Bereits fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kommt es zum ersten Schritt der europäischen Einigung, der Montanunion. Erstmalig in der europäischen Geschichte traten die beteiligten Nationalstaaten Teile ihrer Souveränität ab, um eine supranationale Institution zu schaffen. Hinzu kommt, daß die Initiative für diese Integration von Frankreich ausging, das sich bis zu diesem Zeitpunkt fast 80 Jahre lang erbittert mit Deutschland bekämpft hatte.
Wie ist es aber zu erklären, daß die europäischen Kontinentalmächte nach so langer Feindschaft bereit waren, eine europäische Integration einzugehen? Was waren ihre Motive? War es der Idealismus, ein vereintes Europa zu schaffen, nachdem das mörderische Potential der Nationalismen im Zweiten Weltkrieg offensichtlich wurde? Waren es wirtschaftliche Interessen? Oder war es etwa die Notwendigkeit in der Zeit des aufkeimenden Ost-West-Konflikts ein starkes Gegengewicht zur Sowjetunion zu formieren?
Unter zur Hilfenahme der neorealistischen Denkschule versucht die vorliegende Hausarbeit den oben genannten Fragen auf den Grund zu gehen. Um die Überschaubarkeit zu gewährleisten, beschränkt sich die Untersuchung auf die Frage nach den Beweggründen Frankreichs und Deutschlands. Die Situation im internationalen, politischen System und dessen Einfluß auf die Entstehung der Montanunion wird in Anlehnung an den neorealistischen Ansatz ebenfalls in der Untersuchung berücksichtigt.
Im ersten Teil der Untersuchung wird der Neorealismus in knapper Form dargestellt. Der zweite Teil soll dem Leser einen Überblick über den Untersuchungsgegenstand, der Entstehung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und dessen Hintergründe, verschaffen. Das dritte Kapitel entwickelt aus dem im zweiten Teil dargestellten Neorealismus zwei Argumente bezüglich der Motive, Frankreichs und Deutschlands die EGKS zu bilden. Das letzte Kapitel überprüft diese Argumente anhand der historischen Wirklichkeit. Hierbei wird zugrunde gelegt, daß Staaten auf militärischer, wirtschaftlicher und politischer Ebene Macht gewinnen können.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- 1. Die EGKS
- 1.1 Die internationale Situation vor dem 9. 5. 1950
- 1.2 Die Deutschlandpolitik Frankreichs
- 1.3 Die Reaktion der Bundesrepublik Deutschland
- 1.4 Inhalt des EGKS-Vertrags
- 2. Der Neorealismus
- 3. Argumentation
- 4. Überprüfung
- 4.1 Auswirkungen der EGKS auf Deutschland
- 4.2 Auswirkungen der EGKS auf Frankreich
- Schlußwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vor dem Hintergrund des Neorealismus. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Beweggründe Frankreich und Deutschland zur Bildung der EGKS führten. Die Untersuchung analysiert die internationale Situation vor 1950, insbesondere die Deutschlandpolitik Frankreichs und die Reaktion der Bundesrepublik, sowie den Inhalt des EGKS-Vertrags. Mit Hilfe des Neorealismus werden zwei Argumente bezüglich der Motive Frankreichs und Deutschlands entwickelt und im Kontext der historischen Wirklichkeit überprüft.
- Die internationale Situation vor 1950 und die Entstehung des Ost-West-Konflikts
- Die Deutschlandpolitik Frankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg
- Die Reaktion der Bundesrepublik Deutschland auf den Schuman-Plan
- Die Anwendung des Neorealismus auf die Gründung der EGKS
- Die Überprüfung der neorealistischen Argumente anhand der historischen Entwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die internationale Situation vor der Gründung der EGKS und analysiert die sich verfestigende Spaltung der Welt in zwei gegnerische Machtblöcke. Das Kapitel zeigt die zunehmende Spannungen zwischen den ehemaligen Alliierten auf und stellt die unterschiedlichen Deutschlandpolitiken dar. Im Fokus steht die deutsche Teilung und die französische Bestrebung, Deutschland weiterhin zu schwächen.
Das zweite Kapitel geht auf die Deutschlandpolitik Frankreichs im Detail ein und analysiert die französischen Bemühungen, Deutschland zu zerstückeln und seine wirtschaftliche Wiederherstellung zu verhindern. Es zeigt das Scheitern der französischen Politik aufgrund der sich entwickelnden Bündnisstrukturen im Westen und stellt den Schuman-Plan als Reaktion auf diese Situation dar.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Reaktion der Bundesrepublik Deutschland auf den Schuman-Plan und untersucht die politische Situation der BRD als nicht-souveräner Staat. Es beleuchtet die politische und wirtschaftliche Situation der BRD im Kontext der europäischen Integration und setzt die Gründung der EGKS in den Kontext der sich entwickelnden internationalen Ordnung.
Schlüsselwörter
Die vorliegenden Arbeit befasst sich mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und analysiert die Motive Frankreichs und Deutschlands im Kontext des Neorealismus. Die Analyse fokussiert auf die internationale Situation vor 1950, die Deutschlandpolitik Frankreichs, die Reaktion der Bundesrepublik Deutschland, den Inhalt des EGKS-Vertrags und die Anwendung neorealistischer Prinzipien auf die europäische Integration.
- Citation du texte
- Jesse Nies (Auteur), 2001, Die Gründung der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl unter Berücksichtigung des Neorealismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33741