Strategisches Lieferantenmanagement. Kritische Analyse der Lieferantenbewertung


Research Paper (undergraduate), 2015

49 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungen

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Grundlagen der Lieferantenbewertung
2.1 Bedeutung der Lieferantenbewertung
2.2 Ziele und Nutzen der Lieferantenbewertung
2.3 Bewertungskriterien für eine Lieferantenbewertung
2.3.1 Preis und Zahlungsbedingungen
2.3.2 Qualität
2.3.3 Lieferperformance
2.3.4 Service und Nebenleistungen
2.3.5 Innovationskraft

3 Quantitative Methoden der Lieferantenbewertung
3.1 Bilanzanalyse
3.2 Preis-Entscheidungsanalyse
3.3 Kosten-Entscheidungsanalyse
3.4 Optimierungsverfahren
3.5 Kennzahlenverfahren

4 Qualitative Methoden der Lieferantenbewertung
4.1 Numerische Verfahren
4.1.1 Notensysteme
4.1.2 Punktbewertungsverfahren
4.1.3 Matrix Approach
4.1.4 Nutzwertanalyse
4.2 Verbale Verfahren
4.2.1 Checklistenverfahren
4.2.2 Portfolio-Analyse
4.2.3 Lieferantentypologien
4.3 Grafische Verfahren
4.3.1 Profilanalyse
4.3.2 Lieferanten-Gap-Analyse

5 Ergänzende Methoden der Lieferantenbewertung
5.1 Fuzzy Logic
5.2 European Foundation for Quality Management-Modell
5.3 Geldwertmethode

6 Fazit

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Fragenkatalog zur Bilanzanalyse

Abbildung 2: Kalkulation des Angebotspreises

Abbildung 3: Portfolio-Matrix der BCG

Abbildung 4: Lieferantenauswahl-Matrix

Abbildung 5: Polaritätenprofile zweier Lieferanten

Abbildung 6: Lieferanten-Gap-Analyse

Abbildung 7: Bewertungskriterien des EFQM-Modells

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht der Methoden in der Lieferantenbewertung

Tabelle 2: Logistikkennzahlen für die Lieferantenbewertung

Tabelle 3: Beispiel Quotientenverfahren

Tabelle 4: Höchstpunktzahlverfahren

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Januar 2015 von der Steinbeis-Hochschule Berlin als Studienarbeit angenommen. Sie entstand im Zeitraum von September 2014 bis Januar 2015. Die Arbeit wurde während meiner Tätigkeit als Product Sales Manager in der Elektronikbranche angefertigt. Durch die Zusammenarbeit mit internationalen Lieferan- ten aus der Elektronikindustrie kam die Frage nach der Entwicklung eines Lieferan- tenmanagement-Konzepts im Bereich elektronischer Bauelemente auf. Für die Ent- wicklung dieses Konzepts wurden in der vorliegenden Studienarbeit die gebräuchlichsten Methoden der Lieferantenbewertung sowie einige in der Literatur weniger bekannte Verfahren kritisch analysiert. Die Studienarbeit soll für die spätere Bachelor-Thesis die verschiedenen Methoden, die für eine Lieferantenbewertung rele- vant sind, vorstellen und dabei evtl. vorhandene Nachteile einzelner Verfahren aufzei- gen.

Herzlich bedanken möchte ich mich bei der Steinbeis Hochschule für die Flexibilität des Abgabetermins, da es aufgrund beruflicher Verpflichtungen zu Verzögerungen des Abgabetermins gekommen ist. Auch möchte ich mich bei meinen Eltern und meiner Lebensgefährtin bedanken, die mich zu jederzeit unterstützt haben und mir die not- wendige Freiheit für die Erstellung einer solchen Arbeit haben zukommen lassen.

