Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Das Geleit Martin Luthers im biographischen und (rechts-)historischen Kontext
3. Das Geleit Luthers und die (soziale) Konstituierung des Raumes
3.1. Das Geleit als Schlüssel zum Raum
3.2. Die Reise unter Geleit als „Triumphzug“
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Als Martin Luther am zweiten April 1521 der kaiserlichen Vorladung vor den Wormser Reichstag folgte und sich unter Zusicherung freien Geleits1 mit einer - zunächst - kleinen Gruppe von Begleitern2 unter dem Schutz des Reichsheroldes Kaspar Sturm von Wittenberg aus auf den Weg machte, löste dies auf Seiten der Kurie Entrüstung aus. So störte sich etwa der päpstliche Nuntius Hieronymus Aleander nicht nur an der Tatsache, dass ein bereits verurteilter Ketzer überhaupt freies Geleit erhielt,3 sondern auch an der konkreten Reisegestaltung. Er könne, so schrieb Aleander nach Rom, „bei der Unsicherheit der hierüber verbreiteten verschiedenartigen Gerüchte nur das eine versichern, daß der schurkische Herold, der ihn geleitet, […] aus der Reise Martins einen Triumphzug“ („ gran triumphi di Martino “) mache.4
Dass diese Reise überhaupt stattfand, war allerdings alles andere als selbstverständlich: Noch im April 1521 diskutierte der kursächsische Kanzler Gregor Brück in einem Gutachten die Ernsthaftigkeit des kaiserlichen Geleits nach der Veröffentlichung eines Sequestrationsmandates, das zur Ablieferung der Schriften Luthers an die Obrigkeit aufrief5 und daran anknüpfend die Frage, ob Luther „kommen“ oder „auspleiben“ solle.6 Die Reise Martin Luthers unter freiem Geleit nach Worms und zurück war folglich offenbar mehr als die abgesicherte Fortbewegung von Ort A nach Ort B, sondern lässt sich auch aus verschiedenen machtpolitischen und (raum-)soziologischen Perspektiven betrachten - vom raumprägenden „Triumphzug“7 bis zur Infragestellung der Ernsthaftigkeit des Geleits, die wiederum auf den Kaiser als eine bedeutende Machtinstanz über den Raum verweist.
Auch wenn es sich bei dem Geleit Martin Luthers schon wegen dessen exponierter Stellung um einen wenig exemplarischen Sonderfall handelt,8 lässt es sich folglich in die Überlegungen einfügen, die im Zuge des sogenannten spatial turn 9 formuliert wurden und zu großen Teilen auf die Annahmen des französischen Philosophen Henri Lefebvre zurückgehen: Raum werde sozial konstituiert und spiele eine große Rolle bei der Herstellung sozialer Beziehungen.10
In jüngeren Studien wurde versucht, derartige Ansätze für die geschichtswissenschaftliche Erforschung der Frühen Neuzeit11 fruchtbar zu machen. So erklärte der Erlangener Historiker Axel Gotthard in einer Arbeit zur frühneuzeitlichen Raumwahrnehmung, dass es sich lohne, „danach zu fragen, wie Eliten aller Zeitalter durch welche sozialen Praktiken welche Räume konstituiert [...] haben.“12
Anschließend an diese These(n) soll in der vorliegenden Arbeit genauer untersucht werden, inwiefern auch durch das Geleit Martin Luthers und seine konkrete Ausführung Raum konstituiert wurde. Dabei soll insbesondere auch die - über die auf Eliten bezogene These Gotthards hinausgehende - Frage thematisiert werden, welche Formen und Akteure von Macht mit dem Geleit Martin Luthers und seiner konkreten Ausführung verbunden waren und in den Blick genommen werden, wie sich die Macht über den Raum und die Macht über Menschen gegenseitig bedingten und beeinflussten. Aufgrund der in diesem Rahmen notwendigen Begrenzungen sollen hierbei zwei Aspekte im Vordergrund stehen: Erstens, inwiefern das Geleit als raumöffnend, als „Schlüssel zum Raum“ fungierte und zweitens, welche Praktiken und Symbole hierbei eine Rolle spielten.
