Die Geschichte des Interventionsverbots im Völkerrecht


Studienarbeit, 2014

49 Seiten, Note: 8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

II. Der Interventionsbegriff
1. Entwicklung von Gewalt- und Interventionsverbot
2. Gewohnheitsrechtlicher Charakter

III. Geschichtlicher Überblick
1. Entwicklung in Europa: Heilige Allianz
2. Entwicklung in Amerika: Monroe-Doktrin
3. Zusammenfassung

IV. Interventionsverbot in der Praxis der Satzungen und Resolutionen
1. Satzung und Resolutionspraxis
a. Interventionsdeklaration
b. Friendly Relation Deklaration
c. Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten
d. Deklaration über die Unzulässigkeit der Intervention und Einmischung in die inneren Angelegenheiten
2. Zusammenfassung

V. Interventionsverbot der Gegenwart

VI. Gleichgewichtsprinzip

VII. Zusammenfassung

VIII. Rechtfertigungsgründe im Interventionsverbot
1. Intervention auf Einladung
2. Ersuchen einer Intervention
3. Humanitäre Intervention
a. Geschehnisse auf der Krim
b. Bewertung der derzeitigen Lage
4. Zusammenfassung

IX. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gebraucht werden, sofern sie nicht explizit ausgewiesen werden, die üblichen Abkürzungen, vgl. Kirchner, Hildebert/ Pannier, Dietrich: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl., Berlin: De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, 2008.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung

Das Interventionsverbot stellt eines der am wenigsten geklärten Kapitel des allgemeinen Völkerrechts dar “.[1]

Wie dieses Zitat von Wilhelm Wengler zeigt, ist das Interventionsverbot heute noch aktuell und bedeutsam. In der vorliegenden Arbeit wird die Problematik des Themas anhand der geschichtlichen Entwicklung und der Resolutionspraxis der Vereinten Nationen bis hin zur heutigen Aktualität nahebringend erläutert.

II. Der Interventionsbegriff

Problematisch wird es bereits in der Terminologie des Begriffs. Der Ausdruck „Intervention“ besitzt nicht nur juristische Bedeutung, sondern ist auch im allgemeinen Sprachgebrauch vorhanden.[2] Dabei wird er weit aufgefasst und darunter der Eingriff eines Staats in einen anderen Staat zustehendes Recht verstanden, ohne dass sich der eingreifende Staat auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann oder von dem anderen Staat dazu berechtigt wurde.[3]

Im nachfolgenden wird der Interventionsbegriff als Synonym der Einmischung und im Sinne eines rechtswidrigen Eingriffs in die Souveränität eines anderen Staates gebraucht.[4]

Dabei ist nicht nur der Eingriff von äußeren Angelegenheiten gemeint. Interventionen können auch interne Angelegenheiten betreffen,[5] die nicht rechtmäßig erfolgen. Dies wird alleine durch den Wortlaut ausgeschlossen. Interventionen durch Vertrag stellen keine Interventionen dar,[6] da die vertragliche Zusicherung immer eine eigene Angelegenheit des Staates darstellt.[7]

In den Jahrhunderten haben sich zwei Begriffsbestimmungen entwickelt, denn in der völkerrechtlichen Fachsprache wird der Begriff uneinheitlich gebraucht.[8]

Der im 19. Jahrhundert entwickelte klassische Interventionsbegriff stellt auf den Einsatz bzw die Androhung militärischer Gewalt ab. Das primäre Schutzgut war die territoriale Integrität der Staaten. Die Anhäufung von wirtschaftlicher Macht und technischem Potential hat dazu geführt, den Begriff der Intervention dahingehend zu erweitern, dass auch über die militärische Gewalt hinausgehende Formen des Zwangs auf Staaten ähnliche Auswirkungen haben können. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich der erweiterte Interventionsbegriff. Seinen Ausdruck fand dieser in zahlreichen Resolutionen[9], die insbesondere von den ehemaligen sozialistischen und Dritte-Welt-Staaten durchgesetzt wurden.

In der vorliegenden Arbeit, wird dem erweiterten Interventionsbegriff der Vorrang gegeben, der eine Trennung zwischen rechtmäßiger und rechtswidriger Einflussnahme hervorhebt.

