Geschlechtsspezifische Sozialisation


Term Paper, 2003

32 Pages, Grade: 2,7


Excerpt


Gliederung

1. Sozialisation

2. Geschlechtsspezifische Sozialisation

3. Historischer Rückblick zur geschlechts- spezifischen Sozialisation
3.1 Geschlechtsspezifische Sozialisation im Mittelalter
3.2 Geschlechtsspezifische Sozialisation in der Zeit der Aufklärung
3.3 Geschlechtsspezifische Sozialisation in der vorindustriellen Zeit
3.4 Geschlechtsspezifische Sozialisation in der Zeit der Industriealisierung

4. Typisch männlich; typisch weiblich

5. Erklärungsansätze der Geschlechts- spezifischen Sozialisation
5.1 Psychologische Erklärungsansätze
5.1.1 Lerntheorie / Lernen am Modell
5.1.2 Kognitionstheorie
5.1.3 Psychoanalytischer Erklärungsansatz
5.2 Sozialisationstheoretische Erklärungsansätze
5.2.1 Ansatz von Talcott Parsons´ Systemtheorie
5.2.2 Ansatz von Habermas´ kritischer Theorie
5.2.3 Ansatz von Hagemann-White

6. Gender Mainstreaming
6.1 Definition
6.2 Entwicklung
6.3 Rechtliche Grundlagen
6.4 Umsetzung
6.5 Auswirkung
6.6 Beispiel für die Ungleichheit im Beruf

7. Reflexion

8. Literaturverzeichnis

1. Sozialisation

Bevor wir speziell auf die geschlechtsspezifische Sozialisation eingehen, möchten wir den Begriff der Sozialisation definieren.

„Mit Sozialisation wird zunächst der Prozess bezeichnet, in dem der nur mit rudimentären Instinkten geborene, aber für vielfältige Lernprozesse offene Mensch durch die allgemeinen sozialen, ökonomischen und kulturellen Verhältnisse wie durch spezielle Sozialisationsagenturen der jeweiligen Gesellschaft so geformt wird, dass er ihnen gemäße Einstellungen und Verhaltensweisen entwickelt und schließlich als Erwachsener zum arbeitsteiligen Reproduktionsprozess seiner Gesellschaft beitragen kann. Im weiteren Sinne verstanden, schließt Sozialisation nicht mit dem Erreichen des Erwachsenenstatus ab, sondern umfasst auch die lebenslang immer wieder notwendig werdenden Formungs- und Lernprozesse, besonders beim Eintritt in neue soziale Institutionen (Betriebe, Parteien, Verbände usw.) oder beim Erreichen neuer Lebensabschnitte (z. B. Eheschließung, Pensionierung).“[1]

Ein prägender gesellschaftlicher Unterschied ist immer noch die Zugehörigkeit zum männlichen oder zum weiblichen Geschlecht. Ohne das es immer bewusst ist, gibt es noch immer genügend Unterschiede im Leben von Frauen und Männern. Die Wissenschaft hat seit Ende des vergangenen Jahrhunderts versucht die Unterschiede zwischen Mann und Frau herauszufinden. Wir stellen uns die Frage, wie Männer und Frauen sozialisiert werden, ob dies unterschiedlich ist, ob durch die Gleichberechtigung von Mann und Frau auch die gleiche Sozialisation entstanden ist.

2. Geschlechtsspezifische Sozialisation

Geschlechtsspezifische Sozialisation sagt aus, „dass die Sozialisation in der jeweiligen Gesellschaft je nach Geschlecht unterschiedlich verläuft. (...) Im Sozialisationsprozess eignen sich Heranwachsende vorgefundene Handlungsmuster, sowie die damit verbundenen Zuschreibungen, Normen und Werte an, bzw. deuten diese für sich neu aus und bilden so in Interaktion ihrer gesellschaftlichen Umwelt ihre Identität aus. Als zentrale sog. „Sozialisationsagenten“ fungieren in diesen Prozeß die Eltern, Geschwister und Freunde aber auch Institutionen wie Schule oder Medien. Beispiele für geschlechtsspezifische Sozialisation sind insbesondere jene Reaktionen in der gesellschaftlichen Umwelt, die ein bestimmtes Verhalten positiv oder negativ bewerten und sanktionieren, je nachdem, ob es von einem Mädchen oder einem Buben stammt.“[2]

