Geschlechterrollen in der DDR-Literatur. Analyse von Günter de Bruyns "Geschlechtertausch" und Christa Wolfs "Selbstversuch. Traktat zu einem Protokoll"


Dossier / Travail, 2016

18 Pages

Theresa Hoch (Auteur)


Extrait


Gliederung:

1. Einleitung

2. Zur Rolle der Frau in der DDR
2.1 Über die weibliche Identitätsfindung

3. Über phantastische Darstellungen in der DDR-Literatur
3.1 Zum Text „Geschlechtertausch“ von Günter de Bruyn
3.2 Zum Text „Selbstversuch. Traktat zu einem Protokoll“ von Christa Wolf

4. Vergleich der Texte und Schlussbetrachtung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Thematik des Geschlechtertauschs in der DDR-Literatur auseinander. Die Frage, der dabei nachgegangen wird, dreht sich um die oft phantastischen Darstellungen dieser Thematiken in der Literatur und inwiefern diese als gesellschaftskritisch verstanden werden können bzw. in welcher Weise besonders die Rolle der Frau in der DDR sich in der entsprechenden Literatur wiederfindet.

Es werden hierzu beispielhaft die Texte von Günter de Bruyn ‚Geschlechtertausch‘ sowie Christa Wolfs ‚Selbstversuch. Traktat zu einem Protokoll‘ herangezogen und entsprechend der Fragestellung erörtert.

Um eine genaueres Bild von der Rolle der Frau in der DDR zu erhalten und um im Anschluss Bezüge innerhalb der Literatur herleiten zu können, wird die Arbeit zunächst auch historische Aspekte bzw. diesbezügliche gesellschaftliche Untersuchungen mit einbeziehen.

Die Identitätssuche der Frau, aber vor allem die Rolle der Frau in der DDR wird beleuchtet. Interessant ist hierbei, dass die Autoren entsprechender Texte häufig auf phantastische Darstellungsmittel zurückgegriffen haben. Da die Protagonisten die Geschlechter tauschen, ist dies vermutlich auch nur so umsetzbar gewesen, da dies in der Realität natürlich nicht möglich wäre. Nur anhand der Phantasie bzw. der phantastischen Darstellungen, war es den Autoren möglich, ein – wenn auch fiktives, aber dennoch – möglichst authentisches Szenario darzustellen, dass die Rollen bzw. Rollenverteilungen von Mann und Frau darstellen sollte. Und dabei sollte vor allem auch mögliche Ungerechtigkeiten hingewiesen werden. Verständnis für das jeweils andere Geschlecht zu entwickeln und so mit Vorurteilen und Ungerechtigkeiten aufzuräumen, kann vielleicht nur gelingen, wenn man sich wenigstens fiktiv in die Identität und das Wesen der/des anderen hineinversetzt. Diese fiktiven, phantastischen Geschlechter- und Rollenwechsel nahmen die Autoren zum Aufhänger und zur literarischen Umsetzung der Thematik.

Die vorliegende Arbeit nimmt weitergehend Bezug auf die Darstellungen der Texte in Verbindung mit jeweils themenbezogenen, interpretierenden Auseinandersetzungen.

Die Arbeit endet mit einer Gegenüberstellung der aus den Texten erarbeiteten Aspekte und einer Schlussbetrachtung.

2. Zur Rolle der Frau in der DDR

Frauen in der DDR wurden darin unterstützt bzw. dazu ermutigt, berufstätig zu sein. Somit begegnete man Frauen diesbezüglich mit Respekt und Wertschätzung. Was zunächst erscheint, wie ein Prinzip von Gleichberechtigung hatte aber in erster Linie wirtschaftliche Zwecke. Frauen in der DDR wurden schlichtweg als Arbeitskräfte benötigt.[1] Zudem scheinen sich in dieser Art der Ermutigung auch idealistische Züge zu finden. Es scheint auch darum zu gehen, durch die Frauen als Arbeitskräfte das sozialistische Gesellschaftsbild zu prägen. Zudem wird der Prozess des Arbeitens als wichtig beschrieben, nicht zuletzt für die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen, also auch der Frauen. Dennoch werden die Frauen hierbei besonders hervorgehoben; die Betonung des „auch“ hinterlässt hierbei einen Eindruck von nicht-authentischer Gleichberechtigung.