Läge der klassische Interventionsbegriff dem gegenwärtigen Völkerrecht noch vor, gäbe es keine Unterscheidung zum Gewaltverbot. Bereits an dieser Stelle soll gesagt sein, dass der wesentliche Grund für die Völkerrechtstheorie mit dem Interventionsbegriff darin zu suchen ist, dass die Abgrenzung zwischen rechtmäßiger und verbotener Einflussnahme in den internationalen Beziehungen am Schnittpunkt entgegengesetzter völkerrechtlicher Grundsätze und politisch – historischer Gegebenheiten erfolgen muss.

Das Rechtsgut, das durch die Intervention geschützt werden soll, ist die Souveränität des Staates.[10] Die Intervention spielt ferner deshalb in den internationalen Beziehungen eine sehr zentrale und problematische Rolle, da das Völkerrecht zwar die souveräne Gleichheit der Staaten postuliert, in Wirklichkeit jedoch Machtunterschiede zwischen den einzelnen Staaten bestehen. Zunächst wird die Beeinflussung eines Staates durch die Anwendung von Gewalt ausgeklammert werden. Das Interventionsverbot soll als eigenes Prinzip beachtetet werden. Daher muss eine Abgrenzung gegenüber dem Gewaltverbot stattfinden.

1. Entwicklung von Gewalt- und Interventionsverbot

Als erste Pflicht der Staaten gilt es Frieden einzuhalten. Nach dem ersten Weltkrieg hat die Völkerbundsatzung das Recht zur Anwendung von Gewalt wesentlich einzuschränken versucht. Nach Artikel 12 der Völkerbundsatzung waren die Mitglieder des Völkerbundes verpflichtet, Streitigkeiten mit potentieller Gefahr internationaler Konflikte, einem schiedsrichterlichen Verfahren oder dem Völkerbund zum Zwecke einer Untersuchung zu unterwerfen. Verboten war die Kriegsführung nach Artikel 13(4) gegen Mitglieder des Völkerbundes.

Es war also nicht der Krieg der verboten wurde, sondern das Hervorrufen des Krieges unter Verletzung bestimmter Regeln.

Weiter als die Satzung, ging das Genfer Protokoll von 1924.[11] Nach diesem Protokoll war es den Staaten untersagt, zum Kriege zu schreiten, hiervon enthielt das Protokoll detaillierte Ausnahmefälle. Ausgeschlossen wurde der Krieg als Mittel nationaler Politik erst in dem Pariser Kriegsverzichtspakt vom 27.08.1928, dem Briand-Kellogg-Pakt, welcher die große Mehrheit der Staaten, darunter alle Großmächte band. In diesem Vertrag verpflichten sich die Staaten in ihren gegenseitigen Beziehungen Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln zu regeln.

In der Gegenwart bildet die Charta der Vereinten Nationen den vorläufigen Abschluss dieser Entwicklung.[12] Nach der Charta ist jede Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen untersagt. Der Gedanke, dass die Intervention als Mittel zur zwangsweisen Durchsetzung von Rechten grundsätzlich zulässig sein könnte, enthielt die II. Haager Konvention von 1907, die es den Vertragsmächten durch das Drago Doktrin[13] untersagte, zum Zwecke der Eintreibung von Vertragsschulden Gewalt anwenden zu können. Ein Beispiel dafür bildet die militärische Handlung seitens Großbritanniens, Deutschlands und Italiens gegen Venezuela zu Beginn des 20. Jahrhunderts.[14] Daraus kann erkannt werden, dass das Interventionsverbot sich neben dem Gewaltverbot als eigenständiges Prinzip entwickelte.

2. Gewohnheitsrechtlicher Charakter

Die Anerkennung des Interventionsverbots als Rechtssatz des Völkergewohnheitsrechts findet in zahlreichen Resolutionen der Generalversammlung Bestätigung. Besonders hervorzuheben sind die Erklärung über die Unzulässigkeit der Intervention und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten von 1965[15], die Friendly Relations Deklaration von 1970[16], die Charta über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten von 1974[17], sowie die Erklärung über die Unzulässigkeit der Intervention und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten von 1981[18]. Die Allgemeine Auffassung bejaht ferner den gewohnheitsrechtlichen Charakter des Prinzips der Nichteinmischung.[19]

