Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Unterrichtsstörungen
2.1. Definition
2.2. Ursachen
3. Prävention von Unterrichtsstörungen
3.1. Definition
3.2. Vier disziplinrelevante Bereiche des Lehrerverhaltens
3.2.1. Breite Aktivierung
3.2.2. Unterrichtsfluss
3.2.3. Klare Regeln
3.2.4. Präsenz- und Stoppsignale
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Unterrichtsstörungen beeinträchtigen den Unterricht tagtäglich in negativer Weise, sodass die aktive Lernzeit ab- und die psychische Belastung der Lehrkräfte zunimmt. Eine Korrelation zwischen Unterrichtsstörungen und einer frühzeitigen Dienstunfähigkeit von Lehrpersonen ist empirisch bewiesen (vgl. Balke 20032: 30). Um diesen negativen Einflüssen möglichst effektiv entgegenzuwirken, sollten präventive Maßnahmen eingesetzt werden. Zu dieser Erkenntnis kam der amerikanische Forscher Jakob Kounin, der sich aufgrund einer Störung während seiner eigenen Vorlesung intensiv mit der Problematik auseinandergesetzt hat. Im Rahmen der Studie Discipline and group management in classrooms untersuchte er Ende der 1960er Jahre anhand von Videomaterial diverser Unterrichtsstunden die Klassenführung verschiedener Lehrkräfte. Classroom-Management, bzw. zu Deutsch Klassenführung , gilt als die „Interaktion im institutionalisierten Rahmen einer Schulklasse, die durch ein hohes Maß an Unsicherheit und Komplexität geprägt ist“ (Kiel/Frey/Weiß 2013: 16). Diese zu strukturieren, ist die Intention des Classroom-Managements. Dadurch wird ein geschützter Raum geschaffen, um Lehr-Lern-Prozesse sowohl im fachlichen als auch im sozialen Sinne anzuregen. Grundlage dafür ist ein störungsfreier Unterricht, welchen die Lehrkräfte durch entsprechende Präventions- und Interventionsmaßnahmen ermöglichen. Auf Grundlage dessen erarbeitete der Forscher vier Dimensionen guter Klassenführung, welche Unterrichtsstörungen präventiv entgegenwirken sollen. Die vier Dimensionen Kounins wurden in der modernen Forschung bearbeitet und ergänzt, um Lehrkräften handlungsorientierte Maßnahmen zur Prävention von Unterrichtsstörungen anzubieten.
Diese werden im Folgenden systematisiert und die Signifikanz des ClassroomManagements als präventive Maßnahme zur Vermeidung von Unterrichtsstörungen herausgestellt. Als Grundlage dafür wird der Begriff Unterrichtsstörung definiert und dessen Ausprägungen kategorisiert. Um Lösungen für diese Problematik erarbeiten zu können, müssen zunächst die Ursachen für die Störungen des Lehr-Lern- Prozesses ergründet werden. Anschließend werden die vier Dimensionen guter Klassenführung nach Nolting erörtert. Dazu zählen die breite Aktivierung, der Unterrichtsfluss, klare Regeln sowie Präsenz- und Stoppsignale. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden in einem Fazit zusammengefasst.
2. Unterrichtsstörungen
2.1. Definition
Es erweist sich zunächst als schwierig, den Begriff „Unterrichtsstörung“ zu definieren, da dies an individuelle Empfindungen der Beteiligten gebunden und somit äußerst subjektiv ist. Die eine Lehrkraft stört sich nicht weiter an kurzen Gesprächen zwischen ihren Schülerinnen und Schülern1, während eine andere an dieser Stelle den LehrLern-Prozess als negativ beeinflusst ansieht. Eine unterschiedliche Beurteilung von Unterrichtssituationen trotz einer klaren Definition hängt von der individuellen Geduld sowie der Frustrationstoleranz der Involvierten ab.
