Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 1
Werkstück 1| Die Lernvoraussetzungen: Lerngruppe & Kompetenzen (Simon Brandl)
1. Schritt I - Beschreibung der Lerngruppe
2. Schritt II - Förderung von Kompetenzbereichen
3. Schritt III - Reflexion des Werkstücks
Werkstück 2| Afghanistan - Eine kategoriale Sachanalyse (Benedikt Pellengahr)
4. Schritt I - Die kategoriale Sachanalyse
4.1. Grundlagen einer kategorialen Sachanalyse nach Henkenborg
4.2. Der Afghanistankonflikt: Eine kategoriale Sachanalyse
4.2.1. Dimension Handeln: Akteure, Interessen & Knappheit
4.2.2. Dimension Prozesse: Gewordenheit & Öffentlichkeit
4.2.3. Dimension System: Macht & Herrschaft, Recht und Institutionen
4.2.4. Dimension Sinn: Deutungsmuster & Gemeinwohl
5. Schritt II - Gegenüberstellung von Lernenden und Fachwissenschaft
6. Schritt III - Reflexion des Werkstücks
Werkstück 3| Lernweg: Strukturierung von Lernprozess & Inhalten (Simon Brandl)
7. Schritt I: Die aspektorientierte Strukturierung des Themas anhand eines Lernwegs
8. Schritt II - Konkretisierung der Unterrichtseinheit
9. Schritt III - Reflexion des Werkstücks
Werkstück 4| Übersicht zur Unterrichtseinheit
10. Lernschritte & Inhaltskompetenzen
Werkstück 5| Planung einer Einzelstunde (Benedikt Pellengahr)
11. Schritt I - Unterrichtsentwurf einer Einzelstunde
11.1. Verlauf: 9. Unterrichtsstunde der Unterrichtseinheit
11.2. Didaktisches Konzept der 9. Unterrichtsstunde
12. Schritt II - Reflexion des Werkstücks
Werkstück 6| Reflexion von Seminar & eigenem Lernprozess
13. Schritt I - Gesamtreflexion durch Benedikt Pellengahr
14. Schritt II - Gesamtreflexion durch Simon Brandl
Literaturverzeichnis
Anhang
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Gruppierung der einflussreichsten Akteure im Afghanistan der Gegenwart
Tab. 2: Übersicht zu den Stundenthemen der Unterrichtseinheit
Tab. 3: Die Schwäche des Staates als Nährboden eines Konfliktes: Der Fall Afghanistan
Tab. 4: Verlaufsskizze: Evaluation: Möglichkeiten zur Lösung des Afghanistankonflikts
Einleitung
Das vorliegende Portfolio stellt die schriftliche Fixierung des kooperativen Arbeitsprozesses und dessen Ergebnissen im Rahmen des Seminars Unterricht im Fach "Politik und Wirtschaft" - Konzeption und Gestaltung dar. Dem Aufbau des Seminars folgend, ist auch diese Arbeit in Abschnitte unterteilt. Diese mit dem Namen Werkstück versehenen Teilsegmente konstituieren inhaltliche Einheiten, aber zugleich auch abgegrenzte Arbeitsschwerpunkte des jeweiligen Autors. Denn die tandemartige Struktur des Arbeitsprozesses bedingt zwar eine grundsätzliche Kooperation und eine Abstimmung der Teilsegmente aufeinander, jedoch liegt die Hauptverantwortlichkeit eines jeden Werkstücks bei einem fest zugewiesenen Verfasser. Jene Hauptverantwortlichkeiten werden im Verlauf des Portfolios explizit ausgewiesen, die Verfasserschaft darüber hinausgehender Beiträge zum Gesamtportfolio werden jedoch höchstens im Kontext deutlich gemacht, um den Kooperationsaspekt dieser Arbeit zu unterstreichen.
