Individuelle Lernförderung. Eine Fallanalyse


Dossier / Travail, 2009

19 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Person- und Förderungsdaten

2. Anlass und Rahmenbedingungen der Förderung
2.1 Zuordnung bzw. finden des Förderschülers
2.2 Forschendes Lernen im Studium
2.2.1 Kontext der Lehrveranstaltung
2.2.2 Persönliche Erfahrungen mit Förderung

3. Wissenschaftlicher Hintergrund zum Förderanlass und spezifische Fragestellungen und Ziele zu Beginn der Förderung
3.1 Stand der Theoriebildung zur Rechenstörung und zum AD(H)S
3.2 Fragestellungen für die diagnostische Erhebung

4. Informationen und Erhebungen zum Lern- und Entwicklungsstand: Förderungsbezogene Diagnostik
4.1 Vorgeschichte der Förderschülerin
4.2 Lernbezogene Schwierigkeiten und Kompetenzen
4.2.1 Problembezogene Lernstände
4.2.2 Problembezogene individuelle Ressourcen und Risikofaktoren des (außer)schulischen Umfeldes

5. Integration der förderdiagnostischen Befunde und Einschätzung des Förderbedarfs
5.1 Problemstruktur und Förderdiagnose
5.2 Abschätzung des Förderbedarfs und Begründung für die Auswahl der Förderbereiche

6. Förderungsplanung

7. Verlauf und Ergebnisse der Förderung

8. Zusammenfassende Einschätzung des Fördererfolgs

9. Vorschläge zur Weiterführung bzw. Modifikation der Förderung

10. Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

In dem Seminar „Individuelle Lernförderung“ wird uns Studierenden die Möglichkeit geboten über einen Zeitraum von 3 Monaten einzelne Schülerinnen und Schüler zu fördern. Entsprechend dem Motto: „Von den Stärken ausgehen!“ stehen hierbei die vorhandenen Fähigkeiten und die Lebenswelt der Kinder im Mittelpunkt (Eggert 2007, S. 188). Mit Hilfe eines individuell erstellten Förderungsplans und entsprechend ausgewählten Lehr- und Lernformen sollen die Kinder die Möglichkeit erhalten, ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Ebenso sollen auf diese Weise vorhandene Lernstörungen aufgelöst werden. Das wesentliche Ziel besteht jedoch darin, die Freude am Lernen zu entdecken oder wieder zu finden.

Im Folgenden sollen nun meine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen hinsichtlich der individuellen Lernförderung geschildert werden. Neben dem großen Praxisanteil, den diese Arbeit umfasst, sind auch zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse miteinbezogen worden.

1. Person- und Förderungsdaten

Förderlehrkraft

Ich heiße Anja Giffey und bin 22 Jahre alt. Ich studiere im 5. Semester den Studiengang BA GSKS mit Lehramtsoption an der Universität Hildesheim. Meine Fächerkombination ist Deutsch und Geschichte mit dem Bezugsfach Sachunterricht. Mein Studienschwerpunkt ist die Grundschule.

Förderschülerin

Lena[1] wurde am 10. November 1998 in Hildesheim geboren. Sie besucht die 4. Klasse einer Grundschule. Gemeinsam mit ihren Eltern lebt sie in unmittelbarer Schulnähe. Die Familie bewohnt eine 3-Zimmer-Wohnung, in der Lena einen eigenen Wohnraum hat. Frau P. kümmert sich um den Haushalt und versorgt die Familie. Vor allem zu ihr hat Lena eine sehr enge Bindung. Der Vater, der ursprünglich aus dem Libanon stammt, ist selbstständig und oft bis spätabends tätig, so dass er nur wenig Zeit für seine Tochter hat. Lena ist die jüngste von drei Kindern. Ihre beiden Geschwister M. (Bruder, 19 Jahre) und J. (Schwester, 21 Jahre) leben nicht mehr zu Hause und kommen nur noch sehr selten zu Besuch. Um jedoch in Kontakt zu bleiben, telefoniert Lena wöchentlich mit den Beiden.

Hospitation

Während der Beobachtungsstunden fiel mir auf, dass Lena sich sehr darum bemühte, am Unterrichtsgespräch teilzunehmen. Dabei freute sie sich über jede Form der Anerkennung. Bei Problemen nahm sie gern die Hilfestellungen des Lehrers oder ihres Sitzpartners an. Auffallend war, dass sie sich schnell von äußeren Einflüssen, wie zum Beispiel Geräuschen, ablenken ließ. Deshalb schaffte sie auch nicht das vorgegebene Aufgabenpensum.