3. Historischer Rückblick zur geschlechtsspezifische Sozialisation

Um die heutige Sichtweisen der geschlechtsspezifischen Sozialisation hinreichend nachvollziehen zu können, ist es wichtig die historischen Hintergründe zu betrachten, um darauf aufbauend ein komplexes Verständnis für die Thematik zu entwickeln. In diesem Kontext gehen wir nur kurz auf die geschichtlichen Rahmenbedingungen in der geschlechtsspezifischen Entwicklungen von der Vergangenheit bis zur Gegenwart ein. Als primäre Sozialisationsinstanz ist die Familien von großer Bedeutung. Hier wächst das Kind in der Regel auf und verbringt die ersten Lebensjahre. Daher wird und wurde auch die geschlechtsspezifische Sozialisation des Kindes entscheidend von der familiären Gemeinschaft beeinflusst.

3.1 Geschlechtsspezifische Sozialisation im Mittelalter

Betrachtet man die Gesellschaft und die Rolle der Frau und des Mannes im Mittelalter, so ist festzustellen, daß bereits mit der Geburt bestimmte Determinanten auf die zukünftige Entwicklung Einfluss hatten. Die gesellschaftliche Stellung des Einzelnen hatte einen maßgeblichen Einfluss auf die spätere Partnerwahl und den Umgang innerhalb der Gemeinschaft. So war das Verhalten, sowohl des Mannes als auch der Frau durch die Geburt in einen bestimmten Stand festgelegt. Es herrschte eine patriarchalische Struktur, die beinhaltete, dass die Frau dem Mann untergeordnet war. Durch die beengenden Verhältnisse bestand keine Möglichkeit zur Gestaltung von Privatsphäre. Die Herrschaft, Nachbarn und Verwandte, die jederzeit Zugang zu der Wohnung hatten, übten eine starke Kontrolle aus, Handlungsspielräume gab es keine. Die Position, die die Person einnahm, wurde nicht hinterfragt sondern als gegeben hingenommen. Die Rollenverteilung war starr geregelt. Die Männer versorgten die Familie mit Nahrung und Geld / Tauschwaren. Die Aufgabe der Frauen beschränkte sich auf die Versorgung und Erziehung der Kinder und die Führung des Haushaltes. Die Gesellschaft war stark an Traditionen orientiert, die Individualität des Einzelnen war von sehr geringer Bedeutung. Alle diese Bedingungen führten zwangsläufig zu bestimmten Verhaltensweisen die die Sozialisation der Heranwachsenden in eine bestimmte Richtung lenkte bzw. lenken sollte. Mädchen wurde von frühster Kindheit an auf ihre zukünftige Rolle als Mutter und die Führung des Haushaltes vorbereitet. Die Knaben wurde auf ihre Rolle als Beschützer, Ernährer und Träger der Autorität vorbereitet.

3.2 Geschlechtsspezifische Sozialisation in der Zeit der Aufklärung

(Ende 17. Jh.)

In der Zeit bis zur Aufklärung war die sogenannte Manusehe üblich. Der Mann erwarb sich die zukünftige Frau käuflich. Durch die einsetzende Aufklärung die von Rousseau, Kant und anderen Vertretern maßgeblich beeinflußt wurde, war man mehr und mehr von der Allmacht der Erziehung überzeugt. Ein vorrangiges Erziehungsziel war die von der Vernunft bestimmte sittliche Lebensweise. Die neuen ideologischen Ansätze der Aufklärung sollten auf alle Volksschichten auch durch geänderte Erziehungsmethoden ausgedehnt werden.[3] In diesem sog. der den Freiheitsgedanken und die Selbstbestimmtheit des Individuums auf seine Fahnen schrieb, erhielt auch der weibliche Teil der Bevölkerung eine neue Wertigkeit. Es sollte aber noch einige Zeit dauern, bis die Frau allgemein anerkannte Rechte zugesprochen bekam. Es entstanden erstmals Verhaltensregeln für Essen, Reinlichkeit, Kleidung und Lernen. Dies macht deutlich, dass das Hineinwachsen in die Gesellschaft, das „sozial“ werden bewusst gesteuert werden sollte, um auf die Kinder so einzuwirken, das sie bestimmten Verhaltenserwartungen in der Zukunft entsprechen konnten.