III. Geschichtlicher Überblick

Die Form der Druck-, Zwangs- und Gewaltausübung durchzieht die Historie von der antiken Geschichte über das Mittelalter bis heute. Rechtliche Relevanz fand sie erst mit der Entwicklung des Prinzips der Souveränität. Grotius ging in den Grundzügen darauf ein, doch wurde das Prinzip der Souveränität erst mit Vattel[20] erarbeitet und bestimmt.[21] Dabei stieg die Entwicklung des Prinzips der Intervention nicht stetig an, sondern gewann erst an Bedeutung und seine Prägung in besonders ideologischen Phasen.[22] Besonders gilt dies, für die in den 16. und 17. Jahrhundert stattgefundenen religiösen Kriegen, sowie für die Epoche der französischen Revolution[23] und insbesondere die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Völkerrechtstheoretiker des 19./20. Jahrhunderts gingen bei der Beurteilung eines Eingriffs eines Staats in andere Angelegenheiten von den Grundsätzen des entwickelten Souveränitätsprinzips und der allgemeinen Gleichheit der Staaten aus und schlossen daraus auf ein generelles Interventionsverbot.[24] Auch die europäische und amerikanische Staatenpraxis charakterisierte die Entwicklung des Interventionsverbots, wobei diese durch militärische Aktionen gekennzeichnet war. Auffallend ist das Auseinanderklaffen von dem völkerrechtlich entwickelten Prinzip und der Umsetzung der einzelnen Staaten, dass durch Ausnahmen zugelassen wurde.[25]

Die Ausnahme wurde als Selbsthilfe zur Durchsetzung verletzter völkerrechtlicher Rechte umgedeutet.[26] Das 19. Jahrhundert hatte für die Entwicklung des Interventionsrechts eine größere Bedeutung. Die erste Hälfte des Jahrhunderts bringt eine umfangreiche Praxis durch die Politik der Heiligen Allianz (1) mit sich. Dieses Verhalten der Großmächte brachte als Folge mit sich, die ihren Ursprung in der Politik Englands fand und zur Erklärung des amerikanischen Präsidenten Monroe, sowie den späteren Versuchen südamerikanischer Völkerrechtler führte, die Zulässigkeit der Intervention einzuschränken (2).

1. Entwicklung in Europa: Heilige Allianz

Als eine der wichtigsten Entwicklungen des Interventionsverbots gelten die Anfänge des 19. Jahrhunderts, insbesondere der Zeitraum des Wiener Kongress und der Heiligen Allianz -Bündnis von Russland, Österreich und Preußen- um 1815. Das Wirken der Heiligen Allianz und die sogenannten „ Pentarchie[27] der Großmächte wurde vor allem von den Amerikanern mit großer Besorgnis betrachtet. Die Amerikaner befürchteten insbesondere, dass die Heilige Allianz zum eigenen Schutze ihres selbsternannten Legitimitätsprinzips in den Freiheitskampf der Kolonien Spaniens in Amerika eingreifen wollte. Die USA hatten diese Kolonien, die sich seit 1810 von Spanien losgerissen hatten, bis 1823[28] größtenteils als eigene und selbständige Staaten anerkannt.[29] Unterstützung fanden sie bei der Regierung Englands, die den außenpolitischen Angelegenheiten der Amerikaner folgte und eine gemeinsame Erklärung abgeben wollte.[30]

2. Entwicklung in Amerika: Monroe-Doktrin

Der Entwicklung in der westlichen Hemisphäre kommt bei der Beurteilung der geschichtlichen Intervention ein besonderer Maßstab zu. Bereits 1823 sprach sich die US Regierung in der nach ihrem derzeitigen Präsidenten benannten Monroe Doktrin grundsätzlich gegen die Intervention nichtamerikanischer Staaten in Amerika aus. Monroe legte sich auf eine Politik der Nichteinmischung gegenüber Europa fest.[31]

Vorweg genommen muss klargestellt werden, dass die Monroe Doktrin kein Grundsatz ist, deren Inhalt und Tragweite festgelegt ist, sondern vielmehr durch ihre Interpretation zum jeweils gegebenen historisch-politischen Zeitpunkt bestimmt werden muss.

