Die frühen Werke Wolfgang Koeppens ("Tauben im Gras" 1951) und Martin Walsers ("Ehen in Philippsburg" 1957) stehen in der Tradition bundesdeutscher gesellschaftskritisch-realistischer Romanliteratur. Während Walser in seinem Werk weitgehend die traditionelle Romanform pflegt, knüpft Koeppen mit seinen Tauben im Gras an die literarische Moderne und damit an Autoren wie Döblin, Joyce oder Dos Passos an.
Die beiden ausgewählten literarischen Texte mit ihren fiktiven Geschichten spüren als Zeitdokumente die gesellschaftliche Wirklichkeit der Bundesrepublik in den 1950er Jahren auf, das heißt, die entsprechenden Texte können als „Erkenntnisquelle gesellschaftlicher Wirklichkeit“ verstanden werden.
Ziel dieser Magisterarbeit ist es, anhand einer genauen Textanalyse herauszuarbeiten, wie die bundesrepublikanische Gesellschaft der 1950er Jahre in den entsprechenden Werken dargestellt wird. Wirkmächtige Phänomene der Nachkriegszeit wie beispielsweise der drohende Ost-West-Konflikt oder das sogenannte ‚Wirtschaftswunder’ müssen dabei hintergründig mitgelesen werden, denn es sind jene spezifisch deutschen Verhältnisse der Nachkriegszeit, die die Existenzweise, das Denken und Handeln der jeweiligen Romanfiguren beeinflussen. Durch das Heranziehen dieser beiden Romane als Textgrundlage ist es möglich, wesentliche zeittypische Akzente herauszustellen. Hierbei gilt es zu zeigen, auf welche Fehlentwicklungen und die daraus resultierenden Folgen die Schriftsteller bei ihrer Darstellung der bundesdeutschen Gegenwart kritisch aufmerksam machen.
Die Arbeit geht von der soziologischen Grundannahme aus, dass ein wechselseitiger Zusammenhang von Struktur und Handlung bzw. ein Zusammenhang von sozialen Verhältnissen und Individuum besteht (Mikro-Makro-Dualismus). Demzufolge soll aufgezeigt werden, wie die instabilen Verhältnisse der Nachkriegszeit auf das Individuum einwirken. Unter dieser Voraussetzung ist es von besonderem Interesse der Frage nachzugehen, inwieweit und mit welchen Folgen die Autoren trotz unterschiedlicher Akzente gerade die zwischenmenschlichen Beziehungen zum Kristallisationsort dieser instabilen Zeit machen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Wolfgang Koeppen: Tauben im Gras (1951)
- 1. Wolfgang Koeppens poetologisches Engagement
- 2. Inhaltsangabe des Romans Tauben im Gras
- 3. Traditionslinien
- 4. Gestaltungsmomente
- 5. Koeppens Kritik am politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozess der Bundesrepublik zu Beginn der 1950er Jahre
- 5.1 „Schicksalszeit“, „Wendezeit“: Die frühen 1950er Jahre
- 5.2 Die Großstadt und ihre Bewohner
- 5.3 Die Romangesellschaft im Schatten der Vergangenheit
- 5.4 Die Romangesellschaft und ihr vorherrschender Rassismus
- 5.5 Zusammenfassung
- 6. Die Brüchigkeit der geistesgeschichtlichen Tradition des Abendlandes
- 6.1 Der durch die Zeichen der Zeit verstummte Dichter
- 6.2 Veränderung des Weltbildes durch die Naturwissenschaften
- 6.3 Der Romantitel Tauben im Gras zwischen den Polen von zufälliger Freiheit und Geborgenheit
- 6.4 Zusammenfassung...