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Lange Zeit hatten Lieferantenbeziehungen für viele Unternehmen nur eine geringe Be- deutung und wurden häufig ähnlich einem Wettbewerbsverhältnis geführt. Die Lieferan- ten wurden meist als Konkurrenten gesehen und durch fortlaufende Preisverhandlun- gen oft unter Druck gesetzt. Dadurch wurden nicht nur hohe Kosten verursacht, sondern auch die Zusammenarbeit mit den Lieferanten verschlechtert. Die Bewertung der Lieferanten wurde nur unter subjektiven Kriterien vorgenommen und oft inkonse- quent durchgeführt. Für die meisten Unternehmen war das Ziel so günstige Einkaufs- preise wie möglich zu erzielen.1

Durch die zunehmende Globalisierung der internationalen Beschaffungsmärkte, verkürzten Produktlebenszyklen, steigenden Kosten und durch das Internet besser informierte Kunden werden die Unternehmen gezwungen nach neuen Wertschöpfungspotentialen zu suchen. Der steigende Preis- und Margendruck leitet viele Unternehmen dazu den Schwerpunkt auf ihre Kernkompetenzen zu legen und besser mit ihren Lieferanten zusammen zu arbeiten.2

Die meisten Unternehmen kommen zu dem Ergebnis, dass der Preis nur einer von vielen Faktoren ist, den es bei der Leistungsbewertung von Lieferanten zu berücksich- tigen gilt. Vielmehr ist die Gesamtleistung der Lieferanten entscheidend für den eige- nen Unternehmenserfolg.3 Eine zeitgemäße Einkaufsstrategie beinhaltet ökonomische, soziale und gesellschaftspolitische Verpflichtungen sowie die Nutzung von Innovatio- nen der Lieferanten. Zu den vorher sorgsam ausgewählten Lieferanten soll eine lang- fristige und partnerschaftliche Geschäftsbeziehung bestehen.4 Ein erfolgreiches Liefe- rantenmanagement durch ganzheitliche Lieferantenbewertung wird so zu einem Wettbewerbsvorteil, da Lieferanten für die Leistungsfähigkeit des Händlers einen höhe- ren Stellenwert haben als in der Vergangenheit. Für eine genaue Bewertung der Leistungsfähigkeit der Lieferanten empfiehlt es sich, die Lieferantenbewertung in regelmäßigen Zeitabständen durchzuführen. Zudem sollte sie sich aus mehreren Kriterien zusammensetzen und strukturiert aufbereitet werden. Durch eine transparente und sachliche Bewertung sollen die Lieferanten klassifiziert werden, um eine Optimierung des Lieferantenstamms zu erzielen.5 Um eine Lieferantenbewertung erfolgreich durchführen zu können, benötigt es den gezielten Einsatz von geeigneten Methoden, welche in dieser Arbeit aufgezeigt und beschrieben werden.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Das Ziel dieser Studienarbeit ist die kritische Analyse von Methoden der Lieferanten- bewertung. Diese sollen die Grundlage für ein strategisches Lieferantenmanagement bilden. Aus der existierenden Literatur zu diesem Thema ergibt sich eine Vielzahl mög- licher Methoden. Die vorliegende Arbeit stellt die wichtigsten und in der Praxis am häu- figsten eingesetzten Verfahren vor und analysiert diese. Kapitel 1 zeigt in der Problem- stellung die Rahmenbedingungen auf und geht auf die aktuelle Situation der Beschaffungsmärkte ein. Kapitel 2 der Arbeit befasst sich mit den Grundlagen der Lie- ferantenbewertung. Hier werden die Ziele und der Nutzen einer Lieferantenbewertung dem Leser verdeutlicht sowie die möglichen Bewertungskriterien vorgestellt. In Kapitel 3 werden die quantitativen Methoden der Lieferantenbewertung untersucht und kritisch analysiert. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den Kennzahlenverfahren. Die qualitati- ven Methoden der Lieferantenbewertung werden anschließend in Kapitel 4 erläutert. Als Ergänzung zu den bekannteren Methoden, stellt Kapitel 5 drei weitere weniger be- kannte Verfahren zur Lieferantenbewertung vor. Die Schlussbetrachtung in Kapitel 6 fasst die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammen und bietet einen kurzen Aus- blick.

2 Grundlagen der Lieferantenbewertung

Dieses Kapitel beschreibt die Ziele und den Nutzen der Lieferantenbewertung, sowie die unterschiedlichen Bewertungskriterien, die notwendig sind, um eine Lieferantenbewertung durchführen zu können.