So wurde die Doktrin in allen Phasen amerikanischer Geschichte als Schutzdoktrin für den Wohlstand und die Sicherheit des Volkes interpretiert. Sie umfasst die politischen Ideale der USA und ist deshalb für die Sicherheit der Demokratie von großer Bedeutung. Nachdem das Ziel der Monroe Doktrin im 19. Jahrhundert war, das Streben europäischer Staaten nach unmittelbarer Machtausübung in Amerika zu verhindern, verlagerte sich das Ziel im 20. Jahrhundert darauf die ideologischen Mächte des Faschismus und Kommunismus vom amerikanischen Kontinent fern zu halten.[32]

Diese außenpolitische Doktrin hat daher eine „Doppelfunktion“. Neben der wirklichen Monroe Doktrin bestehen viele Nachfolgerimitate,[33] da sie als Vorbild gilt und ein scheinbares Ordnungsprinzip verkörpert. Die Grundgedanken wurden als gestaltendes Prinzip des neu zu ordnenden europäischen Großraums aufgefasst.[34] Erst recht gehört die Formulierung in der Völkerbundsatzung dazu, die 1919 die Doktrin als ein „ Regionales Abkommen zur Sicherung des Friedens[35] bezeichnet, obwohl sie kein Vertrag, sondern eine einseitige Erklärung ist.

Der eigentliche Anlass für die Erklärung der Monroe Doktrin war die englische Haltung zu Südamerika. England und die USA hatten parallel eigensüchtige Interessen im Bezug auf die Entkolonisierung, da dies eigene wirtschaftliche und politische Chancen für sie bot. Die Amerikaner waren zu diesem Zeitpunkt jedoch zu schwach, um schon zu einer Politik zu greifen, die ihre Großmachtbestrebung unterstützt hätte. England dagegen konnte die eroberungssüchtige Heilige Allianz nur dann übertrumpfen, wenn die Politik der USA und der eigenen gleichgeschaltet war. Obwohl die Interessen beider Mächte gleichgerichtet waren, waren sie zugleich dualistisch. Daher sahen sich die Amerikaner auch nicht imstande eine gemeinsame Erklärung mit England abzugeben. Aus diesem Grund gab der damalige Präsident Monroe eine die amerikanischen Interessen klarlegende Deklaration ab.

Gleichwohl hielten sich die Amerikaner aber nicht immer an ihr selbsterstelltes Leitbild. Die Doktrin stellte keine Erklärung eines naturgegebenen Prinzips dar, weniger ein Prinzip amerikanischer Außenpolitik. Sie kam zur Anwendung, wenn Interesse und Macht der Amerikaner eine Intervention nahelegten, andererseits wurde sie nicht erwähnt, wenn Interesse und Macht für ein Vergessen sprachen,[36] was an zahlreichen Fällen nach 1823 bewiesen werden kann.[37]

Die zunehmende Macht der Amerikaner zeigte sich vor allem gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Der Sieg im Krieg mit Spanien 1898 verstärkte die Tendenzen zu einer anwachsenden Außenpolitik. Der damalige Präsident Roosevelt nahm 1904 eine Neuinterpretation der Doktrin vor, um überwiegend in Lateinamerika eingreifen zu können.[38]

Als Grund beriefen sich die Amerikaner auf die Notwendigkeit, das Leben und das Vermögen ihrer Staatsbürger in jenen Staaten zu schützen und bei Aufständen statt der dortigen Regierung die aus deren Sicht nicht in der Lage war, für Recht und Ordnung zu sorgen. Diese Form der Politik[39] stieß auf die Ablehnung lateinamerikanischer Völkerrechtler, wie Calvo[40], Drago [41] und Alvarez[42], die weiterhin den Grundsatz der Nichtintervention vertraten.[43] Präsident Roosevelt und der Außenminister Hull nahmen daraufhin eine neue Haltung der USA gegenüber Lateinamerika ein. Diese Haltung verzichtete auf das bisher bestehende Eingriffsrecht der USA. Dies führte dazu, dass auf der 7. Panamerikanischen Konferenz von Montevideo 1933 die USA den Artikel 8 aus der Konvention über die Rechte und Pflichten der Staaten akzeptierte. Danach stand es keinem Staat zu, in die inneren oder äußeren Angelegenheiten einzugreifen.[44]

Die von den USA geäußerten Bedenken zur Erhaltung des Friedens,[45] führten auf der Konferenz von Buenos Aires 1936 dazu ein Zusatzprotokoll zu erarbeiten, worin die Nichtintervention verankert wurde.[46] Weitergehend wurde das Interventionsverbot in der Deklaration von Lima 1938 über die Prinzipien der Solidarität in Amerika bestätigt.[47] Auch in der OAS-Charta[48] fand das Interventionsverbot eine Bestätigung und eine völkerrechtliche Verankerung.[49]

Während auf allgemeiner Ebene das Prinzip des Interventionsverbots umstritten sein könnte,[50] lässt sich aus der amerikanischen Entwicklung behaupten, dass das Interventionsverbot innerhalb der Entwicklung im amerikanischen Völkerrecht ein normativer Charakter zugeschrieben werden kann. Dieser erstreckt sich dabei nicht nur auf den Begriff der bewaffneten Intervention, sondern darüber hinaus auch auf die Formen des Zwanges.

