Migration in Deutschland und Spanien. Eine komparative Analyse zum Umgang mit Migranten


Term Paper (Advanced seminar), 2015

32 Pages, Grade: 1,0

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Konzepte
2.1 Migration
2.2 Ursachen der Migrations- und Fluchtbewegungen
2.2.1. Die sechs Dimensionen der Migration nach Opitz (1993)
2.2.2. Das Push-Pull-Modell nach Lee (1972)
2.3 Migrant, Flüchtling und Asylsuchender

3. Die Verteilungsquote der EU-Kommission

4. Deutschlands Umgang mit Migration

5. Spaniens Umgang mit Migration

6. Vergleich

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

9. AnhangI

1. Einleitung

Schlägt man zurzeit Zeitungen auf oder schaut sich Nachrichten an, scheint kein Thema so präsent zu sein, wie die aktuelle Flüchtlingssituation[1]. Bilder, wie Menschen mit ihren Familien in Bussen nach Deutschland gebracht werden oder in kleinen, kaputten Booten das Wasser überqueren, um in Europa eine bessere Zukunft zu finden, werden alltäglich. Auch in den zu untersuchenden Ländern Deutschland, was im Jahr 2014 mit knapp 200.000 das Land war, dass die meisten Flüchtlinge aufnahm, und Spanien, welches mit annähernd 6000 Flüchtlingen zu den Ländern gehört, die vergleichsweise wenig Flüchtlinge aufnahmen, spielen die aktuellen politischen Entwicklungen eine zentrale Rolle. Menschen, die aus verschiedenen Gründen wie politischen Unruhen sowie Krieg, Zerstörung, Verfolgung oder Folter, verlassen ihr Heimatland und versuchen, sich in Europa ein besseres Leben aufzubauen. Wie die beiden Länder Deutschland und Spanien mit dieser aktuellen Flüchtlingssituation umgehen, wird in der vorliegenden Arbeit untersucht.

Dazu werden zunächst im zweiten Kapitel die grundlegenden theoretischen Konzepte vorgestellt. Im Unterkapitel 2.1 wird der Begriff der Migration genauer erläutert. Dazu wird er zunächst von Kurzzeitaufenthalten im Ausland abgegrenzt und anschließend nach Treibel (2008) und Mintzel (1997) weiter differenziert. Dies wird Grundlage bieten für die in Kapitel 2.2 untersuchten möglichen Gründe und Ursachen für Migrations- und Fluchtbewegungen nach Opitz (1993) und dem Push-Pull-Modell nach Lee (1972). Hierbei wird deutlich, dass viele Gründe, vor allem individueller Art, zu Migration führen. Abschließend werden in dem Grundlagenkapitel die Begriffe Migrant[2], Flüchtling und Asylsuchender voneinander abgegrenzt, da sie im alltäglichen Sprachgebrauch häufig synonym verwendet werden, trotz verschiedener Bedeutung.

Das folgende dritte Kapitel befasst sich mit der geforderten Verteilungsquote der EU-Kommission. Da es Länder gibt, wie Griechenland oder Italien, die für viele Flüchtlinge als Anlaufstation dienen und somit sehr belastet sind, schlug die Brüsseler EU-Kommission die Einführung einer Verteilungsquote vor, welche die Flüchtlinge nach Kriterien wie der Arbeitslosenquote, dem Bruttoinlandsprodukt, der Bevölkerungszahl und der bisherigen Zahl der Asylsuchenden gerecht auf alle europäischen Länder verteilen soll. Inhalt dieses Kapitels ist es, die geforderten Zahlen der EU-Kommission, die letztendlichen Ergebnisse und die Reaktionen darauf vorzustellen.

Im anschließenden vierten Kapitel dieser Arbeit wird die aktuelle Situation der Flüchtlinge in Deutschland untersucht. Da Deutschland das Land ist, welche die meisten Flüchtlinge aufnimmt, spielt das Thema eine zentrale Rolle in der deutschen Gesellschaft. In diesem Kapitel werden zunächst die aktuellen Zahlen zu Flüchtlingen und Asylbewerbern mithilfe der im Anhang befindlichen Tabellen und Diagramme ausgewertet. Außerdem werden die unterschiedlichen Ansichten und Verhaltensweisen der deutschen Bevölkerung vorgestellt und Ergebnisse von Umfragen mit Deutschen zur der Flüchtlingssituation erläutert.

