbeitsplatz – wiederum darauf abzielend Verschwendung zu eliminieren:[52] )

1. Seiri: Aussortieren von am Arbeitsplatz nicht mehr benötigten Gegenständen (Werkzeuge, Teile, Dokumente usw.).
2. Seiton: Benötigte Gegenstände sinnvoll und ergonomisch anordnen (Kennzeichnung der Plätze) um Suchaufwand zu minimieren.
3. Seiso: Reinigung des Arbeitsplatzes; hilft Fehlerquellen schneller zu entdecken.
4. Seiketsu: Verfahren finden, um den durch die ersten drei „S“ erreichten Zustand zu erhalten (Standardisierung).
5. Shitsuke: Selbstdisziplin üben; gemeinsam festgelegte Regeln einhalten und weiterentwickeln.

Mit den 5W-Fragen soll die wahre Ursache entdeckt werden, die sich häufig hinter offenkundigeren Symptomen verbirgt.[53] ) Nur so können adäquate Maßnahmen ergriffen und Folgeprobleme[54] ) dauerhaft gelöst werden. Ohno nennt folgendes Beispiel:

1. Warum hat die Maschine angehalten? è Es gab eine Überlastung und die Sicherung brannte durch.
2. Warum gab es eine Überlastung? è Das Lager war unzureichend geschmiert.
3. Warum war es unzureichend geschmiert? è Die Ölpumpe hat nicht genügend gepumpt.
4. Warum hat sie nicht genügend gepumpt? è Die Welle ist ausgeschlagen und rattert.
5. Warum ist sie ausgeschlagen? è Das Sieb war nicht angebracht, wodurch Metallsplitter in die Maschine gelangten.

Aufgrund der Existenz gewisser Abwandlungen[55] ) sei hier gesagt, dass es nicht etwa darauf ankommen kann, ob man am Ende vier oder sechs malnachfrägt, sondern ob man das Problem tiefgründig analysiert. Auf diese Weise entstanden bei Toyota bspw. die Autonomation, die Produktionsnivellierung und Kanban (vgl. nachfolgende Kap.).[56] )

2.3.3 Arbeitsfluss: Fließende Prozesse erzwingen

Die schlanke Produktion verfolgt die Absicht bestehende organisatorische Funktionsbarrieren zu überwinden, indem der Fokus auf das Produkt und seinen Entstehungsprozess gerichtet wird.[57] ) Ineffizienzen, wie sie u. a. durch abteilungsinterne Optimierungen entstehen, sollen durch diese wertstromorientierte Sichtweise abgebaut werden. Spezielles Ziel im Produktionsprozess ist zudem, fließende (ununterbrochene) Abläufe zu schaffen.[58] ) Sie gelten als ideale Grundlage für kontinuierliche Verbesserung, etwa um die Durchlaufzeit zu verkürzen und sehr gute Qualität zu erreichen. Eine verbreitete Ansicht ist, dass sich die Beschleunigung der Prozesse durch ständigen Fluss negativ auf die Qualität auswirke. Doch bei gelingender Umsetzung ist das Gegenteil der Fall, denn die Aufdeckung von Fehlern und prozessimmanenten Fehlerquellen wird frühzeitig erzwungen und so weitere Fehlerteile (mit entsprechenden nachlaufenden Kosten) verhindert. Fließende Prozesse können daher mit dem Absenken des Wasserpegels verglichen werden, der Steine (Ineffizienzen = Verschwendung) zu Tage fördert, die sonst unentdeckt bleiben würden.

Das Ideal der Fließfertigung ist der One-Piece-Flow, d. h. die Produktion der Losgröße eins. An jeder Bearbeitungsstation befindet sich nur exakt ein Produkt, das nach Bearbeitung sofort weitergegeben wird. Es existieren keine Puffer, die Ineffizienzen verschleiern würden. Statt einer abteilungsweisen Produktion, bei der Komponenten in großen Zwischenlagern verweilen, bis sie weitergereicht werden, durchläuft jedes Produkt sofort den gesamten Wertstromprozess. Dies soll Verschwendung in Form unnötiger Prozessschritte, Transportwege und Zwischenlagerungen aufdecken. Bei entsprechend hoher Variantenvielfalt ist One-Piece-Flow nur durch eine Minimierung der Umrüstzeiten wirtschaftlich realisierbar. Die hier nicht näher vorgestellte SMED-Methode („single-minute exchange of die“) zielt darauf ab Rüstvorgänge im einstelligen Minutenbereich durchzuführen. Bei Toyota ist man sehr realistisch und weiß, dass One-Piece-Flow oft nur annähernd erreichbar, manchmal auch nicht sinnvoll ist und wird dementsprechend nicht erzwungen; dennoch bleibt er anzustrebendes Ziel.