Daran ändert die im wirtschaftlichen Bereich weitergehende Druckausübung der Amerikaner auf die Lateinamerikaner nichts. Die Reaktion der Lateinamerikaner darauf zeigte sich in einer Resolution des 5. Konsultativtreffens der Außenminister der OAS-Staaten 1959, in welcher ein Katalog erstellt wurde, der das Interventionsverbot weiter präzisieren sollte.[51] Darin enthalten ist das Verbot des Aufzwingens einer bestimmten Regierung oder auch das Verbot von Eingriffen in die Justizform.

Aus den bisherigen historischen Entwicklungen der Monroe Doktrin kann mutatis mutandis geschlossen werden, dass der völkerrechtliche Charakter sich entwickelt hat. Der Einfluss auf das Völkerrecht lässt sich in den verschiedensten Bereichen aufspüren, so im Grundsatz der rechtlichen Gleichheit souveräner Staaten.

In der Praxis der völkerrechtlichen Verträge haben sich die USA seit der I. Haager Friedenskonferenz 1899[52] mit großem Erfolg gegen englischen Widerstand durchgesetzt, sodass der Vorbehalt der Monroe Doktrin immer gilt.[53] Die Unterzeichnung des Kellogg-Pakts von 1928[54] und Artikel 21 der Satzung des Genfer Völkerbundes,[55] welcher den Vorbehalt vor den eigenen Normen gewährt, begründet die völkerrechtliche Beachtlichkeit.

Dahinstehend ob die Monroelehre ein rechtlicher oder politischer Grundsatz ist, spielt dies im Hinblick auf das Interventionsverbot keine Rolle, da die Doktrin um die Jahrhundertwende aus einer defensiven Abwehr der Intervention zu einem aggressiven, imperialistisch gedeuteten Ausdehnungsgrundsatz anstieg.[56]

Es erscheint richtig, der Monroe Doktrin auch heute besondere Bedeutung zukommen zu lassen. Die Neuinterpretation der Doktrin durch Roosvelt als geographisch orientierte Weltraumordnung, durch Verlassen des Raumprinzips amerikanischer Politik und Verbindung mit der britischen Politik, stellen dabei einen wichtigen Part dar.

Präsident Wilson schlag 1917 sogar vor, dass alle Völker der Welt die Lehre von Monroe als eine „Weltdoktrin“ annehmen sollten.[57] Artikel 10 der Genfer Völkerbundsatzung gilt als Beispiel dieser Idee. Diese kennzeichnenden Sinnes- und Rechtsgedankenveränderungen von einer amerikanischen Idee zu einem Weltprinzip zeigen die bestehende Wichtigkeit des Prinzips weiterhin.

Entscheiden für die vorliegende Arbeit ist, dass die ursprüngliche Doktrin von 1823 die erste Erklärung in der Geschichte des modernen Völkerrechts ist die den Grundsatz der Nichtintervention aufstellt.[58]

3. Zusammenfassung

Der Fortschritt des Interventionsverbots lässt sich deutlich anhand der Geschichte erkennen. Da es sich unmittelbar aus der Souveränität und Gleichheit der Staaten ergibt, beginnt die völkerrechtlich bedeutende Geschichte im 19. Jahrhundert. Ein Schwerpunkt bildete dabei die Monroe Doktrin von 1823, die sich dem Interventionsverbot europäischer Mächte auf dem amerikanischen Kontinent entgegenstellte, gleichzeitig aber der Kontrolle und dem Zugriff des stärksten Staates dieses Kontinents unterwarf.[59]

Um die Jahrhundertwende gab es die ersten Bemühungen die Intervention einzugrenzen. Artikel 1 der II. Haager Konvention von 1907 spielte dabei eine entscheidende Rolle.[60]

1913 unterstützten die Bryan -Verträge diesen Gedankengang, in denen sich die Vertragsparteien verpflichteten, Streitigkeiten vor ein Schiedsgericht zu bringen, bevor sie zum Mittel der Gewalt griffen.

