Das Grundrecht auf Asyl und das geplante Zuwanderungsgesetz


Hausarbeit, 2002

29 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichtliche Hintergründe des Grundrechts auf Asyl

3. Die Grundsätze des Asylrechts
3.1 Definition des Begriffes des „Verfolgten“ nach der Genfer Flüchtlingskonvention
3.2 Verfolgung als politisch motivierte Handlung
3.3 Grundsätze des Asylrechts

4. Die Asylrechtsreform und ihre Auswirkungen auf das Asylrecht
Beurteilung der „Ausschlusstatbestände“ aus Art. 16 a durch das BVerfG
4.1. Urteilsbegründung zu „Sicheren Drittstaaten“
4.2. Urteilsbegründung zu „Sicheren Herkunftsstaaten“
4.3. Urteilsbegründung zum „Flughafenverfahren“

5. Europäische Bestrebungen zur Harmonisierung des Asylrechts
5.1. Die Vorgaben des EG-Vertrages
5.2. Die Europäische Harmonisierung im Licht des GG
5.3. Asylrechtliche Verträge der EU

6. Die Verpflichtungen der BRD aus „Internationalen Abkommen“
Vereinbarkeit des Art. 16 a mit der ...
6.1. Europäischen Menschenrechtskonvention
6.2. Genfer Flüchtlingskonvention

7. Die Änderungen im Asylrecht durch das „Zuwanderungsgesetz“
7.1 Verfolgungssituationen
7.2. Aufenthaltstitel
7.3. Verfahrensänderungen

8. Fazit

9. Anhang

1. Einleitung

„Politisch Verfolgte genießen Asyl.“ – Mit dieser Bestimmung des Art. 16 a Abs. 1 gewährt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ein im Vergleich zum Völkerrecht und zu anderen nationalen Verfassungen einzigartiges Recht: den subjektiven, uneingeschränkten und einklagbaren Rechtsanspruch eines „Politisch Verfolgten“ auf Asyl[1].

Durch Art. 16 a GG wird nicht nur die Aufnahme einzelner Menschen, ohne kategoriale Unterschiede zu machen, gewährleistet, sondern ihre Aufnahme zu einem individuellem Recht ausgestaltet, das durch Art. 19 Abs. 4 GG mit allen Rechtsweggarantien, die ein heutiger Rechtsstaat seinen Bürgern gewährt, versehen ist[2].

Aktuelle Brisanz gewinnt die Diskussion um das Asylgrundrecht durch die Absicht der Bundesregierung den Zuzug von Ausländern in das Bundesgebiet durch das „Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung [...] von Unionsbürgern und Ausländern“, kurz „Zuwanderungsgesetz“, neu zu regeln.

In seinem Verlauf wird auch eine Reform des Asylrechts und eine Abänderung im Verfahren des Umganges mit Ausländern, deren Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, anhängig.

Bereits nach der Reform des Grundrechts auf Asyl im Jahre 1993, bei der als Voraussetzung für die Gewährung von Asyl durch die BRD, das Nichterfülltsein der Ausschlusstatbestände der Herkunft aus einem „Sicheren Herkunftsstaat“ aus Art. 16 a Abs. 3 GG sowie der Einreise durch einen „Sicheren Drittstaat“ aus Art. 16 a Abs. 2 GG gesetzt wurde, kam die Frage nach der Erfüllung der Ansprüche eines Grundrechts auf Asyl durch dessen tatsächliche Umsetzung im GG auf.

Im folgenden wird zu klären sein, ob die momentane Umsetzung des Grundrechts auf Asyl im GG und in den ihm untergeordneten Ausländer- und Asylverfahrensgesetz den Verpflichtungen, die sich die BRD durch die Unterzeichnung des „Abkommens zur Rechtstellung von Flüchtlingen“, der sog. „Genfer Flüchtlingskonvention“ (GFK), und der „Europäischen Menschenrechtskonvention“ (EMRK) selbst gestellt hat, gerecht wird.

