Der Arierparagraph und die Gutachten der Erlanger und Marburger Fakultät

Eine Untersuchung


Seminararbeit, 2014

19 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Einleitung

II Hauptteil
1. Der Arierparagraph
1.1 Die Deutschen Christen
1.2 Diskussion um Sinn und Zweck des Arierparagraphen
1.3 Die preußische Generalsynode
1.4 Exkurs: Das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben des deutschen Volkes“
2. Die Gutachten zum Arierparagraph der Erlanger und Marburger Fakultät
2.1 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Geistlichen und Kirchenbeamten
2.2 Das Gutachten der Marburger Fakultät
2.3 Das Gutachten der Erlanger Fakultät
2.4 Georg Wobbermin: Zwei theologische Gutachten in Sachen des Arier- Paragraphen – kritische beleuchtet.
3. Weitere Stimmen zum Arierparagraph
3.1 Hermann Strathmann: Kann die evangelische Kirche Personen nichtarischer Abstammung weiter in ihren Ämtern tragen?
3.2 Hans Meiser: Schreiben an den Dekan der Erlanger Theologischen Fakultät Hermann Strathmann. München, 04. Oktober 1933.

III Abschließende Gedanken

IV Literaturverzeichnis

I Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, die sich zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland viele Theologen, Beamte und Gemeinden gestellt haben, ob die evangelische Kirche weiterhin Kirchenbeamten jüdischer Herkunft beschäftigen darf und soll, oder ob der dazu viel diskutierte Arierparagraph eine Lösung darstellt, um dieses ‚Problem‘ relativ einfach zu lösen.

Die beiden Fakultäten von Erlangen und Marburg gaben dazu jeweils ein Gutachten ab, welche wiederrum von vielen bekannten Theologen und Pfarrern untersucht wurde. Das Thema des Arierparagraphen warf eine Grundsatzdiskussion auf, ob die Rassenideologie des Staates und das Regime des Dritten Reiches in der Kirche Raum finden dürfe, kurz um, ob Staat und Kirche sich gegenseitig beeinflussen dürfen. Verschiedenen Meinungen prallten daraufhin aufeinander, worauf es mitunter zu hitzigen Briefwechseln kam.

In dieser Arbeit werden beide Gutachten analysiert und auf die jeweilige Position der Fakultät eingegangen. Zudem werden drei weitere Stimmen zu den Gutachten betrachtet. Georg Wobbermin, Hermann Strathmann und Hans Meiser beschäftigten sich u.a. ebenfalls mit der Frage des Arierparagraphen und bezogen dazu schriftlich Stellung.

Zu Beginn dieser Arbeit wird zur Einführung die Position der Deutschen Christen vorgestellt, deren zentrale Forderung der Arierparagraph aufgrund ihrer Sympathie zur Politik der NSDAP war. Zudem stellt sich auch die Frage nach dem Sinn und Zweck des Arierparagraphen, der ebenfalls diskutiert wird. Als Exkurs wird das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben des deutschen Volkes“ vorgestellt, welches den Höhepunkt des Rassenwahnes in der theologischen Forschung und in der Kirche darstellt.

Zur Distanzierung von den teilweise (ab-)werteten Ausdrücken von jüdischen Menschen, wurden die zum Teil übernommenen Begrifflichkeiten in Kursiv gesetzt.

II Hauptteil

1. Der Arierparagraph

Der Arierparagraph war eine zentrale Forderung der nationalsozialistischen Kirchenbewegung der Deutschen Christen. Sie verlangten eine Entlassung von Christen jüdischer Herkunft aus allen kirchlichen Ämtern.