Inhaltlich wird sich das Portfolio im Rahmen des allgemein als Afghanistankonflikt bekannten Themenkomplexes rund um die Entwicklungen innerhalb Afghanistans der jüngeren Geschichte ansiedeln, jedoch eine Schwerpunktsetzung innerhalb dessen vornehmen und eine eigene Perspektive auf dieses Thema präsentieren. Denn aufgrund der innewohnenden Komplexität des Themas bedarf es einer inhaltlichen Schwerpunktsetzung, um eine funktionale inhaltliche Ebene festzulegen für die Konzeption einer Unterrichtseinheit. Jene ausführliche und fachdidaktisch durchdachte Konzeption stellt den operationalen Rahmen des Portfolios dar und dient zugleich der Reflexion von Arbeitsprozessen, welche Teil dieses Konzeptionsprozesses sind. Beginnend mit einer Darstellung der Lernvoraussetzungen in Werkstück 1 soll in Werkstück 2 eine Auseinandersetzung mit der fachwissenschaftlichen Perspektive auf die Thematik in Form einer kategorialen Sachanalyse folgen, welche die dort gewonnen Erkenntnisse mit den Erkenntnissen zu den Lernvoraussetzungen konfrontiert. In Werkstück 3 folgt darauf aufbauend die Strukturierung des angedachten Lernprozesses anhand eines dezidierten Lernweges, welcher in Werkstück 4 in einer gesonderten Übersicht zusammengefasst werden soll. Der Übergang von der Makroperspektive auf die Unterrichtseinheit zur Mikroperspektive soll daran anschließend in Werkstück 5 geschehen, in dessen Zentrum die detailliertere Planung einer Einzelstunde vorgesehen ist. Im finalen Werkstück 6 steht dann die Reflexion des Arbeitsprozesses und des Seminars im Vordergrund, wodurch die Gelegenheit gegeben wird, im Prozess dieser Arbeit gewonnen Erkenntnisse zur Unterrichtsplanung insgesamt zu fixieren.
Werkstück 1| Die Lernvoraussetzungen: Lerngruppe & Kompetenzen Hauptverantwortlich: Simon Brandl
1. Schritt I - Beschreibung der Lerngruppe
Im Folgenden soll anhand der vorliegenden Quellen, Videosequenzen aus dem Unterricht und Diagnoseergebnisse durch Maria Helmis & Laura Vaupel, eine Beschreibung und Analyse der Lerngruppe vorgenommen werden. Allgemeinen Erläuterungen zur Lerngruppe folgt dann ein spezifischer inhaltlicher Fokus. Hierbei soll die von Dirk Lange erarbeitete Idee des Politikbewusstseins als Analyserahmen herangezogen werden und auf dieser Basis erörtert werden, wie sich letzteres hinsichtlich der Thematik Krieg und Frieden beschreiben lässt.1 Im Anschluss soll dann auf die vier im hessischen Kerncurriculum festgehaltenen fachlichen Kompetenzbereiche rekurriert und geklärt werden, warum welche Kompetenzen bei dieser Lerngruppe spezifisch gefördert werden sollten. Es sei anzumerken, dass das Verhalten der Lerngruppe in den videographierten Unterrichtssituationen möglicherweise nicht vollumfänglich dem außerhalb der Beobachtungssituationen, also im regulären Klassenunterricht, entspricht. Generell wird ein solcher Effekt in der Forschung eher verneint, insbesondere angesichts eines sich in der Regel sukzessive einstellenden Gewöhnungseffekts. Daher wird dieser Aspekt in der folgenden Analyse nicht weiter berücksichtigt. Die Lerngruppe setzt sich aus 16 Schülerinnen und Schülern zusammen, deren Engagement, sich am Unterricht zu beteiligen, überwiegend als zufriedenstellend einzustufen ist.2 Das Leistungsniveau kann insgesamt als weitestgehend heterogen eingeschätzt werden, wobei dies lediglich anhand der vorliegenden Videosequenzen festgemacht werden kann. In der Beteiligung zeigten sich vorwiegend die selben Schüler als Aktivposten und Leistungsträger. Das Verhältnis zwischen SuS und Lehrer ist von einem ausgeprägten Maß an Distanz geprägt, was eine formell-distanzierte, geradezu „steife” und sehr monotone Atmosphäre im Unterricht schafft. Unterrichtsstörungen sind in den vorliegenden Sequenzen weitestgehend nicht zu beobachten, dieser Umstand