Untersuchungsgegenstand des folgenden fünften Kapitels ist Spaniens Flüchtlingspolitik. Da in Spanien nur sehr wenige Flüchtlinge Asyl beantragt haben und auch nur wenige Flüchtlinge aufgenommen werden, wird in diesem Kapitel die Abschottungspolitik des Landes untersucht. Es wird vorgestellt, wie die Guardia Civil marokkanische Flüchtlinge beim Versuch des Eindringens in die spanische Enklave Ceuta erschossen hat oder Flüchtlinge bei dem erfolgreichen Einreisen sofort in ihr Heimatland zurückgeschickt werden, ohne ihnen ein Asylverfahren zu gewähren. Zusätzlich wird in diesem Kapitel Kaisers (2015) These vorgestellt, dass Spanien so wenige Flüchtlinge bei sich aufnehmen würde, da diese nicht arbeiten und das Land nicht mehr verlassen würde. Daher führe die spanische Regierung seit der Jahrtausendwende eine Gastarbeiterpolitik, welche Gastarbeiter gezielt ins Land holt, sie die landwirtschaftliche Aufgaben unter prekären Arbeits- und Lebensbedingungen in Spanien verrichten lässt, die kein Spanier machen möchte, und sie anschließend wieder in ihr Heimatland zurückgeschickt.

Anschließend werden im sechsten Kapitel die vorangegangenen erarbeiteten Ergebnisse über die deutsche und die spanischen Flüchtlingspolitik miteinander verglichen. Es wird deutlich, dass dieses Thema in Deutschland aktuell eine zentrale Rolle spielt, da es trotz einer vergleichsweise guten wirtschaftlichen Lage einen hohen Mangel an Fachkräften aufweist und sich daher durch die Aufnahme vieler Flüchtlinge erhofft, diesen Mangel und das demografische Problem des Geburtenrückgangs zu beheben. Auch Spanien ist auf seinen eigenen Vorteil bedacht und versucht eher, vorteilsbringende Gastarbeiter als Flüchtlinge ins Land zu holen.

Im abschließenden Fazit werden die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammengefasst und wird herausgearbeitet, dass es sowohl in Deutschland als auch in Spanien Probleme mit dem Umgang mit Flüchtlingen gibt.

2. Theoretische Konzepte

In dem folgenden Unterkapiteln sollen zunächst die wichtigsten theoretischen Konzepte von Migration vorgestellt werden, um eine Grundlage für den anschließenden Vergleich zwischen dem Umgang mit Migranten in Deutschland und Spanien zu schaffen.

In dem kommenden Abschnitt werden zunächst die Begriffe Migration sowie dessen verschiedene Ausprägungen erläutert. Eng damit einhergehen die Gründe für Migration, welche nach Opitz‘ (1993) Sechs Dimensionen der Migration und Lees (1972) Push-Pull-Modell vorgestellt werden. Abschließend werden die Begriffe Migrant, Flüchtling und Asylbewerber voneinander abgegrenzt.