Damit One-Piece-Flow funktioniert ist ein koordinierter Fluss notwendig.[59] ) Ähnlich einem Ruderboot, bei dem alle Ruderer mit gleicher Kraft im Rhythmus rudern müssen, entsteht das beste Ergebnis, wenn alle Produktionszellen die gleiche Effizienz aufweisen. Die Arbeit wird deshalb so untergliedert, dass jeder Station exakt die gleiche Bearbeitungszeit zur Verfügung steht. Diese ideale Taktzeit berechnet sich letztlich aus der Kundennachfrage. Der Gleichklang im Kundentakt wird durch die Methode Just-in-Time unterstützt.[60] ) Das bedeutet, dass aufbauend auf dem Fließ­prinzip, die zur Montage benötigten Teile zur richtigen Zeit in der richtigen Menge ans Fließband geliefert werden. Lagerkosten werden so minimiert.

Ausgelöst wird der Materialfluss durch das Ziehprinzip (bzw. Holprinzip). Jede Stelle produziert erst dann, wenn die nachgelagerte einen Bedarf anmeldet.[61] ) Damit wird sichergestellt, dass nur das produziert wird, was tatsächlich nachgefragt wird. Den ersten Anstoß bildet dementsprechend der Kundenauftrag. Das Ziehprinzip steht im Gegensatz zur Produktionssteuerung auf Basis von Produktionsplänen, die der Gefahr nicht eintreffender Absatzplanungen unterliegt.

Die Anwendung des Ziehprinzips gelingt klassischerweise durch Kanban.[62] ) Nach dieser Methode muss jedes Teil mit einer Karte (Kanban) versehen sein, die alle relevanten Informationen (zu Entnahme, Transport Produktion) enthält. Häufig wird Kanban durch ein Behältersystem verwirklicht. Das Teil (oder mehrere) wird dann in einem Behälter transportiert, an dem die Kanbankarte angebracht ist. Sobald eine Station den Inhalt verbraucht hat, wird der Behälter im Austausch gegen einen vollen Behälter an die vorgelagerte Stelle gegeben und dort die Produktion der nächsten Charge angestoßen. Der Vorrat eines Behälters muss also solange reichen, wie die Nachproduktion an Zeit erfordert. Auf diese Weise entsteht ein sich selbststeuernder Regelkreis, der ohne komplexe (u. U. teure und fehleranfällige) Computersysteme auskommt. Idealerweise wird Kanban durch vermaschte Regelkreise auf die gesamte Supply Chain erweitert. Al­lein die Sachlogik zeigt, dass Kanban selbst eine Form von – wenn auch kleinerem – Zwischenlager darstellt. Häufig sind auch sog. „Supermarktregale“ als Kistenpuffer zwischengeschaltet. Hier wird ein häufiger Irrtum deutlich: Kanban ist kein reines Logistik-Instrument, das man in abgeschlos­sen­er Form einführt.[63] ) Es ist vor allem eine Methode die Verbesserungen beschleunigt.[64] ) Erstens werden Überproduktion bzw. Zwischenlager kontinuierlich abgebaut (durch sukzessive Reduktion der Behälter). Außerdem zwingt es zu Qualität (vgl. Kap. 2.3.4) und erhöht die Prozessstabilität, z. B. weil jeder Mitarbeiter mit einem Blick die Materialreichweite abschätzen kann (visuelle Steuerung von Material und Informationsfluss).[65] )