Zunächst muss aber auf die durch Vorgaben des GG und die Rechtsprechung des BVerfG gefestigten Grundlagen bei der Entscheidung von Asylanträgen eingegangen werden, um eine bessere Beurteilung der Fragestellung zu ermöglichen.

In diesem Zusammenhang ist auch die durch das BVerfG angemahnte Europäische Gesamtregelung des Asylrechts zu sehen, die zwar von der Bundesregierung als erwünschte Lösung der internationalen Asylproblematik angegeben wird, doch deren Durchsetzbarkeit sowie Vereinbarkeit mit dem GG fraglich sind.

Abschließend werden die Neuregelungen des Asylrechts, die sich bei einer Zustimmung des BR zum „Zuwanderungsgesetz“ ergeben, hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Praxis der Asylgewährung und ihrer Bedeutung für in der BRD lebende Flüchtlinge beleuchtet.

2. Geschichtliche Hintergründe des Grundrechts auf Asyl im GG

Bis zur Entstehung des Grundgesetzes 1949 kannte keine Verfassung, die bis zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der BRD bestand hatte, ein Recht auf Asyl. Der Entwurf einer Verfassung durch den Herrenchiemseher Verfassungskonvent sah ausschließlich die Nichtauslieferung bei Nichtbeachtung der verfassungsmäßigen Grundrechte durch den jeweiligen Verfolgerstaat vor[3].

Die Verankerung des Grundrechts auf Asyl im GG wurde auf Initiative der Mitglieder des Parlamentarischen Rates verwirklicht und war die Reaktion auf ihre Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus.

In den damaligen Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, der sich in seinem Wortlaut mit dem jetzigen Art. 16 a Abs. 1 GG identisch zeigt, brachten sie das Wissen ein, dass viele deutsche Oppositionelle den Nationalsozialismus nur überleben konnten, da ihnen durch andere Staaten Asyl gewährt wurde, aber auch die Kenntnis darum, dass vielen Verfolgten durch potentielle Zufluchtsstaaten die Aufnahme aufgrund von egoistischen, nationalistischen Motiven verweigert wurde[4].

Der Parlamentarische Rat sah es folglich als eine Verpflichtung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus an, das Grundrecht auf Asyl in das neu entstehende GG aufzunehmen.

Geleitet wurden sie durch die Vorgaben der 1948 durch die Vereinten Nationen verfassten Deklaration der Menschenrechte, die zwar nicht zwingend für die Unterzeichnerstaaten die Aufnahme des Rechts auf Asyl in ihre nationalen Verfassungen vorschrieb, doch einen Leitfaden für den Parlamentarischen Rat darstellte.

Im Art. 14 heißt es: „Jedermann hat das Recht in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“

3. Die Grundsätze des Asylrechts

Schutz vor Verfolgung ist in der Geschichte der Menschheit immer aufgrund staatlicher Souveränität gewährt worden, folglich ist der Akt der Asylgewährung ursprünglich keine Pflicht sondern ein Hoheitsrecht eines Staates. Das Recht zur Asylgewährung leitet sich von dem Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts ab, demzufolge ein Staat auf seinem Territorium die uneingeschränkte Entscheidungsgewalt zusteht, solange er durch seine Handlungen nicht die Rechte anderer Staaten oder das Völkerrecht verletzt. Demnach kann der Schutzsuchende im Normalfall keinen persönlichen Anspruch auf Asyl in einem Staat geltend machen, der ihm die Aufnahme verweigert.

Das GG bietet dem entgegengesetzt jedem Asylsuchenden die Möglichkeit mit Berufung auf den Art. 16 a Abs. 1 GG die BRD zur Schutzgewährung zu zwingen, wenn auf ihn der Tatbestand der „Politischen Verfolgung“ zutrifft und erhebt das Grundrecht auf Asyl in den Stand eines individuell einklagbaren Schutzrechtes.