1.1 Die Deutschen Christen

Die neue, streng nationalsozialistische ausgelegte Kirchenpartei war ein Versuch der Nationalsozialisten, auch die evangelische Kirche zu erobern. Die Deutschen Christen wollten der nationalsozialistischen Weltanschauung des Regimes Raum verschaffen und versprachen sich daraus eine neue religiöse Erweckung. Dabei gingen sie sehr radikal vor, haben später sogar Wand- und Deckengemälden von kirchlichen Kreuzmotiven in Hakenkreuzmotive umgestaltet.[1] Die Deutschen Christen bekannten sich zu einem „positiven Christentum“ und einem „artgemäßen Christus Glauben“[2], propagierten eine Reichskirche und vertraten die Rassenlehre der Partei der NSDAP. Auch sie sahen somit in Rasse, Volkstum und Nation eine „von Gott geschenkte Lebensordnung“.[3] Die Glaubensbewegung warnte ihre Anhänger vor einer Rassenvermischung als Folge der Mission, war gegen eine Judenmission und forderte ein Verbot jüdisch-christlicher Eheschließungen sowie „den Schutz des Volkes vor den Untüchtigen und Minderwertigen“.[4] Der Arierparagraph sollte in Form einer Gesetzgebung den Deutschen Christen somit eine rechtliche Grundlage für ihre Forderungen verhelfen. Bei den Kirchenwahlen am 23.Juli 1933 stimmten eine große Mehrheit für die Deutschen Christen, kurze Zeit später gehörte ihr ein Drittel aller deutschen evangelischen Pfarrschaften an.

Die Deutschen Christen hatten mehrere Ziele in Kirchenpolitik, Theologie und kirchlich-praktischen Bereichen. Nicht nur forderten sie den Zusammenschluss der Landeskirchen zu einer Reichskirche, auch stimmten sie für eine Beseitigung der landeskirchlichen Synoden, einer Etablierung des Führerprinzips in den Kirchen und natürlich wie oben erwähnt die Einführung eines Arierparagraphen. Auch waren sie für eine Germanisierung des Christentum und strebten eine enge Verbindung der Kirche mit dem Volk und dem politischen Leben an. Nicht zuletzt forderten sie eine Ausscheidung alttestamentlich-jüdischer Elemente aus Predigt, Liturgie, Unterricht und dem Neuen Testament[5], dem viele rechte Theologen zustimmten.

1.2 Diskussion um Sinn und Zweck des Arierparagraphen

Zeitgleich mit der Diskussion um den Arierparagraph trat im April 1933 das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ in Kraft. Hierbei handelte es sich um ein Gesetz zur Entlassung von jüdischer, von Juden abstammender oder mit Jüdinnen verheirateter Beamten. Von vielen Theologen hagelte es Kritik, wenn auch meist eher leise. Karl Barths Schrift „Theologische Existenz heute“ hingegen war ein lautstarker Protest gegen die Ausschließung von sog. Nichtariern aus dem Kirchendienst. Die Schrift war ein voller Erfolg und wurde mehrere 1000 Male veröffentlicht, bevor sie von der Partei verboten wurde. Auch Dietrich Bonhoeffer wehrte sich gegen die Position der Deutschen Christen und den Arierparagraphen mit seinem Flugblatt „Der Arier-Paragraph in der Kirche“.

In den deutschen Pfarrschaften waren zu der Zeit knapp 19000 aktive Pfarrer im Gemeindedienst tätig, davon erfüllten nur etwa 29 nach nationalsozialistischer Definition das Kriterium der Rasse „Jude “. Von diesen 29 Pfarrern waren es tatsächlich aber nur 18 Männer, die von dem Arierparagraphen berührt wurden. Die anderen 11 Pfarrer vielen unter die Sonderbestimmungen[6] und waren demnach nicht von der geforderten neuen Gesetzgebung betroffen. Dennoch zeugte das Verlangen nach der Entlassung von den 18 betroffenen Männern von hoher Symbolkraft. Es unterstrich die Bereitschaft zur politisch-ideologischen Anpassung an den neuen Staat.

1.3 Die preußische Generalsynode

Am 05. und 06. September tagte in Berlin die preußische Generalsynode, die vor allem von den deutschen Christen besucht wurde. Mit überwältigender Mehrheit wurde das „Kirchengesetz betreffend die Rechtsverhältnisse der Geistlichen und Kirchenbeamten“[7] verabschiedet. Diese Gesetz enthielt eine Zusatzklausel sowie den von vielen geforderten Arierparagraphen, der es Judenchristen und ihren Nachfahren sowie auch den Ehepartnern von Judenchristen das Pfarramt verwehrte. Die Definition der nichtarischen Abstammung richtete sich hierbei nach den Vorschriften der damaligen Reichsgesetze. Wo immer nun die Deutschen Christen eine Mehrheit in den Pfarrschaften waren oder genügend Einfluss hatten, wurde ab dem Zeitpunkt der Arierparagraph eingesetzt und durchgeführt.