mag allerdings, zumindest in Teilen, der Beobachtungssituation geschuldet sein. Es ist allerdings selbst bei nur geringer Kenntnis der Lerngruppe davon auszugehen, dass auch im regulären Unterricht kein erhöhtes Maß an schwerwiegenden Störungen zu beobachten sein dürfte. Weiterhin wirken die SuS überwiegend bemüht und, angesichts der vom Lehrer geschaffenen starren Atmosphäre, überraschend engagiert und aktiviert. Ebenfalls überrascht dieser Umstand angesichts der vorherrschenden, stark lehrerzentrierten Methodik. Beim Karikaturengespräch hingegen treten einige vereinzelte Unruhephasen auf und einige SuS schweifen mit ihren Augen deutlich ab. Es zeigen sich des Weiteren vereinzelte Unsicherheiten bezüglich der öffentlichen Meinungsäußerung vor der Klasse. So wirken einige SuS während der Methode „Positionierungslinie” leicht verunsichert und scheinen sich unwohl zu fühlen.3 Resultierend hieraus ergeben sich dann kleinere Unruhephasen in der Klasse. Ob hier ein Kausalzusammenhang besteht, lässt sich natürlich nicht abschließend sagen, steht jedoch zu vermuten. Auffällig ist in diesem Zusammenhang weiterhin, und wir werden hierauf im zweiten Teil näher eingehen, dass sprachlicher und körperlicher Habitus der SuS teilweise an einen „Schulhofspezifischen” Habitus erinnern lassen. Diesbezüglich ist eine vermehrte Verwendung von „Schulhofsprache” zu konstatieren.4 Diese geht einher mit einer eher passiv wirkenden Körperhaltung während der „Positionierungslinie”.5 Dieser Aspekt ist sicherlich, zumindest aus sprachlich- kommunikativer Sicht, eher in fehlenden kommunikativen Kompetenzen zu verorten, muss aber in unseren Augen auch an dieser Stelle erwähnt werden, da dies die Lerngruppe auch außerkompetenzlich betrifft. Ebenfalls scheint die Konzentration seitens der SuS manchmal schlagartig abzubrechen und die vormalige Konzentration verliert sich in kollektivem Gelächter, so etwa bei T.s Eröffnungsplädoyer während der „Pro/Contra-Debatte”.6 Im Folgenden soll kurz analysiert werden, wie sich das von Lange entwickelte Politikbewusstsein der SuS hinsichtlich der Thematik Krieg und Frieden beschreiben lässt. Lange definiert dies als den „ geistige [n] Ort, an dem der Mensch politische Wirklichkeitsvorstellungen aufbaut”.7 Es beherberge „ die subjektiven Vorstellungenüber die politische Wirklichkeit”.8 Ferner sei es der Ort, an dem der Mensch komplexe Strukturen erlebter gesellschaftlicher und politischer Wirklichkeit kognitiv reduziere sowie für sich strukturiere. Hierdurch werde das Individuum letztlich zu einem selbstbestimmten, orientierten Handeln in der Gesellschaft befähigt und es werde „ de [r] politisch [e] Sinn” produziert.9 Bezogen auf die Lerngruppe lässt sich sicherlich festhalten, dass die SuS ein individuell differierendes und unterschiedlich ausgeprägtes Politikbewusstsein aufweisen und sich dieses insbesondere in den Vorstellungen von und Äußerungen zu der Thematik Krieg und Frieden äußert. So ist unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten sicherlich erwähnenswert, dass die Schüler während der Pro/Contra-Debatte eher prointerventionistische Positionen einnehmen, wohingegen sich die Schülerinnen eher dagegen aussprechen.10 In der selben Unterrichtssituation fällt auf, dass der Schüler N. zweimal die semantisch vorbelastete Phrase „ Krieg als Endlösung” verwendet, was der Lehrer überraschenderweise nicht kommentiert.11 In der folgenden Diskussion beantwortet der Schüler T. sodann die Frage, warum die NATO bei einer Intervention der libyschen Armee gegen die Zivilbevölkerung vorgehen solle, mit der Aussage „ steht in der Verfassung, dass es nicht geht”.12 Hier ließe sich mit Lange argumentieren, dass der Schüler sich seine Auffassung der politischen Wirklichkeit selbst konstruiert hat, in dem Sinne als ein