Vergleich der Integrationspolitiken in Deutschland und den Niederlanden. 1945 bis heute


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2004

22 Pages, Note: 1,3


Extrait


Gliederung

1. Einleitung und Problemaufriss

2. Vorstellung der Einwanderungswellen
2.1 Die Niederlande
2.1.1 Die koloniale Erblast
2.1.2 Arbeitsimmigranten aus dem Mittelmeerraum
2.1.3 Flüchtlinge und Asylbewerber
2.1.4 Gastarbeiter aus den „Modernen Industrienationen“
2.2 Die Bundesrepublik Deutschland
2.2.1 Aussiedler aus Osteuropa, die koloniale Erblast?
2.2.2 Arbeitsimmigranten
2.2.3 Flüchtlinge und Asylbewerber

3. Vorstellung der Integrationskonzepte
3.1 Die Niederlande
3.1.1 Die Abwicklung der Kolonialmigration
3.1.2 Ausländer auf dem Arbeitsmarkt
3.1.3 Die Flüchtlingspolitik
3.1.4 Die Einbürgerung – Das Patentrezept?
3.2 Die Bundesrepublik Deutschland
3.2.1 Aussiedler- und Vertriebenenpolitik
3.2.2 Integration am Arbeitsmarkt
3.2.3 Die Asylgesetzgebung – Besserung in Aussicht?

4. Der Vergleich - Klimawandel in beiden Ländern?
4.1 Erfolge und Misserfolge der Einbürgerung
4.2 Die sozioökonomische Bilanz der Integrationsbemühungen

5. Fazit, aktuelle Entwicklungen und Tendenzen

6. Literatur

1. Einleitung und Problemaufriss

Nach der Ermordung des islamkritischen Filmemachers Theo van Gogh am Dienstag vergangener Woche wurden mehrere Angriffe gegen die moslemische Gemeinde in den Niederlanden verübt. Eine Koranschule in Eindhoven war am Montag Ziel eines Sprengstoffanschlags. Am Wochenende wurden Brandanschläge gegen mehrere Moscheen verübt.[1] Diese und andere Ereignisse in unserem kleinen Nachbarland, den Niederlanden, erschrecken und lassen uns den Fokus dorthin richten. Dies überrascht nicht zuletzt auch, weil doch gerade die Niederlande bislang als Vorbild für Liberalität, Nichtdiskriminierung und Toleranz galten. Gerade für uns Deutsche war dieses kleine Land immer ein leuchtendes Beispiel, es gab einen regen Austausch auf Expertenebene und man hoffte, einiges von den Nachbarn lernen zu können.[2]

Anspruch dieser Arbeit soll ein Vergleich der Einwanderungspolitiken und Integrations- (nicht) Bemühungen in Deutschland und den Niederlanden, in dem Zeitraum von 1945 bis zum heutigen Tage sein. Dies scheint mir aus zweierlei Gründen ein besonders spannendes Feld der Migrationsforschung zu sein. Zum einen ist die Ausgangssituation nach dem 2. Weltkrieg vergleichbar, beide Länder liegen vom Krieg völlig zerstört am Boden und stehen vor dem Wiederaufbau. Zweitens ähneln sich die Länder hinsichtlich ihrer sozialen, ökonomischen und konfessionellen Struktur[3].

Diese Ähnlichkeiten führen mich zu dem Schluss, dass beide Staaten vor ähnlichen Problemen in Bezug auf Einwanderung und Integration stehen. Man möge sich die ausländerfeindlichen Übergriffe zu Beginn der 1990er Jahre in Deutschland, das Wiedererstarken der extremen Rechten – wie jüngst im Freistaat Sachsen – in Erinnerung rufen. Summiert man nun die zu Beginn aufgeführten Geschehnisse in den Niederlanden dazu, drängt sich dieser Eindruck gerade zu auf. Eine besondere Brisanz erfährt dieser Schluss dann, wenn man meine These teilt, dass die Einbürgerungsanstrengungen und politischen Strategien der beiden Länder völlig unterschiedlich sind. Worin diese Unterschiede liegen, will ich im Folgenden zeigen. Dazu und um dem Anspruch eines wissenschaftlichen Vergleichs zu genügen will ich folgendermaßen vorgehen.

In nahezu allen wissenschaftlichen Publikationen zur Migration in den zu untersuchenden Ländern, werden mehrere Wellen von Einwanderern genannt. Diese will ich zu Beginn kurz

vorstellen, ohne mir dabei eine bestimmte Präferenz, zu Eigen zu machen, was m. E. nötig ist, denn wie noch gezeigt wird, ist der Umgang mit diesen Gruppen und deren Akzeptanz, innerhalb der Bevölkerung, schon in höchstem Maße divergent. Um diese Migrationswellen, bezüglich ihrer Ausmaße, in eine Relation setzen zu können, scheinen empirische Befunde angebracht zu sein.