1.4 Exkurs: Das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben des deutschen Volkes“

Die Rassenideologie in der Kirche kam so weit, dass unter der wissenschaftlichen Leitung von Walter Grundmann das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben des deutschen Volkes“ gegründet wurde und bis 1945 bestand. Dieses Institut veranstaltete Tagungen und publizierte Sitzungsberichte über „Germanentum, Christentum und Judentum“[8] Das Institut verabschiedete zudem wissenschaftlich unbedeutende antijüdische Studien, die ein neues Testament, den Katechismus und Gesangsbücher in neuer, „gereinigter“ Form herausgaben.[9] Zu den Mitarbeitern zählten u.a. die Leipziger Neutestamentler Fiebig, Leipold, Rudolf Meyer sowie der Gießener Alttestamentler Karl Friedrich Euler, welcher sogar seinen eigenen Forschungsbericht als verjudet abtat.

Grundmann setzte 1939 die Abschaffung des Hebraicums für Theologiestudenten durch und veröffentlichte ein Jahr später sein Buch „Jesus der Galiläer und das Judentum“, in dem er behauptete, dass Jesus „an allen entscheidenden Punkten in grundsätzlichem Widerspruch zur jüdischen Religion“ gestanden habe und „mit großer Wahrscheinlichkeit […] kein Jude war“.[10]

2. Die Gutachten zum Arierparagraph der Erlanger und Marburger Fakultät

Im September erstellten die Marburger sowie die Erlanger Fakultät auf Wunsch der preußischen Generalsynode ein Gutachten zu dem umstrittenen Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Geistlichen und Kirchenbeamten. Wobei sich die Marburger Fakultät unter Leitung von Dekan von Soden gegen den Arierparagraph äußerte, forderte die Erlanger Fakultät unter Althaus und Elert zur Zurückhaltung von Judenchristen im Kirchendienst auf, wenngleich sie einer gewaltsamen Entfernung wegen dem Grundsatz der christlicher Nächstenliebe heraus widersprachen.

2.1 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Geistlichen und Kirchenbeamten

In diesem Abschnitt wird das diskutierte Gesetz vorgestellt, auf das die Gutachten der beiden Fakultäten und meine weiteren Ausführungen sich beziehen.

§ 1 (1) Als Geistlicher oder Beamter der allgemeinen kirchlichen Verwaltung darf nur berufen werden, wer die für seine Laufbahn vorgeschriebene Bildung besitzt und rückhaltlos für den nationalen Staat und die Deutsche Evangelische Kirche eintritt.

(2) Wer nicht arischer Abstammung oder mit einer Person nicht arischer Abstammung verheiratet ist, darf nicht als Geistlicher oder Beamter der allgemeinen kirchlichen Verwaltung berufen werden. Geistliche oder Beamte arischer Abstammung, die mit einer Person nichtarischer Abstammung die Ehe eingehen, sind zu entlassen. Wer als Person nichtarischer Abstammung zu gelten hat, bestimmt sich nach den Vorschriften der Reichsgesetze.

[...]


[1] Vgl. Jung, Martin H.: Der Protestantismus in Deutschland von 1870 bis 1945, Hrsg. von Gäbler, Ulrich; Haendler, Gert; Schilling, Johannes; Rogge, Joachim; Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig, S. 160.

[2] Jung, S. 160.

[3] Jung, S. 160.

[4] Jung, S. 160.

[5] Vgl. Jung, S. 161

[6] Die Sonderbestimmungen waren: Einstellung vor 1914 und/oder Kampf für Deutschland im ersten Weltkrieg an der Front. Wurde eine dieser Bedingungen erfüllt, trat der Arierparagraph nicht in Kraft.

[7] Jung, S. 162.

[8] Vgl. Jung, S. 162.

[9] Vgl. Jung, S. 162.

[10] Jung, S. 162.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Arierparagraph und die Gutachten der Erlanger und Marburger Fakultät
Untertitel
Eine Untersuchung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Evangelisch Theologische Fakultät)
Autor
Jahr
2014
Seiten
19
Katalognummer
V337961
ISBN (eBook)
9783668274068
ISBN (Buch)
9783668274075
Dateigröße
565 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Barmer Theologische Erklärung, Kirchengeschichte, Arierparagraph
Arbeit zitieren
Miryam Besant (Autor:in), 2014, Der Arierparagraph und die Gutachten der Erlanger und Marburger Fakultät, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337961

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