2.1 Migration

Abgeleitet vom dem lateinischen Wort migratio, was Wanderung oder Übersiedelung bedeutet, versteht man unter Migration die „Wanderung von Individuen oder Gruppen im sozialen oder geografischen Raum“ (Terkessidis 2000: 6). Um Migration von Kurzzeitaufenthalten im Ausland abzugrenzen, spielt die Dauer eine entscheidende Rolle. Treibel (2008) schreibt dazu, dass Migration als „der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in eine andere Region von einzelnen oder mehreren Menschen“ zu verstehen ist (ebd.: 21). Weiterhin untersucht die Autorin den Migrationsbegriff aus vier Blickpunkten: Zunächst unterscheidet Treibel (2008) zwischen räumlichen und zeitlichen Komponenten. Erstere wird in interne / Binnenwanderung und externe / internationale Wanderung differenziert, wobei die externe in kontinentale und interkontinentale Wanderung untergliedert wird. Bei der zeitlichen Komponente unterscheidet Treibel (2008) zwischen der begrenzten / temporären Wanderung, z.B. ein Saisonarbeiter, und der dauerhaften / permanenten Wanderung. Außerdem unterscheidet die Autorin bezüglich der Wanderungsentscheidung beziehungsweise Wanderungsursache zwischen freiwilliger Migration, beispielsweise bei einer Arbeitsmigration, und erzwungener Migration, wie einer Vertreibung oder Fluchtmigration. Hierbei können die Übergänge zum Beispiel bei einer freiwilligen aus wirtschaftlichen Gründen oder bei einer erzwungenen Migration beispielsweise aus politischen Gründen sehr fließend sein (vgl. ebd.: 20).

Noch differenzierter gliedert Mintzel (1997) den Migrationsbegriff. Er unterscheidet sogar zwischen acht Dimensionen. Zunächst spricht der Autor von der Richtungsmodalität, wobei er zwischen der Zu-/Einwanderung und Ab-/Auswanderung unterscheidet. Die räumliche Dimension gliedert sich je nach Entfernung in die lokale, regionale, kontinentale, interkontinentale und globale Wanderung. Auch werden die Auslösefaktoren einer Wanderung untersucht, welche politische, wirtschaftliche, religiös-konfessionelle, berufliche, klimatische oder demografische Ursachen zu Grunde haben können. Als weitere Dimension führt Mintzel (1997) den zeitlichen Aspekt an, welche temporär, demnach saisonal oder periodisch, beziehungsweise zeitlich unbegrenzt sein kann. Auch motivationale Gründe können zu Migration führen. Hierbei unterscheidet der Autor wie Treibel (2008) zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Migration, nennt jedoch zusätzlich noch die rückkehrorientierte Migration. Außerdem werden die individuelle / kollektive Größenordnung und die Organisiertheit / Nichtorganisiertheit der Migration als weitere Dimensionen dargestellt. Abschließend geht Mintzel auf altersspezifische Unterschiede ein und die damit verbundene Einordnung von Migration in eine biografische Phase. Dabei nennt er beispielsweise die ausbildungsbedingte Migration in der jüngeren Generation oder in der älteren Generation der Rückzug von Senioren in Seniorensitze (vgl. ebd.: 99).

2.2 Ursachen der Migrations- und Fluchtbewegungen

Migration ist häufig das „Ergebnis komplexen menschlichen Verhaltens in sehr unterschiedlichen Entscheidungssituationen […]“ (Feithen 1955, zitiert nach Fischer 2006: 22). Daher ist es nur sehr schwer möglich, ein Modell für die Gründe von Migration zu erstellen, da häufig familiäre, politische oder wirtschaftliche Einflüsse eine Rolle spielen, welche stets zu individuellen Gründen führen (vgl. Malgesini/Giménez 1997, zitiert nach Fischer 2006: 22). Nichtsdestotrotz, bestehen Versuche, der Kategorisierung von Migrationsgründen. Im Folgenden werden daher zwei Modelle vorgestellt: Die sechs Dimensionen der Migration nach Opitz (1993) sowie das Push-Pull Modell, welches erstmalig 1972 von Everett S. Lee eingeführt wurde.