mutmaßlich verfassungswidriges Verhalten der Regierung eine NATO-Intervention legitimiere. Es entsteht also ein kognitives Konzept von der Legitimität einer externen Intervention aufgrund eines hypothetisierten Verstoßes gegen die libysche Verfassung, welches auf einen schwachen Kenntnisstand bezüglich der Mechanismen internationaler Interventionen schließen lässt. Es ist weiterhin grundsätzlich festzuhalten, dass insgesamt relativ viele der SuS-Äußerungen emotional geprägt sind. Bezüglich der vorhandenen kognitiven Vorstellungen der SuS ist zu konstatieren, dass Krieg in der Regel sehr undifferenziert als rein (zwischen-)staatliches Problem angesehen und in seiner Ursächlichkeit nicht etwa als „ hochkomplex und deshalb entsprechend multifaktoriell und multikausal zu erklären” wahrgenommen wird.13 Dies spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Diagnosebögen wider: hier wurden ebenfalls simplifizierte, rein staatszentrisch-orientierte und allgemein gehaltene Äußerungen wie „ Länder kriegen den Hals nicht voll”, „ wenn sich Staaten in verschiedenen Sachen wie Politik usw. nicht einig sind ” oder auch „ wenn Länder sich gegenseitig provozieren” getätigt.14 Um die diesbezüglichen gravierenden Mängel zu exemplifizieren, sei hier etwa Carl von Clausewitz genannt, der Krieg als „ wahres Chamäleon, weil er in jedem konkreten Fall seine Natur etwasändert” bezeichnete.15 Das vorbezeichnete Erheben von Lernstandsdiagnosen kann als konstitutive Voraussetzung und somit zentrale Gelingensbedingung für die erfolgreiche Realisierung kompetenzorientierten Unterrichts angesehen werden. Auf diesem Wege kann es der Lehrkraft gelingen, sich in die Perspektive der SuS hineinzuversetzen und deren individuelle Lernprozesse überhaupt erst wahrzunehmen. Als theoretische Grundlage dieser These können aus der modernen Bildungsforschung etwa die Ausführungen John Hatties herangezogen werden. Letzterer zeigte in der umfassenden empirischen Studie Visible Learning anhand von über 800 Metaanalysen die Wichtigkeit eben dieser (vorbezeichneten) Vorgehensweise auf.16 Helmis und Vaupel führen weiterhin an, dass dieses Diagnostizieren „ nicht zum Selbstzweck” verkommen dürfe und immer auch in konkrete didaktische Entscheidungen überführt werden müsse.17 In der Unterrichtseinheit wurden zwei verschiedene diagnostische Elemente implementiert, eine Lernausgangsdiagnose in der Planungsphase sowie eine Partnerdiagnose während der Unterrichtseinheit. Für dieses Werkstück besitzt nur die Ausgangslage Relevanz, ergo widmen wir uns im Folgenden lediglich den Erkenntnissen ersterer. Es ist zunächst festzuhalten, dass sich die Erkenntnisse zu einem beachtlichen Teil mit unseren Betrachtungen der Videographien decken. So wird etwa auch in den Diagnoseergebnissen eine überwiegend staatszentrierte Perspektive auf Konflikte diagnostiziert. Ebenfalls wird der hohe Grad an Heterogenität innerhalb der Lerngruppe bezüglich vorhandener kognitiver Konzepte von Internationalen Beziehungen akzentuiert. Weiterhin bestünden Mängel hinsichtlich der korrekten Differenzierung bezüglich vorhandener Akteure und Interessen.18
2. Schritt II - Förderung von Kompetenzbereichen
Im Folgenden soll sodann geklärt werden, warum und welche der vier Kompetenzen bei speziell dieser Lerngruppe gefördert werden sollten. Im Hessischen Kerncurriculum wird „[z] ur besseren Operationalisierbarkeit der Kompetenzen” zwischen vier basalen und reziproken Kompetenzbereichen unterschieden: „ Analysekompetenz, Urteilskompetenz, Handlungskompetenz und Methodenkompetenz”.19 Resultativ sollen die SuS sodann