Um die Vorteile eines ununterbrochenen Materialflusses zu erschließen, sollte die Produktion möglichst gleichmäßig ausgelastet sein: Man spricht von Produktionsnivellierung oder heijunka.[66] ) Denn die Synchronisierung durch Kanban funktioniert nur dann, wenn die Nachfrage in jedem Arbeitsgang keinen zu großen Schwankungen unterliegt. Eine ausführliche Beschreibung ist an dieser Stelle nicht möglich. Idee ist jedoch das bspw. alle Kundenaufträge einer Woche so ausgeführt werden, dass an jedem Tag die gleiche Menge und der gleiche Produktmix hergestellt wird. Also etwa jeden Tag die Reihenfolge A/B/C, A/B/C, A/B/C usw. anstatt eine ganze Woche nur A, dann eine Woche B usw. Im Vergleich zur Massenfertigung wird so weiterhin ein hohes Maß an Flexibilität erhalten.[67] ) Gleichzeitig soll die Arbeit und damit die Belastung für Mitarbeiter und Maschinen insgesamt gleichmäßig verteilt werden. Das Gegenteil wäre, wenn etwa zehn Tage unter maximaler Belastung (z. B. in Form von Überstunden) gearbeitet wird, und die Produktion dann für drei Tage ruht.

2.3.4 Null-Fehlerprinzip: Qualität erzeugen anstatt zu „erprüfen“

Das Null-Fehlerprinzip gebietet, ein fehlerhaftes Produkt niemals in den nächsten Arbeitsgang weiterzureichen, damit von Anfang an 100 % Qualität erzeugt wird und nicht in späteren Prozessschritten erneut „erprüft“ werden muss.[68] ) Maßgeblich ist hierfür das Einnehmen einer internen Kundenperspektive. Abgesehen davon, dass Fehler stets zu Kosten in Form von Nacharbeit und Nachprüfungen führen (spätestens bei Kundenreklamation),[69] ) sind in der schlanken Produktion „Null-Fehler“ insbesondere deshalb von Bedeutung, weil sich Maschinenausfälle oder fehlerhafte Produkte aufgrund der geringen Pufferbestände im Kanban besonders gravierend auf die Erfüllung der Produktionsziele auswirken. Um ein absolutes Höchstmaß an Qualität zu realisieren, werden verschiedenste Anstrengungen unternommen.

Das Prinzip Total Productive Maintenance (TPM) hat zum Zweck die Anlageneffizienz durch vorbeugende Instandhaltung zu maximieren und eine hundertprozentige Verfügbarkeit zu erreichen.[70] ) „Total“ drückt aus, dass hierfür alle Mitarbeiter, vom Werksmitarbeiter bis zum Top-Management, einzubeziehen sind. Außerdem soll bereits beim Kauf auf die laufenden Kosten über die Lebenszeit geachtet und Mitarbeiter so qualifiziert werden, dass sie kleinere Instandhaltungsaufgaben selbstständig während ihrer täglichen Arbeit durchführen können.[71] )

Eine weitere Methode der Qualitätssicherung ist Poka Yoke, was so viel wie Narrensicherheit bedeutet.[72] ) Ihr Ziel ist Prozesse und Betriebsmittel so zu gestalten, dass unbeabsichtigte Fehler praktisch nicht auftreten können bzw. sofort entdeckt werden. Damit einher geht die Methode Jidoka, auch als Autonomation oder Automation mit menschlichen Zügen bezeichnet, d. h. der Maschine Intelligenz zu verleihen. Jede Maschine wird so ausgerüstet, dass sie Fehler selbstständig erkennt, den Produktionsprozess stoppt und so die Weitergabe von (weiteren) Schlechtteilen verhindert. Auf diese Weise kann ein Mitarbeiter mehrere Maschinen gleichzeitig beaufsichtigen (Produktivitätserhöhung). Nur im Störfall muss er sich um sie kümmern. Dieses Konzept der Unterscheidung von normalen und anormalen Zuständen ist zentral für das Denken jedes Mitarbeiters. Entdeckt er einen Missstand soll er die Andon-Leine ziehen, d. h. in seinem Segment das Band stoppen.[73] ) Das Problem wird dann durch ein Ampellicht oder eine Anzeigetafel visualisiert, so dass zur Lösung notwendige Mitarbeiter (i.d.R. Teamleiter) sofort reagieren können und das Problem nach Möglichkeit noch innerhalb der Taktzeit lösen, ehe das gesamte Band zu stoppen ist. Stets geht es darum keinesfalls Fehler zu vertuschen.