2.2.1. Die sechs Dimensionen der Migration nach Opitz (1993)

Opitz (1993) nennt als mögliche Gründe für Migration sechs verschiedene Dimensionen, welche nachfolgend verkürzt erläutert werden. Zunächst nennt Opitz Konflikte zwischen Staaten oder innerhalb eines Staates, beispielweise durch separatistische Bestrebungen oder kulturelle Umbrüche resultierend in Bürgerkriegen, ethnischen Säuberungen oder Grenzkonflikten, als einen Hauptgrund für Migration. Außerdem nennt er das moderne Wirtschaftssystem als einen weiteren Faktor. Hierbei spricht er unter anderem von wirtschaftlicher Marginalisierung und Verarmung bestimmter Regionen, hingegen auf der anderen Seite von neuen wirtschaftlichen Wachstumsregionen, die Migranten anziehen. Als einen weiteren Grund für Migration nennt Opitz klimatische Veränderungen und Umweltschäden, besonders in Ländern, in denen der landwirtschaftliche Sektor von den klimatischen Gegebenheiten abhängt oder die finanziellen Mittel fehlen, um Umweltschäden zu beheben. Zusätzlich nennt der Autor das globale Bevölkerungswachstum, welches häufig mit einer Qualitätsminderung der Lebensbedingungen einhergeht als einen weiteren Grund. Ein Gefälle in den Lebensbedingungen ist laut Opitz (1993) auch durch „die Erosion traditioneller Weltanschauungen, Werthaltungen und Lebensstilen […] “ (zitiert nach Mintzel 1997: 104) sichtbar. Die Übernahme von westlichen Lebensstandards und die damit einhergehende Vernachlässigung der eigenen Kultur führen dazu, dass Menschen nicht mehr so stark an ihre Heimat gebunden sind und ihr Land somit schneller verlassen, so der Autor. Als letzten Grund werden die modernen Kommunikationsmittel genannt, da sie das bereits erwähnte starke Gefälle zwischen den Lebensbedingungen auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene sichtbar machen. Auch die verbesserten Reisemöglichkeiten würden Migration erleichtern (vgl. Mintzel 1997: 99ff.).

2.2.2. Das Push-Pull-Modell nach Lee (1972)

Ein häufig genutztes Modell zur Darlegung von Gründen zur Migration ist das Push-Pull Modell nach Lee 1972. In diesem Modell werden die Ursachen und Auslösefaktoren von Migration nicht nur rein thematisch aufgelistet, sondern den Kategogien Vertreibung (push) und Anziehung (pull) zugeteilt. Daher wird versucht, Push-Faktoren im Herkunftsland, welche zur Kategorie der Vertreibung gehören, und Pull-Faktoren des Ziellandes, zur Kategorie der Anziehung gehörend, zu finden (vgl. Lee 1972: 118ff.).

Die Grundannahme des Modells liegt darin, dass „die Situation auf dem Arbeitsmarkt, die in der Heimatregionen des oder der Wandernden unzureichend und in der Zielregion attraktiver ist“ (Treibel 2008: 40). Daher liegen drei Hypothesen dem Push-Pull Modell zugrunde: die Beschäftigungshypothese (job-vacancy-Hypothese), die Einkommenshypothese (income-differentials-Hypothese) sowie die Informationshypothese (migrant-stock-Variable). Erstere bezieht sich auf die Beschäftigungssituation, d.h. der Höhe der Arbeitslosigkeit und dem Arbeitsplatzangebot, sowohl in der Heimat- als auch in der Zielregion. Die Einkommenshypothese betrachtet die Einkommenssituation, also das Lohnniveau, in den Regionen. Als dritte Hypothese, beschäftigt sich die Informationshypothese im Gegensatz zu den vorherigen Hypothesen nicht mit ökonomischen und rationalen Gründen, sondern mit den persönlichen Beziehungen und Vernetzungen der Migranten. Treibel (2008) argumentiert hierzu, dass der Informationsaustausch mit bereits migrierten Personen eine Entscheidung zur Migration beeinflussen und vorantreiben kann (vgl. ebd: 41f.).

Push-Faktoren, Faktoren, die Personen dazu veranlassen, ihr Heimatland zu verlassen, können ökonomischer, gesellschaftlicher, klimatischer, demografischer oder politischer Natur sein. Dazu gehören beispielsweise eine hohe Arbeitslosigkeit, hohe Steuern und Abgaben oder eine fehlende Infrastruktur. Faktoren wie Armut, eine Einschränkung der Denk- und Religionsfreiheit, Diskriminierung oder religiöse bzw. politische Verfolgung zählen zu gesellschaftlichen Einflüssen. Auch klimatische Push-Faktoren wie Überschwemmungen, Erdrutsche und –beben, Vulkanausbrüche oder Dürren, sowohl als Gründe wie Landknappheit oder Überbevölkerung sowie Verfolgung, Unterdrückung, Krieg und politische Unruhen können Gründe zum Verlassen des Heimatlandes sein (vgl. Lee 1972: 118ff.).