Bei Dunskus findet sich die folgende Beschreibung zur Arbeit des Menschen und besonders auch der Frauen im sozialistischen Betrieb:

„Der Mensch, der im sozialistischen Betrieb arbeitet, leistet nicht nur einen Beitrag zur Erfüllung ökonomischer, technischer oder anderer Aufgaben, sondern er verändert sich selbst, entwickelt seine Persönlichkeit. […] Auch die Frauen können ihre Fähigkeiten und Talente nur dann voll entfalten, wenn sie aktiv am gesellschaftlichen Arbeitsprozess teilnehmen. […] Den Arbeitsinhalt anzureichern und die Frauen für die Übernahme von Arbeiten mit höheren Anforderungen zu befähigen und zu gewinnen, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die weitere Persönlichkeitsentwicklung vieler Frauen und eine der wesentlichsten Aufgaben im Prozeß der weiteren Festigung der gesellschaftlichen Stellung der Frau.“[2]

Genauso war man aber auf sozialpolitischer Ebene darum bemüht, Frauen gleichermaßen zum Mutter-Werden und zur Familiengründung zu ermutigen. Beides, Erwerbstätigkeit und Familienplanung, sollten zu vereinen sein. Aus diesem Grund wurden viele Einrichtungen zur Kinderbetreuung errichtet, die den Frauen das Nachgehen eines Berufes ermöglichen sollten.[3]

Sudau beschreibt, dass die sog. Kernfamilie als oberstes Prinzip bzw. als Grundlegung für die sozialistische Gesellschaft galt und diese wiederum benötige zur vollständigen Entfaltung das sozialistische System. Zusammenschlüsse von weiblichen Lebensgemeinschaften waren hingegen verboten. Nur die Kernfamilie galt als richtig und erstrebenswert und dies sollte den Bürgern der DDR auch so vermittelt werden. Frauen, die ein Leben ohne Männer führen wollten, bspw. in einer Kommune, galten als gefährdend für das Prinzip der Kernfamilie.[4]

Frauen wurden nicht nur auf gesellschaftlicher, sondern auch auf politischer Ebene benötigt. Frauen in der DDR hatten sogar vergleichsweise häufig leitende Positionen in öffentlichen oder politischen Ämtern inne. Allerdings galt dies wiederum nicht für wirklich hohe Positionen der politischen Führung.[5]

Koller beschreibt die Frage nach der Rolle der Frau in der DDR als integriert in die „soziale Frage“ im Allgemeinen. Die Unterdrückung der Frau, die, wenn sie nicht erwerbstätig sein durfte, wirtschaftlich von ihrem Mann abhängig war, wurde verstanden als ein weiteres Phänomen der Ausbeutung der Arbeiterklasse. In diesem Sinne galt die Förderung der Frau als allgemeines Vorgehen im Sinne der Arbeiterbewegung der DDR.[6]

2.1 Über die weibliche Identitätsfindung

Betrachtet man die Rolle der Frau über die Jahrhunderte hinweg, lässt sich immer wieder eine gewisses – mal mehr mal weniger ausgeprägtes – Maß der Herabstufung ablesen. Meist bezieht bzw. beschränkt sich in diesem Sinne die der Frau zugesprochene Hauptqualifikation auf ihre biologische Funktion.

Die dieser Arbeit zugrundeliegenden Texte von Christa Wolf und Günter de Bruyn nehmen ebenfalls Bezug auf diese Thematik.

Die Identitätsfindung eines Menschen ist offenbar nicht ohne die Einflüsse der Gesellschaft, also seiner jeweiligen Lebenswelt denkbar.

Auer beschreibt, dass sich in allen Hochkulturen unserer Geschichtsschreibung die Vorherrschaft des Mannes ausfindig machen lässt, „daß es fast scheint, Natur selbst habe solche Ordnung gestiftet.“[7]

Auch beispielsweise bei Sigmund Freud findet sich eine Art natürliche Vorherrschaft des Männlichen beschrieben. In seinen psychoanalytischen Auseinandersetzungen gelangt er schließlich zu der Erkenntnis, dass das Männliche als maßgebend für das Mensch-Sein gilt und das Weibliche nur eine Abweichung davon ist.[8]

Ingeborg Weber kritisierte u.a. an Freud, dass dieser dem „(in-) diskreten Charme des Phallus“ verfallen sei. Den Begriff und die Vorherrschaft des Phallus sah sie nicht „nur symbolisch, sondern [als] eine linguistische Mystifizierung real patriarchalischer Herrschaftsstrukturen.“ [9]

Weber weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass man patriarchalische Strukturen nicht als eine conditio humana verstehen soll, sondern lediglich als eine – veränderbare - Formation von Gesellschaftsstrukturen.

