In meiner Arbeit möchte ich mich auf die Entstehung und Grammatikalisierungen der Pronomina "a gente" und "você(s)" im brasilianischen Portugiesisch konzentrieren. Unter Anwendung der Grammatikalisierungstheorie möchte ich prüfen, wie der Prozess der Grammatikalisierung in diesen Fällen bereits vorangeschritten ist.
Brasilien ist eines der größten Länder der Welt. Auf einer Fläche, die fast so groß ist wie der ganze europäische Kontinent, leben dort mehr als 200 Millionen Menschen, mit indigenen, afrikanischen, asiatischen und europäischen Wurzeln. Die Kultur des Landes ist geprägt von indigenen Einflüssen, der Kolonialzeit, dem Sklavenhandel, europäischen und asiatischen Einwandern sowie modernen Einflüssen durch die Globalisierung.
Bereits vor der Entdeckung Amerikas wurden in Brasilien mehrere Tau-send Sprachen gesprochen. Einwanderer und Sklaven sprachen bei ihrer Ankunft in Brasilien wieder andere Sprachen. Als Amtssprache im ganzen Land setzte sich das Portugiesisch der Kolonialherren aus Portugal durch. Die Varietäten in Portugal und Brasilien unterscheiden sich heute aber so stark, dass nahezu jeder Sprecher des Portugiesischen in der Lage ist, beide Varietäten zu differenzieren.
In Brasilien entwickelte sich die Sprache unabhängig von der europäischen Varietät. Es ist beeinflusst durch indigene, afrikanische und andere europäische Sprachen, entwickelt sich aber auch eigendynamisch anders als das europäische Portugiesisch. Zu erkennen ist dies besonders an der Phonetik und Phonologie, häufig am Wortschatz, an der Syntax und bei vielen grammatikalischen Phänomenen, wie z.B. anhand der Pronomina. Der Gebrauch von Pronomina ist ein weites Forschungsspektrum in der brasilianischen Linguistik.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grammatikalisierung
3. Paradigma der portugiesischen Pronomina
3.1 Herausbildung und Verwendung des Pronomens você
3.2 Herausbildung und Verwendung des Pronomens a gente
4. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang 1
Anhang 2
Anhang 3
Anhang 4
Anhang 5
Anhang 6
Anhang 7
Anhang 8
1. Einleitung
Brasilien ist eines der größten Länder der Welt. Auf einer Fläche, die fast so groß ist wie der ganze europäische Kontinent, leben dort mehr als 200 Millionen Menschen, mit indigenen, afrikanischen, asiatischen und europäischen Wurzeln. Die Kultur des Landes ist geprägt von indigenen Einflüssen, der Kolonialzeit, dem Sklavenhandel, europäischen und asiatischen Einwandern sowie modernen Einflüssen durch die Glo- balisierung. Bereits vor der Entdeckung Amerikas wurden in Brasilien mehrere Tau- send Sprachen gesprochen. Einwanderer und Sklaven sprachen bei ihrer Ankunft in Brasilien wieder andere Sprachen. Als Amtssprache im ganzen Land setzte sich das Portugiesisch der Kolonialherren aus Portugal durch. Die Varietäten in Portugal und Brasilien unterscheiden sich heute aber so stark, dass nahezu jeder Sprecher des Portugiesischen in der Lage ist, beide Varietäten zu differenzieren. In Brasilien entwi- ckelte sich die Sprache unabhängig von der europäischen Varietät. Es ist beeinflusst durch indigene, afrikanische und andere europäische Sprachen, entwickelt sich aber auch eigendynamisch anders als das europäische Portugiesisch. Zu erkennen ist dies besonders an der Phonetik und Phonologie, häufig am Wortschatz, an der Syntax und bei vielen grammatikalischen Phänomenen, wie z.B. anhand der Pronomina. Der Gebrauch von Pronomina ist ein weites Forschungsspektrum in der brasilianischen Linguistik. In meiner Arbeit möchte ich mich daher auf die Entstehung und Gramma- tikalisierungen der Pronomina a gente und você(s) konzentrieren. Unter Anwendung der Grammatikalisierungstheorie möchte ich prüfen, wie der Prozess der Grammati- kalisierung in diesen Fällen bereits vorangeschritten ist.
2. Grammatikalisierung
Der Begriff Grammatikalisierung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom franzö- sischen Linguisten Antoine Meillet eingeführt und Äbezeichnet den Prozess, in dem ein lexikalisches Morphem grammatische Eigenschaften annimmt.“1 Sowohl Lexeme als auch syntaktische Einheiten werden hierbei spezifizierten morphologisch-syntak- tischen Strukturen und Grammatikalischen Parametern zugeordnet, wodurch eine stabile Verbindung zwischen der Bedeutung und syntaktischen bzw. morphologi- schen Einheit entsteht. Die zentrale Annahme beim Grammatikalisierungsprozess ist, dass die lexikalische Bedeutung umso kleiner wird, je mehr die grammatische Funktion in die bestehenden Paradigmen eingegliedert ist (Vgl. Glück (Hrsg.) 2010:249). Man kann davon ausgehen, dass Sprache grundsätzlich dynamisch und daher die Grammatikalisierung auf synchroner und diachroner Ebene stattfindet. Auf der diachronen Achse ist die Grammatikalisierung ein Phänomen des Sprachwandels und auf der synchronen die Transformation einer Konstruktion in eine andere (Vgl. Lehmann 2007: 9.2.). Die Grammatikalisierung verläuft normalerweise undirektional. Dies bedeutet, dass immer mehr lexikalische Kategorien zu grammatischen Katego- rien werden. Für eine Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung gibt es kaum Beispiele. Man nimmt daher an, dass Ädie Grammatik grundsätzlich auf diese Weise entsteht.“2 Zu erkennen ist die sehr gut anhand von Kreol- und Pidginsprachen. In diesen entwickeln sich in relativ kurzer Zeit ausgebaute grammatische Systeme auf Grundlage lexikalischer Kategorien (Vgl. Stein 2010:102).
Lehmann unterteilt die Grammatikalisierung in drei Prozesse: Neuerung, Erneuerung und Verstärkung. Bei der Neuerung, auch Innovation, entstehen grammatische Ka- tegorien, die es im vorherigen Diachronen Stadium noch nicht gab. Dazu führt er das Beispiel des sich im Deutschen gerade entwickelnden progressiven Aspekts an:
a. ÄWir sind am lesen.“3
b. ÄWir sind das Buch am lesen“4
Bei der Erneuerung (Renovierung) wird eine alte grammatische Kategorie durch eine neue ersetzt, wie z.B. bei Gebrauch des Konjunktivs II im Deutschen, bei dem die synthetische Form (bspw. ich läse) zunehmend durch die periphrastische Form (bspw. ich würde lesen) ersetzt wird. Die Verstärkung hat eine ähnliche Wirkung wie die Erneuerung. Hierbei wird ein bestehendes grammatisches Formativ durch ein neues Element erweitert. So ist z.B. die sekundäre Präposition mithilfe eine Verstärkung der primären Präposition mit (Vgl. Lehmann 2007: 9.3)
Die grammatikalisierten Zeichen sind immer weniger frei selektierbar und kombinierbar als die lexikalischen. Dies bedeutet, dass sie auf der der paradigmatischen und syntagmatischen Achsen ihre Autonomie verlieren. Dies stellt Lehmann anhand von folgender Tabelle dar:
Parameter der Grammatikalisierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1 aus: Lehmann 2007: 6.2
Die Paradigmatizität ist der Grad an Eingliederung eines sprachlichen Zeichens in ein sprachliches Paradigma „und die formale und funktionelle Homogenität und Ge- schlossenheit dieses Paradigmas“5. So gehörten z.B. das indogermanische De- monstrativum und das Zahlwort für Ä1“ nicht zum selben Paradigma. Im heutigen Deutsch gehören beide zum Paradigma der Artikel. Die Paradigmatizität nimmt durch Grammatikalisierung zu. Diesen Prozess bezeichnet man als Paradigmatisierung. Beim Prozess Obligatorisierung nimmt die paradigmatische Wählbarkeit (Variabilität) ab, welche den Grad angibt, zu dem das sprachliche Zeichen gegenüber anderen Mitgliedern des Paradigmas austauschbar ist. Auch die Integrität nimmt durch den Grammatikalisierungsprozess ab. Die bedeutet, dass das Signifié „diejenigen seman- tischen Merkmale, die die konkrete lokale Bedeutung ausmachen“6, verliert, was zu Bedeutungsleerung oder -verallgemeinerung (Desemantisierung) führt. Dieser Vor- gang wird als Erosion bezeichnet. Als Koaleszenz bezeichnet man den Prozess, bei dem die Fügungsmenge zunimmt. In der vorausgehenden Sprachstufe ist das Zei- chen noch unabhängig juxtaponiert, in der darauf folgenden hingegen ist es nur noch Affix oder phonetische Eigenschaft des Trägers. Unter Fixierung wird die Abnahme der Stellungsfreiheit des sprachlichen Zeichens verstanden. Infolge der Grammatika- lisierung kann das Zeichen nur noch eine bestimmte Position innehaben. So konnte bspw. das lateinische ille jede Stellung im Satz einnehmen, wohingegen die klitischen Personalia in den romanischen Sprachen eine feste Position haben. Der Skopus nimmt durch Grammatikalisierung ab. Dieser Prozess wird als Kondensierung be- zeichnet und drückt aus, dass der strukturelle Umfang des Syntagmas, mit dem das sprachliche Zeichen kontrahiert, abnimmt. (Vgl. Lehmann 2007: 9.4.)
Die Entwicklung dieser sechs Parameter der Grammatikalisierung veranschaulicht Lehmann in folgender Skala:
Allgemeine Grammatikalisierungsskala
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 aus Lehmann 2007: 6.2.
3. Paradigma der portugiesischen Pronomina
Normative Grammatiken der portugiesischen Sprache stellen das Paradigma der portugiesischen Pronomina folgendermaßen dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 aus Lucchesi 2009: 473
In den meisten modernen Lehrbüchern und Grammatiken der portugiesischen Spra- che wird die 2. Person Plural vós entweder als veraltet markiert oder ausgelassen. Das gilt für die europäische als auch für die brasilianische Varietät. Das brasilianische
Portugiesisch weicht aber in den meisten Fällen noch viel stärker von dieser Norm ab als das europäische Portugiesisch, insbesondere in der gesprochenen Sprache. Dies ist kein Phänomen eines geringen Bildungsgrades, wie sich vielleicht vermuten ließe, sondern zieht sich durch alle Bildungsschichten. Beispielsweise wird die 2. Person Singular tu häufig durch você ersetzt, deren Pluralform vocês, wie auch im europäischen Portugiesisch die neue 2.Person Plural bildet. Des Weiteren werden die klitischen Objektpronomen o/a und os/as häufig nicht mehr phonetisch realisiert oder durch die Subjektpronomen ele/ela und eles/elas ersetzt. Anstelle der 1. Person Singular nós wird oft auch a gente verwendet. Dante Lucchesi stellt das veränderte Paradigma nach der norma culta brasileira7 wie folgt dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.4 aus Lucchesi 2009:475
Beim Vergleich dieser beiden Schemata fällt vor allem auf, dass in der norma culta deutlich mehr Alternanzen zwischen den verschiedenen Formen gibt, als normative Grammatiken es vorschreiben.
[...]
1 Stein 2010: 100
2 Stein 2010: 102
3 Lehmann 2007: 9.3.
4 ebenda
5 Lehmann 2007: 9.4.
6 Lehmann 2007: 6.2.
7 Standard der brasilianischen Sprache, derjenigen mit hohen Bildungsgrad
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.