Biografische Fall- und Milieurekonstruktion

Das Konzept des biografisch-narrativen Interviews


Dossier / Travail de Séminaire, 2005

22 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bedeutung der biografischen Fall- und Milieurekonstruktion im Kontext der Sozialen Arbeit
2.1 Rekonstruktive Sozialpädagogik
2.2 Bedeutung für die Soziale Arbeit
2.2.1 Bedeutung in der sozialpädagogischen Praxis
2.2.2 Bedeutung für die Theoriebildung

3. Das methodische Konzept des biografisch-narrativen Interviews
3.1 Biografisch-narratives Interview
3.1.1 Biografische Arbeit
3.1.2 Grundlagen zum biografisch-narrativen Interview
3.1.3 Der Auswertungsprozess biografisch-narrativer Interviews
3.1.4 Das Konzept der Gesprächstechnik biografisch-narrativer Interviews
3.1.5 Zusammenfassung

4. Kritische Würdigung und Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Einleitend zu meiner Arbeit erscheint es mir sinnvoll zunächst kurz zu klären, was ein „Fall“ ist bzw. wie dieser Begriff in der Sozialpädagogik definiert wird. Des Weiteren möchte ich an dieser Stelle ebenfalls relevante Begriffe, wie z.B. Fallmaterial, Fallbericht, Fallanalyse bestimmen. Im Seminar „Kasuistik – Diagnose und Fallverstehen in der Sozialpädagogik“ erarbeiteten die Studenten unter Leitung von Frau Dr. Ingrid Wichert folgende Definition:

Ein Fall ist das Konstrukt eines Beobachters, der mit der Darstellung des Falles ein bestimmtes Interesse verfolgt.

D.h. durch ein Gespräch (Beratung, etc.), eine Szene oder ein Ereignis nimmt ein Beobachter (Professioneller) einen „Fall“ wahr. So wird z.B. eine Person indem Moment, indem sie einen Arzt konsultiert, ein „medizinischer Fall“. Aus Perspektive der Sozialen Arbeit ist diese Person jedoch noch kein „Fall“. Ein Wandel vollzieht sich hier erst, wenn die betreffende Person eine sozialpädagogische Institution z.B. eine Frauenberatungsstelle, etc. aufsucht. Ein „Fall“ entsteht also erst durch das „In-Beziehung-Setzen“ zwischen Professionellen und Adressaten. Hierdurch wird im weiteren Verlauf die Fallperspektive, die Fallformung sowie die Art der Fallbearbeitung beeinflusst bzw. bestimmt. In einer Institution (z.B. Frauenberatungsstelle) dokumentiert ein Beobachter (Professioneller) das Fallgeschehen z.B. auf Tonband, auf Video oder in Akten. Durch die anschließende Präsentation dieses Fallmaterials durch den Professionellen, der damit eine bestimmte Intention bzw. ein bestimmtes Interesse verfolgt, entsteht ein Fallbericht. Während des Prozesses der Fallanalyse steht die Hypothesenbildung für Erklärungsansätze im Vordergrund.

Im Folgenden habe ich meine Arbeit in drei Abschnitte unterteilt.

Im ersten Abschnitt werde ich zunächst den Begriff der Rekonstruktiven Sozialpädagogik anhand der mir vorliegenden Literatur erläutern. Darauf aufbauend nehme ich unter Punkt 2.2 näheren Bezug auf die Bedeutung der Rekonstruktiven Sozialpädagogik bzw. rekonstruktiver Verfahren, speziell Fall- und Milieurekonstruktion, im Kontext der Sozialen Arbeit. Hierzu stelle ich in den Unterpunkten 2.2.1 sowie 2.2.2 die Bedeutung für die sozialpädagogische Praxis und die Bedeutung für die Theoriebildung gegenüber.

Während des zweiten Abschnittes meiner Arbeit stelle ich unter Punkt 3 das methodische Konzept des biografisch-narrativen Interviews ausführlich vor. Hierzu leite ich unter Punkt 3.1 das Thema mit einem kleinen Exkurs über Biografische Arbeit ein. Anschließend werde ich die Grundlagen, den Auswertungsprozess sowie das Konzept der Gesprächstechnik biografisch-narrativer Interviews unter den Punkten 3.1.2 ff. anhand der mir vorliegenden Literatur darstellen. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt hierbei auf den Ausführungen der Autoren Loch und Schulze (2002). Ich begründe dies damit, dass das von ihnen vorgestellte Kombinations-verfahren zur Auswertung biografisch-narrativer Interviews (vgl. 3.1.3) die von den anderen Autoren der mir vorliegenden Literatur vorgestellten Formen, Verfahren und Theorien in einer sinnvollen und gut verständlichen Weise verbindet. Zudem ist ebenso die umfassende Darstellung des Ablaufes eines biografisch-narrativen Interviews bei Loch und Schulze (2002) in einer sehr übersichtlichen und gut strukturierten Vorgehensweise vorgegeben. Nicht zuletzt hat mich die Aktualität der Literaturvorlage von Loch und Schulz (2002) dazu veranlasst mich vornehmlich auf sie zu berufen. Den Abschluss des zweiten Abschnittes bildet eine prägnante Zusammenfassung des zuvor dargestellten Sachverhaltes.