Um den eigentlichen Untersuchungsgegenstand zu konkretisieren, scheint in diesem Zusammenhang zunächst eine knappe Einordnung des Geleits Martin Luthers zum Wormser Reichstag in den biographischen sowie den (rechts-)geschichtlichen Kontext nötig, ehe im eigentlichen Hauptteil die einschlägigen Quellen auf besagte Fragestellungen hin untersucht werden. Wie bereits angedeutet, bietet sich dabei der Rückgriff auf theoretische Konzepte aus der Soziologie und Sozialgeographie an, mit deren Hilfe sich Termini wie „Macht“ oder „Raum“ eventuell besser fassen lassen. Auf der anderen Seite können diese Theorien möglicherweise anhand des vorliegenden konkreten Beispiels diskutiert werden.
2. Das Geleit Martin Luthers im biographischen und (rechts-)historischen Kontext
Martin Luther wurde als „Martin Luder“ 148313 in Eisleben geboren und trat nach seinem sogenannten „Gewittererlebnis“, bei dem er im Angesicht eines Blitzeinschlags gelobt haben soll, Mönch zu werden, wenn er das Unwetter überlebe, während seines Studiums 1505 in ein Augustinerkloster ein.14 Dem damit verbundenen Theologiestudium folgte 1512 eine entsprechende Professur in Wittenberg15 - fünf Jahre später veröffentlichte er 95 kirchenkritische Thesen, die als Ausgangspunkt der Reformation betrachtet werden können.16
Auch aufgrund dieser Thesen wurde - nach vorangegangener Bannandrohungsbulle - am 3. Januar 1521 der Bann über Luther17 ausgesprochen. Ein solcher Ausschluss aus der Gemeinschaft der Heilsmittel hatte im Mittelalter prinzipiell auch den Ausschluss aus dem rechtlichen Gemeinwesen zur Folge: die Reichsacht. Doch nicht zuletzt durch den Einsatz seines Landesvaters, dem sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen, war Luther eine solche Acht vorerst erspart geblieben; stattdessen sollte er zunächst auf dem Wormser Reichstag verhört werden.18
Wie die im komplexen Machtgefüge zwischen Kaiser, Kurfürst Friedrich dem Weisen und den übrigen Ständen sowie der Kirche ausgehandelte Vorladung nach Worms,19 war auch die Erteilung des Geleits mehrfach überdacht und modifiziert worden: Der überlieferten und tatsächlich an Luther übergebenen Fassung war offenbar eine schärfere Variante vorausgegangen.20 Auch der ursprüngliche Plan, das Geleitschreiben von einem einfachen Boten überbringen zu lassen,21 war dahingehend revidiert worden, dass Vorladung und Geleitschreiben vom Reichsherold Kaspar Sturm zugestellt wurden, der die darin zugesicherte „Sicherhait und Gelait wider menigklich“22 über 21 Tage auch gewährleisten sollte.23 Zusätzlich stellten auch Friedrich der Weise und sein Bruder Johann24 sowie Herzog Georg „der Bärtige“ von Sachsen25 Geleitschreiben aus. Drei Tage nach dem Erhalt der kaiserlichen Schreiben brach Luther am 2. April 1521 von Wittenberg aus auf26 und traf nach Aufenthalten unter anderem in Leipzig, Erfurt oder Frankfurt am
Main27 am 16. April in Worms ein28 - am darauffolgenden Tag wurde er auf dem dort stattfindenden Reichstag verhört. Letzte Konsequenz dieses Verhörs, auf das hier nicht im Detail eingegangen werden soll,29 war das Ende Mai von Kaiser Karl V. mit der mehrheitlichen Zustimmung der Reichsstände erlassene, auf den 8. Mai 1521 datierte30 Wormser Edikt, das die Reichsacht über Luther verhängte.31
Luther selbst war bereits einen knappen Monat zuvor (am 26. April) aus Worms abgereist und hatte - offenbar über die folgenden Ereignisse grob informiert32 - den Reichsherold Kaspar Sturm bei Friedberg entlassen, ehe er am 4. Mai bei einem fingierten Überfall „entführt“, auf die Wartburg gebracht und dort gut zehn Monate lang versteckt gehalten wurde.33 Die in diesem Zusammenhang zunächst aufgekommene Annahme, das Geleit sei gebrochen und Luther womöglich umgebracht worden,34 rief eine Reaktion Aleanders hervor, die Fragen zur Ernsthaftigkeit des Luther'schen Geleits aufwirft. Die mit dem scheinbaren Geleitbruch verbundenen Vorwürfe wollte der ja ohnehin nicht verantwortliche päpstliche Nuntius schon formalrechtlich nicht gelten lassen: Luther habe „gegen das ausdrückliche Verbot des Kaisers sich erkühnt, am Tage der Kreuzesfindung in Eisenach zu predigen, weshalb er auf das Vorrecht des freien Geleites durchaus keinen Anspruch mehr hat.