Der Status eines Asylberechtigten, also einer Person der durch die BRD Asyl gewährt wurde, weist der betreffenden Person ein befristetes Aufenthaltsrecht zu, welches eine Arbeitserlaubnis sowie einen Unterhaltsanspruch gegenüber der BRD einschließt. Das Aufenthaltsrecht eines Asylberechtigten entfällt erst, wenn durch die Bundesbehörden die eindeutige Beendigung der Verfolgungssituation festgestellt wird.

Die Frage, wann der Tatbestand der „Politischen Verfolgung“ erfüllt ist, wurde in der Geschichte der BRD durch verschiedene völkerrechtliche Verträge und Urteile des BVerfG sowie des BVerwG beantwortet. Allerdings ist es unerlässlich die Definition von dem Begriff des „Verfolgten“ von der als „politisch“ charakterisierten Verfolgung zunächst zu trennen, da seine Definition in der Rechtsgeschichte der BRD nahezu ausschließlich auf die GFK von 1951 zurückgeht.

3.1. Definition des Begriffes des „Verfolgten“ nach der GFK

Der Flüchtlingsbegriff der GFK bestimmt die Definition des „Verfolgten“ aus Art. 16 a Abs. 1 GG fast gänzlich. In der Asylrechtsprechung haben sich deutsche Gerichte ausnahmslos nach seiner Umschreibung eines Verfolgten gerichtet und somit den Begriff des Flüchtlings der GFK mit dem des Verfolgten aus dem GG gleichgesetzt[5].

„Ein Flüchtling ist eine Person, die sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will.“[6]

3.2. Verfolgung als politisch motivierte Handlung

Wäre das Grundrecht auf Asyl nur auf das Bestehen einer Verfolgungssituation ausgelegt, würde es die BRD verpflichten nahezu jeden Asylsuchenden zu akzeptieren. Durch die Beschränkung auf die Verfolgung als eine politisch motivierte Handlung verringert das GG allerdings die Verpflichtungen der BRD gegenüber Wirtschafts- und Bürgerkriegsflüchtlingen.

Die deutsche Rechtsprechung erkennt eine Verfolgung im Allgemeinen nur als „politisch“ an,, wenn sie im „Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Gestaltung und Eigenart der allgemeinen Ordnung des Zusammenlebens von Menschen und Menschengruppen steht und von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgeht, der die Verletzten unterworfen sind“7.

Weitergehend wird vorausgesetzt, dass der Verfolger nach seiner subjektiven Motivation aus politischen Gründen handelt und an persönliche Merkmale des Verfolgten anknüpft, die diesem schicksalhaft zugefallen sind.

„Politische Verfolgung“ kann also immer mit staatlicher Verfolgung gleichgesetzt werden, wobei nichtstaatliche Verfolgung einen Asylanspruch als mittelbare Staatsverfolgung nur begründet, wenn sie dem Staat oder der dem Staat entsprechenden, herrschenden politischen Macht zugerechnet werden kann8.

Bei Verlassen des Heimatstaates wegen der allgemein ungünstigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen oder im Falle von Aufständen, Bürgerkriegen und zwischenstaatlichen Konflikten ist weder eine Klassifizierung der Verfolgung als „politisch“ gerechtfertigt, noch eine asylbegründende Verfolgungssituation gegeben, da hierbei das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative im Vordergrund steht und eine Asylgewährung ausschließt.

3.3 Grundsätze des Asylrechts

Das Asylrecht der BRD kennt neben der Voraussetzung der „Politischen Verfolgung“ mehrere zusätzliche Gebote, die seine Gewährung und seine Ausübung betreffen und als unerlässlich für die Legitimation der deutschen Asylpolitik gesehen werden können.

Herauszuheben ist unter anderem der Grundsatz der Neutralität, der es dem deutschen Staat untersagt ihm politisch missliebigen Personen das Asyl zu verweigern, indem das Asylrecht bestimmt, dass ein Asylanspruch eines Flüchtlings unabhängig von seiner Person, Herkunft und politischer Gesinnung sowie von der politischen Ausrichtung des Verfolgerstaates besteht.

