Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikation für Fach- und Führungskräfte

Ein kontroverses Konzept


Bachelorarbeit, 2016

42 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Interkulturelle Kompetenz: ein problematischer Begriff
2.1 Interkulturelle Kompetenz
2.2 Was ist Kultur?
2.2.1 Kohärenzorientierung
2.2.2 Differenzorientierung

3 Förderung von interkultureller Kompetenz
3.1 Interkulturelle Trainings
3.2 Relevanz für die (interkulturelle) Zusammenarbeit

4 Interkulturelle Kommunikation: ein Mythos?
4.1 Interkulturalität
4.2 Transkulturalität
4.3 Kollektivität und Interkollektivität
4.4 Interkollektives Coaching

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der aus der Betriebswissenschaft stammende Begriff „Globalisierung“ hat, trotz seiner noch jungen Karriere, unsere Weltwahrnehmung erheblich verändert. Er wird beispielsweise von den Medien häufig verwendet, um auf eine Internationalisierung wirtschaftlicher Prozesse hinzudeuten. Damit einhergehend wird der Terminus von Grund auf mit einer über nationalen Grenzen hinweggehenden Vernetzung assoziiert, insbesondere bei globaltätigen Organisationen.

Globalisierung hat schnell wissenschaftliches Interesse geweckt und ist mithin zu einem „Kampfbegriff“ (Scherrer et al. 2011, S. 11) geworden. Aus dem Forschungsschwung, den die Globalisierung anregte, wurde ein anderer, in gleicher Maße umstrittener Begriff wieder aufgefrischt: die Kultur. Zahllos sind die soziologischen Ansätze, die Kultur für das Handeln der Menschen verantwortlich machen. Hofstede kommt zu der Aussage, dass Kultur die „mentale Programmierung des Menschen“ (Hofstede 1993, S. 18) sei. Obwohl die Globalisierung suggerieren könnte, dass nationale Entitäten an Bedeutung verlieren, wird Kultur weitgehend im Sinne von „Nationalkultur“ interpretiert. So entwickelten sich zahlreiche Modelle, die sich als Kulturanleitungen vorstellen und Fragen wie „Wie ticken die Amerikaner?“ oder „Warum sind Spanier so stolz?“ beantworten wollen.

Auf diese Weise entsteht die Annahme, dass internationale Geschäftssituationen einer kulturorientierten Verhaltensweise bedürfen, welche – der Herkunft des jeweiligen Geschäftspartners gemäß - dank kulturspezifischen Wissens und Handlung eine gezielte und effektive Zusammenarbeit fördern soll. Diese Qualifikation, die immer häufiger von Fach- und Führungskräften erwartet wird, lässt sich unter dem Begriff „interkulturelle Kompetenz“ zusammenfassen.

Interkulturelle Kompetenz mag also zeitgenössisch von absoluter Notwendigkeit erscheinen, jedoch stellt deren Vermittlung eine Herausforderung dar, „der sich alle expandierenden Unternehmen stellen müssen“ (Papageorgiou 2015, S. 26). Ein Mangel an diesem potenziellen „Wettbewerbsvorteil“ (Cockwell 2010, S. 31) wird als riskant gesehen: laut Thomas (2005) könnte dies eine Erklärung für die hohe Misserfolgsquote bei internationalen Unternehmenszusammenschlüssen sein (vgl. ebd. S. 57).

Diese Arbeit gliedert sich in drei Teile und beschäftigt sich mit der interkulturellen Kompetenz, über deren Bedeutung keine Einigung besteht. Hierfür wird im ersten Kapitel die Debatte um diesen Begriff von verschiedenen Standpunkten näher vorgestellt. Im Fokus des zweiten Kapitels stehen die interkulturellen Trainings, die von der Personalentwicklung als Förderungsmaßnahmen zur Erlangung interkultureller Kompetenz eingesetzt werden. Wichtig ist hier zu beachten, dass die Modelle, auf die sich interkulturelle Trainings stützen, von der Grundlage eines statischen Kulturverständnisses ausgehen. Ein kurzer Blick auf ein aktuelles Lehrbuch (vgl. Lang et al. 2016) über „interkulturelles Management“ reicht, um festzustellen, dass in der Betriebswirtschaftslehre - anders als bei der Kulturwissenschaft – die Ansätze von Hofstede und von Thomas eine immer noch zentrale Stelle besitzen. So bildet sich das Ziel dieser Arbeit, die sich vornimmt, eine konzeptübergreifende Alternative zu den traditionellen Kulturdefinitionen, die der interkulturellen Kompetenz zugrunde liegen, zu finden. Dazu wird, in Anschluss an der Kritik zur Interkulturalitätsauffassung, das Kollektivitätskonzept von Klaus P. Hansen zuletzt ergründet, womit eine interkollektive Kompetenz und deren Förderung durch interkollektives Coaching herausgearbeitet werden. Die Arbeit beschränkt sich dabei auf eine wissenschaftsfundierte Konzeption, welcher es bewusst an Praxisbegründung mangeln mag. Das Fazit liefert einen kurzen Ausblick auf die Vorteile des Kollektivitätskonzeptes für Fach- und Führungskräfte im Vergleich zu den bisher erörterten Auseinandersetzungen mit der interkulturellen Kompetenz und schließt somit die Arbeit ab.

