Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, warum es, trotz der Gewalt der wie auch immer gearteten Zerstörung, in modernen Katastrophenerzählungen scheinbar immer mindestens diesen einen Überlebenden geben muss, um die Welt nach dem Untergang erzählen zu können. Da es für den entgegengesetzten Fall, das heißt eine Katastrophe ohne Überlebende, kein Beispiel gibt oder sich zumindest kein Verweis auf eines finden ließ, nähert sich die Arbeit der Frage gewissermaßen ex negativo in einem Gedankenexperiment, das sich mit Möglichkeiten der Erzählung beschäftigt, ohne auf deren konkrete Umsetzung näher einzugehen.
Auf T-Shirts, Aufklebern und ähnlichen Merchandise-Artikeln findet sich, oft in der Rubrik ‚Fun‘, ein recht beliebter Aufdruck, der einen Menschen mit Atemschutzmaske vor einer nuklearen Wüste zeigt, überschrieben mit dem Kommentar Der Letzte macht das Licht aus. Dieser Satz, der, ohne verlässliche Quellen nennen zu können, wohl zunächst aus einem politisch-satirischen Kontext stammte, scheint treffend und nicht wenig zynisch die Zustände abzubilden, die der Menschheit im Falle eines nuklearen Krieges oder einer ähnlich weitreichenden, selbst herbeigeführten globalen Katastrophe bevorsteht.
Tatsächlich kommt es aber in einer Vielzahl der aktuellen und vergangenen Katastrophenliteratur selten so weit, dass nur ein einziger Mensch den Weltuntergang überlebt. Ein grober Überblick zeigt, dass Endzeitfilme und -literatur momentan die Kernfamilie als Protagonist für sich in Anspruch nehmen (z. B. in Roland Emmerichs Filmen The Day After Tomorrow und 2012) oder aber einander eigentlich fremde Menschen, die durch den Weltuntergang zu einem familienähnlichen Verband zusammengeschweißt werden (z. B. in Frank Schätzings Der Schwarm).
Eine Sichtung von Weltuntergangsszenarien aus Film, Literatur sowie Sekundärliteratur zum Thema hat gezeigt, dass es in der Erzählung, wenn schon nicht eine durch spezielle Merkmale gekennzeichnete Gruppe, immer doch wenigstens einen Menschen in der Welt nach dem Untergang gibt, der überlebt, der die Geschichte erzählt. Dieser Mensch ist eben der Letzte, der das Licht ausmacht – der ewige einsame Überlebende wirkt wie ein Indiz dafür, dass mit ihm auf die Erzählung ‚sterben‘ würde.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Handlung
- 2.1 Die Flucht ins Weltall
- 2.2 Kein Ausweg für die Menschheit
- 2.3 Die Natur kennt keine Katastrophen
- 2.4 Die Rache der Erde
- 3. Der Erzähler
- 3.1 Drei Sichtweisen
- 3.2 Zwei Distanzen
- 3.3 Vier Stimmen
- 3.4 Exkurs: Zum Problem der Anthropomorphisierung
- 4. Der Sinn
- 5. Der Letzte macht das Licht aus?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, warum es in modernen Katastrophenerzählungen immer mindestens einen Überlebenden geben muss, um die Welt nach dem Untergang erzählen zu können. Die Arbeit untersucht diese Frage anhand eines Gedankenexperiments, welches ein Szenario eines Weltuntergangs ohne Überlebende konstruiert.
- Die Auswirkungen der Abwesenheit von Figuren auf die Erzählung nach dem Weltuntergang
- Die Rolle des Erzählers in einer Welt ohne Überlebende
- Die Frage des Sinns in einem Untergang ohne Erneuerung
- Grenzen und Möglichkeiten der Narration des Endes
- Das Problem der Anthropomorphisierung in der Katastrophenerzählung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel untersucht die Handlung einer Erzählung unter der Voraussetzung, dass kein Mensch den Weltuntergang überlebt hat. Anhand der Grenzüberschreitungstheorie von Jurij Lotman werden verschiedene Szenarien der Rollenbesetzung untersucht.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Erzähler in einer Welt ohne Überlebende. Es analysiert die Positionierung des Erzählers als Instanz der Vermittlung zwischen erzählter Welt und impliziertem Leser.
Das dritte Kapitel diskutiert die Frage des Sinns in einem Untergang ohne Erneuerung. Dabei werden verschiedene Überlegungen zu den Themen Nachvollziehbarkeit, Fassbarkeit und Sinnhaftigkeit einer Narration vom Ende und nach dem Ende analysiert.
Schlüsselwörter
Katastrophenerzählung, Weltuntergang, Erzählung ohne Überlebende, Grenzüberschreitungstheorie, Lotman, Erzählinstanz, Sinnstiftung, Anthropomorphisierung.
- Citation du texte
- Nathalie Exo (Auteur), 2011, Der Letzte macht das Licht aus. Ein Gedankenexperiment zur Narration nach dem Weltuntergang, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335876