Die Geschlechterforschung oder auch Frauenforschung unterscheidet in diesem Sinne streng zwischen Natur und Kultur. Es wird diesbezüglich ebenfalls unterschieden zwischen dem Geschlecht, was mit „sex“ bezeichnet wird und der Geschlechtsidentität, welche mit „gender“ bezeichnet wird.[10]

Die Forscher der gender-studies distanzieren sich streng von der Annahme, Weiblichkeit sei auf physiologische Begebenheiten zurückzuführen. Die Geschlechtsidentität ist vielmehr kulturell konstruiert und nicht von der geschlechtlichen Anatomie bestimmt.[11]

In der DDR galten Männer und Frauen dem Gesetz nach zwar als gleichberechtigt, dies ließ sich jedoch im Alltag nicht immer bestätigt finden.

Ursula Schröter und Renate Ullrich untersuchten die Rolle der Frau in der DDR genauer. Sie kamen zu dem grundsätzlichen Ergebnis, dass Frauen zwar darin bestärkt und gefördert wurden, berufstätig zu sein. Jedoch änderten sich die Rollenverteilungen im privaten Bereich nicht. Die Hausarbeit und Kindererziehung schien dennoch Frauensache zu bleiben.

Berechnungen zufolge brachte die Haushaltsführung in einem durchschnittlichen Haushalt der DDR 47 Arbeitsstunden mit sich. Der Anteil, den ein Mann daran übernahm, lag bei zwei bis höchstens sieben Stunden. Den Rest hatte die Frau neben ihrer Berufstätigkeit zu erledigen.[12]

3. Über phantastische Darstellungen in der DDR-Literatur

Laut Ehlers findet sich in der DDR-Literatur beim Thema Geschlechterrollen oder auch Geschlechtertausch eine auffällige Vielzahl phantastischer Darstellungsweisen. Ehlers beschreibt zudem, dass die Literatur in diesem Zusammenhang als Ergänzung verstanden werden kann, zu „Selbstdarstellungen von Frauen und deren direkter Referenz auf soziale Wirklichkeit […] am Beginn der 1970er Jahre […].“[13]

Ehlers behält sich jedoch vor, nicht weiter auf Zusammenhänge zwischen der Rezeption von literarischen Traditionen einzugehen oder den Anspruch zu erheben, ein vollständiges Bild der entsprechenden Autoren zu vermitteln. In diesem Sinne seien auch innerhalb der vorliegenden Arbeit lediglich zwei beispielhafte Texte vorgestellt.

Ehlers beschreibt es als Ziel ihrer Darstellung, ein Exempel darzustellen, „Für dieses Modell literarischer Präsentationsform des Geschlechts […], an dem sich auch einige charakteristische Besonderheiten des Verhältnisses von Literatur und ihren außerliterarischen Bedingungen in der Gesellschaft der DDR ablesen lassen.“[14]

Im Jahr 1973 gab es zu diesem Thema des ‚phantastischen Geschlechtertauschs in der DDR-Literatur‘ ein Projekt mit dem Titel ‚Geschlechterverwandlung oder Geschlechtertausch‘. Ausgerichtet wurde das Projekt vom Rostocker Verlag Hinstorff und Edith Andersson. Unter anderem wurde dabei der Text ‚Geschlechtertausch‘ von Günter de Bruyn sowie ‚Selbstversuch. Traktat zu einem Protokoll‘ von Christa Wolf vorgestellt.

Bei Ehlers findet sich - in Bezug auf die verschiedenen damals vorgestellten Texte - folgendes Zitat, welches die Thematik ‚Phantastischer Geschlechtertausch in der DDR-Literatur‘ verdeutlichen kann:

„Mal verwandelt nur eine Person ihr Geschlecht, mal verwandeln sich Mann und Frau, mal ist die Geschichte eingebettet in die Normalität des DDR-Alltags, […] mal spielt die Geschichte in der Zukunft, in der die Geschlechtsumwandlung als wissenschaftliches Experiment durchgeführt wird. […] Alle Geschichten entwickeln aus dem zunächst spielerisch anmutenden Einfall des Geschlechtertauschs eine fundamentale Kritik an der Unterdrückung der Frau und dem patriarchalischen Herrschaftsgestus des Mannes. Sie entwerfen […] zum Teil utopische Bilder eines Lebens, in dem die Polarisierung von männlich und weiblich und die Festschreibung der Rollen märchenhaft-phantastisch aufgehoben werden.“ [15]