2 Interkulturelle Kompetenz: ein problematischer Begriff

2.1 Interkulturelle Kompetenz

In vielen professionellen Feldern ist interkulturelle Kompetenz zu einer der meistgewünschten Qualifikationen geworden (vgl. Straub 2007a, S. 35). Aus diesem Grund ist die Fülle an Studiengängen und Weiterbildungsmöglichkeiten zum Erwerb interkultureller Kompetenz schnell gestiegen, doch ist der Begriff nicht unumstritten, so Straub (2007a): „trotz der praktischen, gesellschaftlichen und globalen Relevanz dieser Kompetenz ist bis heute keineswegs hinreichend klar, was denn eigentlich darunter verstanden werden soll“ (Straub 2007a, S. 35). Die Debatte um die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz ist in der dritten Diskussionseinheit, die im Jahr 2003 in der Zeitschrift „Erwägen Wissen Ethik“ publiziert wurde, gut zu sehen. Die Beiträge von mehr als 30 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die ihre Kritik an den Hauptartikel von Alexander Thomas richteten, gelten heute noch als effizienter Überblick des gesamten Meinungsstreits.

Thomas gilt, zumindest im deutschsprachigen Forschungsraum, als einer der bedeutendsten Untersucher des Begriffes. So definiert Thomas interkulturelle Kompetenz, die aus gegebenem Anlass mit dem Terminus „Handlung“ erweitert wird:

„Interkulturelle Handlungskompetenz zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Denken, Urteilen, Empfinden und Handeln, einmal bei sich selbst und zum anderen bei kulturell fremden Personen, zu erfassen, zu würdigen, zu respektieren und produktiv zu nutzen.“ (Thomas et al. 2010, S. 92)

Die Kritiken um dieses Konzept verweisen auf verschiedene Aspekte, die in der Definition von Thomas unklar bleiben.

Bolten (2011) betont zuerst „dass es sich bei 'interkultureller Kompetenz' um ein polyvalentes, inhaltlich nicht eineindeutig festlegbares Konstrukt handelt“ (ebd. S. 57) und deutet darauf hin, dass die hierzu zentralen Begriffe „Kultur“, „Interkulturalität“ und „Kompetenz“ „ebenfalls unscharf und mehrwertig sind“ (ebd.). Der Autor verwendet zudem den Begriff von „FuzzyLogik“, um diese konzeptuelle Verwirrung zu definieren: dies zeigt, dass die Debatte sich eigentlich schon entzündet, indem die beteiligten Grundbegriffe diskutiert werden. In 2.2 wird tiefsinnig auf das Konzept von Kultur und die damit verbundene Idee von Interkultur eingegangen, weil diese ein wichtiger Bestandteil für die Diskussion um interkulturelle Kompetenz sind, während die Legitimität von „Kompetenz“ von Bolten gerechtfertigt wird, indem er den Leser daran erinnert, dass diese mittlerweile zu einer Standardanforderung in der professionellen Sphäre geworden ist (vgl. Straub 2007a, S. 35). Doch wie soll man genau interkulturelle Kompetenz einschätzen? Geht es um eine eigenständige Fachkompetenz, die sich in interkulturellen Situationen offenkundig manifestiert? Setzt sie sich aus mehreren Teilkompetenzen zusammen? Ist sie vielleicht eine „soft skill“, die sich nur in Bezug auf andere Kompetenzen wertschätzen lässt?