- 7. Der literarische Blick auf die bundesrepublikanische Gesellschaft zu Beginn der 1950er Jahre – Funktion und Leistung des Romans Tauben im Gras
- III. Martin Walser: Ehen in Philippsburg (1957)
- 1. Martin Walsers poetologisches Engagement
- 2. Inhaltsangabe des Romans Ehen in Philippsburg
- 3. Traditionslinien und Gestaltungsmomente des Romans
- 4. Schattenseiten des „Wirtschaftswunders“
- 4.1 Die Philippsburger Gesellschaft im Spannungsfeld von „oben“ und „unten“
- 4.2 Auswirkungen des Wohlstandsstrebens auf die Identität der Romanfiguren
- 4.3 Ehe und Gesellschaft vor dem Hintergrund ökonomischer und sozialer Bedingungen in den 1950er Jahren
- 4.4 Martin Walsers Darstellung von Sexualität, Geschlechterrollen und Eheverhältnissen im Roman
- 4.5 Verknüpfung von Kultur und Wirtschaft
- 4.6 Zusammenfassung
- 5. Die nationalsozialistische Vergangenheit als Hintergrundfolie der 1950er Jahre
- 5.1 Die Sichtbarmachung der nationalsozialistischen Vergangenheit im Roman
- 5.2 Zusammenfassung
- 6. Ein literarischer Blick auf die bundesrepublikanische Gesellschaft der 1950er Jahre Funktion und Leistung des Romans Ehen in Philippsburg
- IV. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit analysiert die Darstellung der bundesrepublikanischen Gesellschaft in den frühen 1950er Jahren in Wolfgang Koeppens Tauben im Gras (1951) und Martin Walsers Ehen in Philippsburg (1957). Die Arbeit untersucht, wie die beiden Romane die spezifischen deutschen Verhältnisse der Nachkriegszeit, wie den drohenden Ost-West-Konflikt und das „Wirtschaftswunder“, reflektieren und wie diese Verhältnisse die Existenzweise, das Denken und Handeln der Romanfiguren beeinflussen.
- Die Auswirkungen des „Wirtschaftswunders“ auf die deutsche Gesellschaft
- Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit
- Die Rolle von Familie und Ehe in der bundesrepublikanischen Gesellschaft
- Die Darstellung von Rassismus und Diskriminierung
- Die Bedeutung von Kultur und Wirtschaft im Kontext der Nachkriegszeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die beiden Romane als Zeitdokumente vor, die die gesellschaftliche Wirklichkeit der Bundesrepublik in den 1950er Jahren aufspüren. Sie beschreibt die Zielsetzung der Arbeit, die darin besteht, die Darstellung der bundesrepublikanischen Gesellschaft in den beiden Werken herauszuarbeiten.
Kapitel II analysiert Wolfgang Koeppens Tauben im Gras und beleuchtet dabei Koeppens poetologisches Engagement, die Inhaltsangabe des Romans, seine Traditionslinien und Gestaltungsmomente. Ein Schwerpunkt liegt auf Koeppens Kritik am politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozess der Bundesrepublik zu Beginn der 1950er Jahre, die sich in der Darstellung der Großstadt und ihrer Bewohner, der Romangesellschaft im Schatten der Vergangenheit und dem vorherrschenden Rassismus widerspiegelt. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Brüchigkeit der geistesgeschichtlichen Tradition des Abendlandes, die Koeppen in seinem Roman thematisiert.
Kapitel III widmet sich Martin Walsers Ehen in Philippsburg. Es werden Walsers poetologisches Engagement, die Inhaltsangabe des Romans und seine Traditionslinien und Gestaltungsmomente erläutert. Der Fokus liegt auf der Analyse der Schattenseiten des „Wirtschaftswunders“, die sich in der Philippsburger Gesellschaft und ihrem Wohlstandsstreben widerspiegeln. Es wird untersucht, wie die deutschen Verhältnisse der 1950er Jahre auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und insbesondere auf die Ehen einwirken. Weiterhin werden die Darstellung von Sexualität, Geschlechterrollen und Eheverhältnissen im Roman sowie die Verknüpfung von Kultur und Wirtschaft analysiert. Schließlich wird die Sichtbarmachung der nationalsozialistischen Vergangenheit in Walsers Roman beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen der bundesdeutschen Gesellschaft in der Nachkriegszeit, dem „Wirtschaftswunder“, der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, der Rolle von Familie und Ehe, Rassismus und Diskriminierung sowie der Verknüpfung von Kultur und Wirtschaft.
- Arbeit zitieren
- Verena Fendl (Autor:in), 2013, Deutsche Verhältnisse. Die bundesrepublikanische Gesellschaft in Wolfgang Koeppens "Tauben im Gras" und Martin Walsers "Ehen in Philippsburg", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339522