[...]


[1] ) Vgl. Bosch/Danyel [Zeitgeschichte] 262.

[2] ) Vgl. auch im Weiteren Ankele/Staiger/Koch [Chefsache] 12.

[3] ) Vgl. Friedli/Scherer-Rathje [Hochlohnstandorte] 14.

[4] ) Vgl. Dick [Zukunft Produktionsarbeit] 4.

[5] ) Vgl. Corsten/Will [Lean] 5; Graf [Phänomen] 2 ff; Fueglistaller u. a. [Scheitern] 46.

[6] ) Vgl. auch im Weiteren Classen/Neuhaus [Lernkultur] 22 f.

[7] ) Vgl. Zäpfel [Produktionsmanagement] 1.

[8] ) Vgl. Vahs [Organisation] 13.

[9] ) Vgl. Corsten/Gössinger [Produktionswirtschaft] 2 f.

[10] ) Vgl. Kern [Produktionswirtschaft] 96 ff; zu einer Darstellung anderer Aufgabenunterteilungen vergleiche Corsten/Gössinger [Produktionswirtschaft] 24 f.

[11] ) Vgl. Hoeschen [Produktionssysteme] 6.

[12] ) Vgl. Neuhaus [Produktionssysteme 1] 6, 11.

[13] ) Vgl. z. B. Jödicke [Produktionssysteme] 4; Neuhaus [Produktionssysteme 2] 12.

[14] ) Vgl. auch im Weiteren Stotko [Toyota] 22.

[15] ) Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT); vgl. Womack/Jones/Roos [Revolution].

[16] ) Vgl. Neuhaus [Produktionssysteme 2] 22.

[17] ) Vgl. Bleher [Einführen] 9; ähnlich Wildemann [Produktionsmanagement] 135.

[18] ) Vgl. Ankele/Staiger/Koch [Chefsache] 49; Neuhaus [Produktionssysteme 2] 23; ähnlich Wildemann [Paradigma] 1 f.

[19] ) Vgl. auch im Weiteren Ankele/Staiger/Koch [Chefsache] 49; ähnlich Bleher [Einführen] 10 ff.

[20] ) Vgl. Ohno [Toyota] 54 und ausführlich z. B. Jödicke [Produktionssysteme] 60 ff.

[21] ) Vgl. Dombrowski/Palluk/Schmidt [Typologie] 553 ff; Bleher [Einführen] 25.

[22] ) Vgl. dazu ausführlich Graf [Phänomen] 5 ff.

[23] ) Vgl. Bleher [Einführen] 10.

[24] ) Vgl. auch im weiteren Becker [Phänomen] 5.

[25] ) Vgl. Ohno [Toyota] 36 f.

[26] ) Vgl. Ohno [Toyota] 36 f; ähnlich Liker [Toyota] 48.

[27] ) Vgl. auch im Weiteren Liker [Toyota] 48 f.

[28] ) Vgl. Ohno [Toyota] 38.

[29] ) Vgl. Ohno [Toyota] 155 ff.

[30] ) Zu einer Chronologie der Entwicklung vgl. Ohno [Toyota] 32 f.

[31] ) Vgl. auch im Weiteren Ankele/Staiger/Koch [Chefsache] 12 ff.

[32] ) Vgl. Taylor [Betriebsführung].

[33] ) Vgl. z. B. Ohno [Toyota] 148; Pfeiffer/Weiss [Elemente] 18.

[34] ) Vgl. Clarke [Forms] 4.

[35] ) Vgl. Stotko [Toyota] 11; Imai [Kaizen] 38.

[36] ) Vgl. auch im Weiteren Ohno [Toyota] 136.

[37] ) Vgl. auch im Weiteren Ohno [Toyota] 142 ff.

[38] ) Vgl. Hebeisen [Taylorismus] 177.

[39] ) Vgl. auch im Weiteren Taylor [Betriebsführung] 136 f.

[40] ) Vgl. Taylor [Betriebsführung] 14, 38; Hebeisen [Taylorismus] 130 f.