2.1 Bedeutung der Lieferantenbewertung

Die Lieferantenbewertung wird als Prozess der Sammlung, Gewinnung, Auswahl, Auf- bereitung und Beurteilung von Informationen über den Lieferanten beschrieben.6 Die Hauptaufgabe besteht darin, zu überprüfen, in welchem Umfang die Lieferanten die notwendigen Anforderungen an Produkt und Leistung erfüllen.7 Mit Hilfe der Liefe- rantenbewertung soll die Leistungsfähigkeit eines Lieferanten transparent dargestellt werden, um mögliche Schwachstellen in der Zusammenarbeit aufzuzeigen und zu be- seitigen.8 Die Beschaffung stellt mittlerweile eine wichtige Säule für die Wertschöpfung in den Unternehmen dar. Dies wird u.a. dadurch ersichtlich, dass der Zukaufanteil der produzierenden Unternehmen, bezogen auf den Umsatz, im Durchschnitt bei 55 Pro- zent liegt und die Beschaffung damit wesentlich zum Unternehmenserfolg beiträgt.9 Daher ist die Leistungsmessung der Beschaffungsaktivitäten zu einem wichtigen Indi- kator für die Unternehmen geworden. Sie bildet die Grundlage für das operative und strategische Lieferantenmanagement bezogen auf Kostenreduktion und Leistungsver- besserung.10 Die Ergebnisse der Lieferantenbewertung bilden die entscheidende Grundlage für die Lieferantenauswahl, das Lieferantencontrolling und für die Steuerung der Lieferantenbeziehung.11

2.2 Ziele und Nutzen der Lieferantenbewertung

Bevor ein Lieferantenbewertungssystem in einem Unternehmen aufgebaut werden kann, ist es wichtig, die zu verfolgenden Ziele zu definieren. Die folgende Auswahl an Zielen soll dazu beitragen, ein effektives Lieferantenbewertungssystem einzuführen:12

- Objektivierung und Optimierung der Lieferantenauswahl
- Klassifizierung der Lieferanten (ABC-Lieferant)
- Steuerung der Lieferantenbeziehungen durch regelmäßige Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Lieferanten
- Entwicklung und Pflege der Lieferantenbeziehungen
- Schaffung von Problembewusstsein für Lieferanten  Optimierung der Lieferantenstruktur und -anzahl
- Erkennen von Schwachstellen bei Lieferanten sowie gemeinsame Entwicklung von Lösungen
- Stärken der Lieferanten erkennen und für die eigene Wertschöpfung nutzen
- Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit durch zielgerichtete Entwicklung der Liefe- ranten

Die Entwicklung der Lieferanten soll zielgerichtet durchgeführt werden, um so zukünfti- ge Potentiale für das Unternehmen zu sichern. Aus diesem Grund muss die Überwa- chung der Leistung und Qualität der Lieferanten gewährleistet sein, um bei Abwei- chungen von den definierten Anforderungen entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Das primäre Ziel ist eine ganzheitliche Optimierung der Wert- schöpfungskette, um kosteneffektive und kundenorientierte Lösungen realisieren zu können. Durch die gezielte Durchführung einer Lieferantenbewertung kann eine Stei- gerung der Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden, da Schwachstellen in der Zusam- menarbeit festgestellt und beseitigt, sowie Stärken der Lieferanten entdeckt und ge- nutzt werden können.13 Für die zukünftige Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten ist es aus Sicht des Unternehmens erforderlich, die Leistungsfähigkeit des zu bewerten- den Lieferanten einschätzen zu können und auf dieser Basis eine Entscheidung über die weitere Zusammenarbeit zu treffen. Bei der Entscheidung über die weitere Form der Zusammenarbeit müssen allerdings, neben der Lieferantenbewertung, Faktoren wie das Einkaufsvolumen und die strategische Bedeutung des Lieferanten zusätzlich berücksichtigt werden.

2.3 Bewertungskriterien für eine Lieferantenbewertung

Ein wesentlicher Bestandteil für die Grundlage einer Lieferantenbewertung stellen die auszuwählenden Bewertungskriterien dar. Diese Kriterien sind aus den Anforderungen des jeweiligen Unternehmens abzuleiten. Die Anzahl der Kriterien sollte sorgfältig aus- gewählt werden.14 Bei einer zu geringen Anzahl an Kriterien können in der späteren Bewertung einzelne Stärken und Schwächen unerkannt bleiben. Wählt man jedoch eine zu hohe Kriterienanzahl bedeutet dies einen erheblichen Mehraufwand bei der Informationsbeschaffung sowie bei der Durchführung der Lieferantenbewertung. Dies kann zu geringerer Akzeptanz bei den Mitarbeitern führen und höhere Kosten verursa- chen.15 Einige Kriterien können eine Wechselbeziehung zueinander haben, d.h. diese beeinflussen sich gegenseitig und werden so bei der Bewertung unabsichtlich mehr- fach gewichtet.16 Für eine umfassende Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Lieferan- ten muss ein Verfahren viele Bewertungskriterien verarbeiten können.17 In der Literatur gibt es eine Vielzahl möglicher Bewertungskriterien. Nachfolgend werden die wichtigs- ten Kriterien kurz vorgestellt.