Daran anknüpfend werden die unterschiedlichen Konzepte zur Integration dieser Immigranten in die bestehenden gesellschaftlichen Konstellationen gezeigt. Dazu werden die konkreten Gesetzesvorhaben, unterschiedliche Positionen der Parteien im demokratischen Wettbewerb und die Integrationsbemühungen der Immigranten selbst vorgestellt.

Im Vierten Teil soll dann ein Vergleich der angewandten Praktiken unternommen werden. Dazu werde ich zunächst die Einbürgerungen in Relation zueinander stellen, wozu ich mich wiederum den Methoden der Empirie bedienen werde. Anknüpfend daran will ich eine sozioökonomische (Miss) Erfolgsbilanz präsentieren, um auch einen Einblick in die gesellschaftlichen Auswirkungen der Migrationsprozesse, zu geben.

Im Schlussteil soll dann das Ergebnis dieses Vergleichs zusammengefasst werden. Darüber hinaus will ich hier dann auch die Möglichkeit nutzen, auf aktuelle Entwicklungen und Tendenzen einzugehen. Es bleibt dann noch die Frage offen, was seitens staatlicher Akteure zu tun wäre, um angesichts nahezu identischer Probleme bei divergenten Politikansätzen, für die Zukunft erfolgreichere Konzepte, zu entwickeln. Sollte ich im Laufe meiner Arbeit hierzu Antworten finden, werde ich diese dann an dieser Stelle kurz präsentieren, obschon diese Frage nicht maßgeblicher Gegenstand der Arbeit sein soll. Auch ließe sich dies im Rahmen einer Seminararbeit kaum mit dem Anspruch auf wissenschaftliche Fundiertheit realisieren.

2. Vorstellung der Einwanderungswellen

Wie bereits einleitend Erwähnung fand, ist es m. E. nötig, hier die verschiedenen Gruppen von Immigranten vorzustellen. Dies soll auch deutlich werden lassen, in welchen Größenordnungen und Zeiträumen, sich diese Wanderungsbewegungen vollzogen haben.

2.1 Die Niederlande

In der Literatur werden, in ihrer Zusammensetzung wohl unterschiedliche, aber übereinstimmend vier Haupteinwandererströme genannt. Ich mache mir hier die folgenden Kategorien zu Eigen[4].

2.1.1 Die koloniale Erblast – Rückführung in ein unbekanntes Vaterland

Dieser erste Immigrationsschub aus den (ehemaligen) Kolonien vollzog sich zwischen 1945 und 1962, ihm zu zurechnen sind ca. 200.000 Personen von Niederländisch- Ostindischer Herkunft und ca. 100.000 „echte Niederländer“. Obgleich sie gegen den Wunsch der damaligen Regierung kamen, wurden sie als so genannte „Remigranten“ bezeichnet, was vermutlich zu ihrer schnellen Integration beitrug[6].[5]

Ebenfalls dazu zählen ca. 13.000 Molukker, die 1951 nach den Niederlanden immigrierten, da ihnen, auf Grund ihres Militärdienstes in der niederländischen Kolonialarmee die Rückkehr auf ihre Heimatinseln, seitens der indonesischen Regierung verweigert wurde. Diese Menschen sollten ursprünglich nur einen kurzen Aufenthalt dort genießen und wurden in Wohnlagern zentriert untergebracht. Hier zeigen sich schon erste Probleme, so verübten einige dieser Personen 1974 symbolische Terroranschläge auf Züge, um die Öffentlichkeit für ihre unfaire Behandlung zu sensibilisieren[7].

Weiterhin zählen hierzu die Surinamer, kamen hier anfangs nur Eliten, so stieg die Zahl nach der Unabhängigkeit Surinams 1975 stark an. Heute leben etwa 300.000 Surinamer in den Niederlanden, obgleich die niederländische Regierung dies als „geschichtlichen Fehler“[8] sah. Die Surinamer blieben zwar mit ihrem Land verbunden, aber eine Rückkehr ist heute kaum noch ein Thema.

Den Letzten Teil dieser Gruppe bilden die ca. 100.000 Antillianer, die auch wie die Surinamer vornehmlich aus ökonomischen Gründen in die Niederlande immigrieren. Auf Grund beidseitiger Regierungsabkommen ist hier jedoch eine problemlose Migration zwischen beiden Ländern möglich[9].