[41] ) Vgl. Brunner [Erfolgskonzepte] 6 ff, 11.

[42] ) Vgl. auch im Weiteren Takeda [System] 123 ff; Dörich [Führung] 11 ff.

[43] ) Vgl. Rothlauf [Quality] 513 f; ähnliche Bsp. anderer Jahre: Liker [Toyota] 281; Imai [Kaizen] 38.

[44] ) Vgl. Bleher [Einführen] 29; Ohno [Toyota] 69, 72.

[45] ) Vgl. auch im Weiteren Imai [Kaizen] 37 ff, 126 ff.

[46] ) Vgl. Liker/Meier [Toyota] 335; Imai [Kaizen] 134.

[47] ) Vgl. auch im Weiteren Bleher [Einführen] 29 ff; ähnlich Becker [Phänomen] 219.

[48] ) Vgl. Becker [Phänomen] 219; Ohno [Toyota] 58 ff.

[49] ) Vgl. dazu Dörich [Führung] 3 ff.

[50] ) Vgl. auch im Weiteren Bleher [Einführen] 30.

[51] ) Vgl. Brunner [Erfolgskonzepte] 98 f.

[52] ) Vgl. auch im Weiteren Imai [Kaizen] 77 ff.

[53] ) Vgl. auch im Weiteren Ohno [Toyota] 51 f.

[54] ) Aus der Koordinationsperspektive des Controlling würde man von einer Methode der Problemsystematisierung sprechen; vgl. auch Troßmann [Controlling] 76 f.

[55] ) Vgl. z. B. „6x6W-Konzept“ nach Brunner [Erfolgskonzepte] 22 ff.

[56] ) Vgl. Ohno [Toyota] 52.

[57] ) Vgl. auch im Weiteren Bleher [Einführen] 31 ff.

[58] ) Vgl. auch im Weiteren Liker [Toyota] 136 ff.

[59] ) Vgl. auch im Weiteren Ohno [Toyota] 56 ff, 102 f.

[60] ) Vgl. auch im Weiteren Ohno [Toyota] 37.

[61] ) Vgl. auch im Weiteren Bleher [Einführen] 33 f.

[62] ) Vgl. auch im Weiteren Dickmann [Materialfluss] 10 ff; 162 ff; ähnlich Ohno [Toyota] 60 ff, 89.

[63] ) Vgl. Liker [Toyota] 164 f.

[64] ) Vgl. auch im Weiteren Ohno [Toyota] 60 ff, 77 ff; Dickmann [Materialfluss] 10 ff.

[65] ) Vgl. Ohno [Toyota] 60 ff, 77 ff; Dickmann [Materialfluss] 10 ff.

[66] ) Vgl. auch im Weiteren Ohno [Toyota] 46 f, 73 ff.

[67] ) Vgl. auch im Weiteren Liker [Toyota] 183 ff.

[68] ) Vgl. auch im Weiteren Allg. Ohno [Toyota] 38, 78 und speziell Bleher [Einführen] 118 f.

[69] ) Vgl. Pfeifer [Qualitätsmanagement] 5 f; ähnlich Liker [Toyota] 144.

[70] ) Vgl. auch im Weiteren Brunner [Erfolgskonzepte] 75 ff.

[71] ) Vgl. Bleher [Einführen] 37.

[72] ) Vgl. auch im Weiteren Ohno [Toyota] 40 f, 161, 164.

[73] ) Vgl. auch im Weiteren Liker [Toyota] 191 ff.

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Erfolgsfaktoren für schlanke Produktionssysteme. Die Rolle des Controlling
Hochschule
Universität Hohenheim  (Financial Management)
Veranstaltung
Masterarbeit bei Herrn Prof. Dr. Ernst Troßmann
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
69
Katalognummer
V335152
ISBN (eBook)
9783668267145
ISBN (Buch)
9783668267152
Dateigröße
1271 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lean Management, Lean Production, Industrie 4.0, Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, KVP
Arbeit zitieren
Joachim Krautter (Autor:in), 2015, Erfolgsfaktoren für schlanke Produktionssysteme. Die Rolle des Controlling, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335152

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