Im Gegensatz dazu, besitzt das Zielland anziehende Faktoren, die Pull-Faktoren. Gute Verdienstmöglichkeiten beziehungsweise viele Jobangebote oder wirtschaftliche Unabhängigkeit zählen zu ökonomischen Gründen. Pull-Faktoren sind außerdem beispielsweise eine hohe Toleranz bezüglich religiösen oder sexuellen Orientierungen, guten Bildungsmöglichkeiten, ein funktionierendes Gesundheitssystem oder ein ausreichendes Flächenangebot. Faktoren, wie günstige Einwanderungsgesetze, eine Rechtssicherheit und Frieden, können zusätzlich dazu führen, dass ein Land viele Migranten anzieht (vgl. ebd.)

Zu diesem Ansatz lassen sich jedoch auch kritische Ansichten finden. So meint Fischer (2006) beispielsweise, dass das Push-Pull Modell trotz seiner häufigen An- und Verwendung, „kaum als universelles Erklärungsschema angesehen werden“ kann. Dies begründet die Autorin zunächst damit, dass das Modell die Gründe für Migration zu vereinfacht darstelle, da es sich lediglich auf die wirtschaftliche Beziehung des Zusammenwirkens von Angebot und Nachfrage beziehe. Außerdem wird kritisiert, dass sich die beiden Bereiche der Push- und der Pull-Faktoren nicht gesondert voneinander untersuchen ließen, da die Gründe für Migration in häufigen Fällen sowohl vertreibender als auch anziehender Natur seien und sich die Motive daher nicht exakt einer der beiden Faktoren-Gruppen zuordnen ließen. Als Beispiel hierfür werden Missionare angeführt, welche als Hauptziel die Verbreitung ihrer Botschaft besitzen, und ihr Heimatland nicht aus Unzufriedenheit verlassen beziehungsweise sich von einem anderen Zielland angezogen fühlen (vgl. ebd.: 25). Dies sei auch der Fall bei Personen, die eine Abenteuer- oder Wanderlust verspüren und daher aus ganz individuellen Motiven handeln (Meilaender 2001, zitiert nach Fischer 2006: 25). Auch Rosemarie Feithen ist der Meinung, dass das Push-Pull Modell durch den „Wunsch nach beruflicher und sozialer Statusverbesserung, Distanzfaktoren und Merkmale der wandernden Personen für die Wanderungsentscheidung“ ergänzt werden sollten (Feithen 1985, zitiert nach Treibel 2008:41).

2.3 Migrant, Flüchtling und Asylsuchender

Häufig werden die Begriffe Migrant, Flüchtling oder Asylsuchender synonym gebraucht, obwohl sie sich auf verschiedene Hintergründe beziehen. Daher sollen die Begriffe nachfolgend definiert und voneinander abgegrenzt werden.

Migranten sind Laut Terkessidis (2000) „Menschen, die aus vielen verschiedenen Motiven ihr Geburtsland verlassen haben und in einem anderen Land leben“ (ebd.: 6). Migrant ist daher ein Oberbegriff, sodass auch Flüchtlinge und Asylbewerber Migranten sind. Entscheidend ist hierbei laut der United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) jedoch, dass sich Migranten zumeist freiwillig dazu entscheiden, ihr Heimatland zu verlassen. Viele sind auf der Suche nach verbesserten Lebensbedingungen, werden von ihrem Heimatland jedoch nicht gezwungen, das Land zu verlassen, weil sie dort in Gefahr sind, sondern erhalten auch noch den Schutz des Heimatlandes. Daher passiert Migration überwiegend aus wirtschaftlichen, politischen oder Sicherheitsgründen, wie zum Beispiel die Aussicht auf einen besseren Arbeitsplatz. Staaten ist es hierbei weitestgehend freigestellt, Migranten bei sich aufzunehmen (vgl. United Nations High Commissioner for Refugees: Flüchtlinge).