Daher hat man sich in der Forschung bemüht, eine möglichst differenzierte Definition für dieses Phänomen zu erarbeiten. Bis in die 90er Jahre traten in der Pädagogik statt des Begriffs „Unterrichtsstörungen“ die Begriffe „Disziplinschwierigkeiten“ und „Verhaltensstörungen“ bzw. „Verhaltensauffälligkeiten“ auf. Durch die Bezeichnung „Unterrichtsstörungen“ ist es möglich, deren Individualität und die Komplexität ihrer Ursachen differenzierter zu betrachten (vgl. Wollenweber 2011: 14). Unter Unterrichtstörungen werden „Ereignisse, die den Lehr-Lern-Prozess beeinträchtigen, unterbrechen oder unmöglich machen, indem sie die Voraussetzungen, unter denen Lehren und Lernen erst stattfinden kann, teilweise oder ganz außer Kraft setzen“ (Lohmann 2007: 12) verstanden. Verursacher können sowohl SuS als auch Lehrpersonen sein, welche die Ereignisse bewusst oder unbewusst auslösen (vgl. Wollenweber 2011: 14). Meist werden die Unterrichtsstörungen ausgehend von der Schülerschaft betrachtet (vgl. Wollenweber 2011: 14). Diese lassen sich in vier Gruppen kategorisieren (vgl. Lohmann 2007: 14): verbales Störverhalten, mangelnder Lerneifer, motorische Unruhe und aggressives Verhalten. Wird ein Perspektivwechsel vorgenommen, sodass die Störung von der Lehrkraft ausgeht, ergeben sich drei Ebenen von Eigenschaften und Verhaltensweisen (vgl. Lohmann 201411: 97ff.): die Beziehungs- und Kommunikationsebene, der Unterricht und die Verhaltenskontrolle. Doch auch externe Faktoren, wie Lärm oder schlechtes Wetter, können den Lehr-Lern- Prozess beeinträchtigen (vgl. Wollenweber 2011: 15, Seitz 2004:9).
2.2. Ursachen
Um treffende Präventionsmaßnahmen für Unterrichtsstörungen zu erarbeiten, müssen zunächst deren Ursachen beleuchtet werden. Diese können aus drei Perspektiven verortet werden (vgl. Nolting 201311: 16). Zum einen kann die Schule als Institution mit ihren Problemen und Zwängen Störungen hervorbringen (vgl. Nolting 201311: 16). Dieser Ansatz lässt jedoch das individuelle Profil jeder Schule sowie die Akteure des Lehr-Lern-Prozesses, welche diesen maßgeblich beeinflussen, außer Acht.
Zum anderen können SuS die Ursache für die negative Beeinträchtigung des Lehr- Lern-Prozesses sein. Doch dabei muss bedacht werden, dass ihr Verhalten durch situative Faktoren sowie durch interpersonale Einflüsse beeinträchtigt wird (vgl. Nolting 201311: 18f.). Meist werden Unterrichtsstörungen aus dieser Perspektive betrachtet, sodass die Schülerpersönlichkeiten als Problem angesehen werden. Sie werden in einer äußerst subjektiven Weise anhand von „therapeutischen Deutungsmustern“ (Lohmann 201411: 15) als verhaltensgestört diagnostiziert. Grundlage dieser Ursachenzuschreibung ist die Annahme, dass allen SuS gleichermaßen die Sinnhaftigkeit der Einhaltung von Regeln in der Bildungsinstitution bewusst ist und sie sich lediglich selbst an deren Umsetzung hindern. Unterstützt wird dies durch die falsche, weitläufige Meinung, dass das Gewaltpotential und die Hyperaktivität der SuS zunähmen. Durch diese extrainstitutionelle Problemverlagerung gerät die interinstitutionelle Ursachenforschung ins Abseits, womit auch der Einfluss der Lehrperson auf Unterrichtsstörungen und somit deren Verantwortung gemindert wird.
Darüber hinaus sind die Lehrkräfte als eine potenzielle Ursache für Unterrichtsstörungen anzusehen. Sie sind der maßgebliche Faktor für die Qualität des Unterrichts (vgl. Nolting 201311: 19, Lohmann 201411: 16) und haben somit entgegen der „Pathologisierung störenden Schülerverhaltens “ (Lohmann 201411: 16) die Möglichkeit, Unterrichtsstörungen entgegenzuwirken. Da davon ausgegangen werden kann, „dass gutes Lehrerverhalten zumindest teilweise ein erlernbares Handwerk ist“ (Nolting 201311: 21), können Unterrichtsstörungen durch Prävention vermieden werden. Nur auf Grundlage der Perspektive, dass problematische Situationen im Unterricht „pädagogisch gestaltbar“ (Lohmann 201411: 16) sind, kann präventiv agiert werden.
[...]
1Im Folgenden werden Schüler und Schülerinnen im fortlaufenden Text als SuS abgekürzt.