2.3.1 Preis und Zahlungsbedingungen

In der Beschaffung spielt der Preis nach wie vor eine entscheidende Rolle bei der Auswahl von Lieferanten. Um eine Vergleichbarkeit der Preise sicher zu stellen, wer- den alle Preise auf eine einheitliche Preisbasis gebracht. Neben dem Einstandspreis müssen die Anschaffungskosten, wie z.B. Verpackungs-, Bezugs- und Zollkosten be- rücksichtigt werden.18 Bei den Zahlungsbedingungen sind die unterschiedlichen Zah- lungsziele zu unterscheiden, welche Auswirkungen auf die Liquidität des Unterneh- mens haben können.

2.3.2 Qualität

Abgesehen vom Preis hat die Qualität der gelieferten Waren und Dienstleistungen eine tragende Rolle bei der Bewertung. Die Qualität muss auf Produktebene betrachtet werden und vom Abnehmer gezielt bestimmt werden. Sie stellt zudem eine Möglichkeit zur Kostenminimierung dar. Durch gute Qualität der Zulieferprodukte können Ausfall- und Reklamationskosten niedrig gehalten werden. Eine maßgebende Rolle spielt die Qualität auch für die Kundenzufriedenheit, da sie das Endprodukt unmittelbar beein- flusst.19

2.3.3 Lieferperformance

Neben der Produktqualität wird der Lieferant auch an der Qualität seines Lieferservices gemessen. Durch längere Lieferzeiten wird das Beschaffungsrisiko erhöht. Die Versor- gungssicherheit muss dann mit höheren Sicherheitsbeständen sicher gestellt werden, was zu steigenden Lagerhaltungskosten führt.20 Zu kurze Lieferzeiten können hingegen zu erhöhten Lagerdurchlaufs- und Zinskosten führen.21

2.3.4 Service und Nebenleistungen

Nebenleistungen oder auch sog. akzessorische Leistungen können ebenfalls einen Anteil daran haben, die Kosten zu senken und die Qualität des Endprodukts zu erhöhen. Die Serviceleistungen können von den Lieferanten, sowohl im kaufmännischen als auch im technischen Bereich erbracht werden.22 Im kaufmännischen Bereich werden die Bearbeitungszeit für Bestellungen, Reklamationen und Anfragen verglichen und sonstige Leistungen wie z.B. Garantien und Kulanzleistungen bewertet. Im technischen Bereich werden u.a. die Forschungs- und Entwicklungsarbeit und die technische Beratung des jeweiligen Lieferanten beurteilt.23

2.3.5 Innovationskraft

Ein Unternehmen kann sich Wettbewerbsvorteile sichern, wenn seine Lieferanten eine hohe Innovationskraft besitzen. Dazu wird beim Lieferant eine regelmäßige Entwicklung von Produkten und Verfahren benötigt.24 Da die Lieferanten über eigene Marktkenntnisse sowie Forschung und Entwicklung verfügen, dienen sie als bedeutsame Quelle für eigene Innovationen des Abnehmers.25 Die Unternehmen können dadurch Kosten, Qualität und Pünktlichkeit ihrer Produkte verbessern.26

3 Quantitative Methoden der Lieferantenbewertung

In den folgenden Kapiteln werden die am häufigsten verwendeten Verfahren der Liefe- rantenbewertung detailliert dargestellt werden. Die bekanntesten Verfahren lassen sich grundsätzlich in quantitative und qualitative Methoden unterteilen, wobei die Zuordnung nicht immer eindeutig ist. In Tabelle 4.1 wird die Einteilung getrennt nach der Art des Verfahrens dargestellt. Oft fließen sowohl quantitative als auch qualitative Merkmale in die Lieferantenbewertung ein.27 In solchen Fällen orientiert sich die vorgenommene Einteilung danach, ob der Grundgedanke der Methode quantitativen oder qualitativen Charakters ist.28