Förderungsdaten

Die aktive Förderung begann unmittelbar nach einem Gespräch mit dem Klassenlehrer, der zugleich der Mathelehrer ist, sowie nach einer zweistündigen Hospitation im Klassenverband. Die Förderung fand in dem Zeitraum von Ende November bis Anfang Februar statt. Insgesamt umfassten die Förderungseinheiten circa 810 Minuten und wurden durchschnittlich einmal wöchentlich durchgeführt. Die Förderung fand immer donnerstags nach dem Unterricht von 13.00 Uhr bis 14.30 Uhr im Klassenraum der 4a statt.

2. Anlass und Rahmenbedingungen der Förderung

2.1 Zuordnung bzw. finden des Förderschülers

Die Vermittlung der Schülerin resultierte aus der Vorarbeit der Universität Hildesheim. Dem Anschreiben an die Schulen folgten entsprechende Rückmeldungen, dass Bedarf an zahlreichen Schulen in Hildesheim bestünde. Im begleitenden Seminar „Individuelle Lernförderung“ wurden uns mehrere Schulen vorgestellt. Ich habe mich dabei für die X Grundschule entschieden, weil diese Schulform meinem Studienschwerpunkt entspricht. Die Schülerin wurde mir anschließend von dem Klassenlehrer zugeteilt, wobei der Förderbereich mit dem Schwerpunkt „Zahlen und Operationen“ bereits festgelegt war. Die Zusammenarbeit mit der X Grundschule habe ich als sehr angenehm empfunden. Ich hatte insbesondere in dem Klassenlehrer der 4a einen aufgeschlossenen Ansprechpartner gefunden. Sowohl in den organisatorischen Dingen, wie zum Beispiel der Raumsuche, als auch bei fachlichen Fragen war er mir stets eine große Hilfe. Ich fühlte mich in meinen Entscheidungen zu jeder Zeit akzeptiert und vollkommen ernst genommen.

Da ich noch keine Erfahrungen im Bereich der individuellen Lernförderung gemacht hatte, war diese bevorstehende Aufgabe spannend und neu für mich. Vor allem freute mich, dass Lenas Mama Interesse an dem Förderungsverlauf zeigte. In regelmäßigen Telefongesprächen informierte ich sie über die Geschehnisse und über die weiteren Förderungsschritte.

2.2 Forschendes Lernen im Studium

Einblicke in den Bereich der Diagnostik und Evaluation begegnen den Studierenden an der Universität Hildesheim in den unterschiedlichen Lehrveranstaltungen, insbesondere jedoch in der Pädagogik und in der Psychologie. Mit einer praktischen Ausrichtung geht auch der Sachunterricht vor, der in mindestens einem Modul eine eigene empirische Untersuchung mit Kindern verlangt. Dadurch gewinnt man einen guten Einblick in das breite Feld wissenschaftlichen Forschens, das unterem auch für die Auseinandersetzung mit der Literatur im Bereich dieser Förderung unterstützend war. Es hat geholfen, nicht jede Information auf das Förderkind anwenden zu wollen, sondern durchaus kritisch zu bleiben und aus der Fülle an Hilfen eine geeignete Auswahl treffen zu können.

Unterstützend waren zudem die Vorkenntnisse auch im Umgang mit dem Mathematiktest „DEMAT 3+“, der im Studium bereits Erwähnung gefunden hatte. Diese Vermischung von Studium und Praxis über den Zeitraum eines Semesters stellte eine neue Erfahrung für mich dar. Im Vergleich zu den Praktika wurde der Förderung einer Einzelschülerin eine größere Eigenständigkeit vorausgesetzt. So kam es vor, dass ich aufgrund der mangelnden Qualifizierung in vielen Situationen intuitiv handelte.

2.2.1 Kontext der Lehrveranstaltung

Das Seminar „Individuelle Lernförderung“ hatte vermittelnde Funktion. Es fand geblockt an dem zweiten Samstag im Semester und im Anschluss semesterbegleitend einmal in der Woche, am Mittwoch zwischen 12.15 Uhr und 13.45 Uhr statt. Entscheidende Sachverhalte wie Motivation oder auch lernpsychologische Grundlagen nach Jean Piaget wurden wiederholt und vertieft. Andere Themen waren dagegen neu. Nachhaltig blieb mir der Bereich Klassifikation von Lernstörungen in Erinnerung.

Als angenehm habe ich es empfunden, dass unser Dozent das Seminar sehr praxisnah ausrichtete. Zu jeder Zeit signalisierte er uns Ansprechbereitschaft. Auch der Austausch mit anderen Studierenden war hilfreich. Es war interessant zu hören, wie es ihnen in dieser Situation erging und mit welchen Bereichen der Förderung sie sich jeweils konfrontiert sahen.

