Darstellung der Übertragung der de Saussureschen Begriffe in den Strukturalismus als Kulturtheorie


Seminar Paper, 2004

16 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Claude Lévi-Strauss

3. Ferdinand de Saussure

4. Die theoretischen Unterscheidungen
4.1 Signifikant und Signifikat
4.2 Langue, parole und langage
4.3 Diachronität und Synchronität
4.4 Syntagma und Paradigma
4.5 Die unterscheidenden Merkmale und der Prager Kreis

5. Der Strukturalismus als Kulturtheorie
5.1 Levi-Strauss’ Sicht der Forschungsaufgabe der Ethnologie
5.2 Lévi-Strauss’ Rechtfertigung für die Übertragung
5.3 Der Entwurf der strukturalen Ethnologie

6. Übertragbarkeit der linguistischen Methoden?

7. Zitierte Literatur

1. Einleitung

Der Strukturalismus, wie er durch Claude Lévi-Strauss in der Ethnologie Fuß gefasst hat, war eine bedeutende Entwicklung für die Geschichte des Faches. Schmied-Kowarzik spricht von einem „Jahrhundertereignis“ (Schmied-Kowarzik 1993: 278) für die Ethnologie. Aus verschiedenen Gründen ist sie das nicht mehr in gleichem Maße (Amborn 1992), dennoch besitzen viele Ideen immer noch einen praktischen Wert – und Lévi-Strauss schreibt immer noch. Sein größtes Arbeitsfeld stellt die strukturale Mythenforschung dar (Barnard 2004).

Zur Erschaffung der strukturalen Anthropologie (Die Begriffe‚Anthropologie’ und ‚Ethnologie’ werden im Weiteren als synonym verwendet, ebenso ‚Sprachwissenschaft’ und ‚Linguistik’) griff Lévi-Strauss auf die Werke von Linguisten zurück (1967). Er bewunderte die Sprachwissenschaft für deren methodische Schärfe und wollte diese Strenge ebenso in die Ethnologie einführen. Sie war das Kriterium, das eine Annäherung an die ‚richtigen’ Wissenschaften erlaubte – die mathematisch exakten Naturwissenschaften (Lévi-Strauss 1975).

Als Begründer dieser von ihm bewunderten modernen Sprachwissenschaften wird der Schweizer Linguist Ferdinand de Saussure angesehen (Barnard 2004) – auch wenn sein bedeutendstes Werk posthum aus seinen Vorlesungen veröffentlicht wurde.

Die vorliegende Arbeit beginnt mit einem sehr kurzen Abriss über die Biographie von Claude Lévi-Strauss und seine Zielsetzungen, bevor er die strukturale Anthropologie entwarf. Anschließend geht sie in der Zeit zurück und wirft einen Blick auf Ferdinand de Saussure und geht im Detail auf seine theoretischen Unterscheidungen ein. Ein Exkurs befasst sich mit den zusätzlichen Konzepten, die durch den so genannten Prager Kreis eingeführt werden. Nachdem diese Grundlagen ausgebettet sind, wird die Übertragung der Begriffe in die strukturale Theorie betrachtet und abschließend kritisch gewürdigt.

Aus dem großen Kanon an Lévi-Strauss’ Werken beziehe ich mich nur auf ‚Strukturale Anthropologie’ und ‚Strukturale Anthropologie II’. Alle anderen Angaben entstammen nachfolgenden Kommentatoren. Ich halte diese Eingrenzung für angebracht ob der umfangreichen Anzahl an Veröffentlichungen von Lévi-Strauss. Trotz allem wurde ihm bescheinigt, dass er sich in seinen essentiellen Ansichten wenig verändert habe (Culler 1986).

2. Claude Lévi-Strauss

Claude Lévi-Strauss wurde 1908 geboren. Er studierte an der Sorbonne in Paris, und ging darauf nach Brasilien um zu lehren. In Brasilien führte er seine ersten Feldforschungen durch, die die Grundlagen für sein Buch ‚Traurige Tropen’ wurden (Leach 1991). Er ging zurück nach Frankreich in die Résistance und floh aufgrund seiner jüdischen Abstammung später nach New York. Dort arbeitete er gegen Ende des zweiten Weltkrieges als Lehrer an der New School of Social Research in New York (Ullrich 1992). Er traf hier andere Flüchtlinge - Anhänger der so genannten Prager Schule. Unter ihnen war Roman Jakobsen, einer der Begründer der strukturalen Phonologie. Zusammen mit Nikolai S. Trubetzkoy, hatte dieser zuerst das Konzept von ‚Struktur’ systematisch in der Linguistik angewendet (Barnard 2004). Roman Jakobsen wurde ein persönlicher Freund und bildete die erste Schnittstelle zwischen Lévi-Strauss und der strukturalen Linguistik. Dies heißt insbesondere auch eine Schnittstelle zu den Ideen des Sprachwissenschaftlers Ferdinand de Saussure.

