Extensives Lesen. Evaluation einer Methode zur Leseförderung im Englischunterricht der Sekundarstufe I


Hausarbeit, 2016

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Extensives Lesen
2.2 Curriculare Vorgaben
2.3 Modell literaturbezogener Kompetenzen im Englischunterricht

3. Empirische Studien zu Effekten des extensiven Lesens
3.1 Christine Biebricher: Lesen in der Fremdsprache. Eine Studie zu Effekten des extensiven Lesens
3.2 Andrzej Cirocki: Implementing the ER approach to literature in the EFL secondary school classroom: An action research study

4. Fazit

5. Anhang

6. Literaturverzeichnis

Im Rahmen dieser Arbeit werden Schülerinnen und Schüler kurz als SuS geführt. Wenn darüber hinaus an einzelnen Stellen von Schülern, Lehrern, Lernern o. Ä. die Rede ist, schließt das selbstverständlich immer alle Geschlechter ein.

1. Einleitung

Lesekompetenz wird benötigt, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Wolfgang Hallet (2015: 12) thematisiert in seinem Aufsatz „Literatur, Bildung und Kompetenzen. Eine bildungstheoretische Begründung für ein literaturbezogenes Kompetenzcurriculum“, dass es heutzutage der Schule obliegt den SuS eine literarisch- ästhetische Bildung zu ermöglichen. Allerdings marginalisieren die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache der Sekundarstufe I den Umgang mit literarischen Texten sowie den entsprechenden Kompetenzen und befördern dadurch eine soziale und kulturelle Ausschlusspraxis. Auch Bärbel Diehr und Carola Surkamp (2015: 22-23) sprechen an, dass literarische Texte im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I unzureichend berücksichtigt werden. Dadurch sind die Lernenden ungenügend auf die Anforderungen in der Oberstufe vorbereitet.

Dass es einen Bedarf zur Leseförderung im Englischen sowie im Deutschen in der Sekundarstufe I gibt, wurde mit der DESI-Studie nachgewiesen. Die Studie untersuchte im Schuljahr 2003/04 die Kompetenzen von etwa 11.000 deutschen Schülern der 9. Jahrgangsstufe in den Fächern Englisch und Deutsch (Klieme 2006: 1). Im Ergebnis hatten 44% der deutschen Neuntklässler Schwierigkeiten beim Lesen im Englischunterricht und erfüllten nicht die curricularen Mindestanforderungen (Nold et al. 2008: 137). Viele SuS verfügten zwar über basale Lesefähigkeiten im Englischen, die der Stufe A1 des „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen“ entsprechen, aber dennoch unterhalb des curricularen Niveaus liegen. Andererseits war bei einer beachtlichen Anzahl von Schülern verschiedener Schularten die Lesekompetenz bereits hoch entwickelt bis in das für das Abitur angestrebte Niveau (Nold et al. 2008: 134-137). Defizite der SuS im Englischunterricht lagen vor allem in Hauptschulen, Integrierten Gesamtschulen und Schulen mit mehreren Bildungsgängen vor. Jedoch existierte meist am Gymnasium eine Leistungsspitze von 10 bis 15 Prozent der SuS, deren Kompetenzen im Englischen über den festgelegten Standards der Rahmenlehrpläne lagen (Klieme 2006: 2).

Ziel dieser Arbeit ist herauszufinden, welches Potenzial extensives Lesen für den Englischunterricht in der Sekundarstufe I hat. Dazu werde ich die Methode des extensiven Lesens erklären und die curricularen Vorgaben für den fremdsprachlichen Literaturunterricht in der ersten Fremdsprache in der Sekundarstufe I vorstellen. Anschließend werde ich ausgehend vom „Modell literaturbezogener Kompetenzen im Englischunterricht“ von Bärbel Diehr und Carola Surkamp anhand der empirischen Studien von Biebricher und Cirocki überprüfen, welche literaturbezogenen Komeptenzen durch extensives Lesen gefördert werden.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Extensives Lesen

Extensives Lesen bezieht sich auf das schnelle Lesen mehrerer Bücher bzw. Lesetexte hintereinander, wobei die Aufmerksamkeit auf der Bedeutung des Textes liegen soll (Thaler 2008: 231). Extensives Lesen zählt nicht nur als Lesestil wie intensives Lesen, skimming und scanning1, sondern ist eine Unterrichtsmethode. Day und Bamford (2005: 7-8) definieren folgende Merkmale des extensiven Lesens:

- Lesemenge: so viel wie möglich
- Lesematerial: Vielzahl verschiedener Lesematerialien mit unterschiedlichen Themen
- Selektion: Leser wählen aus und können die Lektüre bei Nichtgefallen wechseln
- Zweck: Allgemeinverständnis, Information, Vergnügen, wenig Anschlussübungen
- Schwierigkeitsgrad: keine Überforderung der sprachlichen Fähigkeiten der SuS, weitgehender Verzicht auf Wörterbücher
- Lesemodus: individuelles und stilles Lesen, Selbstbestimmung über Tempo, Ort und Zeit
- Lesegeschwindigkeit: schnell
- Lehrerfunktionen: Vermittlung der Methode und Führung der SuS, Vorbild als aktives Mitglied der Lesegemeinschaft, Vorauswahl der Lesetexte

Die Ziele sind die Verbesserung der Lesefähigkeit, d.h. zum einen der Lesegeschwindigkeit (Quantität) und zum anderen des Textverständnisses (Qualität), der Zuwachs an allgemeiner Sprachkompetenz und die Freude am Lesen (Thaler 2008: 232).

Die lerntheoretische Legitimation erfolgt von einer kognitiven und einer affektiven Seite. Kognitiv betrachtet, sollen sich die SuS zu flüssigen Lesern entwickeln, indem sie eine große Menge von automatisch erkannten lexikalischen Einheiten aufbauen. Thaler (2008: 232) erläutert, dass das Erlernen von neuen linguistischen Elementen nicht im Fokus des extensiven Lesens steht. Kirchhoff (2009: 108) erklärt, dass das extensive Lesen dazu dient die Kenntnisse über Vokabular und Grammatik zu vertiefen und zu erweitern, da die Fremdsprache verstärkt im Kontext wahrgenommen wird. Darüber hinaus erweitert extensives Lesen verschiedene Wissenskategorien: Weltwissen, thematisches Wissen, linguistisches Wissen (Thaler 2008: 232).

Affektiv gesehen, basiert die Entscheidung ein Buch zu lesen auf der spezifischen Motivation, die vom Lesematerial, der fremdsprachlichen Lesefähigkeit, der Haltung gegenüber fremdsprachlichem Lesen sowie von der soziokulturellen Umwelt abhängt (Day und Bamford 2005: 28-30). Extensives Lesen kann positive Einstellungen gegenüber fremdsprachlichem Lesen fördern, da sich der fiktive interkulturelle Kontakt und die Autonomie bei der Wahl und Lektüre des Textes förderlich auf die Lesemotivation auswirken (Thaler 2008: 233). Die positive Erfahrung bereits in der Schule längere Texte in der Fremdsprache lesen zu können, soll die SuS auch langfristig zu dieser Tätigkeit motivieren. Sie sollen mit dem Lesen Erfolgserlebnisse verbinden und dieses Verhalten möglichst auf Alltagssituationen übertragen. Brusch und Heimer (2000: 49) geben zu bedenken, dass Lehrkräfte im Fremdsprachenunterricht der Mittelstufe auch auf Lerngruppen treffen, deren Motivation und Beteiligung am Unterricht aus Gründen wie häufige Lehrerwechsel, Alter der SuS, Wechsel in der Zusammensetzung der Lerngruppe sowie einer Diskrepanz zwischen der kognitiven Entwicklung der Lerner und ihrem fremdsprachlichen Ausdrucksvermögen unzureichend sind.2 Da der Prozess des Fremdsprachenlernens viele Jahre dauert, ist es förderlich, wenn im Unterricht neue und verschiedene Impulse gesetzt werden, um die Motivation aufrecht zu erhalten. Um den genannten Schwierigkeiten präventiv entgegen zu wirken, sollte das Bedürfnis zu Lernen von den Lernenden internalisiert werden. Projektorientierte Unterrichtseinheiten, wie ein extensives Leseprojekt über einen begrenzten Zeitraum, sind dafür geeignet, die SuS zu intensiverer Beteiligung am Unterricht zu motivieren (Brusch und Heimer 2000: 49).

Das extensive Lesen bietet eine Möglichkeit, SuS frühzeitig an das Lesen von literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht heranzuführen. Die Lehrkräfte erhöhen den Schwierigkeitsgrad der Literatur mit fortschreitenden Fremdsprachenkenntnissen der SuS. Das extensive Lesen kann als Ergänzung zum herkömmlichen Unterricht durchgeführt werden. Dabei soll der Akt des Lesens im Vordergrund stehen, da zahlreiche Zusatz- und Anschlussaufgaben in der pre-, while- und post-reading-phase die motivationalen Antriebe reduzieren. Als Aufgabenstellungen zu den Lesetexten eignen sich schülerzentrierte Aktivitäten, die auf den unterschiedlichen Reaktionen der SuS aufbauen, zur Bedeutungskonstituierung zwischen den Schülern beitragen und verschiedene Antworten provozieren (Thaler 2008: 234).