2.2.2 Persönliche Erfahrungen mit Förderung

Bis zu diesem Semester hatte ich keine persönlichen Erfahrungen mit individueller Lernförderung. Dementsprechend vorbehaltlos bin ich an diese Situation herangetreten. Diese Naivität habe ich als legitim empfunden, weil ich offen für die Erfahrung war. Weder dachte ich eine totale Kehrtwende für die bis dahin schleppende Laufbahn der Schülerin herbeiführen zu können, noch war ich der Auffassung, es hätte keinen Zweck.

3. Wissenschaftlicher Hintergrund zum Förderanlass und spezifische Fragestellungen und Ziele zu Beginn der Förderung

3.1 Stand der Theoriebildung zur Rechenstörung und zum AD(H)S

a) Rechenstörung

Immer wieder gibt es Kinder, die beim Erlernen der Mathematik besondere Schwierigkeiten haben. Stundenlanges Lernen und ewiges Wiederholen bringen nicht den gewünschten Erfolg. Der Grund dafür ist, dass die Kinder die arithmetischen Vorgänge nicht nachvollziehen können. Trotz aller Bemühungen schaffen sie es deshalb nicht dem Mathematikunterricht zu folgen (vgl. Fritz/Ricken 2008, S. 9). Hierbei handelt es sich um das Phänomen der Rechenstörung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert in ihrer internationalen Klassifikation psychischer Störungen unter Punkt F81.2 diese Lernstörung als „umschriebene Beeinträchtigung von Rechenfähigkeiten, die nicht allein durch eine angemessene Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft vor allem die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, […]“ (Schipper 2003, S. 27).

„Bis heute konnte sich die Wissenschaft [allerdings] auf keine einheitliche Definition dieses Phänomens einigen“ (Ganser 2007, S. 6). Dies hat zur Folge, dass die Rechenstörung mit einer Fülle von unterschiedlichsten Bezeichnungen umschrieben wird: Dyskalkulie, Arithmasthenie, Rechensschwäche […] (vgl. ebd.). Allerdings sind eben diese Termini problematisch. Häufig dienen sie dazu die Betroffenen zu etikettieren und als „neurologisch oder anderweitig organisch“ zu diagnostizieren (Ganser 2007, S. 6). Diese Sichtweise greift jedoch nach heutigen Erkenntnissen zu kurz. Jedem Pädagogen muss klar sein, dass es sich bei einer Rechenstörung weder um eine Einschätzung der Gesamtpersönlichkeit noch um eine Krankheit handelt (vgl. Schulz 2002, S. 15). Kein Schüler sollte durch einen Begriff stigmatisiert werden! Für Lehrer und Eltern betroffener Kinder sollte nicht die Frage im Mittelpunkt stehen, ob ein Kind rechenschwach ist oder nicht. Wichtiger ist, danach zu fragen, welche Lernschwierigkeiten das Kind im Mathematikunterricht hat und wie ihm geholfen werden kann. Wo liegen also die Ursachen für 'das Versagen'? Unumstritten ist heute, dass nicht allein die Fähigkeiten des Kindes, sondern mehrere ungünstige Faktoren für das Entstehen von Lernschwierigkeiten verantwortlich sind. So können anhaltende Misserfolgserlebnisse im Mathematikunterricht folglich eine Schulunlust oder eine ablehnende Haltung gegenüber der Fachlehrerin begünstigen. Dies kann wiederum dazu führen, dass ein Kind die Beschäftigung mit mathematischen Inhalten fortan vermeidet und daraus Lernschwierigkeiten entstehen. Aber auch eine mögliche Außenseiterrolle in der Klasse oder Probleme in der Familie können wichtige Risikofaktoren darstellen. Wird ein Kind etwa unter großen Leistungsdruck gesetzt, kann dies die Verfestigung von Lernschwierigkeiten begünstigen. Die Ursachen für solche Lernstörungen sind somit „als komplexes Zusammenwirken von verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen des [Kindes] mit den Bedingungen, unter denen der Lehr-Lern-Prozess stattfindet“, zu sehen (Schulz 1994, S. 6). Es handelt sich also nicht nur um „die Schwierigkeit mit Zahlen und Mengen umzugehen, Lösungswege für Aufgaben zu finden und Rechenoperationen fehlerlos zu vollziehen“ (Schlegel 1997, S. 16).

[...]


[1] Hierbei handelt es sich um ein Pseudonym.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Individuelle Lernförderung. Eine Fallanalyse
Université
University of Hildesheim  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Auteur
Année
2009
Pages
19
N° de catalogue
V341183
ISBN (ebook)
9783668313095
ISBN (Livre)
9783668313101
Taille d'un fichier
531 KB
Langue
allemand
Mots clés
Lernförderung, individuelle Lernförderung, Lehrpraxis, Grundschullehramt
Citation du texte
Anja Giffey (Auteur), 2009, Individuelle Lernförderung. Eine Fallanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/341183

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