Ein Flüchtling hingegen ist nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 eine Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will.“ (ebd.) Da Flüchtlinge gezwungen werden, ihr Heimatland zu verlassen, da es die Menschen nicht mehr schützen kann oder will, sind andere Staaten durch internationale Abkommen dazu verpflichtet, Flüchtlingen Schutz zu gewähren und können nicht wie bei Migranten meist frei entscheiden (vgl. ebd).

Ein Asylsuchender ist dem Namen nach eine Person, die in einem fremden Land Asyl sucht. Im Gegensatz zu den Flüchtlingen, haben Asylbewerber den Status eines Flüchtlings noch nicht erhalten, da ihr Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist (vgl. United Nations High Commissioner for Refugees: Asylsuchende).

3. Die Verteilungsquote der EU-Kommission

Wie bereits im vorangegangen Unterkapitel 2.3 erläutert, sind Staaten durch Abkommen, wie die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, dazu verpflichtet, Flüchtlingen Schutz zu gewähren. Nichtdestotrotz gibt es einen starken Unterschied in der Anzahl der aufgenommenen Flüchtlinge. Während Länder wie Deutschland, Schweden und Italien sehr vielen Flüchtlingen Schutz gewährt, gibt es andere Länder wie Portugal, Kroatien oder Litauen, in denen nur eine geringe Anzahl von Flüchtlingen Schutz finden (vgl. Tabelle 1 im Anhang S. I).

Um die Anzahl der Flüchtlinge besser zu regulieren und gerechter aufzuteilen, schlug die Brüsseler EU-Kommission im Mai 2015 eine Verteilungsquote vor, welche in Kraft treten soll, wenn sich ein Land wegen einer zu hohen Anzahl von Flüchtlingen in einer Notlage befindet. Ziel soll die „faire und balancierte Beteiligung aller Mitgliedsstaaten an der gemeinsamen Anstrengung" sein, so die EU-Kommission (zitiert nach Schiltz 2015). Länder, wie Italien, Griechenland oder Deutschland, sollen mit der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt werden, indem andere Länder nach der Verteilungsquote dazu angehalten werden, die entsprechenden Prozentsätze an Flüchtlingen aufzunehmen. Dazu veröffentlichte die EU-Kommission „Eine europäische Agenda für Migration“, welche die Verteilung unter folgenden Merkmalen begründet: „Der Umverteilungsschlüssel basiert auf Kriterien wie Bruttoinlandsprodukt, Bevölkerungszahl, Arbeitslosenrate und der bisherigen Zahl der Asylsuchenden" (ebd.). Somit soll nicht wie zuvor durch die Dublin-Verordnung das Land für einen Flüchtling verantwortlich sein, das zuerst von ihm betreten wurde, sondern ein für ihn durch die Quote zugewiesenes (vgl. ebd.). Für die zu untersuchenden Länder Deutschland und Spanien schlug die EU-Kommission folgende Quote vor: Deutschland soll 18,4%, etwa 120.000, und Spanien 9,1%, rund 50.000 Flüchtlinge, aufnehmen (vgl. Diagramm 1 sowie Tabelle 1 im Anhang, S. If.).

Gemeinsam wurde am 25. und 26. Juni 2015 beim EU-Gipfel in Brüssel über den Vorschlag der Verteilungsquote der Flüchtlinge diskutiert. Laut Tagesschau sei es eine teilweise sehr emotionale, langwierige und hitzige Diskussion zwischen den Staats- und Regierungschefs gewesen. Obwohl Länder wie Griechenland und Italien, welche von vielen Flüchtlingen zuerst aufgesucht werden, entlastet werden sollen, entschied man sich abschließend aufgrund von Gegenstimmen aus osteuropäischen Ländern gegen die Einführung der verbindlichen Verteilungsquote und einigte sich auf eine freiwillige, jedoch verpflichtende, Verteilung von 60.000 Flüchtlingen. Besonders der italienischen Regierungschef Matteo Renzi äußerte sich kritisch zu dieser Entscheidung und plädierte für Solidarität. Die EU-Innenminister sollen nun bis Juli dieses Jahres klären, wie viele Flüchtlinge jeweils aufgenommen werden können (vgl. Tagesschau 2015a).