Die Schwere der Verfolgung ist belanglos für die Anerkennung als politisch motiviert, da ein die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit verletzender Eingriff zwar grundgesetzwidrig ist, aber noch keine politische Verfolgung begründet. Folglich ist durch das Stattfinden von Folter nicht in jedem Falle ein Asylanspruch trotz der Verpflichtung des Art. 3 EMRK9 gegeben.

Eine Asylrechtsbegründende Verfolgungssituation ist nur bei der Einschränkung von elementaren, individuellen Rechtsgütern wie Leib und Leben, persönlicher Freiheit, Religionsausübung und ungehinderter wirtschaftlicher Betätigung gegeben

Für die Gewährung von Asyl ist das persönliche Betroffensein maßgebend, aber die individuelle Rechtsposition kann auch bei Verfolgung einer durch gemeinsame Merkmale verbundenen Gruppe verletzt sein. In diesem Fall besteht der Asylanspruch für alle dieser Gruppe zugehörigen Personen.

Bei Nachfluchtgründen, also einer erst nach Verlassen des Heimatstaates eingetretenen Verfolgungssituation, wird zwischen objektiven, unabhängig von der Person des Asylbewerbers entstandenen und subjektiven, vom Asylbewerber selbst geschaffenen Nachfluchtgründen unterschieden.

Objektive Nachfluchtgründe begründen in jedem Fall einen Asylanspruch, wobei subjektive nur als asylbegründend anerkannt werden, wenn sie Ausdruck einer bereits früher vertretenen politischen Überzeugung des Asylsuchenden sind.

Ein weiterer Grund für die Nichtgewährung von Asyl sind die dem Grundrecht immanenten Schranken, die eine Asylgewährung bei der Gefahr für die Sicherheit der BRD sowie ihrer öffentlichen Ordnung oder der Erschöpfung ihrer Aufnahmekapazität verbieten.

Das Asylrecht impliziert die Verpflichtung ein menschenwürdiges Dasein des Verfolgten zu ermöglichen, folglich ist die BRD für seine Verpflegung, Unterkunft und ärztliche Versorgung verantwortlich.

Herauszuheben ist, dass das deutsche Grundrecht auf Asyl nicht den Anspruch einer weltweiten Garantie von Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit beinhaltet, sondern sich den Bestimmungen des Völkerrechtes unterstellt und dem GG entgegenstehende Rechtsordnungen, in denen diese Rechte eine andersgeartete Ausprägung besitzen, anerkennt.

[...]


[1] vgl. Münch: Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, 1993 S. 17

[2] vgl . Leuninger: Asylrecht und Menschenrechte, S.11

[3] vgl. Zimmermann: Das neue Grundrecht auf Asyl, 1994 S. 11

[4] vgl. Münch: Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, 1993 S. 17

[5] vgl. BVerfG 76, 143/157

[6] Art. 1 B GFK

[7] Hesselberger: Das Grundgesetz, 2001 S. 162

[8] siehe BVerfG 54, 341 (358)

9 BVerfG 54, 351

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Das Grundrecht auf Asyl und das geplante Zuwanderungsgesetz
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Institutionen des deutschen Staatsrechts
Note
2.0
Autor
Jahr
2002
Seiten
29
Katalognummer
V3357
ISBN (eBook)
9783638120586
ISBN (Buch)
9783638638104
Dateigröße
764 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Hausarbeit befasst sich mit den Vorgaben des GG zur Asylgewährung in Art. 16 a, ihrer Verwirklichung in der deutschen Asylpraxis, sowie den Änderungen, die bei einer Ratifizierung des Zuwanderungsgesetzes im Asylrecht und der Asylpraxis eintreten würden. Abschließend wird noch die Möglichkeit einer Euröpäischen Asylgewährung auf ihre Vereinbarkeit mit dem GG hin geprüft
Schlagworte
Asylrecht, Zuwanderungsgesetz, Staatsrecht
Arbeit zitieren
Magister Artium Mathieu Schade (Autor:in), 2002, Das Grundrecht auf Asyl und das geplante Zuwanderungsgesetz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3357

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