Lévi-Strauss war angetan, schien doch die Methodik der Linguistik sie aus den Sozialwissenschaften heraus in die Nähe der Naturwissenschaften rücken – sozusagen an einen Platz an der Sonne. Lévi-Strauss betrachtete deren Präzision der Analyse und Strenge der Methode als das auszeichnende Element von Wissenschaft (1975).

Er war auch beeindruckt von der selber gewählten Aufgabe der Linguisten: die Entdeckung universeller Gesetze. So etwas konnte man von den Naturwissenschaften erwarten, aber bei den Sozialwissenschaften schien es tollkühn, hatten sie doch bis jetzt keine mathematischen Möglichkeiten im Repertoire (Ullrich 1992). Sollte man es aber doch versuchen, wäre es vonnöten das Datenmaterial auf eine formal gleiche Ebene zu bringen, denn nur auf einer miteinander vergleichbaren Basis können präzise Modelle entworfen werden. Das erwünschte Ergebnis wäre Reduktion des Menschen auf das Wesentliche und dadurch ein Verständnis der universellen Natur des Menschen. Zu nichts weniger tritt Lévi-Strauss (immer noch) letztendlich an mit seinem Ansatz – und seine Berechtigung zieht er aus der Linguistik (Ullrich 1992). Er musste es nur schaffen zu beweisen, dass Linguistik und Anthropologie den gleichen Gegenstand teilen um folglich die gleiche Methode benützen zu können. Doch was ist der Gegenstand der Linguistik, auf den er sich beziehen will – und was ihre Methodik?

3. Ferdinand de Saussure

Ferdinand de Saussure war ein Schweizer Linguist. Barnard (2004) spricht von ihm als den bedeutendsten Vertreter des Strukturalismus. De Saussure, ein vielfach ausgezeichneter Sprachwissenschaftler (Culler 1986), kehrte nach mehreren Jahren in verschiedenen europäischen Ländern wieder zurück in seine Geburtsstadt Geneve. Dort hielt er von 1906 bis 1911 einen Kurs über generelle Linguistik, teilweise nur als der ‚Kurs’ (Course) bekannt (Barnard 2004). Kurz darauf starb er; die Mitschriften der Vorlesungen wurden gesammelt, aufbereitet und 1916 posthum veröffentlicht.

Der Inhalt des Kurses hatte weniger maßgeblichen Einfluss, als die theoretische Herangehensweise, die de Saussure dabei gewählt hatte (Barnard 2004): sie „lösten unter den Linguisten eine wissenschaftliche Revolution aus“ (Ullrich, Rüdiger 1992: 137). Bis zu seiner Zeit hatten Sprachwissenschaftler vor allem einzelne sprachliche Elemente analysiert und waren historisch orientiert. Saussure betrachtete Sprache zum ersten Mal als System: eine nach festen Prinzipien sich selber regulierende Einheit, bei der die Beziehungen der Elemente untereinander maßgeblich sind für deren Position und sinnvolle Analyse (de Saussure 1967). Für ihn war die Sprache dabei ein besonderes System – ein „System von Zeichen“ (de Saussure 1967: 19). Von ihrer Funktion her ein Kommunikationssystem, nimmt sie nach de Saussure unter diesen doch den ersten Rang ein, weil sie die anderen überhaupt erst ermöglicht (1967). Durch die Verknüpfung einer begrenzten Zahl kleinster Bausteine (Phoneme – Lauteinheiten, Morpheme – Bedeutungseinheiten) erreicht sie eine unbegrenzte Anzahl von Sätzen. Damit diese Effektivität erreicht werden kann, braucht es Konventionen, die aufgrund ihrer Beziehungen zu den anderen Elementen wirken (Ullrich 1992).