4. Deutschlands Umgang mit Migration

Im folgenden Kapitel wird untersucht, wie Deutschland mit dem Thema der Migration umgeht. Im Besonderen werden hier die Flüchtlingspolitik des Landes sowie Meinungen aus der Bevölkerung beleuchtet. Ich beschränke mich dabei überwiegend auf die aktuellen politischen Gegebenheiten der Flüchtlingswellen und Asylanträge im Zeitraum zwischen 2014 und 2015 und werde die freiwillige Migration sowie frühere Flüchtlingswellen vernachlässigen.

Im Jahr 2014 nahm Deutschland rund 200.000 Flüchtlinge auf und ist damit mit einem großen Abstand vor Schweden mit rund 80.000 Flüchtlingen das Land, welches die meisten Flüchtlinge in der Europäischen Union aufnahm. Zusätzlich wird deutlich, dass das Land somit fast der doppelten Anzahl von Flüchtlingen Schutz bot, als von Verteilungsquote der EU gefordert (vgl. Diagramm 2 im Anhang, S. III). Somit erklärt sich auch, dass Deutschland für die Einführung der EU-Verteilungsquote stimmte (vgl. Tagesschau 2015a). Nur die acht weiteren europäischen Länder Schweden, Ungarn, Österreich, die Schweiz, Belgien, Dänemark, Bulgarien und Malta, nahmen im Jahr 2014 mehr Flüchtlinge auf, als die Quote vorsehen würde (vgl. Diagramm 2 im Anhang, S. III).

Erkennbar ist auch der starke Anstieg der Asylanträge in den letzten fünf Jahren. Diagramm 3 (vgl. im Anhang, S. IV) veranschaulicht die Entwicklung der Asylerstantragszahlen im Jahresvergleich von 2011 bis 2015 in Deutschland. Während die Anzahl der Asylanträge im Jahr 2011 nahezu kontinuierlich zwischen rund vier- und fünftausend Anträgen pro Monat lagen und über das Jahr insgesamt etwa 53.000 Asylanträge eingereicht wurden, wuchs die Zahl in den Folgejahren stetig an. Bereits drei Jahre später, im Jahr 2014, wurden mehr als 200.000 Asylanträge in Deutschland gestellt. Schon die Zahlen der ersten Jahreshälfte von 2015 verdeutlichen, dass diese Anzahl im Folgejahr überschritten werden wird, da von Januar bis Juni 2015 bereits annähernd 180.000 Asylanträge in Deutschland gestellt wurden, wovon knapp 160.000 Erstanträge waren (vgl. ebd.; Tabelle 2 im Anhang, S. V). Die meisten dieser gestellten Asylerstanträge in Deutschland von Januar bis Juli 2015 kommen aus Syrien und der Arabischen Republik mit 20,3%, was 32.472, dem Kosovo mit 17,9%, was 28.672 und Albanien mit 13,6%, was 21.806 Asylanträgen entspricht (vgl. Diagramm 5 im Anhang, S. VI). Der Juni 2015 einzeln betrachtet zeigt, dass die meisten Flüchtlinge aus Syrien und der Arabischen Republik, Albanien und Afghanistan kommen (vgl. Diagramm 4 im Anhang, S. VI). Insgesamt wurde in Deutschland im Jahr 2014 über 97.275 Asylanträge entschieden, wovon 42%, also 40.855, gestattet wurden (vgl. Diagramm 10 im Anhang, S. XI).