2.1.2 Arbeitsimmigranten aus dem Mittelmeerraum

In den 1960er Jahren führte das starke Wirtschaftswachstum zu einem Mangel an Arbeitskräften, wie auch in Deutschland, was an anderer Stelle noch gezeigt wird. Dies führte zu einer Anwerbung von Arbeitskräften, seitens der niederländischen Arbeitgeber, aus Südeuropa, der Türkei, Marokko und Tunesien[10]. Nach dem offiziellen Ende der Anwerbung 1973 lebten ca. 180.000 Arbeitsimmigranten in den Niederlanden. Diese Zahl wuchs auf Grund von Familienzusammenführungen stark an, die Rückkehr dieser Menschen hing in hohem Maße von der ökonomischen Entwicklung in den Anwerbungsländern ab. So leben heute etwa 300.000 türkisch stämmige und 260.000 Menschen marokkanischer Herkunft in den Niederlanden[11]. Hier gibt es durchaus Parallelen, in Bezug auf die soziokulturelle Integration, und Situation der Gastarbeiter in Deutschland.

2.1.3 Flüchtlinge und Asylbewerber

Diese Gruppe stellt den dritten großen Immigrantenstrom dar. Bis in die späten 1970er stellten diese Bewegungen jedoch kein Problem für Staat und Gesellschaft dar, so baten vor 1975 erst 390 Menschen um Asyl in den Niederlanden[12]. Danach jedoch stieg die Zahl der Asylbewerber sprunghaft an, so waren 1994 bereits 52.000 Asylanträge zu verzeichnen[13]. Der größte Teil davon – etwa 60% - kam aus Asien, ca. 30% sind aus Afrika und 10% aus anderen Gebieten in die Niederlande immigriert. Als die wichtigsten Herkunftsländer sind das ehemalige Jugoslawien, der Irak, Afghanistan, Somalia, der Iran und Sri Lanka zu sehen[14]. Die Zahl der Anerkennung von Asylanträgen schwankte zwischen fünf und zwanzig Prozent, genauer wird dazu aber in Teil drei dieser Arbeit, einzugehen sein.

2.1.4 Gastarbeiter aus „Modernen Industrienationen“

Diese Gruppe verursacht keine vergleichbaren Probleme hinsichtlich ihrer Integration, was sich zum einen auf den hohen Grad der Qualifikation, und zum anderen, auf die nur vergleichsweise kurze Dauer ihres Aufenthaltes zurückführen lässt. Es handelt sich hierbei um Bürger aus den Ländern der EU, Japan und den USA, die zum Zwecke einer zeitlich befristeten Beschäftigung in die Niederlande immigrieren. Der Großteil dieser Migration spielt sich also im Umfeld multinationaler Unternehmen ab. Ebenso dazu zählen Familienzusammenführungen und Verehelichung, so ist heute jede 6. Ehe eine binationale Eheschließung[15].

Am 1. Januar 2000 zählten die Niederlande 15.864.000 Einwohner, wovon etwa 96% die niederländische Staatsangehörigkeit besitzen, der Ausländeranteil beträgt mithin etwa 4%, zum Vergleich, in Deutschland liegt ihr Anteil mit 9% fas doppelt so hoch[16].

2.2 Die Bundesrepublik Deutschland

Um dem Anspruch eines Vergleichs gerecht zu werden, und einen präzisen Überblick, hinsichtlich der Größenordnungen zu geben, werde ich in diesem Teil die Migrationsströme nach Deutschland aufzeigen. Ich werde dazu drei Kategorien anführen, wobei anzumerken ist, dass ich an dieser Stelle noch keine Differenzierung der Gruppe der Aussiedler vornehmen werde, da es hier zunächst nur um empirische Klassifizierungen gehen soll.

2.2.1 Aussiedler aus Osteuropa, die koloniale Erblast?

Den ersten und gleichzeitig mit etwa 12 Millionen Menschen größten Strom, stellen die Vertriebenen aus dem früheren Osten Deutschlands – den heute polnischen und russischen Gebieten – dar. Dazu zählen nicht nur deutsche Staatsbürger, sondern auch die „Volksdeutschen“, Grundlage dieser Vertreibung war die Ethnizität[17]. Mit Artikel 116 des Grundgesetzes wurden diese Menschen zu deutschen Staatsbürgern[18]. Diese erste Migrationsphase dauerte von 1945 bis 1961, wobei der Zeitraum bis 1950 die größten Wanderungen mit sich brachte. Etwa 4,5 Millionen davon hielten sich in den westlichen Besatzungsgebieten auf, sie wurden von den Alliierten auch „Displaced Persons“ genannt[19]. Diese Bewegung hat ihren juristischen Ursprung in den Ergebnissen der Konferenzen von Jalta und Potsdam. Auf Grund von Repratiierungsmaßnahmen kam es nun zu großen Migrationsbewegungen, vor allem in Richtung USA, Kanada und Australien, aber auch in die stalinistische Sowjetunion. Im Jahre 1950 lebten noch etwa 2 Millionen „Vertriebene“ in der Bundesrepublik, was einem Bevölkerungsanteil von ca. 16% entsprach und etwa 4,1 Millionen in der SBZ, was ungefähr 22% der Bevölkerung ausmachte[20].