Kompetenzen entwickeln, „ die in gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche sowie rechtliche Handlungsdimensionen eingebettet sind”.20 Es ist zunächst festzuhalten, dass die Analysekompetenz der SuS weitestgehend gut ausgeprägt zu sein scheint. Der Libyenkonflikt wird größtenteils richtig, wenn auch teils etwas oberflächlich, beschrieben und analysiert. Das Basiswissen ist offensichtlich in ausreichendem Maße vorhanden und wird angemessen angewendet. Dies kann insgesamt für eine 9. Klasse als zufriedenstellend bewertet werden. Eminente Schwierigkeiten zeigen sich hingegen bei der Urteils- und Handlungskompetenz, hier besteht sicherlich erheblicher Förderungsbedarf. Dies geht einher mit einer augenscheinlich ausbaufähigen Methodenkompetenz. Während fehlende Urteilskompetenz sich in teils nicht ausreichend abgewogenen Argumenten äußert, findet mangelnde Handlungskompetenz vorwiegend Ausdruck in teils wenig reflektierten und undifferenzierten Meinungsäußerungen bzw. in Defiziten des öffentlichen Präsentierens. Diesbezüglich zeigt sich ferner ein starkes Kompetenzgefälle innerhalb der Lerngruppe, insbesondere bezüglich der erwähnten Urteilskompetenz. So befinden sich nur wenige Leistungsträger in der Klasse und führen die Gruppe in dieser Hinsicht quasi kompetenzübergreifend an. Helmis und Vaupel weisen zusätzlich auf gravierende Defizite im Bereich der Medienkompetenz hin.21 Es ist also zu resümieren, dass bei der Lerngruppe hinsichtlich vorhandener Kompetenzen noch Ausbaubedarf besteht und insbesondere Urteils- und Methodenkompetenz in Zukunft spezifisch gefördert werden sollten.
3. Schritt III - Reflexion des Werkstücks
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4. Schritt I - Die kategoriale Sachanalyse
4.1. Grundlagen einer kategorialen Sachanalyse nach Henkenborg
Die Forderung von Michael Lotz und Christian Scheinert, das „ Lernen auf Inhalte [zu] beziehen “, erfordert eine Hinwendung zu jenen Inhalten, in diesem Falle politisches (Konzept-)Wissen über den Afghanistankonflikt.22 Die maßgebliche Herausforderung dabei liegt in der Komplexität der Thematik, sodass es zunächst für die Lehrperson darum geht, einen so breit wie möglichen Zugang zur Thematik selbst zu erlangen. Dies lässt sich durch eine Strukturierung von Inhalten erreichen, um die Komplexität einer Thematik aufzubrechen und insoweit eine anschließende didaktische Reduktion vorzubereiten.23 Einer solchen Herangehensweise entspricht die kategoriale Sachanalyse, welche den Transfer von Inhalten zu Unterrichtsinhalten erleichtern sollte und bereits einen Fokus auf kategoriales Wissen legt, wodurch die Konzeption eines kompetenzorientierten Unterricht ebenfalls erleichtert werden sollte. Insofern orientiert sich die vorliegende Arbeit an einem Modell der kategorialen Sachanalyse zur Strukturierung von Inhalten, welches in diesem Fall von Peter Henkenborg stammt.24 In jenem Modell wird zwischen den Dimensionen Handeln, Prozesse, System und Sinn unterschieden, welche im Folgenden der Reihe nach auf die Thematik des Afghanistankonfliktes angewendet werden, um jenen Gegenstandsbereich zu strukturieren.
4.2. Der Afghanistankonflikt: Eine kategoriale Sachanalyse
4.2.1. Dimension Handeln: Akteure, Interessen & Knappheit
Tab. 1: Gruppierung der einflussreichsten Akteure im Afghanistan der Gegenwart.25
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der Dimension Handeln sind nach dem Modell von Peter Henkenborg die Bereiche Akteure, Knappheit und Interessen und Bedürfnisse entscheidend für eine Strukturierung des Inhalts.
Die diesem Abschnitt vorangestellte Übersicht für den Afghanistankonflikt relevanter Akteure sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese scheinbar ausführliche Zusammenstellung eine enorme Reduktion der tatsächlichen Verhältnisse darstellt. Es ist dabei im Rahmen dieser Arbeit zudem unmöglich, auf alle genannten Akteure im Detail einzugehen, sodass nur die essenziellen unter ihnen diskutiert werden können.