4. Die theoretischen Unterscheidungen

De Saussure führte vier theoretische Unterscheidungen ein, die hier in veränderter Reihenfolge zum Course (de Saussure 1967) wiedergegeben werden. Damit wird einer Kritik von Culler (1986) an den Herausgebern des Course gefolgt. Seiner Meinung nach hätten diese mit ihrer Aneinanderreihung de Saussures ursprüngliche Intentionen verschleiert, die sich vor allen aus seinen weit später veröffentlichten persönlichen Notizen ergeben. Unter 4.5 findet sich zusätzlich eine theoretische Konzeption, die von den Linguisten, bzw. Phonetikern aus des Prager Kreis eingeführt wurde.

4.1 Signifikant und Signifikat

Grundlage der Sprache ist nach de Saussure (1967) das Zeichen (z. B. ein Wort). Die folgenschwerste seiner Überlegungen (Culler 1986) schreibt den Zeichen eine grundlegende Doppelnatur zu. Nach de Saussure vereint ein Zeichen immer zwei Charakteristika in sich: Es ist immer zugleich „eine Vorstellung und ein Lautbild“ (de Saussure 1967: 77). Er nennt diese Bezeichnetes (Signifikat) und Bezeichnung (Signifikant). Ein Zeichen impliziert also die Vorstellung, was es bezeichnen soll, plus „der psychische Eindruck dieses Lautes, die Vergegenwärtigung desselben“ (de Saussure 1967: 77).

Zwischen den beiden besteht nach de Saussure (1967) kein natürlicher Zusammenhang: Kein Signifikat hat eine fixierte Beziehung zu einem Signifikant. Ein Mikrofon mag in der deutschen Sprache so heißen, aber es könnte genauso gut auch eine andere Bezeichnung tragen, wie es der Fall ist in anderen Sprachen. Gäbe es einen natürlichen Zusammenhang, müsste es auch eine einheitliche Sprache geben (Amborn 1992), da jeder das zu Bezeichnende gleich bezeichnen würde. Die Verbindung beruht nach de Saussure einzig auf Konvention (1967).

Culler (1986) definiert zwei Ausnahmen: Klangabbildungen, bei denen Worte erschaffen wurden die einem Laut gleichen, wie z. B. wau-wau für Hundegebell und die Zusammensetzung bestehender Zeichen zu einem neuen, z. B. Fuß-ball.

Culler (1986) warnt davor de Saussure falsch zu verstehen und Sprache als bloße Nomenklatur zu sehen, die jedem ‚objektiv’ bestehendem Tatsachenverhalt (z. B. der Farbe Rot) ein beliebiges Zeichen zuordnet. Die verschiedenen Kulturen zeigen, dass es für unsere eigenen Begriffe teilweise keinen Widerpart gibt oder der für unsere Kultur lapidare Begriff anderswo eine ungeahnte Differenziertheit erfährt (die berühmte Anzahl der Eskimobegriffe für ‚Schnee’). Ein Zeichen selbst hat nach de Saussure keinen autonomen, unveränderlichen Wert (1967). Position und Identität ergeben sich einzig aus den unterscheidenden Merkmalen zu den anderen Elementen des Systems – der Wert bemisst sich allein an den Beziehungen (Culler 1986). Ein Punkt, den die nachfolgende Prager Schule noch weiter herausarbeitete.

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Details

Title
Darstellung der Übertragung der de Saussureschen Begriffe in den Strukturalismus als Kulturtheorie
College
LMU Munich  (Institut für Ethnologie und Afrikanistik)
Course
Geschichte und Theorie der Ethnologie
Grade
1,0
Author
Year
2004
Pages
16
Catalog Number
V33768
ISBN (eBook)
9783638341646
ISBN (Book)
9783638887632
File size
564 KB
Language
German
Notes
Die Arbeit setzt sich in Ihrem Kern mit dem ethnologischen Strukturalismus nach Claude Lévi-Strauss und dessen Übertragung der Linguistik bzw. Sprachwissenschaft nach Ferdinand de Saussure auseinander
Keywords
Darstellung, Saussureschen, Begriffe, Strukturalismus, Kulturtheorie, Geschichte, Theorie, Ethnologie
Quote paper
M.A. Marcus Andreas (Author), 2004, Darstellung der Übertragung der de Saussureschen Begriffe in den Strukturalismus als Kulturtheorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33768

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