3.1 Zum Text „Geschlechtertausch“ von Günter de Bruyn

Günter de Bruyns „Geschlechtertausch“ handelt von einem Ehepaar, welches wie durch Zauberei die Geschlechter bzw. Rollen tauscht. Beide hatten zuvor eher beiläufig den Wunsch geäußert, jeweils der bzw. die andere zu sein, also die Rollen von Mann und Frau zu tauschen. Als sie dann an einem Morgen aufwachen, ist genau dies eingetreten.

[...]


[1] Vgl.Statkova, Susanne: Die Frau im Sozialismus: Informationen, Fakten, Zahlen über die Gleichberechtigung in der DDR, Berlin 1974, S. 16f.

[2] Dunskus, Petra u.a.: Zur Verwirklichung des Rechts auf Arbeit für die Frauen. In: Kuhrig, Petra; Speigner, Wulfram (Hrsg.): Zur gesellschaftlichen Stellung der Frau in der DDR. Leipzig: Verlag für die Frau, 1978, S. 88f.

[3] Vgl. Statkova, S. 34

[4] Vgl. Sudau, Christel: Women in the GDR.In: New German Critique 13, 1978, S. 69-81, S. 78ff.

[5] Vgl. Ebd., S. 71

[6] Vgl. Koller, Doris: Biographisches Schreiben und Selbstreflexion: Frauen der Romantik in Lebensbeschreibungen von Schriftstellerinnen der DDR. Regensburg: Universitätsverlag, 1998, S. 10ff.

[7] Auer, Annemarie: Mythen und Möglichkeiten. In: Anderson, Edith (Hrsg.): Blitz aus heiterem Himmel. Rostock: Hinstorrf Verlag, 1975, S. 239

[8] Vgl. Freud, Sigmund: Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechterunterschieds. In: ders. (Hrsg. Mitscherlich, Alexander u.a.): Sexualleben. Bd. 5. Frankfurt am Main: Fischer, 1972, S. 254f.

[9] Weber, Ingeborg: Poststrukturalismus und écriture féminine: Von der Entzauberung der Aufklärung. In: dies.: (Hrsg.): Weiblichkeit und weibliches Schreiben: Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1994, S. 13-56, S. 20.

[10] Vgl. Arbeitsgruppe „Gender“ (Bausch, C. u.a.): Begehrende Körper und verkörpertes Begehren. Interdisziplinäre Studien zu Performativität und gender. In: Fischer-Lichte, Erika; Wulf, Christoph (Hrsg.): Paragrana. Praktiken des Performativen. Berlin: Akademie Verlag, 2004, S. 251ff.

[11] Vgl. ebd., S. 273

[12] Vgl. Schröter, Ursula; Ullrich, Renate: Patriarchat im Sozialismus? Nachträgliche Entdeckungen in Forschungsergebnissen aus der DDR. Berlin: Karl Dietz Verlag, 2004, S. 67ff.

[13] Ehlers, Hella: Geschlechterdifferenz und kein Ende?: Sozial- und geisteswissenschaftliche Beiträge zur Genderforschung, Münster: LIT Verlag, 2009, S. 130.

[14] Ebd., S. 131

[15] Ebd., S. 131

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Geschlechterrollen in der DDR-Literatur. Analyse von Günter de Bruyns "Geschlechtertausch" und Christa Wolfs "Selbstversuch. Traktat zu einem Protokoll"
Auteur
Année
2016
Pages
18
N° de catalogue
V338805
ISBN (ebook)
9783668284043
ISBN (Livre)
9783668284050
Taille d'un fichier
469 KB
Langue
allemand
Mots clés
geschlechterrollen, ddr-literatur, analyse, günter, bruyns, geschlechtertausch, christa, wolfs, selbstversuch, traktat, protokoll
Citation du texte
Theresa Hoch (Auteur), 2016, Geschlechterrollen in der DDR-Literatur. Analyse von Günter de Bruyns "Geschlechtertausch" und Christa Wolfs "Selbstversuch. Traktat zu einem Protokoll", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/338805

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