1928 kam die entscheidende Wende mit dem Briand-Kellogg-Pakt. Zwar wurde das Interventionsverbot nicht festgeschrieben, sondern ließ noch Raum für militärische Eingriffe, jedoch nicht unbeschränkt.

Im Laufe der Zeit wurde auf den Grundgedanken zurückgegriffen, was sich auch anhand der Resolutionspraxis verdeutlicht.

IV. Interventionsverbot in der Praxis der Satzungen und Resolutionen

Die Uneinheitlichkeit der Äußerungen in der Völkerrechtliteratur über Interventionen ist nicht verwunderlich. Die teilweise verworrene Staatenpraxis[61] und die von den Staaten unterschiedliche und divergierende Rechtsausfassung und rechtspolitischen Zielsetzung bringt dies zum Vorschein. Der Versuch einer Definition zur Klarstellung hat für die Praxis keine Bedeutung.

Bei der Frage, ob überhaupt eine Intervention vorliegt, besteht die Gefahr, dass vage Definitionen und normative Thesen für beide Seiten als Argument für oder gegen ihren Standpunkt genutzt werden können, was zu keinem brauchbaren Ergebnis führt. Das Fehlen verbindlicher Verfahren zur Konkretisierung von Kriterien erschwert den Definitionsversuch. Wenn die Absicht eines Staates, in einen anderen Staat zu intervenieren besteht, muss ein Weg gefunden werden diese Absicht feststellen zu können. Man muss kein Jurist sein, um die Beurteilung der Erlaubtheit des Zwangs gegen einen anderen Staat unterhalb der Schwelle der Gewaltanwendung, nach häufig miteinander im Widerspruch stehenden Werten der internationalen Gemeinschaft, als nicht befriedigend zu empfinden.

Aus dem aus der Staatenpraxis sich entwickelte Teil, sah man sich bereit Kriterien zu entwickeln, die eine einfache und eindeutige Feststellung der Intervention im Einzelfall ermöglichen. Dabei ging es auch um eine Absteckung des domaine resérvé der inneren Angelegenheiten, deren freie Gestaltung durch jeden Staat das Interventionsverbot schützen sollte. Richtige Lösungen waren dort nicht zu finden, aber eine richtungsweisende Klarstellung konnte erwartete werden.

Es äußerten sich Zweifel bei der Findung einer Definition über das Interventionsverbot.[62] Eine misslungene Definition könnte negative Auswirkungen aufweisen. Eine zu weite Definition könnte die internationale Zusammenarbeit verhängnisvoll beeinträchtigen. Eine zu enge Definition hingegen würde die schwachen Staaten ohne Schutz gegen gefährliche Eingriffe dastehen lassen.[63] Daher sollte die Entscheidung den Vereinten Nationen überlassen sein, da nicht alle Arten von Interventionen vorhergesagt werden konnten.

1. Satzung und Resolutionspraxis

Die Rechtsgrundlage des Verbots befindet sich beim zwischenstaatlichen Interventionsverbot in der analogen Anwendung von Artikel 2 Absatz 7 SVN oder im Umkehrschluss im Prinzip der souveränen Gleichheit in Artikel 2 Absatz 1 SVN.[64] Das in Artikel 2 Absatz 7 SVN statuierte Interventionsverbot regelt den Bezug der Vereinten Nationen und deren Mitgliedsstaaten. Daraus kann die Pflicht abgeleitet werden, dass dieses Prinzip für alle gelten könnte, da die Vereinten Nationen als „Weltordnung“ anerkannt sind.

Vorliegend darf man die Entwicklung und Bedeutung des Interventionsverbots in der Resolutionspraxis der Vereinten Nationen nicht aus den Augen lassen. Die Entwicklungsländer konnten ihre Meinung, nach weitgehenden Verboten jeglicher Einmischung in ihre Angelegenheiten, kund tun. Untersucht wird im Folgenden, ob Resolutionen und Deklarationen der Vereinten Nationen die sich mit dem Interventionsverbot befasst haben, zu einer eindeutigen oder zu einer verworrenen Klarstellung des Interventionsverbots gelangt sind. Zur Untersuchung werden die Erklärung über die Unzulässigkeit der Intervention und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten [im Nachfolgenden: Interventionsdeklaration] von 1965 (a.),[65] die Friendly Relation Deklaration von 1970 (b.),[66] die Charter der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten von 1974 (c.),[67] sowie die Erklärung über die Unzulässigkeit der Intervention und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten von 1981 (d.)[68] herangezogen.

