In dieser wissenschaftlichen Ausarbeitung sollen aktuelle Rechtsfragen der Schädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten besonders geschützter Tierarten im Zuge der Errichtung von Windenergieanlagen auf Waldflächen diskutiert werden.
Die Windenergie hat sich im Laufe der vergangenen Jahre zum wichtigsten Pfeiler auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien entwickelt. Daher ist sie für die angestrebte Energiewende der Bundesrepublik Deutschland von zentraler Bedeutung. Gemäß § 1 Abs. 2 EEG ist es das Ziel, den Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2025 auf 40 - 45% zu erhöhen. Bis zum Jahr 2050 soll dieser Anteil auf mindestens 80% nach oben geschraubt werden. Um diese Zielvorgaben zu erreichen, ist auch weiterhin ein umfassender Ausbau der Windenergie von Nöten. Neben Windkraftanlagen auf hoher See, ist für Betreiber die Errichtung von Anlagen auch an Land, insbesondere in Wäldern, sehr attraktiv. Waldstandorte haben den Vorteil, dass sie meist fern ab von Wohngebieten liegen. Streitigkeiten mit der ortsansässigen Bevölkerung, aufgrund von Lärmbelästigung und Schattenwurf, werden somit vermieden. Zudem fallen Waldflächen meist mit exponierten, besonders windreichen Standorten zusammen und sorgen so für eine hohe Auslastung der Anlagen und lukrative Gewinne. Speziell die Höhenlagen der deutschen Mittelgebirge scheinen für die Windenergienutzung prädestiniert zu sein.
Trotz der genannten Vorteile und einer geringeren Beeinträchtigung des Landschaftsbildes , besteht jedoch gerade in Wäldern, aufgrund der Existenz vieler verschiedener Tier- und Pflanzenarten, ein hohes Konfliktpotenzial mit dem besonderen Artenschutzrecht. Durch den Bau und den Betrieb von Windenergieanlagen können besonders schützenswerte Arten von enormen Störwirkungen, Beschädigungen ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie Gefahren für ihre körperliche Unversehrtheit betroffen sein. Insbesondere der Lebensstättenschutz ist dabei ein vielfach unterschätztes Problem, das sich beim Bau einer Windenergieanlage stellt. Im Rahmen der Schaffung von Zugangswegen und der Errichtung des Anlagenfundaments werden in flächendeckendem Maße Bäume gerodet, in denen Vögel, Kleinsäuger oder Insektenarten ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten vorfinden. Die Zerstörung oder Beschädigung der Lebensstätten besonders geschützter Arten führt jedoch in vielerlei Hinsicht zu rechtlichen Problemen.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG
- I. Tötungsverbot
- II. Störungsverbot
- 1. Europarechtliche Auslegung
- 2. Signifikanzschwelle im deutschen Recht
- III. Beschädigungsverbot
- 1. Entnahme, Beschädigung und Zerstörung
- 2. Zeitliche Erstreckung des Verbots
- 3. Der Begriff der Fortpflanzungs- und Ruhestätten
- 4. Nahrungshabitate und Wanderkorridore
- C. Entscheidungsprärogative der Behörde
- D. Treffen von Vermeidungsmaßnahmen
- E. Legalausnahme des § 44 Abs. 5 BNatSchG
- I. Privilegierte Vorhaben
- 1. National geschützte Arten
- 2. Europäische Arten
- 3. Wahrung der ökologischen Funktion
- 4. Funktionserhaltende CEF-Maßnahmen
- 1. Beispiele funktionserhaltender Maßnahmen
- 2. Risikomanagement und Monitoring
- 5. Ausnahme des Tötungsverbots
- 1. Europarechtlicher Konflikt
- 2. Probleme in der Bauleitplanung
- 6. Konformität der Legalausnahme
- II. Ausnahmeregelung der Behörde
- 1. Windenergie als zwingender Grund des öffentlichen Interesses
- 1. Maßgeblich günstige Umweltauswirkungen
- 2. Sonstige zwingende Ausnahmegründe
- a) Private Vorhaben im öffentlichen Interesse
- b) Unstimmigkeiten mit der Vogelschutzrichtlinie
- 3. Abwägung
- 2. Alternativenprüfung
- 1. Vorliegen einer Alternative
- 2. Das Kriterium der Zumutbarkeit
- 3. Erhaltungszustand der Population
- 1. Urteil zum finnischen Wolf
- 2. Maßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustands
- Die drei Zugriffsverbote des besonderen Artenschutzrechts (Tötungsverbot, Störungsverbot, Beschädigungsverbot) und ihre europarechtlichen Grundlagen
- Die Legalausnahme des Beschädigungsverbots nach § 44 Abs. 5 BNatSchG und ihre Konformität mit europarechtlichen Vorgaben
- Die behördliche Ausnahmeregelung im Hinblick auf Windenergie als zwingendes öffentliches Interesse und die Notwendigkeit einer umfassenden Abwägung
- Die Bedeutung der Alternativenprüfung und die Sicherung des Erhaltungszustands der betroffenen Populationen
- Die Herausforderungen des Artenschutzes im Kontext der Energiewende und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Planung von Windenergieanlagen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese wissenschaftliche Ausarbeitung befasst sich mit der rechtlichen Problematik der Schädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten besonders geschützter Tierarten durch die Errichtung von Windenergieanlagen auf Waldflächen. Sie analysiert die Zugriffsverbote des besonderen Artenschutzrechts, die Legalausnahme des Beschädigungsverbots und die behördliche Ausnahmeregelung im Kontext des europäischen Rechts.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Bedeutung der Windenergie für die Energiewende und die Herausforderungen des Artenschutzes im Zusammenhang mit dem Bau von Windenergieanlagen, insbesondere in Wäldern. Kapitel B behandelt die Zugriffsverbote des besonderen Artenschutzrechts, einschließlich des Tötungsverbots, des Störungsverbots und des Beschädigungsverbots, sowie die europarechtlichen Vorgaben. Kapitel C widmet sich der Entscheidungsprärogative der Behörden und Kapitel D den Vermeidungsmaßnahmen. Kapitel E analysiert die Legalausnahme des Beschädigungsverbots, einschließlich der Kriterien für privilegierte Vorhaben und die Konformität mit europarechtlichen Vorgaben. Kapitel F untersucht die behördliche Ausnahmeregelung, die Alternativenprüfung und die Sicherung des Erhaltungszustands der betroffenen Populationen. Abschließend bietet Kapitel G ein Fazit zu den rechtlichen Herausforderungen und den Handlungsmöglichkeiten im Kontext des Artenschutzes und der Windenergie.
Schlüsselwörter
Windenergie, Artenschutz, Fortpflanzungs- und Ruhestätten, besonders geschützte Arten, BNatSchG, FFH-Richtlinie, Vogelschutzrichtlinie, Legalausnahme, behördliche Ausnahmeregelung, Abwägung, Alternativenprüfung, Erhaltungszustand, Energiewende, nachhaltige Planung.
- Arbeit zitieren
- Tim Bieber (Autor:in), 2015, Aktuelle Rechtsfragen der Schädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten besonders geschützter Arten bei der Errichtung von Windenergieanlagen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335486