“35 Die Beobachtung, dass Luther, der bereits auf der Hinreise trotz des Verbotes gepredigt hatte,36 die kaiserlichen Auflagen hier nicht ernstzunehmen und einen Verfall des Geleits zu riskieren scheint, ist allerdings zu differenzieren. In anderen Zusammenhängen schien der Reformator durchaus auf sein Geleit bedacht gewesen zu sein37 und trug den Geleitbrief offenbar stets bei sich.38 Dieser Wertschätzung standen aber möglicherweise gewisse Zweifel gegenüber,39 wie ernst das kaiserliche Geleit zu nehmen war, was nicht nur vor dem Hintergrund des Geleitbruchs im Falle Jan Hus' gut 100 Jahre zuvor40 plausibel scheint: Es wirkt wie eine Absicherung, dass Luther neben dem kaiserlichen41 diverse Geleitbriefe einzelner Landesherren erhalten hatte - für die Rückreise kam etwa ein entsprechendes Schreiben Philipps von Hessen hinzu.42
Hier zeigt sich der komplexe Charakter des Geleits für Martin Luther: Das kaiserliche Geleitschreiben wurde durch weitere territorial beschränkte Geleite ergänzt, die sich wiederum unterschiedlich kategorisieren lassen. So ging das hessische Geleit möglicherweise auf veränderte Bedürfnisse Luthers ein und war eventuell auch von gewissen Sympathien für diesen motiviert,43 während Georg von Sachsen ein entsprechendes Schreiben ausstellte, obwohl er Luther gegenüber äußerst negativ eingestellt war.44 Das kursächsischen Geleitschreiben kann wiederum auch als Reaktion auf den kaiserliche Versuch, die Vorladung von Friedrich dem Weisen vornehmen zu lassen,45 gedeutet werden. Aufgrund dieser Vielschichtigkeit und Komplexität können die entsprechenden (rechts-)historischen Definitionen das Geleit Luthers oftmals nicht gänzlich fassen. Das Verständnis vom mittelalterlichen und neuzeitlichen Geleit als „sichere Führung eines Reisenden durch Bewaffnete gegen Entgelt“46 trifft im vorliegenden Fall selbst dann nicht zu, wenn man die landesherrlichen Zusatzgeleite ignoriert und das - eben ohne vorherige Zahlungen erteilte47 - Geleit des Kaisers in den Mittelpunkt stellt. Unter den dargelegten Prämissen ist aber auch die Definition Ulrich Müllers problematisch. Demnach sei Geleit „der Schutz, den ein zur Gewährung des Ausnahmeschutzes befugter Schutzgeber in seinem Herrschaftsbereich einem mit ihm nicht identischen Schutznehmer durch Brief und/oder Begleiter erteilt“, wobei das Ziel dieses Schutzes sei, „dem Schutznehmer den zeitweiligen Aufenthalt im Machtbereich des Schutzgebers zu ermöglichen.“48 Im Falle Luthers lagen durch die Mehrzahl der Geleitschreiben durch Schutzgeber von unterschiedlichem Rang allerdings auch mehrere Machtbereiche - nämlich Reich und das jeweilige landesherrliche Territorium49 - vor. Überdies waren - so jedenfalls eine mögliche Rechtsauffassung, die der sächsische Kanzler Gregor Brück in einem Gutachten darstellte - auch die Kurfürsten, Fürsten und Stände für die Einhaltung des Geleits verantwortlich.50
Auch der „zeitweilige Aufenthalt“ fand auf mehreren Ebenen statt: So dauerte etwa der Aufenthalt im Machtbereich Karls V. noch an, während er im kursächsischen Territorium bereits beendet war. Die schwierige Fassbarkeit des Luther'schen Geleits räumt Müller an anderer Stelle allerdings selbst ein, wenn er die klare Einordnung dieses Geleits in die verschiedenen, von der (rechts-)historischen Forschung herausgearbeiteten Geleitarten ablehnt51 - was übrigens auch für die Einordnung der Form der Geleitsausübung gilt: Hier wird gemeinhin zwischen Personal- und Briefgeleit unterschieden;52 Luther, der Geleitbriefe erhielt und diesen, wie gezeigt, eine hohe Bedeutung beimaß, verfügte durch die parallele Begleitung des Reichsherolds jedoch über beide Varianten zugleich.
3. Das Geleit Luthers und die (soziale) Konstituierung des Raumes
Während Literatur, die sich ausdrücklich mit dem Geleit Luthers beschäftigt, praktisch nicht existiert, waren seine Reisen - und somit auch die durch das Geleit ermöglichte Fahrt nach Worms53 - immer wieder Gegenstand verschiedener Darstellungen. Fragt man im Hinblick darauf nach „Raum“, ergeben sich recht unterschiedliche Verständnisse und Perspektiven. So schrieb etwa der Historiker Johann Theodor Lingke 1769 eine „Reisegeschichte“ Luthers, in der sich ein ausgesprochen materielles Raumverständnis findet: Lingke strukturierte (auch) seinen Text über Luthers Reise nach Worms analog zu den zurückgelegten Streckenabschnitten zwischen Wittenberg und Worms und argumentierte bei der Rekonstruktion ebendieser vor allem mit räumlichen Entfernungen.54 Dieses recht konkrete Raumverständnis ist auch in Arbeiten des 19.
Jahrhunderts zentral - etwa in Karl Friedrich Köhlers Monographie über „Luther's Reisen“, in denen erneut die (nicht immer einfache) Rekonstruktion von Luthers Reiserouten unternommen wird.55 Ergänzt wird dieses Raumverständnis hier aber durch eine politisch-geographische Ebene, wenn politische bzw. proto-konfessionelle Grenzen auf der Strecke von Wittenberg nach Worms betont werden.56
Dieses enge (geographisch)-politische Raumverständnis findet sich auch in neueren Texten zu Martin Luther,57 während die neueste Forschung - nicht immer erfolgreich - verstärkt andere Aspekte des Räumlichen in den Vordergrund stellen möchte. So fragte jüngst etwa Karen Michels im Untertitel ihrer 2010 erschienen Monographie „Martin Luther - die Lektionen der Straße“ danach, wie „die Welt das Denken des Reformators veränderte“. Bis auf die angedeutete Erkenntnis, dass sich die Reise in ein Muster einordnen lasse und zu den durch die „aufkommenden Unruhen“ bedingten „vier Fahrten in bedeutende deutsche Städte“ zu zählen sei,58 bleibt Michels die Antwort zumindest bezüglich der Fahrt nach Worms schuldig, die sie nur auf einer deskriptiven Ebene der Quellennacherzählung anreißt.59
In der Fragestellung Michels' deutet sich allerdings grundsätzlich an, dass sich „Raum“ auch im Hinblick auf die Reisen - und damit auch auf das Geleit - Luthers jenseits von einem rein topographischen bzw. geographisch-politischen Verständnis fassen lässt. Neben den bei Michels angedeuteten Wahrnehmungsfragen rückt hierbei auch ein soziologischer Raumbegriff in den Fokus; etwa wenn man symbolträchtige Ereignisse wie einen „Triumphzug“ auch vor dem Hintergrund der „jeweils eingenommenen Stellung“ der jeweiligen Protagonisten „im Raum“ liest und damit auch auf den Begriff des „sozialen Raumes“ nach Pierre Bourdieu verweist.60 Zugleich lassen sich sozialer, politischer, rechtlicher oder geographischer Raum aber nicht immer klar trennen - bereits 1986 hat Reinhart Koselleck auf die Vielzahl von Raumverständnissen hingewiesen und verdeutlicht, dass die „Vorentscheidungen“ (auch) über die benutzte Raumdefinition „in sehr unterschiedliche Relationsbestimmungen von Raum und Geschichte“ führten.61
Um das Verhältnis von Raum und Geschichte am Beispiel des Geleits Martin Luthers aus möglichst vielen Perspektiven betrachten zu können, wird „Raum“ im Folgenden recht breit im Sinne der Soziologin Martina Löw verstanden - ohne andere Raumkonzepte, die sich gerade in Bezug auf die vorliegenden Quellen ergeben, vollständig ausblenden zu wollen.62 Für Löw ist „Raum eine relationale (An)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern [..]. Raum werde durch zwei analytisch zu unterscheidende Prozesse konstituiert, das Spacing und die Syntheseleistung“.63 „Spacing“ bedeute dabei das „Errichten, Bauen oder Positionieren“ von sozialen Gütern und Menschen, während mit einer „Syntheseleistung“ gemeint sei, dass „über Wahrnehmungs-, Vorstellungs- oder Erinnerungsprozesse [..] Güter und Menschen zu Räumen zusammengefasst“ werden.64
Im Hinblick auf den zweiten grundlegenden Begriff der vorliegenden Arbeit, 'Macht', soll auf die Definition Michael Foucaults zurückgegriffen werden, für den Macht ein „Ensemble von Handlungen, die sich auf mögliches Handeln richten“ darstellt, das die Wahrscheinlichkeit von möglichen Handlungen erhöht oder senkt.65 Abgesehen davon, dass sich dieser Machtbegriff einem wertenden, negativen Duktus enthält, scheint er in der vorliegenden Arbeit vor allem deshalb sinnvoll, weil sich Macht hier „stets […] auf handelnde Subjekte“66 richtet, wodurch sich die angenommene soziale Konstituierung des Raumes auch dann nutzbar machen lässt, wenn man nach Macht über den Raum fragt.
3.1. Das Geleit als Schlüssel zum Raum
Mitte April 1521 gab es für den päpstlichen Nuntius Hieronymus Aleander wenig Grund für Optimismus: Trotz mehrfacher Verhinderungsversuche67 stand die Ankunft Luthers auf dem Wormser Reichstag kurz bevor; überdies war dessen Reise angeblich zu einem „Triumphzug“ für Luther geworden.68
[...]
1 Zur konkreten Bedeutung des Geleitbegriffes vgl. Kap. 2.
2 Kurz vor dem Einzug gesellten sich zu Luthers Reisebegleitern noch ungefähr 100 Reiter (Aleander, H.: Die Depeschen des Nuntius Aleander vom Wormser Reichstage, hrsg. u. übers. v. P. Kalkoff, Halle a. S. 1897, S. 167).
3 Vgl. Brendler, G.: Martin Luther: Theologie und Revolution. Eine marxistische Darstellung (DDR-Lizenzausgabe), Köln 1983, S. 219 u. Aleander, H.: Depeschen, S. 125.
4 Aleander, H.: Depeschen, S. 159. Der Originaltext findet sich bei Brieger, Th.: Aleander und Luther 1521. Die vervollständigten Aleander-Depeschen nebst Untersuchungen über den Wormser Reichstag, Gotha 1884, S. 134f. Der Leserlichkeit halber wird im Folgenden die deutsche Übersetzung verwendet und nur in Einzelfällen um den Urtext ergänzt.
5 Vgl. Steitz, H.: Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms 1521. Zur 450-Jahrfeier des Wormser Reichstags 1971, Frankfurt a. M. 1971, S. 77.
6 Vgl. RTA 2 Nr. 77, S. 534-537.
7 Zur Raumprägung vgl. Kap. 3.2.
8 Vgl. nur S. 5f. zur Problematik der rechtshistorischen Einordnung.
9 Eine knappe, aber nicht unumstrittene Definition betrachtet im spatial turn (der Geschichtswissenschaften) die „gesteigerte Aufmerksamkeit für die räumliche Seite der geschichtlichen Welt“ (Schlögl, K.: Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik, Wien/ München 2003, S. 68), vgl. zur Bedeutungsspanne auch Bachmann-Medick, D.: Cultural Turns. Neuorientierung in den Kulturwissenschaften, Hamburg 2007, S. 284f.
10 Vgl. etwa Lefebvre, H.: The Production Of Space, Oxford 1991, S. 30. Vgl. auch Bachmann-Medick, D.: Cultural Turns, S. 291.
11 Luther wird in der vorliegenden Arbeit als epochale Grenzfigur verstanden, weshalb Beobachtungen und Erkenntnisse aus der Erforschung beider Epochen - dem Spätmittelalter wie der Frühen Neuzeit - herangezogen werden.
12 Gotthard, A.: Gibt es eine typisch frühneuzeitliche Raumwahrnehmung?, in: H. Neuhaus (Hrsg.): Die Frühe Neuzeit als Epoche, München 2009, S. 307-323, S. 312.
13 Das Geburtsjahr ist unsicher und wurde vermutlich vor einem astrologischen Hintergrund von Luther selbst angepasst (vgl. Schwarz, R.: Luther (UTB Wissenschaft 1926), Göttingen ²1998, S. 15, Anm. 1 u. Leppin, V.: Martin Luther (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2006, S. 16).
14 Vgl. Schwarz, R.: Luther, S. 23. Nach dem Abschluss seines artistischen (Grund-)Studiums in Erfurt war Luther an die juristische Fakultät gewechselt.
15 Vgl. Schwarz, R.: Luther, S. 35f.
16 Vgl. Leppin, V.: Martin Luther, S. 117 u. 126.
17 Die Änderung des Namens von „Luder“ in „Luther“ lässt sich ab Mitte Oktober 1517 beobachten (vgl. Leppin, V.: Martin Luther, S. 124).
18 Vgl. Leppin, V.: Martin Luther, S. 171.
19 Gert Wendelborn spricht in diesem Zusammenhang von einer „Schaukelpolitik des Kaisers“ (Wendelborn, G.: Martin Luther. Leben und Reformatorisches Werk, Wien/Köln/Graz 1983, S. 143). Vgl. auch Brecht, M.: Martin Luther. Sein Weg zur Reformation 1483-1521, Stuttgart 1981, S. 413 - 424.
20 Vgl. Kroker, E.: Kaiser Karls V. Vorladungsschreiben an Luther zum Reichstag in Worms 1521, in: Ders. (Hrsg.): Aufsätze zur Stadtgeschichte und Reformationsgeschichte, Leipzig 1929, S. 81-96, S. 90.
21 Vgl. Aleander, H.: Depeschen, S. 118.
22 WAB 2 Nr. 383. Zur Frage des Geleitverfalls nach diesem Zeitraum vgl. S. 17.
23 Vgl. Kroker, E.: Kaiser Karls V. Vorladungsschreiben, S. 90.
24 Vgl. RTA 2 76, S. 533.
25 Vgl. Kroker, E.: Kaiser Karls V. Vorladungsschreiben, S. 84.
26 Vgl. Brecht, M.: Martin Luther, S. 427.
27 Zur Route vgl. etwa Brecht, M.: Martin Luther, S. 427f. (Hinweg) und Badstübner-Gröger, S./ Findeisen, P.: Martin Luther. Städte, Stätten, Stationen. Eine kunstgeschichtliche Dokumentation, Leipzig 1983, S. 199 u. S. 203-208 (Rückweg). Vgl. zur detaillierten Diskussion in der älteren Forschung Lingke, J.T.: D. Martin Luthers merkwürdige Reisegeschichte zu Ergänzung seiner Lebensumstände und Erläuterung der Reformationsgeschichte aus bewährten Schriften und zum Theil ungedruckten Nachrichten beschrieben und nach dem Jubiläo des Reformationsfestes in Sachsen herausgegeben, Leipzig 1769, S. 87f., Köhler, K.F.: Luther's Reisen und ihre Bedeutung für das Werk der Reformation, Eisenach 1872, S. 74-79 u. 90-96, sowie WAB 12, S. 25, Anm. 2.
28 Vgl. Badstübner-Gröger, S./ Findeisen, P.: Städte, Stätten, Stationen, S. 199.
29 Zur Ereignisgeschichte auf dem Wormser Reichstag vgl. etwa Leppin, V.: Martin Luther, S. 171-181 oder Brecht, M.: Martin Luther, S. 431-447.
30 Hermann Conrad betont, dass dieses Datum auf dem Tag der kaiserlichen Genehmigung des Ediktes beruht und „nicht böswillig zurückdatiert“ sei (Conrad, H.: Deutsche Rechtsgeschichte. Band II: Neuzeit bis 1806, Karlsruhe 1966, S. 9).
31 Leppin, V.: Martin Luther, S. 178f.
32 Vgl. WAB 2, Nr. 400, S. 305. Für Köhler spielt das Erreichen des hessischen Territoriums, für das Luther ja ein Geleitbrief ausgestellt worden war, eine Rolle. Luther habe sich nun sicher gefühlt und den Reichsherold „zweifelsohne“ deshalb entlassen (vgl. Köhler, K.F.: Luther's Reisen, S. 92).
33 Leppin, V.: Martin Luther, S. 202.
34 Vgl. Brecht, M.: Martin Luther, S. 450. So vermerkte etwa Albrecht Dürer auf seinem während einer Reise durch die Niederlande geführten Tagebuch: „Dann do ihn des Kaisers Carols Herold mit dem kaiserlichen Geleit war zugeben, dem ward vertrauet; aber sobald in der Herold bracht bei Eyßenach in ein unfreundlich Ort, saget' [er], er dörfe sein nit mehr, und ritt von ihm. Alsbald waren 10 Pferd do, die führten verräterlich den […] Mann hinweg […]. Und lebt er noch oder haben sie ihn gemördert, das ich nit weiß […].“ (Dürer, A.: Tagebuch der Reise in die Niederlande, Leipzig 1914, S. 58).
35 Aleander, H.: Depeschen, S. 239.
36 So jedenfalls Badstübner-Gröger und Findeisen ohne weiteren Beleg (vgl. Badstübner-Gröger, S./ Findeisen, P.: Städte, Stätten, Stationen., S. 199). Zum Verbot auf der Rückreise vgl. auch RTA 2 Nr. 85, S. 610.
37 Vgl. S. 10 u. 15 sowie etwa Simon, M.: Johann Petzensteiner, Luthers Reisebegleiter in Worms, ZbKG 35 (1966), S. 113-137, S. 119.
38 Vgl. Aleander, H.: Depeschen, S. 209 u. Kroker, E.: Kaiser Karls V. Vorladungsschreiben, S. 82.
39 Vgl. S. 13f.
40 Jan Hus war 1415 nach seiner Reise zum Konstanzer Konzil trotz zugesicherten freien Geleits verbrannt worden, wobei die Frage nach dem Geleitrecht für einen Ketzer und die Frage der Gültigkeit für den Rückweg umstritten ist (vgl. Kejř, J.: Die Causa Johannes Hus und das Prozessrecht der Kirche, Regensburg 2005, S. 139f. u. S. 165).
41 Bei Köhler findet sich im 19. Jahrhundert die Behauptung, das Geleit für die Rückreise sei von Karl V. nur mündlich erteilt worden (vgl. Köhler, K.F.: Luther's Reisen, S. 330, Anm. 1.). Tatsächlich findet sich die Zusage, Luther könne auch nach dem Reichstag „von dannen bis wider an sein sicher gewarsam ziehen“, aber bereits im Geleitschreiben vom 6. März (WAB 2 Nr. 383, S. 281).
42 Vgl. Brecht, M.: Martin Luther, S. 448.
43 Vgl. Steitz, H.: Die hessische Vertretung auf dem Reichstag, in: F. Reuter (Hrsg.): Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache. Im Auftrag der Stadt Worms zum 450-Jahrgedenken, Worms 1971, S. 399- 414, S. 402 u. 406 (dagegen: Kroker, E.: Kaiser Karls V. Vorladungsschreiben, S. 84).
44 Kroker spricht von „seinem grimmigen Haß“ (vgl. Kroker, E.: Kaiser Karls V. Vorladungsschreiben, S. 84).
45 RTA 2, Nr. 74, S. 528. Vgl. auch Blaschke, K.: Kürfürst [sic!] Friedrich der Weise von Sachsen und die Luthersache, in: F. Reuter (Hrsg.): Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache. Im Auftrag der Stadt Worms zum 450-Jahrgedenken, Worms 1971, S. 316-335, S. 328.
46 Köbler, G.: s.v. „Geleit“, in: Ders. (Hrsg.): Juristisches Wörterbuch. Für Studium und Ausbildung, München 81997, S. 153.
47 Im Gegenteil erhielt Luther sogar noch Zehrgeld für seine Reise - wenn auch nicht von kaiserlicher Seite selbst (vgl. Brecht, M.: Martin Luther, S. 427).
48 Müller, U.: Das Geleit im Deutschordensland Preußen (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz 1), Köln/Weimar/Wien 1991, S. 13f.
49 Der Kaiser verfügte - jedenfalls de iure - zwar nur in seinen Erblanden über die volle Regierungsgewalt ( Demandt, A.: Sternstunden der Geschichte, München ²2004, S. 176); das Kaisertum lässt sich aber als „Ordnungsmacht über allen Einzelstaaten“ (Rabe, H.: Deutsche Geschichte 1500-1600. Das Jahrhundert der Glaubensspaltung, München 1991, S. 224) begreifen, weshalb die Aufteilung in zwei „Machtbereiche“ hier legitim scheint.
50 RTA 2 Nr. 77, S. 536. Vgl. auch Höss, I.: Georg Spalatin 1848-1545. Ein Leben in der Zeit des Humanismus und der Reformation, Weimar 1956, S. 193.
51 Vgl. Müller, U.: Geleit, S. 66. Zur schwierigen Einordnung vgl. auch Mettgenberg, W.: Freies Geleit und Exterritorialität (Völkerrechtsfragen 27), Berlin 1929, S. 7.
52 Vgl. Weig, G.: Das ius conducendi der Bischöfe zu Würzburg. Eine Studie zur Rechtsstruktur, politischen Funktion und Organisation des Geleitsrechtes im Hochstift Würzburg während des 15. und 16. Jahrhunderts, Diss. phil. Würzburg 1970, S. 32.
53 Vgl. Kap. 3.1. zum Zusammenhang von Geleit und Raumöffnung.
54 Vgl. etwa Lingke, J.T.: D. Martin Luthers merkwürdige Reisegeschichte, S. 87 u. Anm. 2.
55 Vgl. Köhler, K.F.: Luther's Reisen, S. 74-79 (Hinreise) u. S. 90-96 (Rückreise).
56 Vgl. Köhler, K.F.: Luther's Reisen, S. 77.
57 Vgl. Badstübner-Gröger, S./ Findeisen, P.: Städte, Stätten, Stationen., S. 199.
58 Michels, K.: Martin Luther - Lektionen der Straße. Wie die Welt das Denken des Reformators veränderte, Hamburg 2010, S. 8.
59 Vgl. Michels, K.: Lektionen, S. 67f.
60 Vgl. Bourdieu, P.: Sozialer Raum und „Klassen“. Leçon sur la leçon, Frankfurt a. M. 1985, S. 29f.
61 Der 1986 auf dem Historikertag gehaltene Vortrag Kosellecks wurde 2000 als Teil einer Monographie veröffentlicht: Koselleck, R.: Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt a. M. 2000, S. 78.
62 Vgl. etwa zur Sinnhaftigkeit des scheinbar überholten Container-Modells Schroer, M.: „Bringing space back in“ - Zur Relevanz des Raums als soziologische Kategorie, in: Döring, J./ Thielmann, T.: Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Sozial- und Kulturwissenschaften, Bielefeld 2008, S. 125-148, S. 135f.
63 Löw, M.: Raumsoziologie, Frankfurt a. M. 2001, S. 159f.
64 Löw, M.: Raumsoziologie, S. 158f.
65 Foucault, M.: Subjekt und Macht, in: Ders.: Analytik der Macht, Frankfurt a. M. 2005, S. 240-263, S. 256.
66 Foucault, M.: Subjekt und Macht, S. 256.
67 Vgl. Wulfert, H.: Die Kritik an Papsttum und Kurie bei Ulrich von Hutten (1488-1523) (Rostocker Theologische Studien 21), Berlin 2009, S. 364f.
68 Aleander, H.: Depeschen, S. 160. Zur Einschätzung der Quelle vgl. etwa Wohlfeil, R.: Der Wormser Reichstag von 1521, in: F. Reuter (Hrsg.): Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache. Im Auftrag der Stadt Worms zum 450-Jahrgedenken, Worms 1971, S. 59-154, S. 99.