[...]


[1] Wengler, S.1038.

[2] Hettlage in: Niemeyers Zeitschrift, S.13.

[3] Allgemeine Auffassung: Ipsen, Völkerrecht, § 59, Rn.51; Neuhold, Internationale Konflikte, S.269; Hettlage, S.15 m.w.N.

[4] Trautner, Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten und die Intervention als eigenständige Verbotstatbestände, S.16; Seidel in: Festschrift für Christian Tomuschat, S.830.

[5] Oppenheim, International Law, Vol. I, S.305; Verdross, Völkerrecht, S.228.

[6] Oppenheim, Fn.5.

[7] Hettlage Fn.2 S.19; Oppenheim, S.306.

[8] Grob, The Relativity of War and Peace, 1949, S. 227: There are almost as many textbook definitions of intervention as there are of war.

[9] GA Res. 2131 (XX); GA Res 3281 (XX); Art. 32 Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten.

[10] Komarnicki, RGDIP 1956, S.526.

[11] Das Genfer Protokoll 1924 wurde nicht ratifiziert.

[12] Artikel 2 (3) SVN: Beilegung von Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln, sowie Artikel 2 (4) SVN und Artikel 34; Das Verbot der Anwendung von Gewalt und die Pflicht zur friedlichen Beilegung wir auch in Verträgen zum Ausdruck gebracht: Bogotá-Charta der amerikanischen Staaten von 1948 Art.5, Art.18, interamerikanischer Beistandsvertrag von Rio de Janeiro von 1947, Art. 1, Natovertrag von 1949, Art.1. Zudem wurde die im Briand-Kellogg Pakt von 1928 angesprochene Verdammung des Krieges auch im Lamas-Saavedra Vertrag von Rio de Janeiro von 1933 bestätigt.

[13] Benedek, MPEPIL 2007.

[14] Angermann, JfA 1958, S.22 ff.

[15] GA Res. 2131 (XX).

[16] GA Res. 2625 (XXV).

[17] GA Res. 3281 (XXIX).

[18] GA Res. 36/103.

[19] A.A: Ipsen, S.1101: Intervention beruht auf politisch-historischen Umständen.

[20] Vattel, Droit des Gens, § 37.

[21] Gerlach, Die Intervention, S.8, 11 m.w.N; Mosler, Intervention, S.11 ff.; Fabela, S.9 f.; Younger in: Jaquet, Intervention, S.12 f.; Schwarz in: Jaquet, Intervention, S.29 ff.

[22] Young in: Falk, The Vietnam War, S.1016 f.

[23] Mosler, Intervention, S. 22; Der Grundsatz der Nichteinmischung wurde 1793 in Art. 119 der Verfassung Frankreichs verankert.

[24] Aufzählung in: Fabela, S.16 ff.

[25] Fabela, S.16 ff.

[26] Vgl. Fabela, S.22.

[27] Auf den Kongressen von Troppau, Laibach und Verona beriefen sich die Mitglieder der Allianz auf das ihnen zustehende Recht: siehe Neuhold, S. 279.; Vgl. Hatschek, Wörterbuch des Völkerrechts, S.526 f.

[28] Peru wurde von den Vereinigten Staaten 1826 anerkannt, die Konföderation zwischen Peru und Bolivien wurde 1838 und Bolivien wurde 1848 anerkannt.

[29] Die Anerkennung durch die Vereinigten Staaten für: Kolumbien 1822: bestehend aus New Granada, Ecuador und Venezuela, wobei Venezuela und New Grenada selbst 1835 und Ecuador 1838 als selbständig anerkannt wurde; Buenos Aires 1823: bestehend aus Uruguay, Paraguay und Argentinien. Als selbstständig wurde Uruguay 1836 und Paraguay 1852 anerkannt.

[30] Berber, Mythos der Monroe-Doktrin, S. 10, m.w.N.

[31] Kruse in: Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, S.548; Grundsatz „Amerika den Amerikanern“,sogenanntes „Knownothingtum“: In Amerika sollen nur eingeborene Bürger regieren oder Ämter ausführen;Vgl. Hopp, Bundesstaat und Bundeskrieg in Nordamerika, S.292 f; Kraus, Monroedoktrin, S.50 ff.: Der Isolationsgedanke als politischer Leitsatz.

[32] Wegener, Die Monroe-Doktrin, S.39.