Es sollte zunächst vermerkt werden, dass die Sowjetunion (UDSSR) trotz ihrer entscheidenden Bedeutung für den Afghanistankonflikt nicht in die Übersicht mit aufgenommen wurde. Dies geschah, weil sich die Übersicht auf die gegenwärtige Situation beziehen soll. Jedoch wurden die wichtigsten ehemaligen Mudschaheddin-Führer genannt, da deren geschaffene Strukturen weiterhin für die inneren Machtverhältnisse Afghanistans von Relevanz sind.26 Zunächst einmal ist der afghanische Zentralstaat selbst als bedeutender Akteur im Afghanistan der Gegenwart wahrzunehmen, der sowohl stark auf die inneren Verhältnisse einwirkt, als auch in vielerlei Hinsicht die Verbindung zur außerafghanischen Welt darstellt. Die afghanische Regierung und die weiteren staatlichen Institutionen wirken auf internationaler, nationaler und bis in die lokale Ebene hinein, jedoch mit erheblichen regionalen Unterschieden in Bezug auf letztere. Wie bereits angedeutet, entziehen sich weite Teile Afghanistans de facto einer zentralstaatlichen Kontrolle, zumindest weitestgehend. Dies öffnet weite Räume der Einflussnahme für nichtstaatliche Akteure, insbesondere auch gegen die Zentralregierung ankämpfende Gruppierungen wie die Taliban.27 Aber auch auf Regierungsseite verschränken sich zentralstaatliche Institutionen mit nichtstaatlichen Strukturen, sodass sogenannte Schattengouverneure teilweise de facto mächtiger erscheinen als die tatsächlichen Gouverneure. Drogenbarone sind durch ausdifferenzierte Netzwerke in die lokalen Strukturen über das ganze Land hinweg eingebunden und verfügen mutmaßlich über Verbindungen in höchste Regierungskreise, sodass neben staatlichen Strukturen viele Parzellenstrukturen vorherrschen, welche auch durch Warlords und zahlreiche Milizen unterhalten werden.28
Aber auch externen Akteuren bietet das durch den Staat nicht ausreichend ausgefüllte Machtvakuum enorme Spielräume der Einflussnahme. Pakistan und Iran sind zweifelsohne die beiden bedeutendsten Nachbarstaaten hinsichtlich Afghanistans seit 1979.29 Dabei ist es besonders Pakistan mit seinem mächtigen Sicherheitsapparat, welches ungebrochen stark auf Afghanistan einwirkt und ohne dessen Zutun eine Lösung des Afghanistankonflikts unmöglich erscheint.30 Zudem kommen Akteure wie die Vereinigten Staaten von Amerika hinzu, dessen geopolitischen Ambitionen ebenso kaum etwas entgegenzusetzen ist von Seiten des schwachen und von externen Finanzmitteln abhängigen afghanischen Staates.31 Die relative Bedeutung genannter Akteure und deren Konkurrenz um Macht und Einfluss stellt einen klassischen Interessenkonflikt dar, der jedoch auf sämtlichen Ebenen gleichzeitig geführt wird und so viele unterschiedliche Akteure involviert, dass der oft dargestellte Gegensatz zwischen Zentralregierung/ISAF und Taliban zu kurz greift, um die Grundkonstellation des Konfliktes zu beschreiben. Die scheinbare Kontrolle durch die Zentralregierung großer Gebiete Afghanistans sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese auf weitreichenden Konzessionen gegenüber (Schatten-)Gouverneuren oder lokalen Machthabern beruht und jene trotzdem zum Teil offen die Strategie der Zentralregierung hintertreiben.32
Jedoch verfolgen nicht alle relevanten Akteure, wie etwa die zuvor genannten, vorrangig Machtinteressen oder haben geopolitische Ambitionen. Entwicklungshilfe- und humanitäre Organisationen etwa verfolgen durchaus andere Interessen, müssen jedoch auf der Basis vorherrschender Strukturen operieren und sich diesen dementsprechend oftmals fügen.33 Knappheit äußert sich vor allem in den beiden immateriellen Gütern Macht und Sicherheit, beide sind seit Jahrzehnten am stärksten umkämpft und rangieren in ihrer Bedeutung vor etwaigen knappen materiellen Gütern. Dadurch, dass das Gewaltmonopol des Staates seit Jahrzehnten kaum flächendeckend durchgesetzt ist, ergibt sich ein langanhaltender Wettbewerb um die beiden Güter Macht und Sicherheit durch die verschiedenen Akteure in Afghanistan. Unter der Verteilung von materiellen Gütern sind vor allem die monetären entscheidend, welche zum überwiegenden Großteil von außen nach Afghanistan fließen.34 Weniger relevant erscheinen bisher, mit Ausnahme vom strategisch bedeutsamen Zugriff auf Wasservorkommen, natürliche Ressourcen. Wertvolle Mineralien-Vorkommen und andere Bodenschätze können noch nicht im kommerziellen Maßstab verwertet werden.35
[...]