Die Lehrkraft wählt die Texte nach literaturwissenschaftlichen Kriterien (literarische Qualität, Repräsentativität), unter Berücksichtigung der schulartspezifischen Ziele des Fremdsprachenunterrichts und schülerorientiert aus (lebensweltliche Erfahrungen, sprachlicher und persönlicher Reifegrad der jeweiligen Lern- und Altersstufe). Als Lesetexte kommen alle Themen, Genres und Textsorten in Frage, die jugendlichen Interessen, Bedürfnissen und Neigungen entsprechen. Dies können literarische Werke, nicht-fiktionale Texte, Klassiker, landeskundliche Texte, Zeitungen, Jugendbücher, volkstümliche Literatur, vereinfachte Klassiker (graded readers) und Übersetzungen sein (Thaler 2008: 234).

Bei der Initiierung eines Programms zum extensiven Lesen können Herausforderungen auftreten. Thaler (2008: 235) spricht von einem Akzeptanzproblem des extensiven Lesens aufgrund historischer Traditionen und curricularer Entscheidungen. An den meisten Schulen dominiert das intensive Lesen, welches textanalytische Fähigkeiten, Termini und Kenntnisse über literarische Genres trainiert. Obwohl empirische Studien für extensives Lesen sprechen, wie ich unter 3. in dieser Arbeit zeigen werde, wird diese Methode anscheinend selten in der Sekundarstufe I in Deutschland eingesetzt. Schuladministratoren und Lehrer müssen gegebenenfalls erst überzeugt werden, bevor ein entsprechendes Programm starten kann. Zusätzlich können ungewohnte Lehrer- und Schülerrollen entstehen, wenn extensives Lesen im Unterricht durchgeführt wird (Brown 2008: 239). Um Missverständnissen vorzubeugen, sollte die Lehrkraft am Anfang eines Projekts zum extensiven Lesen den Schülern die Methode erklären, Regeln aufstellen und Ziele setzen. Ferner nennt Thaler (235) logistische Herausforderungen, wie die kostspielige Anschaffung vieler Bücher und unter Umständen arbeitsintensive Planungs-, Durchführungs- und Evaluationsarbeiten. Da extensives Lesen zeitaufwendig ist, mögen Kritiker einwenden, dass der Lehrplan und die beschränkte Stundenzahl kein Projekt wie das extensive Lesen erlauben. Thaler (235) argumentiert aber, dass das extensive Lesen lesetypische Fertigkeiten und allgemeinsprachliche Kompetenzen fördert und daher lehrplanadäquat ist. Ferner sprechen die Ermöglichung eines binnendifferenzierten Unterrichts3 und die Anwendbarkeit des extensiven Lesens in Vertretungsstunden für diese Methode. Extensives Lesen ist eine Unterrichtsmethode, die den Schülern die Aneignung einer eigenständigen Arbeitsweise und eine Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht sowie eine Abwechslung zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht bietet.

2.2 Curriculare Vorgaben

Bärbel Diehr und Carola Surkamp (2015: 21) kritisieren die unzureichenden curricularen Vorgaben, die eine Marginalisierung literarischer englischer Texte in der Sekundarstufe I zur Folge haben können. Die Rezeption literarischer Texte wird in bisher vorliegenden Kompetenzbeschreibungen für den Englischunterricht mit der von Sachtexten gleichgesetzt (vgl. Bildungsstandards 2004: 17).

[...]


1 „Intensives Lesen“ bedeutet genaues und vollständiges Erfassen eines Textes mit textsortenspezifischen Untersuchungsgesichtspunkten; „skimming“ meint ein Globalverständnis für einen Text zu entwickeln, also das Erfassen der wichtigsten Informationen; „scanning“ meint das Auffinden von speziellen Informationen in einem Text.

2 Neben diesen Beispielen gibt es weitere Gründe für mangelnde Motivation und unzureichende Unterrichtsbeteiligung von Schülern, auf welche ich aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit nicht weiter eingehe.

3 Binnendifferenzierung ist eine Form der Unterrichtsgestaltung, bei der der Unterricht an die Lernvoraussetzungen der SuS anknüpft. Dies geschieht auf organisatorischer, didaktischer und methodischer Ebene.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Extensives Lesen. Evaluation einer Methode zur Leseförderung im Englischunterricht der Sekundarstufe I
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V340767
ISBN (eBook)
9783668302570
ISBN (Buch)
9783668302587
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Extensives Lesen, Englischunterricht, Sekundarstufe I, extensive reading
Arbeit zitieren
Marie Marx (Autor:in), 2016, Extensives Lesen. Evaluation einer Methode zur Leseförderung im Englischunterricht der Sekundarstufe I, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340767

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