Die hohe Anzahl von Flüchtlingen in Deutschland führt zu gespaltenen Meinungen in der deutschen Bevölkerung. Laut einer telefonischen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vom Juli 2015 mit 1.304 zufällig ausgewählten wahlberechtigten Personen, welche repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschlandmit sei, gaben 54% der Befragten an, dass Deutschland diese große Zahl verkraften kann, während 41% der Befragten dies negierten. Einig sind sich jedoch 79% der Befragten darüber, dass Deutschland zusätzliche staatliche Mittel bereitstellen sollte, um gut ausgebildete Flüchtlinge schneller in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren, während sich 16% der befragten dagegen aussprachen (vgl. Forschungsgruppe Wahlen: Politbarometer Juli II 2015).

Besonders positiv über gut ausgebildete Flüchtlinge äußert sich die deutsche Wirtschaft. Viele Arbeits- sind und Ausbildungsplätze bleiben in Deutschland unbesetzt, alleine in Bayern waren es im Jahr 2014 über 100.000 Lehrstellen. Viele deutsche Betriebe freuen sich über motivierte Auszubildende und finden diese in letzter Zeit immer häufiger in Zugekommenen. Politiker und Wirtschaftsfunktionäre sehen viel Potenzial in ihnen, da die Geburtenrate in Deutschland immer mehr zurückgeht und ein hoher Fachkräftemangel vorliegt. „Die Migranten steigern den Wohlstand, produzieren Überschüsse in den Sozialklassen – und könnten sogar das demografische Problem der Republik lösen“ schrieb das „Handelsblatt“ im Dezember 2014 (zitiert nach Malzahn, Peters, Wisdorff, Schlesier 2014). Das Land sieht eine Chance in der Zuwanderung und erhofft sich auch selbst Vorteile dadurch (vgl. ebd.).

Nicht ausschließlich begeistert ist hingegen die deutsche Bevölkerung. Während sich viele Bürger für die Aufnahme von Flüchtlingen aussprechen, gibt es auch viele Gegenstimmen mit wachsender Fremdenangst. Laut einer Umfrage im November 2014 durch das Meinungsinstitut YouGov wünscht sich jeder zweite Deutsche ein Einwanderungsstopp und nur jeder sechste wünscht sich mehr Flüchtlinge in Deutschland (vgl. ebd.).

„Etwas allgemeiner ausgedrückt: Aufgewachsen in einer Konkurrenzgesellschaft, in der der Kampf um einen »Platz an der Sonne« in Schule, Betrieb und im Privatleben zum »täglichen Brot« gehört und in der Leistung und Disziplin die obersten Tugenden darstellen, bekämpfen viele Deutsche die Mitkonkurrenten und lehnen sie ab.“ (Jäger 1992: 232)

Dieses Zitat von Jäger (1992) verdeutlicht eindringlich, wie Deutsche durch ihr durch die Gesellschaft beigebrachtes Leistungs- und Erfolgserstreben denken, Einwanderer anderer Länder seien Konkurrenten, die ihnen die Arbeitsplätze oder Wohnungen wegnehmen.

[...]


[1] Ich verwende in dieser Arbeit, trotz der zunehmenden Kritik der Verniedlichung und Verharmlosung, den Begriff des ‚Flüchtlings‘, da er in der deutschen Sprache weiter verbreitet ist.

[2] In dieser Hausarbeit soll der Einfachheit halber auf die weiblichen Personen und Bezeichnungen verzichtet werden. Begriffe wie ‚Migrant‘, ‚Asylbewerber‘ oder Gastarbeiter‘ etc. beziehen diese selbstverständlich mit ein.

Excerpt out of 32 pages

Details

Title
Migration in Deutschland und Spanien. Eine komparative Analyse zum Umgang mit Migranten
College
University of Kassel  (Geistes- und Kulturwissenschaften)
Course
Migration in Spanien früher und heute
Grade
1,0
Year
2015
Pages
32
Catalog Number
V336691
ISBN (eBook)
9783668262850
ISBN (Book)
9783668262867
File size
1029 KB
Language
German
Keywords
Migration, Spanien, Deutschland
Quote paper
Anonymous, 2015, Migration in Deutschland und Spanien. Eine komparative Analyse zum Umgang mit Migranten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336691

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