1 Lange, Dirk: Politikbewusstsein und Politische Bildung. In: Lange, Dirk (Hg.): Konzeptionen politischer Bildung. Baltmannsweiler 2007, S. 205-213.
2 „Schülerinnen und Schüler” werden nachfolgend mit „SuS” abgekürzt, sofern nicht spezifisch auf männliche bzw. weibliche Personen eingegangen werden soll
3 Dies findet Ausdruck etwa in Blicken auf den Boden, dem Verschränken der Arme sowie dem erwähntenbschweifen der Blicke, zu beobachten in: Video: 5_3_Dimension_Prozesse_Aushandlungsprozesse des Anhangs in: Henkenborg, Peter et. al. (Hg.): Kornpetenzorientiert Politik unterrichten: Planung, Durchfuhrung und Analyse einer Unterrichtseinheit zum Thema Krieg und Frieden - Eine Einfuhrung. Schwalbach/ Ts. 2014, Minuten 00:28, 01:34.
4 Welche sich etwa in Sätzen wie, „er jetzt die Macht hat und so”, äußert. Ebd., Minute 01:09.
5 Was sich z.B. daran äußert, dass in dieser Phase die Hände in den Hosentaschen stecken bei den SuS in der Positionslinie, siehe Video: 5_1_Transparenz_der_Kompetenzerwartungen des Anhangs in: Henkenborg, Peter et. al. (Hg.): Kornpetenzorientiert Politik unterrichten: Planung, Durchfuhrung und Analyse einer Unterrichtseinheit zum Thema Krieg und Frieden - Eine Einfuhrung. Schwalbach/ Ts. 2014, Minute 00:29.
6 Die Namen der SuS werden nachfolgend zwecks Anonymisierung lediglich in abgekürzter Form verwendet.
7 Lange, Politikbewusstsein und Politische Bildung, S. 205.
8 Ebd.
9 Lange, Politikbewusstsein und Politische Bildung, S. 206.
10 Vgl. Video: 5_3_Dimension_Prozesse_Aushandlungsprozesse, Minute 02:58.
11 Ebd., Minuten 04:34; 05:09.
12 Siehe Video: 8_1_Grundprinzipien_ Aushandlungsprozesse des Anhangs in: Henkenborg, Peter et. al. (Hg.): Kornpetenzorientiert Politik unterrichten: Planung, Durchfuhrung und Analyse einer Unterrichtseinheit zum Thema Krieg und Frieden Eine Einfuhrung. Schwalbach/ Ts. 2014, Minute 09:11.
13 Mattheis, Volker: Immer wieder Krieg? Eindämmen - Beenden - Verhüten? Schutz und Hilfe für die Menschen? Opladen 1994, S.23.
14 Helmis, Maria & Vaupel, Laura: Lernen diagnostizieren. In: Henkenborg, Peter et. al. (Hg.): Kornpetenzorientiert Politik unterrichten: Planung, Durchfuhrung und Analyse einer Unterrichtseinheit zum Thema Krieg und Frieden - Eine Einfuhrung. Schwalbach/ Ts. 2014, S. 83
15 Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Hinterlassenes Werk. 19. Aufl. Bonn 1980, S. 212.
16 Vgl. Hattie, John: Visible learning: A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. London u.a. 2009.
17 Helmis & Vaupel, Lernen diagnostizieren, S. 81.
18 Vgl. Ebd., S. 84.
19 Hessisches Kultusministerium: Bildungsstandards und Inhaltsfelder - Das neue Kerncurriculum für Hessen. Sekundarstufe I - Gymnasium Politik und Wirtschaft. Wiesbaden 2011, S. 15
20 Ebd.
21 Vgl. Helmis & Vaupel, Lernen diagnostizieren, S. 84.
22 Lotz, Mathias & Scheinert, Christian: Lernen auf Inhalte beziehen. In: Henkenborg, Peter et. al. (Hg.): Kornpetenzorientiert Politik unterrichten: Planung, Durchfuhrung und Analyse einer Unterrichtseinheit zum Thema Krieg und Frieden - Eine Einfuhrung. Schwalbach/ Ts. 2014, S. 71.