3.3 Geschlechtsspezifische Sozialisation in der vorindustriellen Zeit

In der vorindustriellen Zeit war die Trennung der Altersrollen nicht mehr so festgelegt, wie das heute sichtbar ist. In der Gemeinschaft der Familie und des Dorfes wurde der Übergang vom Kindes zum Jugendalter nicht als einzelne Phasen erlebt. Es fand vielmehr ein allmähliches Hineinwachsen durch die Übernahme der Rollen der Erwachsenen statt. Als Identifikationsobjekte dienten gleichaltrige und ältere Geschwister. Die Geschlechtsrollenbilder des 19. Jahrhunderts waren noch sehr festgelegt. Für Angehörige aus dem gehobenen Bürgertum diente die Frau als „schmückendes Beiwerk“, die dem Mann zur Seite stand. Die Kinderbetreuung und Hausarbeit mußten nicht von ihr erledigt werden, dazu waren Angestellte beschäftigt. Angehörige dieser Schicht wurden daher rechtzeitig durch die Erziehung in die erwünschte Richtung gelenkt. Auch in der arbeitenden Schicht gab es ein klar umrissenes Rollenverständnis. Der Bauer sorgte sich um den Ackerbau und die Versorgung der Tiere, die Frau hingegen war für die übrigen Bereiche wie Haushalt, Erziehung und die Gartenarbeit verantwortlich. Dadurch bestand keine Form der kritischen Betrachtung der geschlechtsbezogenen Sozialisation. Die Kinder wurden bis zum Schuleintritt überwiegend von der Mutter betreut, versorgt und erzogen. Die Erziehung der männlichen Nachkommen übernahm später hauptsächlich der Vater.[4]

3.4 Geschlechtsspezifische Sozialisation zur Zeit der

Industrialisierung (Mitte 18. Jh.)

Einen Bruch erlebte das Hineinwachsen in die zukünftige Geschlechterrolle mit der Trennung der Bereiche Arbeit und Wohnen. Diese Trennung vollzog sich im Zuge der Industrialisierung. Die Stände lösten sich auf und mit ihnen die feudalen Abhängigkeitsverhältnisse. Durch die Verlagerung der Produktion in Fabriken verbunden mit einer umwälzenden Rationalisierung der Arbeitsprozesse (Dampfmaschine) waren die Menschen gezwungen zwischen Arbeitsplatz und Wohnort zu pendeln oder ihr gewohntes Lebensumfeld zu verlassen, um in Städten zu wohnen. Dadurch verkürzten sich die Zeiten, die die berufstätigen Erwachsenen mit der Familie verbrachten und somit auch deren gezielte Einflussmöglichkeit. Die Stadtfamilie entsteht als neue Form. Die Frauen waren durch die Trennung von Arbeit und Wohnen für die Versorgung der Kinder und die Reproduktionstätigkeit zuständig. Die Arbeitsteilung in den Familien war noch immer stark geschlechtsspezifisch orientiert. In Arbeiterfamilien hingegen, in denen auch die Frauen berufstätig waren, herrschte eine weniger spezielle geschlechtsbezogene Arbeitsteilung. Die Kindheit entwickelte sich zu einer eigenständigen Lebensphase mit bestimmten Entwicklungsaufgaben. Die Bildung gewann zunehmend an Bedeutung. Ende des 18. Jh. wurde zwar bereits die Schulpflicht eingeführt, sie wurde jedoch erst im Laufe des 19. Jh. allmählich umgesetzt. Die Ehe wurde zu einer Beziehung die von Zuneigung der beiden Partner geprägt war. Die bestimmenden Erziehungsziele waren u.a. Erziehung zum Gehorsam, Unterordnung, Ordnungsliebe und Fleiß.[5] Die geschlechtsspezifische Sozialisation in dieser Zeit war eng mit den Erwartungen an die Verhaltensweisen der heranwachsenden Kinder gekoppelt. Je nach Stand der Familie (Bürgertum, Bauernfamilie) wurden die erwünschten Verhaltensweisen und Erziehungsziele umgesetzt, die das Kind für die Zukunft benötigt.