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Übersicht der Methoden in der Lieferantenbewertung

(Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Glantschnig, 1994, S. 23)

Quantitative Methoden haben metrisch skalierte Daten zur Grundlage, die sich in Form eines Gleichungssystems verknüpfen lassen und damit für die jeweils angewendete Lieferantenbewertung eine optimale Lösung ermöglichen.29 Dabei werden nur mathematisch genau erfassbare Kriterien berücksichtigt. Subjektive und qualitative Faktoren werden hierbei nicht berücksichtigt.30

3.1 Bilanzanalyse

Die Bilanzanalyse dient zur Beurteilung des wirtschaftlichen Erfolgs eines Unterneh- mens.31 Bei dieser Methode werden neben den Bilanzen auch die Gewinn- und Ver- lustrechnungen sowie die Geschäftsberichte der Lieferanten analysiert.32 Die Schwie- rigkeit einer Bilanzanalyse besteht darin, Prognosen für die zukünftige Entwicklung eines Lieferanten abzugeben bzw. Chancen- und Risikopotentiale aufzudecken. Eine einmalige Bilanzanalyse kann dabei oft zu Fehlurteilen führen. Es bedarf einer Unter- suchung der Bilanz über mehrere Geschäftsjahre hinweg, um sowohl positive als auch negative Veränderungen festzustellen. Aus diesem Grund wird die Bilanzanalyse hauptsächlich für längerfristig vorgesehene Lieferantenbeziehungen genutzt. Die Bilanzanalyse verschafft einen guten Einblick in die Liquidität, den Markterfolg, die Kostenstruktur und anderen wichtigen Parametern.33 Die Abbildung 1 zeigt anhand ausgewählter Fragestellungen, durch welche Instrumente bzw. Kenngrößen bestimmte Informationen über den Lieferanten gewonnen werden können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Fragenkatalog zur Bilanzanalyse

(Quelle: Harting, 1994a, S. 59)

Wenn das eigene Unternehmen eine Wachstumsstrategie verfolgt und in neue Märkte expandieren möchte, benötigt es leistungsstarke Lieferanten an seiner Seite, die auf das Wachstum reagieren können. Durch Kenngrößen wie Cash Flow und Eigenkapitalquote lässt sich herausfinden, inwieweit der Lieferant in der Lage ist, dieses Wachstum selbst zu finanzieren.34 Durch den Vergleich der Kenngrößen lassen sich Unterschiede zwischen den verschiedenen Lieferanten ermitteln, die bei strategischen EntEntscheidungen mit berücksichtigt werden.

Die Bilanzanalyse kann nicht als alleiniges Verfahren zur Lieferantenbewertung ange- wendet werden, da es sich zum einen bei den Informationen des Jahresabschlusses um vergangenheitsorientierte Daten handelt und zum anderen beachtet werden muss, inwieweit bei den untersuchten Kenngrößen sog. Bilanzpolitik ausgeübt wurde. Unter Bilanzpolitik versteht man die „willentliche und hinsichtlich der Unternehmensziele zweckorientierte Einflussnahme auf Form, Inhalt und Berichterstattung des Jahresab- schlusses“.35 Einzelne Posten aus der Bilanz und GuV können so stark beeinflusst werden und die Vermögenslage des Lieferanten besser oder schlechter aussehen las- sen, als dies in Wirklichkeit der Fall ist. Zudem bestehen zur Bilanzanalyse in der Lite- ratur keine Ausführungen darüber, die eine konkrete Vorgehensweise bei der Aus- wahlentscheidung beschreiben.36