[...]


[1] http://phoenix.de/ereig/exp/22562/index.html 10.11.04

[2] Thränhardt, Dietrich: Einwanderungs- und Integrationspolitik in Deutschland und den Niederlanden, in: Leviathan, 30. Jg. 2002, S. 222

[3] Ebd.

[4] Böcker, A./Groenendijk, K.: Einwanderungs- und Integrationsland Niederlande. Tolerant, liberal und offen?, in: Länderbericht Niederlande, Band 399, S. 303-361, Bonn 2004

[5] Amersfoort, Hans v./Niekerk, Mies v.: Einwanderung als koloniales Erbe: Akzeptanz, Nichtakzeptanz und Integration in den Niederlanden, in: Thränhardt, D./Hunger, U. (Hrsg.), Migration im Spannungsfeld von Globalisierung und Nationalstaat, S. 136, Leviathan 2003

[6] Böcker, A./Groenendijk, K.: Einwanderungs- und Integrationsland Niederlande. Tolerant, liberal und offen?, in: Länderbericht Niederlande, Band 399, S. 303-361, Bonn 2004

[7] Thränhardt, Dietrich: Einwanderungs- und Integrationspolitik in Deutschland und den Niederlanden, in: Leviathan, 30. Jg. 2002, S.230

[8] Amersfoort, Hans v./Niekerk, Mies v.: Einwanderung als koloniales Erbe: Akzeptanz, Nichtakzeptanz und Integration in den Niederlanden, in: Thränhardt, D./Hunger, U. (Hrsg.), Migration im Spannungsfeld von Globalisierung und Nationalstaat, S. 151, Leviathan 2003

[9] Böcker, A./Groenendijk, K.: Einwanderungs- und Integrationsland Niederlande. Tolerant, liberal und offen?, in: Länderbericht Niederlande, Band 399, S. 303-361, Bonn 2004

[10] Ebd.

[11] Ebd.

[12] Tudyka, K. P.: Niederlande, in: Fricke, D./Gieler, W.(Hrsg.), Handbuch europäischer Migrationspolitiken, S. 128, lpb Sachsen-Anhalt, Magdeburg 2004

[13] Böcker, A./Groenendijk, K.: Einwanderungs- und Integrationsland Niederlande. Tolerant, liberal und offen?, in: Länderbericht Niederlande, Band 399, S. 303-361, Bonn 2004

[14] Böcker, A./Groenendijk, K.: Einwanderungs- und Integrationsland Niederlande. Tolerant, liberal und offen?, in: Länderbericht Niederlande, Band 399, S. 303-361, Bonn 2004

[15] Ebd.

[16] Ebd.

[17] Thränhardt, Dietrich: Einwanderungs- und Integrationspolitik in Deutschland und den Niederlanden, in: Leviathan, 30. Jg. 2002, S. 223

[18] http://www.bpb.de/wissen/QA7EZG,0,0,Artikel_116%3A_Begriff_Deutscher%3B_Wiedereinb%FCrgerung_von_Verfolgten.html 11.11.04

[19] Birsl, Ursula: Deutschland, in: Fricke, D./Gieler, W.(Hrsg.), Handbuch europäischer Migrationspolitiken, S. 31-50, lpb Sachsen-Anhalt, Magdeburg 2004

[20] Ebd.

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Vergleich der Integrationspolitiken in Deutschland und den Niederlanden. 1945 bis heute
Université
Otto-von-Guericke-University Magdeburg
Cours
Migration und Integration im internationalen Vergleich
Note
1,3
Auteur
Année
2004
Pages
22
N° de catalogue
V33736
ISBN (ebook)
9783638341370
ISBN (Livre)
9783638649711
Taille d'un fichier
1154 KB
Langue
allemand
Mots clés
Vergleich, Integrationspolitiken, Deutschland, Niederlanden, Migration, Integration, Vergleich
Citation du texte
Sebastian Wendt (Auteur), 2004, Vergleich der Integrationspolitiken in Deutschland und den Niederlanden. 1945 bis heute, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33736

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