Am Ende meiner Arbeit wage ich noch einen kurzen Exkurs hinsichtlich einer kritischen Würdigung des vorgestellten Verfahrens auf Basis der Literatur von Nölke (2002) und Galuske (1998).

2. Bedeutung der biografischen Fall- und Milieurekonstruktion im Kontext der

Sozialen Arbeit

Im ersten Abschnitt meiner Arbeit werde ich zunächst den Begriff der Rekonstruktiven Sozialpädagogik anhand der mir vorliegenden Literatur erläutern. Anschließende nehme ich näheren Bezug auf die Bedeutung der Rekonstruktiven Sozialpädagogik, speziell Fall- und Milieurekonstruktion, im Kontext der Sozialen Arbeit.

2.1 Rekonstruktive Sozialpädagogik

Der Begriff der Rekonstruktiven Sozialpädagogik zielt auf den Zusammenhang all jener methodischen Bemühungen im Bereich der Sozialen Arbeit, denen es um das Verstehen und die Interpretation der Wirklichkeit als einer von handelnden Subjekten sinnhaft konstruierten und intersubjektiv vermittelten Wirklichkeit geht.“ (vgl. Wensierski/Jakob, 1997, S. 9 zit. n. Galuske, 1998, S. 199).

Nach Galuske (1998) handelt es sich bei der Rekonstruktiven Sozialpädagogik um den Versuch rekonstruktive Verfahren der qualitativen Sozialforschung für den Bereich der Praxis Sozialer Arbeit nutzbar zu machen (vgl. ebd., S. 199). Hierbei handelt es sich vornehmlich um Methoden, die „mittels spezifischer Verfahren die Konstruktion der Biografie durch die Subjekte [Klienten] selbst aufdecken und verstehbar machen“ (vgl. ebd., S. 199). Nölke (2002) schreibt, dass der Professionelle, um die lebenspraktischen Probleme seines Klienten verstehen zu können, sowohl die sichtbaren als auch die latenten Sinnenszusammenhänge der Problemlagen unter maximaler Mitwirkung des Klienten rekonstruieren muss (vgl. ebd., S. 166). Zu diesem Zweck bedient sich die Rekonstruktive Sozialpädagogik der Verfahren der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik um nicht zuletzt „die enge Schematik der methodischen Dreifaltigkeit in der Sozialen Arbeit – Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit – zu überwinden [...] [und um] lebensweltorientierte Methoden auszubauen“ (vgl. Galuske, 1998, S. 199). Galuske (1998) sowie Nölke (2002) verweisen darauf, dass die Sozialwissenschaften hier methodisch ein breites Spektrum an erprobten Verfahren offerieren (vgl., ebd., S. 199; S. 167). Vorrangig wird jedoch hinsichtlich der Anwendung bzw. Übertragung auf das Gebiet der Praxis bisher die ethnographische (Biografie-)Forschung präferiert (vgl. Galuske, 1998, S. 199). Auch Nölke (2002) manifestiert, dass die Biografieanalyse ein sozialwissenschaftliches Verfahren der Einzelfallrekonstruktion darstellt (vgl. ebd., S. 167). Diese ethnografische Biografieforschung bzw. narrative Interviewstrategien werde ich unter Punkt 3.1 ff ausführlich vorstellen.

2.2 Bedeutung für die Soziale Arbeit (vgl. Galuske; Loch/Schulze 4.ff)

Rekonstruktive Auswertungsverfahren führen im Forschungsalltag zu analytisch-fundiertem Fallverstehen und empirisch geerdeten Theoriebildungen; sie erschöpfen sich nicht nur in der Reproduktion der Fallgeschichten.“ (zit. n. Loch und Schulze, 2002, S. 559).

Im Folgenden gehe ich ausführlich auf die Bedeutung rekonstruktiver Verfahren für die Soziale Arbeit ein. Hierzu stelle ich die Bedeutung für die sozialpädagogische Praxis und die Bedeutung für die Theoriebildung gegenüber.