3.2 Preis-Entscheidungsanalyse

Die Preis-Entscheidungsanalyse ist eine unikriterielle Methode, da sie sich ausschließ- lich auf den Preis bezieht und in drei Methoden unterteilt wird: Preisbeobachtung, Preisvergleich und Preisstrukturanalyse.37 Bei der Preisbeobachtung wird die Entwick- lung der Preise verfolgt, um Tendenzen für den zukünftigen Preisverlauf ableiten zu können. Die ermittelten Preisprognosen helfen dem Einkäufer nicht nur bei Preisver- handlungen, sondern können auch als Basis für die Vertragspolitik mit dem Lieferanten genutzt werden.38 Beim Preisvergleich werden die Angebotspreise unterschiedlicher Lieferanten gegenübergestellt. Das Ziel ist das günstigste Angebot zu ermitteln.39 Hier- bei müssen alle Konditionen wie Rabatte, Zahlungsbedingungen und erteilte Boni be- rücksichtigt werden. Wobei in der Praxis die Vergleichbarkeit der diversen Bonusver- einbarungen nicht immer gegeben ist.40 Um die unterschiedlichen Einkaufspreise letzt- endlich vergleichen zu können, muss der sog. Einstandspreis berechnet werden. Dazu müssen vom Rechnungspreis des Lieferanten die erwähnten Einkaufskonditionen ab- gezogen und die Beschaffungsnebenkosten für Transport, Versicherung und Verpa- ckung dazu addiert werden. Liefern mehrere Lieferanten das gleiche Produkt in unter- schiedlichen Qualitätslagen und Preisen, ist ein Preisvergleich besonders geeignet.41

Durch die Preisstrukturanalyse wird geprüft, ob der angebotene Preis vom Lieferanten angemessen ist. Dabei wird der geforderte Preis auf seine Kosten- und Gewinnbe- standteile überprüft. Die Überprüfung ist sowohl für neue Produkte, als auch für Pro- dukte, die bereits vom Lieferanten bezogen werden, sinnvoll. Wenn der Lieferant den bisherigen Preis erhöhen möchte, kann durch die Preisstrukturanalyse kritisch betrach- tet werden, wie sich der neue Preis zusammensetzt und somit ob die Preiserhöhung gerechtfertigt ist.42 Für eine Preisstrukturanalyse können amtliche Notierungen und Statistiken sowie vorherige Angebotspreise des Lieferanten verwendet werden.43 Bei der Durchführung der Preisstrukturanalyse legt man zuerst die Kostenarten nach Ein- zel- und Gemeinkosten fest und bewertet diese im Anschluss. Durch Addieren der ein- zelnen Posten je Kostenart, lassen sich die gesamten Stückkosten für das Beschaf- fungsobjekt ermitteln. Der Gewinn des Lieferanten ergibt sich dann aus der Differenz zwischen Preis und Selbstkosten.44 Um die einzelnen Bestandteile der Stückkosten zu errechnen bedient man sich, wie in Abbildung 2 zu sehen, des allg. Schemas für die Kalkulation des Angebotspreises. Um die einzelnen Kosten ermitteln zu können, wer- den detaillierte Informationen über die Beschaffungsmärkte des Lieferanten benötigt. Zum Beispiel müssen zur Berechnung der Materialeinzelkosten die Preise für die Roh- stoffe der Produkte ermittelt werden. Bei den Fertigungseinzelkosten werden Kenntnis- se des Produktionsprozesses und der Arbeitsabläufe beim Lieferanten vorausgesetzt.45

Um die Materialgemeinkosten berechnen zu können, müssen Größe, techn. Ausstat- tung und Organisation des Lieferantenlagers in Erfahrung gebracht werden. Häufig reichen für die Materialgemeinkosten allerdings Erfahrungswerte oder Schätzungen aus, da sie mit ca. 5-6% der Materialeinzelkosten einen geringfügigen Anteil an Kosten und Preise bilden. Die Fertigungsgemeinkosten spielen eine deutlich größere Rolle bei der Kosten- und Preisbildung. Da es hierfür eine große Anzahl an Bestimmungsfakto- ren gibt (u.a. Hilf- und Betriebsstoffe, Abschreibungen, Zinsen, Werkzeugkosten, Ge- hälter), werden meist nur ungefähre Schätzungen realisierbar sein. Die Vertriebs- und Verwaltungsgemeinkosten werden ebenfalls aufgrund der Größe des Verwaltungsap- parates geschätzt.46 In der Praxis wird die Preisstrukturanalyse überwiegend auf Voll- kostenbasis realisiert, d.h. neben den variablen Kosten werden auch die Fixkosten berücksichtigt.47

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kalkulation des Angebotspreises

(Quelle: Arnold, 1997, S. 187)

Die Preisbeobachtung dient i.d.R. dem Lieferantencontrolling. Die Durchführung von Preisvergleichen und Preisstrukturanalysen kann hingegen für die Lieferantenauswahl sehr nützlich sein.48 Die Beurteilung allein nach Preisen durchzuführen birgt aber auch Risiken. Eine bestmögliche Auswahl kann nur erfolgen, wenn die Qualität der Produkte und Leistungsprofile der Anbieter relativ ähnlich sind.49

[...]