[33] Briand-Kellogg Pakt von 1928; Wehberg, Ächtung des Krieges, S.113; Berber, Mythos der Monroe-Doktrin, S.5.

[34] Schmitt, Völkerrechtliche Großraumordnung mit S.22.

[35] Artikel 21, Friedensvertrag von Versailles, 28.06.1919.

[36] Kraus, S.287 ff.

[37] England vs. Argentinien 1833, Falklandinseln, die Engländer wollten den Argentiniern die Falklandinseln wegnehmen und trafen auf Seiten Amerikas auf keinen Widerstand; Vgl. GA Res 1514 (XV); Die Franzosen intervenierten 1838 in Mexico, die USA schwiegen; Vgl. Paech, Imperialismus und Völkerrecht; Großbritannien intervenierte in Kolumbien 1837; Vgl. Brandenburg, Die Vereinigten Staaten von Amerika.

[38] Vgl. Whiteman, Digest of International Law, S.31 f; Die Amerikaner griffen militärisch in Haiti, Nicaragua, Panama, Kuba ein.

[39] „Big Stick“ – Politik.

[40] Calvo Doktrin 1868; Vgl. Schlochauer, Aachener Kongress, S.399; Paech/Stuby, S.620: Calvo entwickelte eine Klausel die eine Intervention rechtsverbindlich ausschließen sollte.

[41] Drago Doktrin 1907; Vgl. Dietl, USA und Mittelamerika, S.86; Schlochauer, Aachener Kongress, S.399.

[42] K raus, S.365; Vgl. Schlochauer, Rapallo Vertrag, S.632.

[43] Literaturhinweise: Fabela, S.100 ff.

[44] Montevideo-Konvention.

[45] Angus, 28 AJIL 1934, S.75 ff.

[46] Artikel 1 des Protokolls: „ The high contracting parties declare inadmissible the intervention of any of them, directly or indirectly, and for whatever reason, in the internal or external affairs of any other of the parties“.

[47] Declaration of American Principles.

[48] Formulierungsversuche des Interventionsverbots in Artikel 19 und Artikel 20 (Original Artikel 15 und 16 OAS).

[49] Artikel 2 (b), 19, 20 OAS-Charta; Vgl. Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot, S.42 f.

[50] Kraus, S.368; Perkins, The Monroe Doctrine 1867-1907, S.399.

[51] Trindade, ZaöRV 70 (2010), S.635.

[52] Pohl, Der Monroe-Vorbehalt, S.132 ff.

[53] Wegener, S.81.

[54] Vgl. Schmitt, S. 26: Kellogg sagte in einer Rede vom 28.04.1928: This right is inherent in every sovereign state, and is implied in every treaty.

[55] Schmitt, S.25 f; Wegener, S.42.

[56] Der 1934 wieder eingegrenzt wurde.

[57] Geyrhalter, Friedenssicherung, S.17.

[58] Schmitt, S.27 mwN.

[59] Vgl. Paech/Stuby, S.462.

[60] Cassese, S.50 f.

[61] Vgl. Paech/ Stuby, S.462.

[62] Siehe Arikel 19 (15) OAS-Charter, der eher das Definitionsproblem aufzeigt, als es zu lösen.

[63] Neuhold, S.315 m.w.N.

[64] Castellino, Self-Determination, S.92.

[65] GA Res. 2131 (XX) 21.12.1965; war nicht die erste Resolution der VN, welche sich mit dem Problem der Intervention befasste. Andere Resolutionen waren unteranderem: GA Res. 290 (IV), GA Res. 380 (V), GA Res. 1236 (XII), GA Res. 375 (IV); Vgl McWhinney, GA Resolution 2131 (XX), S.1 ff.

[66] GA Res. 2625 (XXV).

[67] GA Res. 3281 (XXIX).

[68] GA Res. 36/103.

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Die Geschichte des Interventionsverbots im Völkerrecht
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Rechtswissenschaft)
Veranstaltung
Völkerrecht
Note
8
Autor
Jahr
2014
Seiten
49
Katalognummer
V336545
ISBN (eBook)
9783668261884
ISBN (Buch)
9783668261891
Dateigröße
928 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
geschichte, interventionsverbot, völkerrecht
Arbeit zitieren
Annika Link (Autor:in), 2014, Die Geschichte des Interventionsverbots im Völkerrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336545

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Geschichte des Interventionsverbots im Völkerrecht



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden