Untersuchungen zu cannabishaltigen Lebensmitteln - Grenzfälle des Drogenkonsums


Tesis Doctoral / Disertación, 2004

96 Páginas, Calificación: 2


Extracto


I. Einleitung

1. Problem- und Aufgabenstellung

Tetrahydrocannabinol (THC) ist die primär psychoaktive Substanz im Hanf (Cannabis sativa L.).

Bisher konnte man bei einem positiven THC- bzw. THC-Carbonsäure-Befund in Blut- oder Urinproben von einer vorangegangenen bewussten Aufnahme der Dro­ge Cannabis, in der Regel von Haschisch oder Marihuana, ausgehen.

Wenn ein Beschuldigter jedoch zu seiner Verteidigung angibt, er habe Hanfbier oder ein anderes frei verkäufliches Hanfprodukt konsumiert, und den positiven THC-Befund in seinem Blut bzw. im Urin dadurch zu erklären versucht, wäre die zweifelsfreie Widerlegung einer solchen Schutzbehauptung ohne Kenntnis der wissenschaftlich analysierten Gehalte an psychoaktiven Substanzen in diesen Pro­dukten nicht möglich.

Daraus könnten Unsicherheiten bis hin zu Gutachterstreitigkeiten entstehen, die medizinische Fragestellungen unmittelbar berühren. Zugleich wird die Frage der Strafbarkeit und der strafrechtlichen Schuld bei Drogenkonsum zu einem medi­zinisch zu untermauernden Fachurteil, z.B. wenn der Verlust des Führerscheins zur Diskussion steht. (1)

Aus bisherigen Untersuchungen zum Problem der Differenzierung zwischen legalem Faser- und illegalem Drogenhanf ist bekannt, dass es möglich ist, allein durch die Aufnahme von Lebensmitteln auf Hanfbasis, wie Öl, Samen oder Müsliriegel im Urin, ebenso wie im Blut, Cannabinoide nachzuweisen.

(2- 7)

Aufgrund dieser doch recht beunruhigenden Resultate und der daraus resultier­enden Ungewissheit über die pharmakologischen Effekte der „harmlosen“ Hanf­produkte wurde die Notwendigkeit evident, durch genauere Untersuchungen der hanfhaltigen Lebensmittel und deren Wirkungen konkrete Erkenntnisse für die medizinische Gutachtertätigkeit zu gewinnen.

Hinsichtlich der Hanfproblematik ergeben sich folgende konkrete Fragen:

- Welche Lebensmittel bzw. Produkte können ein positives Blut- oder Urin­Testergebnis hervorrufen und wie viel müsste man davon verzehren?
- Wenn bestimmte Hanfprodukte ein positives Testergebnis erzeugen, könnten dann auch relevante Wirkungen und Nebenwirkungen des Cannabis beobachtet werden?
- Welche Menge von diesen Lebensmitteln müsste man verzehren, um cannabistypische Wirkungen zu erzeugen?
- Schließt der von dem Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) vorgegebene Grenzwert wirklich ein positives Ergebnis im Drogentest sowie psychotrope Cannabiswirkungen aus?
- Muss nach Verzehr von großen Mengen hanfhaltiger Lebensmittel mit Leistungseinschränkungen am Arbeitsplatz oder im Straßenverkehr gerechnet werden?
- Könnten Personen, die illegales Cannabis konsumiert haben, den Verzehr von frei verkäuflichen Hanfprodukten als Schutzbehauptung verwenden?
- Haben die THC-Werte der Hanflebensmittel sich in den letzten Jahren tendenziell verändert? In welcher Dimension?
- Gibt es Möglichkeiten, durch Messergebnisse die Einnahme von legalen Hanf-lebensmitteln und dem Cannabiskonsum illegaler Drogen zu unterscheiden?
- Wären bestimmte Grenzwerte als Toleranzkriterium denkbar, wie z.B. beim Passivrauchen?
- Haben Hanflebensmittel trotz bestimmter Nachteile eine Chance auf eine

weitere Existenz auf dem Markt?

In der vorliegenden Arbeit werden THC-Gehalte verschiedener frei verkäuflicher Hanfprodukte sowie von Blut- und Urinproben nach der Aufnahme dieser Lebens­mittel untersucht. Besonderer Wert wurde dabei auch auf eine Vielzahl verschied­ener Getränke - vor allem Bierprodukte - gelegt, da hier ein verstärkter Konsum besonders bei Jugendlichen zu erwarten ist.

Die gezogenen Schlussfolgerungen dienen der allgemein gültigen, tatsächlichen und rechtlichen Einordnung verschiedener Grenzfälle des Drogenkonsums.

2. Biologische und pharmakologische Grundlagen

2.1. Zur Botanik der Cannabaceae

Hanf (Cannabis sativa L.) ist eine zweihäusige, einjährige Pflanze. Sie stammt aus der Familie der Hanfgewächse, welche in zwei Gattungen untergliedert wird, nämlich Hopfen (Humulus) und Cannabis (Hanf). (8)

Letztere vermehrt sich durch Samen, so genannte einsamige Nüsschen und ge­deiht besonders gut auf nährstoffreichen, feuchten Böden in sonniger Umgebung. (9)

Innerhalb einer 4-5 monatigen Wachstumsperiode kann sie eine Höhe von bis zu 5 Metern erreichen und etwa ein Kilogramm Samen produzieren.

Hanf ist in der Regel eine diözische Pflanzenart: Beide Geschlechter der zwei­häusigen Pflanze bedingen unterschiedliche Geschlechtsindividuen, die jedoch anatomisch nicht zu unterscheiden sind.

Die pollentragenden männlichen Blüten (Rispen) sind mit Staubbeuteln versehen. Sie dienen der Weitergabe des genetischen Materials und gehen nach der Pollen­abgabe zugrunde. Das andere Geschlecht dagegen bleibt erhalten bis die Samen herangereift sind.

Laut van Treeck sind nur die weiblichen Blütenstände Ausgangsstoff für die Drogengewinnung: „Sowohl das von der Pflanze abstreifbare Harz als auch die getrockneten weiblichen Blütenstände enthalten Tetrahydrocannabinol (THC) und werden als Rauschmittel konsumiert.“(10 ; 11)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1. Männliche (links) und weibliche (rechts) Hanfpflanze (12)

Die Hanfpflanze wird in den meisten Schriften in drei Subspezies:

Cannabis sativa ssp. sativa, Cannabis sativa ssp. indica und Cannabis sativa ssp. ruderalis bzw. Cannabis sativa ssp. spontanea, eingeteilt. (13;14)

Nach van Treeck ist es strittig, ob es sich bei der Spezies Cannabis sativa um drei verschiedene Arten von Hanfpflanzen einer Spezies oder drei Varietäten einer ein­zigen Art handelt. Die Übergänge sind fließend, da alle drei Sorten uneinge­schränkt miteinander kreuzbar sind. (15 ; 8)

Der indische Hanf (Cannabis sativa ssp. indica) wurde ursprünglich zu schaman­ischen Ritualen in Nordindien und Mesopotamien verwendet und kam erst im 19. Jahrhundert nach Europa. (16;126)

Mitte dieses Jahrhunderts ist er als Rauschmittel durch die Hippie-Bewegung immer beliebter geworden und wird mittlerweile weltweit kultiviert. (16;17)

Die indische Hanfpflanze kann eine Größe von 0,8 bis 2,5 m erreichen und ist ein eher buschiger, gedrungener Typ mit kurzen Internodien. In Drogenkreisen gilt sie einerseits aufgrund ihrer raschen Blütezeit (6-9 Wochen), andererseits wegen ihrer enormen Harzproduktion als „international populär“. (18)

Die kleinste Unterart der Cannabaceae, Cannabis sativa ssp. ruderalis , stammt ur­sprünglich aus dem südöstlichen Russland und soll von den Skythen verbreitet worden sein. Der „Wilde Hanf“ erreicht nur eine Höhe von 30 bis 80 cm und wächst heute vorwiegend im Kaukasus und in China. (18)

Cannabis sativa L. oder Faserhanf wurde 60 v. Chr. von dem griechischen

Kannabis und dem lateinischen sativa abgeleitet, was „nützlich“ bedeutet. Er zählt zu den ältesten ökonomisch genutzten Pflanzen der Erde und liefert je nach Sorte Fasern, essbare Samen aber auch Drogenharz.

In ca. 5500 Jahre alten neolithischen Bandkeramik-Schichten im thüringischen Eisenberg wurden älteste Funde der Hanfpflanze geborgen. (9;15 ; 19)

Heute befinden sich Anbaugebiete von Cannabis sativa auf feuchten Standorten oder Niederungsmooren insbesondere in Deutschland, Ost-, Südosteuropa und Italien.

Mit einer Höhe von drei und mehr Metern ist der 5–7 zählig gefiederte Nutzhanf der größte der drei Hanfarten.

Während die männlichen Blüten rispenartig wachsen, sind die weiblichen grün blühenden mit einem zweiblättrigen Fruchtknoten und einer verkümmerten Blüt­enhülle ausgestattet. Bei der Ernte wird die kleinere männliche Pflanze (Femel) durch Ausraufen (Femeln) früher geerntet als die Weibliche (Mastel oder Mas­kel). (8)

Während man aus den Fasern Hanfgarn, Langfaser-(Hechel) und Kurzfasergarn (Werg) herstellen kann, wird der Hanfsamen, welcher rund 32 % Hanföl enthält, zur Seifenherstellung, Ernährung oder mit Leinöl gemischt, als Firnis verwendet. Rückstände der Ölfabrikation (Presskuchen, Hanfmehl) sind als Kraftfutter ge­eignet. Hanfsamen wird häufig als Vogelfutter ausgestreut und dient als altes Hausmittel reizmildernd bei Herpes, dermatologischen Erkrankungen oder Wunden. (9;20 ; 21)

2.2. Drogenhanf

Unter dem Oberbegriff Cannabis versteht man heute alle psychoaktiven Betäub­ungsmittelformen der Hanfpflanze Cannabis. Diese weisen einen süßlichen Ge­ruch auf und zählen zu weltweit am häufigsten konsumierten illegalen Rausch­mitteln. (22)

Der Konsum ist in den letzten Jahren erheblich angestiegen. Etwa jeder fünfte Europäer hat Cannabis mindestens einmal im Leben probiert.

In der Bundesrepublik geht man von 2,1 Mio. Drogenkonsumenten und etwa 270.000 Dauerkonsumenten aus.

Mindestens 60% aller in Deutschland sichergestellten Rauschmittel sind Drogen dieser Stoffgruppe. (22)

Der Indische Hanf, welcher insbesondere in heißen sonnigen Gebieten Indiens, Irans und Afghanistans angebaut wird, enthält relevante Mengen Tetrahydro­cannabinol. Speziell für den Drogenkonsum entwickelte Zuchtformen Sinsemilla („ohne Samen“) weiblicher samenloser Blüten, die von sezernierenden Harz­drüsen bedeckt sind, besitzen den höchsten Gehalt psychoaktiver Cannabinoide. (11 ; 19)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die getrockneten Blätter und Blüten THC - reicher Cannabissorten mit einem THC-Gehalt von 0,5-7 Gewichtsprozent werden als Marihuana bezeichnet.

Haschisch ist das gepresste Harz, das bei der Ernte von den weiblichen Blüten und Blättern der Pflanze gerieben oder geschüttelt wird. Letzteres hat eine höhere THC-Konzentration

(2-10 Gewichtsprozent). (23;24)

Haschischöl, welches sogar bis zu 80% THC enthalten kann, wird durch extrak­tive Verfahren aus dem Pflanzen­material des Drogenhanfs gewonnen. (19 ; 25)

Abb. 2. Rauschmittelformen von Cannabis Indica (22)

2.3. Inhaltsstoffe der Hanfpflanze

Nach Grotenhermen gibt es über 60 verschiedene Cannabinoide, die als Wirk­stoffe im Harz der Hanfpflanze enthalten sind. (21;26)

Sie stellen Verbindungen mit 21 Kohlenstoffatomen und ähnlichen Struktur-Formeln dar. Die wichtigsten Cannabinoide Cannabinol, Cannabigerol, Cannabi­chromen bzw. Cannabidiol sind im Hanf in unterschiedlicher Zusammensetzung enthalten und können auseinander entstehen. (21;27)

Bei der Synthese wird aus Geranyl-Pyrophosphat und Olivtol-Säure Cannabigerol (CBG) gebildet. Daraus kann entweder Cannabichromen (CBC) oder Cannabidiol (CBD) entstehen. Letzteres ist die Vorstufe für die zwei wichtigsten Verbind­ungen: Cannabinol (CBN) und Tetrahydrocannabinol (THC).

Die Umwandlung zum THC ist abhängig vom Genotyp der Pflanze und wird durch UV-Licht beschleunigt. Deshalb ist auch der THC-Gehalt einer Pflanze unter anderem von der Sonneneinstrahlung abhängig. (28)

Das endgültige Oxidationsprodukt ist Cannabinol. Diese Verbindung besitzt im Gegensatz zum THC keine psychoaktiven Eigenschaften und wird daher nicht als Betäubungsmittel eingestuft.

Das Verhältnis der Cannabinoide zueinander ist zum einen vom Genotyp, also der Hanf-Sorte, zum anderen aber von den Umwelt- und Standortsbedingungen ab­hängig. Da die Cannabinoide sich zum Teil auseinander bilden, verändert sich während der Reifung, aber auch nach der Ernte, ihre Zusammensetzung bei jeder Pflanze in bestimmten Maßen. (27 ; 26)

Das spezifische Cannabinoid-Profil kann daher die Wirkungen beeinflussen. Folg­lich scheint der Cannabis-Rausch auch durch das Zusammenwirken verschiedener pflanzlicher Inhaltsstoffe veränderlich und somit je nach der regionalen Herkunft verschieden zu sein. (29)

Die Cannabinoide sind in großen Mengen im Harz der weiblichen Pflanze ent­halten und werden von Drüsen ausgeschieden, die an den Tragblättern der weib­lichen Blütenstände sitzen. (16 ; 1) Sie stellen eine Anpassungsleistung zur Redu­zierung von Angriffen durch Insekten und Pilze dar. (30)

Hanf ist deshalb so widerstandsfähig gegen zahlreiche natürliche Antagonisten wie kaum eine andere Kulturpflanze. (30)

2.4. Tetrahydrocannabinol - Pharmakologie und Pharmakokinetik

Tetrahydrocannabinol ist die primär psychoaktive Substanz der Hanfpflanze, die man die für die psychischen und physischen Effekte des Cannabis verantwortlich macht. (31;32)

THC, welches in Form von mehreren isomeren Verbindungen vorkommt, unter­liegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz. Labormedizinisch ist Tetra­hydrocannabinol die Substanz, deren Nachweis in Körperflüssigkeiten einen statt­gefundenen Konsum von Dogen des Cannabistyps beweist.

Chemisch gesehen ist das THC ein Alkohol. Es löst sich gut in Fett oder andern Alkoholen und ist bei Temperaturen unter 20°C eine feste Substanz. (33)

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Abb. 3. Strukturformel des THC (34)

Tetrahydrocannabinol ist eine hochwirksame Verbindung. Bereits die Menge von 2 mg, direkt ins Blut eingeführt, erzielt ein Rauscherlebnis. (25)

Die gängigste Konsumform von Cannabisprodukten ist das Rauchen, „Kiffen“, einer Marihuana-Tabak- bzw. Haschisch-Tabak-Mischung im Joint oder einer Pfeife. THC wird nach Inhalation durch Kondensation an den reich durchbluteten Alveolen der Lunge schnell resorbiert.

Die geringe Bioverfügbarkeit (nur 10-20 %) bedingt, dass als wirksame Rausch­dosis 10-20 mg angesehen werden. (35 ; 19)

Nach Grotenhermen erreichen bei ungeübten Konsumenten nur etwa ein fünftel des THC pro Cannabis- Zigarette den systemischen Kreislauf. Erfahrene Raucher können durch bessere Effizienz der Inhalationstechnik jedoch eine mehr als doppelt so hohe Bioverfügbarkeit erlangen. (36)

Die rasche Resorption über die Lunge bedingt schnell ein steiles Ansteigen des THC-Blutspiegelwertes mit hohem Maximum sodass der Rauschzustand bei in­halativer Aufnahme gegenüber der oralen etwa zwei- bis dreimal so intensiv erlebt wird. Schon 30 bis 60 Minuten nach dem Rauchen beginnt die Wirkung wieder abzuklingen. (31)

Die orale Aufnahme erfolgt meist unter Verwendung eines lipophilen Träger­mediums, beispielsweise Gebäck oder Schokolade. (35) Obwohl dadurch eine fast vollständige Absorption erreicht werden kann, wird aufgrund des extensiven First-Pass-Metabolismus der Leber nur eine systemische Bioverfügbarkeit von etwa 10% angegeben. (36)

Nachteilig ist, dass die Absorption über den Magen-Darm-Trakt schwer steuerbar ist und langsamer erfolgt. Geschwinde geht davon aus, dass die Wirkungsdauer dann 3- 5 Stunden beträgt und bis zu 10-12 Stunden anhalten kann. (31)

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Abb. 4. Dosis-Wirkungsbeziehung des THC nach inhalativer Aufnahme (37)

Nach der Aufnahme durchdringt THC gut durchblutetes Gewebe und reichert sich besonders im Körperfett, welches der wichtigste Ort der Langzeitspeicherung ist, aber auch in Organen wie Gehirn, Herz, Leber, Lunge, Darm, Nieren, Milz, Brust­drüse und Plazenta an. Durch die Ansammlung in tieferen Kompartimenten, liegt das Verteilungsvolumen bei etwa 10 Liter pro Kilogramm Körpergewicht. (36)

Die schnelle Kumulation in fettreichem Gewebe bedingt, dass die Wirkstoffkon­zentration im Blut nach Konsumende schon abnimmt, während die maximale

THC-Wirkung noch nicht erreicht ist. Aufgrund dessen gestaltet es sich toxiko­logisch schwierig, eine Korrelation zwischen THC-Serumkonzentration und Wirkung zu ermitteln. (25 ; 32)

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Abb. 5. THC-Serumkurve und THC-Wirkungskurve in Abhängigkeit

von der Zeit (Stunden) nach Konsumende (25)

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Abb. 6. Pharmakokinetik von ∆9 –THC (36)

Die Biotransformation des Tetrahydrocannabinol im Körper erfolgt zum größten Teil in der Leber, wo Mischoxygenasen das Molekül hydroxylieren.

Während des Abbaus der Cannabinoide, welche im Körper überwiegend Plasma­proteine wie Lipoproteine und Albumin binden, kann es hier zu Interaktionen mit anderen Wirkstoffen, insbesondere Pharmaka, kommen. (32)

Bei der Metabolisierung, an der sich neben der Leber auch andere Organe wie Darm und Lunge beteiligen, können bis zu 100 verschiedene Stoffwechsel­produkte entstehen. (38;39) Von forensischer Bedeutung sind jedoch nur drei dieser Metaboliten:

11-Hydroxy-Δ9-THC (11-OH-THC), 11-Nor-Δ9-THC-9-Carbonsäure

(THC-COOH) und das aus dieser Carbonsäure entstehende Glucuronid. (25)

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Abb. 7. Metabolisierung von Tetrahydrocannabinol (THC) (25)

Während THC und Hydroxy-THC psychotrop aktiv sind, zeigen THC-Carbon­säure und ihr Glucuronid keine Wirkung mehr. Die Elimination von THC und seinen Stoffwechselprodukten wird durch enterohepatische Zirkulation, renale Reabsorption und Speicherung im Fettgewebe protrahiert. Aufgrund dessen vari­iert die Halbwertszeit des THC stark:

Während sie in den ersten Stunden mit 30-60 Minuten relativ kurz ist, verlängert sie sich aber auf Werte um 24 Stunden, je länger das Konsumende zurück liegt. (25)

Insgesamt kann man davon ausgehen, dass etwa 80-90% einer aufgenommenen THC-Dosis in den ersten fünf Tagen eliminiert werden, während der Rest in geringer Konzentration über einen längeren Zeitraum nachweisbar ist. (32) Daher können durch regelmäßigen Konsum die Abbauprodukte im Körper kumulieren und zu sehr hohen Metabolit-Konzentrationen im Blut und Urin führen. Ebenso ist es auch nach Beendigung eines dauerhaften Konsums möglich, dass ein Nachweis von THC-Stoffwechselprodukten in Körperflüssigkeiten länger als drei Monate gelingt. (36 ; 25)

Die Metaboliten werden in unterschiedlichen Mengen im Urin, in Faeces, Spei­chel und Schweiß ausgeschieden.

Insbesondere die psychotrop aktiven Inhaltsstoffe selbst werden aufgrund ihrer kompletten tubulären Rückresorption, im Gegensatz zu den Stoffwechselpro­dukten Carbonsäure und THC-Glucuronid, im Urin nur sehr selten gefunden. (39)

Die orale Aufnahme von Cannabisprodukten weist eine signifikante interindi­viduelle Variabilität auf. Die langsamere Absorption aus dem Gastrointestinaltrakt bedingt eine verlängerte, weniger betonte Plasmakurve mit niedrigeren THC-Maxima. Außerdem wird die Wirksamkeit von oral zugeführten Dosen durch den starken hepatischen First-Pass-Effekt verringert. (17;24;32;36)

2.5. Cannabinoid Rezeptoren

Im Körper entfalten Cannabinoide ihre Wirkung über spezielle Rezeptoren (CB-Rezeptoren). (40)

Das Cannabinoid-System, welches erst Ende der 80er Jahre durch Howlett et al . entdeckt wurde, ist evolutionsgeschichtlich sehr alt. Es dient der Wahrnehmung sowie der Informationsverarbeitung und regelt die Bewegungskoordination, die Feineinstellung der Schmerzschwelle im Körper und steuert das Kurzzeitge­dächtnis. (41 ; 42)

Erst 1992 konnten körpereigene Liganden (Arachidonylethanolamide), welche auch an diese spezifischen Rezeptoren angreifen, nachgewiesen werden. Die so genannten Anandamide sind vergleichbar mit THC, wirken jedoch erheblich schwächer und haben eine kürzere Halbwertszeit. Es wurden Effekte insbesondere auf das limbische System und auf die Motorik beschrieben. (42 ; 40)

Heute ist bekannt, dass es zwei verschiedene Rezeptoren, CB1 und CB2 gibt . (42)

CB1-Rezeptoren befinden sich bevorzugt in Hirnregionen, die Wahrnehmungen, Gedächtnis- und Bewegungsabläufe steuern. Dazu gehören vor allem die Basal­ganglien, die Großhirnrinde, der Hypothalamus und der Hippocampus. Speziell das lipophile THC bindet bevorzugt an diese Rezeptoren.

CB2-Rezeptoren dagegen sind nur peripher anzutreffen. Sie befinden sich vor allem in Zellen und Organen, die Teil des Immunsystems sind. Ihnen werden hauptsächlich immunologische Eigenschaften (z.B. antibiotische Wirkung, Mult­iple Sklerose, Krebs) zugeschrieben.

Neuroprotektive Einflüsse verschiedener Cannabinoide, die beispielsweise bei Hypoxie oder Ischämie wirksam sind, können auch rezeptorunabhängig entfaltet werden. (41- 44)

2.6. THC- Wirkung und ihre Beziehung zwischen Dosis und Konzentration

Nach Geschwinde lässt sich das Wesen des Cannabis-Rausches so verstehen, dass eine Verstärkung einzelner Komponenten der bereits zuvor vorhandenen Ein­sichten und Einstellungen, abhängig von der jeweiligen Gestimmtheit des Konsu­menten eintreten soll. So kann es zu einer Verknüpfung verschiedener Erlebnis­qualitäten kommen, nicht aber zu tatsächlich neuen Einsichten in Sinneszu­sammenhänge. (45)

Cannabis hat sowohl halluzinogene als auch stimulierende und sedierende Wirk­ungen, die sich je nach „setting“, also der „Summe aus psychischer Gestimmtheit des Konsumierenden und den Umgebungsfaktoren“, unterschiedlich zusammen­setzen. Der Konsument erlebt eine subjektive Leistungssteigerung, vor allem in auditiven, aber auch in sensorischen Bereichen. Intensivierte Wahrnehmungen und eine Steigerung des Selbstwertgefühls werden angegeben. Objektiv betrachtet treten jedoch nur eine veränderte Wahrnehmung und eine Verminderung der Kritikfähigkeit auf. Cannabis ist eine bewusstseineinschränkende Droge, die Kon­zentration und Gedächtnisleistung behindert. Der Berauschte erlebt „mikros­kopische“ Details ohne deren Sinneszusammenhänge zu erkennen. Abhängig von

der Erwartungshaltung kann die Erlebnisqualität des Rausches stark variieren, völlig ausbleiben oder plötzlich umschlagen. Andererseits ist es auch möglich, dass der Cannabisrausch auf künstlerischen Gebieten zu Spontaneität und Aufge­schlossenheit, Entspannung sowie zu euphorischer und verständnisvollerer Halt­ung führt. (45;46)

Tabelle 1. Wirkungen von Cannabis und THC (46;47)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der typische Rauschverlauf ruft beruhigende, entspannende und stimmungs­ belebende Effekte hervor. Es kommt zu Veränderungen der Sinneswahrneh­mungen, des Farb- und Geräuschempfindens sowie des Raum- und Zeitgefühls. Auch Konzentrationsmängel, Apathie und verminderte Leistungsbereitschaft kön­nen die Folge sein. (19)

Beim atypischen Rauschverlauf besteht die Möglichkeit von psychopatho­logischen Störungen wie Dysphorie, Angst oder Panik, auch innere Unruhe, ge­steigerter Antrieb und Verwirrtheit können auftreten. (22)

In den bisher durchgeführten Studien konnte bei Cannabis-Konsumenten keine lineare THC-Dosis-Wirkungs-Beziehung bewiesen werden.

Erst bei größeren Mengen ließ sich laut Berghaus ein signifikanter Zusamm­enhang zwischen der Anzahl der Cannabis-Konsumeinheiten und der Wirkung nachweisen. (25;37)

Daraus folgt zum einen, dass strafrechtlich nicht allein die Höhe der THC-Serum-Konzentration ausschlaggebend ist, um die bei Kraftfahrzeugführern beobachteten Fahr- bzw. Verhaltensauffälligkeiten zu erklären. (25;37)

Zum anderen ist es, im Gegensatz zum Alkoholkonsum, nicht sinnvoll, anhand von angegebenen THC-Mengen der Konsumenten, Rückschlüsse auf die im Blut vorhandenen THC-Konzentrationen zu ziehen, da interindividuell große Schwan­kungen der Serum-THC-Konzentration nach Aufnahme der gleichen Dosis möglich sind. (25;48;49)

Aufgrund dieser komplizierten Wirkstoffkonzentrations-Wirkungsbeziehung des Tetrahydrocannabinol ist es bisher nicht möglich, einen Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit, ausschließlich basierend auf der THC-Konzentration im Blut, zu definieren. (50)

Zur besseren Bewertung der Leistungseinschränkung von Konsumenten wurde daher 1996 von Daldrup der „Cannabis-Influence-Faktor (CIF)“ entwickelt. Diese dimensionslose ganze Zahl errechnet sich aus dem Verhältnis der molaren Konzentrationen von THC und dem vergleichbar wirksamen 1. Metaboliten 11-OH-THC einerseits und der molaren Konzentration des unwirksamen Metaboliten THC-COOH andererseits. (51) Dieser Faktor soll, laut Berghaus: „besser mit der Konzentration bzw. mit der Konzentrationsveränderung am Wirkort und damit mit der Wirkungsstärke korrelieren als die THC-Serum-Konzentration alleine.“(50;51)

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Die Obergrenze des CIF-Wertes wird mit 40 angegeben. Da sich Cannabiskon­zentrationen unter 0,5 bis 1,0 ng/ml nicht mehr ausreichend genau bestimmen lassen, sollten THC-Konzentrationen unter 1,0 ng/ml mit dem CIF-Wert 0 be­zeichnet werden. Kraftfahrer mit einem CIF-Wert von > als 10, sind als cannabis­bedingt absolut fahruntüchtig anzusehen. (50;51)

3. Cannabis im Straßenverkehr

3.1. Wirkungen und Gefahren

Ergebnisse experimenteller Forschungen, vor allem durch reale Fahrversuche und Fahrsimulatoren, konnten Verminderungen der Wahrnehmungs- und Konzen­trationsfähigkeit nach Cannabiskonsum zeigen.

Cannabisprodukte beeinträchtigen die Wahrnehmung, die Psychomotorik, das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit und die Reaktionsfähigkeit. Sie verschlechtern die Verarbeitung visueller Informationen, die Fähigkeit zur Abschätzung von Ent­fernung und der Zeit sowie die Koordination von Bewegung und Feinmotorik. Leistungseinschränkungen betreffen vor allem die Koordination, die Perzeption, die Vilganz und das Tracking. (24; 25;37;52)

In seinem Buch “Rauschmitteleinnahme und Fahrsicherheit“ schreibt Harbort, dass die cannabisinduzierten Leistungseinbußen - wie z.B. in Tabelle 2 beschrieb­en, nicht mit der Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher zu führen, vereinbar sind. (53) Auch Iten bekräftigt, dass vor allem in Stresssituationen und Phasen erhöhter Informationsdichte Verlängerungen der Reaktionszeit, Häufungen falscher, inadä­quater Reaktionen und Störungen eingeschliffener Automatismen festzustellen sind. (24)

Tabelle 2. Leistungsminderungen bei Cannabiskonsum (52)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2. Merkmale cannabisbeeinflusster Verkehrsteilnehmer

Ein Anfangsverdacht, der z.B. die Anordnung einer Blutentnahme rechtfertigt, kann sich unmittelbar aus der Beobachtung eines Fahrzeuges im fließenden Ver­kehr ergeben. Verkehrsrelevante Auswirkungen von Cannabis sind:

wechselnde Fahrgeschwindigkeiten, Abdriften von der Fahrspur, spätes Reagieren als Folgen der Sedierung und Störung der Motorik durch Cannabis, Missachtung von Ampelanlagen bzw. Vorfahrtszeichen, inadäquate Reaktion auf Vorgänge am Rande des Blickfeldes als Folge der Konzentrations- und Aufmerksamkeits­schwächen. (54)

Ebenso können auch nach dem Anhalten von Cannabisverdächtigen Kontrollen der Insassen und des PKW Hinweise auf eventuellen Drogenkonsum geben:

Konjunktivale Rötung, glasige Augen, träge, weitgestellte Pupillen und der typ­ische süßliche Haschischgeruch.

Verhaltensauffälligkeiten wie Konzentrationsmängel, Störungen des Kurzzeitge­dächtnisses und des Zeitgefühls, Apathie und motivlose Euphorie sowie mo­torische Einschränkungen, die beim Ansprechen des Fahrers erkannt werden, erhärten einen entsprechenden Verdacht.

Problematisch ist jedoch, dass aufgrund der schnellen An- und Abflutung von THC im Hirngewebe, Verhaltensauffälligkeiten postinhalativ meist nur kurze Zeit beobachtet werden. Folglich ist es möglich, dass cannabistypische Fahrfehler, welche von Polizisten festgestellt wurden, nicht mehr mit den später erhobenen Befunden des untersuchenden Arztes übereinstimmen. (24;25 ; 54)

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Abb. 8. Zeitabhängiger Nachweis von Cannabinoiden in Serum und Urin (ng/ml) in Stunden (25)

3.3. THC-Plasmakonzentrationen und Wirkungen

Nach Iten sprechen THC-Plasmakonzentrationen von 2-3 mg/l oder mehr für einen aktuellen Cannabiskonsum und somit für einen möglichen Rauschzustand, während THC-Plasmakonzentrationen von weniger als 1 μg/l in der Regel mit einem Konsum zu vereinbaren sind, der mehr als 6 Stunden vor der Blutentnahme erfolgte. Innerhalb eines Zeitintervalls von bis zu etwa 2-4 (teilweise bis 7) Stun­den nach dem Konsum muss mit einer psychotropen Beeinflussung gerechnet werden. (24 ; 25;28)

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Detalles

Título
Untersuchungen zu cannabishaltigen Lebensmitteln - Grenzfälle des Drogenkonsums
Universidad
Ernst Moritz Arndt University of Greifswald  (Rechtsmedizin)
Calificación
2
Autor
Año
2004
Páginas
96
No. de catálogo
V34040
ISBN (Ebook)
9783638343664
Tamaño de fichero
1712 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Untersuchungen, Lebensmitteln, Grenzfälle, Drogenkonsums
Citar trabajo
Sabine Rosenstock (Autor), 2004, Untersuchungen zu cannabishaltigen Lebensmitteln - Grenzfälle des Drogenkonsums, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34040

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