1 Vgl. Disselkamp, Schüller (2004a), S.15f.

2 Vgl. Hirchsteiner (2002), S. 5; Vgl. Disselkamp, Schüller (2004b), S. 15ff.

3 Vgl. Schramm-Klein, Morschett (2006), S. 248f.

4 Vgl. Disselkamp, Schüller (2004c), S.15.

5 Vgl. Disselkamp, Schüller (2004d), S.15 ff.

6 Vgl. Wildemann (2000), S. 157.

7 Vgl. Glantschnig (1994a), S. 13.

8 Vgl. Hartmann et al. (2004), S. 16f.

9 Vgl. Kerkhoff (2006), S. 35f.

10 Vgl. Wagner, Weber (2007), S. 17.

11 Vgl. Janker (2008a), S. 77

12 Vgl. Hartmann et al. (2008), S. 20 ff.; Janker (2008b), S. 80 ff.; Politis (2010), S. 29 ff.

13 Vgl. Hartmann (2006), S. 24.

14 Vgl. Melzer-Ridinger (1995a), S. 96.

15 Vgl. Melzer-Ridinger (1995b), S. 96.

16 Vgl. Wannenwetsch (2002), S. 52.

17 Vgl. Glantschnig (1994b), S. 21.

18 Vgl. Hartmann (1997a), S. 439f.

19 Vgl. Oeldorf, Olfert (1979), S. 326f.

20 Vgl. Hartmann (1997b), S. 444.

21 Vgl. Arnolds et al. (1998a), S. 231.

22 Vgl. Arnolds et al. (1998b), S. 231.

23 Vgl. Eschenbach (1990), S. 180.

24 Vgl. Disselkamp (2005), S. 15.

25 Vgl. Disselkamp, Schüller (2004e), S. 141.

26 Vgl. Azadegan et al. (2008), S. 14.

27 Vgl. Glantschnig (1994c), S.23.

28 Vgl. Janker (2008c), S. 102.

29 Vgl. Adam (1996a), S. 81f.

30 Vgl. Janker (2008d), S. 102

31 Vgl. Glantschnig (1994d), S.24.

32 Vgl. Layer (1985), S. 53.

33 Vgl. Janker (2008e), S. 113.

34 Vgl. Harting (1994b), S. 58.

35 Wöhe (2002), S. 1042.

36 Vgl. Glantschnig (1994e), S. 25.

37 Vgl. Arnolds et al. (1998c), S.137.

38 Vgl. Arnolds et al. (1998d), S.138.

39 Vgl. Bichler et al. (1997), S. 64.

40 Vgl. Müssigmann (2007a), S. 63.

41 Vgl. Janker (2008f), S. 103.

42 Vgl. Arnolds et al. (2013), S. 101.

43 Vgl. Hartmann (1997c), S. 440f.

44 Vgl. Piontek (2012a), S. 141f.

45 Vgl. Melzer-Ridinger (2008a), S. 226f.

46 Vgl. Melzer-Ridinger (2008b), S. 227f.

47 Vgl. Arnolds et. al. (1998e), S. 162.

48 Vgl. Janker (2008g), S. 107.

49 Vgl. Hartmann (1997d), S. 449.

Excerpt out of 49 pages

Details

Title
Strategisches Lieferantenmanagement. Kritische Analyse der Lieferantenbewertung
College
Steinbeis University Berlin
Grade
1,3
Author
Year
2015
Pages
49
Catalog Number
V336325
ISBN (eBook)
9783668263239
ISBN (Book)
9783668263246
File size
1156 KB
Language
German
Keywords
Studienarbeit, Lieferantenmanagement, Lieferanten, Analyse, Methoden, Lieferantenbewertung, Quantitative Methoden, Qualitative Methoden
Quote paper
Michael Zeller (Author), 2015, Strategisches Lieferantenmanagement. Kritische Analyse der Lieferantenbewertung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336325

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