23 Vgl. Lotz & Scheinert, Lernen auf Inhalte beziehen, S. 72.
24 Vgl. Henkenborg, Peter: Wissen in der politischen Bildung - Positionen der Politikdidaktik. In: Autorengruppe Fachdidaktik: Konzepte der politischen Bildung. Eine Streitschrift Schwalbach/ Ts. 2011, S. 111-132.
25 Vgl. Rubin, Barnett R.: Afghanistan from the Cold War through the War on Terror. New York 2013; Goodson, Larry P.: Afghanistan's Endless War: State Failure, Regional Politics, and the Rise of the Taliban. Washington, DC 2001; Cordesman, Anthony & Hess, Ashley: Transition in the Afghanistan-Pakistan War and the uncertain role of great powers. In: Krause, Joachim & King Mallory IV, Charles (Hg.): Afghanistan, Pakistan and Strategic Change: Adjusting Western Regional Policy. Abingdon/New York 2014, S. 237-268.
26 Vgl. Mukhopadhyay, Dipali: Warlords, Strongman Governors, and the State in Afghanistan. New York 2014, S. 322-324.
27 Vgl. Bhatia, Michael: Armend Groups in Afghanistan. In: Sedra, Mark & Bhatia, Michael V.(Hg.): Afghanistan, Arms and Conflict: Armed Groups, Disarmament and Security in a Post-war Society. Abingdon/New York 2008, S. 75-88; Giustozzi, Antonio: Military Adaption by the Taliban, 2002-2011. In: Farrell, Theo; Osinga, Frans & Russell, James (Hg.): Military Adaptation in Afghanistan. Stanford 2013, S. 242-246, 248-251.
28 Vgl. Mukhopadhyay, Warlords, Strongman Governors, and the State in Afghanistan, S. 316-337.
29 Vgl. Ahady, Anwar-ul-Haq: Saudi Arabia, Iran and the Conflict in Afghanistan. In: Maley, William (Hg.): Fundamentalism reborn? Afghanistan and the Taliban. London 2001, S. 121-122; Wagner, Christian: Die regionale Dimension des Afghanistankonflikts. In: Brummer, Klaus & Fröhlich, Stefan (Hg.): Zehn Jahre Deutschland in Afghanistan. Wiesbaden 2011, S. 131-142.
30 Zahlreiche Indizien sprechen dafür, dass die pakistanischen Sicherheitskräfte weiterhin in Verbindung zu aufständischen afghanischen Gruppierung (mutmaßlich die Taliban, das Haqqani-Netzwerk, Laschkar e- Taiba und Jaish-e-Mohammed) stehen, entgegen öffentlichen Positionierungen. Vgl. Fair, C. Christine: Fighting to the End: The Pakistan Army's Way of War. New York 2014. S. 251-253; Rubin, Afghanistan from the Cold War through the War on Terror, S. 353-361.
31 Vgl. Cordesman & Hess, Transition in the Afghanistan-Pakistan War and the uncertain role of great powers, S. 237-268.
32 Vgl. Mukhopadhyay, Warlords, Strongman Governors, and the State in Afghanistan, S. 316-339.
33 Vgl. Clements, Frank A. & Adamec, Ludwig W.: Conflict in Afghanistan: A Historical Encyclopedia. Santa Barbara 2003, S. 115-117.
34 Vgl. Byrd, William A.: Responding to Afghanistan's Development Challenges: An Assesment of Experience and Priorities for the Future. In: Hayes, Geoffrey & Sedra, Mark (Hg.): Afghanistan: Transition Under Threat. Waterloo 2008, S. 90-113.
35 Vgl. Shroder, John F.: Natural Resources in Afghanistan: Geographic and Geologic Perspectives on Centuries of Conflict. San Diego/Waltham 2014, S. 409-420.