Die Frauen die noch immer (auch zur Zeit des Krieges) auf die Versorgung und Erziehung der Kinder „spezialisiert“ waren, erlernten nicht zwangsläufig einen Beruf und wenn sie dennoch einen Beruf ergriffen, war er gekennzeichnet durch eine relativ kurze Ausbildungsdauer. Bei Männern spielte die Dauer der Ausbildung nur eine untergeordnete Rolle. Ein Bruch erlebte die Sozialisation und damit verbunden die spezielle Rolle der Frau in der Zeit des Krieges. Viele Männer waren im Krieg und die Frau war für die gesamten Aufgaben und die Organisation des Familienlebens verantwortlich. Sie waren durch äußere Bedingungen dazu gezwungen worden und mußten sich mit der Situation zurechtfinden. Als Identifikationsobjekt für die Kinder der Familie, stand zu dieser Zeit nur die Mutter zur Verfügung. Inwieweit sich dies besonders auf die Sozialisation sowohl der männlichen als auch weiblichen Nachkommen auswirkte bleibt offen. Nach Ende des Krieges, als die Väter aus den Kriegsgebieten zurückkehrten, mußte wieder eine Annäherung sowohl auf zwischenmenschlicher Ebene als auch auf der Ebene der Erziehung der Kinder stattfinden.

Abschließend ist festzuhalten, daß die geschlechtsspezifische Sozialisation des Kindes in den verschiedenen Zeitepochen nie losgelöst von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden kann. Ohne Zweifel spielt auch die Stellung und der Status der jeweiligen Familie einen entscheidende Determinante bei der Vermittlung von geschlechtsspezifischen Haltungen und Handlungen.

Heute findet man im Zuge der Emanzipation immer mehr die Gleichberechtigung beider Geschlechter. Die Frau hat durch ihre Berufstätigkeit (zum Teil aus eigenem Wunsch heraus, zum Teil aus Gründen der materiellen Absicherung) eine größere Unabhängigkeit erlangt. Die Mutterrolle ist nicht immer ein Ziel das von Bedeutung in der Biographie ist. Die Religiöse Erziehung hat weitgehend an Wichtigkeit verloren und die Kirche übt kaum noch Einfluß auf das Erziehungsverhalten der Familien aus. Alle diese Aspekte werfen die Frage auf, in wieweit die Eltern daher auf die geschlechtsbezogene Sozialisation bewußt Einfluss ausüben und mit welchen Zielen sie dies tun. Bei vielen Eltern nimmt die Beschäftigung mit Erziehungsinhalten einen immer größeren Raum innerhalb der täglichen Erziehungsarbeit ein. Es ist jedoch fraglich, ob der Wandel von typisch männlichen und typisch weiblichen Verhaltensweisen schon in dem Maße vollzogen wird, dass man von einer Gleichberechtigung sprechen kann. Ist es nicht noch immer so, daß bei Männern Eigenschaften wie Schwäche und Sensibilität eher negativ ausgelegt werden und Frauen die auf ihrer Meinung beharren und eigenwillig und konsequent ihre Ziele verfolgen eine gewisse Ablehnung entgegengebracht wird? Auf diese und andere Aspekte soll im folgenden genauer eingegangen werden.

[...]


[1] Zitat: Fachlexikon der sozialen Arbeit, S. 877

[2] Zitat: www.wien.gv.at/ma57/gender_mainstreaming/glossar.htm S. 3

[3] Vgl. http:// amor.rz.hu-berlin.de

[4] Vgl. Kürthy, 1978, S.7

[5] vgl. Textor in: www.kindergartenpaedagogik.de/411.html

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Details

Title
Geschlechtsspezifische Sozialisation
College
University of Applied Sciences Koblenz
Grade
2,7
Author
Year
2003
Pages
32
Catalog Number
V33802
ISBN (eBook)
9783638341899
File size
509 KB
Language
German
Notes
In dieser Arbeit wird auf die Sozialisation allgemein, die geschlechtsspezifische Sozialisation, sowie über typisch männliche und weibliche Verhaltensweise und deren Erklärungsansätze eingegangen. Ein weiterer Punkt in dieser Arbeit ist Gender Mainstreaming.
Keywords
Geschlechtsspezifische, Sozialisation
Quote paper
Nadine Reiner (Author), 2003, Geschlechtsspezifische Sozialisation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33802

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