2.2.1 Bedeutung in der sozialpädagogischen Praxis

Nölke (2002) schreibt, dass dem beruflichen Handeln in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern bereits eine biographische Perspektive eigen ist (vgl. ebd., S. 167). Eine derartige biografische Perspektive ermöglicht es, die vordergründigen als fremd, widersprüchlich und normabweichend erscheinenden Attitüden, Handlungen und Lebensentwürfe des Klienten als Ausdruck dessen Sinnesstruktur zu sehen/verstehen, welche sich aus dem Zusammenspiel von objektiven Lebensbedingungen und subjektiven Entwürfen als Resultat eines lebensgeschichtlichen Handlungs-, Erleidens- und Wandlungsprozesses hat ausbilden können (vgl. ebd., S. 168). Auch Loch und Schulze (2002) gehen davon aus, dass die „Nahtstelle zwischen Forschung und Praxis“ (d.h. Übertragung/Anwendung von sozialwissenschaftlichen Konzepten/Methoden in die Praxis der Sozialen Arbeit) ein enormes Potential für die Handlungspraxis bietet (vgl. ebd., S. 570). Sie verweisen darauf, dass das biografisch-narrative Interview als methodisches Konzept in der rekonstruktiven Sozialpädagogik grundlegende Handlungsorientierungen für die Interaktions- bzw. Interventions-gestaltung in der Praxis offeriert (vgl. ebd., S.571). Somit wird es möglich Logik, Planung sowie Struktur in das professionelle Handeln in der Sozialen Arbeit auf dem Gebiet der Fall- bzw. Milieurekonstruktion zu bringen (vgl. ebd.). Fallrekonstruktives Vorgehen bedeutet aber auch, dass Handlungsabläufe in der Sozialen Arbeit nicht standardisierbar sind. Vielmehr geht es um die Ausbildung eines professionellen Habitus sowie um die Einsozialisierung in methodische Zugänge, aus denen professionelle Fähigkeiten erwachsen (vgl. ebd.). Hinsichtlich des professionellen Habitus zielen die methodischen Schritte der biografischen Fallrekonstruktion darauf hin, den jeweils speziellen Fall in dessen individueller Fremdheit bzw. Besonderheit zu betrachten und diesen nicht vorschnell in „vertraute (Problem-) Kategorien“ zu stecken (vgl. ebd.; Galuske, 1998, S. 202). Entscheidend ist hier nach Loch und Schulze (2002) die Bereitschaft zur Perspektivenübernahme durch den Professionellen (vgl. ebd., S. 571). Ich würde dies mit dem Begriff des Fremdverstehens aus der Hermeneutik gleichsetzen. Loch und Schulze (2002) gebrauchen hier den Begriff der „ethnografischen Neugier“ (vgl. ebd., S. 571). Diese ermöglicht „das Fremde“ in dessen Eigenlogik zu beobachten und „die [eigene] Aufmerksamkeit darauf zu richten, im Offensichtlichen und Vertrauten, die verborgenen Fallstrukturen aufzudecken“ (vgl. ebd.).

Für Galuske (1998) ist die Relevanz dieser Verfahren bzw. Vorgehensweisen für die Anamnese sowie für die Diagnose innerhalb der Sozialen Fallarbeit „kaum strittig“ (vgl. ebd., S. 202). Er verweist jedoch darauf, dass zu prüfen sei, ob bzw. inwieweit diese sozialwissenschaftlichen Forschungsverfahren für die Praxis Sozialer Arbeit relevant sein können hinsichtlich der hohen Fallzahlen und des doch recht umfassenden Analyseprozesses (vgl. ebd.). Weiter manifestiert er, dass die praktische Durchführung spätestens an der zu geringen Kapazität der Professionellen (Sozialpädagogen, etc.) zu scheitern droht (vgl. ebd.).

[...]

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Biografische Fall- und Milieurekonstruktion
Sous-titre
Das Konzept des biografisch-narrativen Interviews
Université
University of Lüneburg
Cours
Kasuistik - Diagnose und Fallverstehen in der Sozialpädagogik
Note
1,0
Auteur
Année
2005
Pages
22
N° de catalogue
V34025
ISBN (ebook)
9783638343541
ISBN (Livre)
9783656203698
Taille d'un fichier
437 KB
Langue
allemand
Mots clés
Biografische, Fall-, Milieurekonstruktion, Konzept, Interviews, Kasuistik, Diagnose, Fallverstehen, Sozialpädagogik
Citation du texte
Dipl.-Sozialpäd. Stefan Dannheiser (Auteur), 2005, Biografische Fall- und Milieurekonstruktion , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34025

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