Für lange Zeit galt die Unterscheidung zwischen „Listenmodellen“ und „Strukturmodellen“ als prinzipielle Einordnung der differenten Auseinandersetzungen mit dem Begriff interkulturelle Kompetenz. Die erstgenannten Modelle versuchen, eine Auflistung der Merkmale, aus denen interkulturelle Kompetenz bestehe, durchzuführen. Eine breitsinnige interkulturelle Kompetenz könne also aus einer Addition dieser Punkte entstehen. Bannenberg (2011) nennt als Beispiel für ein Listenmodell die Studie „AWARE! Intercultural Competence" (Dahm 2006), welche die Anforderungen an potentielle Mitarbeiter auf den Punkt bringen will. Die befragten Personalverantwortlichen erwiesen zudem sechs „interkulturelle Kompetenzen“: Teamfähigkeit, Projektmanagement-Kompetenz, Kommunikation, Medienkompetenz, Fremdsprachenkompetenz und Flexibilität (ebd. S. 54). Diese Auffassung wird nun in der wissenschaftlichen Diskussion tendenziell abgewiesen. Erstmal herrscht Übereinstimmung über die Erkenntnis, dass sich die obengenannten Kompetenzen nicht als interkulturelle Fähigkeiten beurteilen lassen, da sie meist schon „intrakulturell“ von Belang sind (vgl. Bannenberg 2011, S. 116). Außerdem können diese Kompetenzen je nach Bereich erheblich variieren, sodass die Hoffnung auf eine einheitliche Definition zur interkulturellen Kompetenz mit diesem Modell nicht weiterverfolgt werden kann. Kohärenter mit diesem Ziel scheinen jedoch die sogenannten „Strukturmodelle“ zu sein. Die meisten theoretischen Ansätze, die für ein Strukturmodell interkultureller Kompetenz plädieren, gehen auf das dreiteilige Modell von Gertsen (1990) zurück. Gertsen unterscheidet affektive, kognitive und kommunikative bzw. verhaltensbezogene Dimensionen interkultureller Kompetenz. Jeder Kategorie werden dann weitere Teilkompetenzen zugeschrieben. Strukturmodelle verstehen also interkulturelle Kompetenz nicht mehr additiv, sondern synergetisch-prozessual (vgl. Bolten 2007, S. 213). Jedenfalls besteht bei diesem Modell das gleiche Problem wie bei Listenmodellen: viele dieser interkulturellen Teilkompetenzen sind keine exklusiven Bedingungen für interkulturelle Situationen, da sie auch in der eigenkulturellen Sphäre gefordert werden.

Rathje (2006) versucht, sich von diesen klassischen Modellen zu trennen. Die Autorin grenzt zunächst „generik“ und „spezifik“ interkulturelle Kompetenz voneinander ab, und separiert weiterhin „kulturspezifische Kompetenz“, „kulturübergreifende Kompetenz“, „allgemeine Sozialkompetenz“, sowie „Transferkompetenz“ (ebd. S. 6ff.). Die erste Kategorie besagt, interkulturelle Kompetenz sei nichts anders als reines Kulturwissen. Diese Art von kulturellem Wissen ist generell auf die Nationalkultur bezogen, d.h., es ist auch landspezifisch: in der Tat könne man beispielweise „Frankreichkompetent“, „Japankompetent“ usw. sein, indem man sich das jeweilige kulturelle Wissen anschafft. Dieses Spezifikum scheint allerdings gegensätzlich zu der Definition von interkultureller Kompetenz zu sein, weil sie die Fähigkeit, mit Interkultur im Allgemeinen umzugehen, verneint (vgl. ebd. S. 7).

Die Ansätze, die eine kulturübergreifende Herangehensweise bevorzugen, weisen darauf hin, interkulturelle Kompetenz sei als „jene Fähigkeit, die Erfahrung von kultureller Differenz und Fremdheit zu verarbeiten“ (Mecheril 2003, S. 198) und „fruchtbar zu machen“ (Wierlacher 2003, S. 216) aufzufassen. Diese Definition hat den Vorzug, interkulturelle Kompetenz im Allgemeinen zu erfassen, sodass deren Sinn nicht abgelehnt werden kann. Sie bleibt jedoch abstrakt, sofern man wissen möchte, was genau dieser „Umgang mit (kulturellen) Fremdheit“ umfasst.

Eine deutlich verschiedene Position nimmt die Vorstellung an, interkulturelle Kompetenz sei lediglich eine „allgemeine Sozialkompetenz“. Diese Interpretation basiert auf der Grundprämisse, dass sich interkulturelle Kompetenz in Teilkompetenzen unterteilen lasse. Sprachkenntnisse und Landeskunde sind zwar als selbständige Kompetenzen zu berücksichtigen, jedoch seien die anderen Teilkompetenzen, wie z.B. Empathiefähigkeit, die eine adäquate Auseinandersetzung mit Angehörigen anderer Kulturen erlauben würden, eigentlich Bestandteil der Sozialkompetenz (vgl. Rathje 2006 S. 8). Dies würde aber bedeuten, es gebe kaum Unterschiede in der Art und Weise, wie man mit Intrakultur und Interkultur umzugehen hat.

Eine andere Veranschaulichung bietet die Behauptung, interkulturelle Kompetenz sei eine Transferfähigkeit der allgemeinen Handlungskompetenz. Laut Bolten (2006) ist interkulturelle Kompetenz nicht als eigenständige Kompetenz zu begreifen, sondern sie trägt dazu bei, dass die Teilkompetenzen (Bolten unterscheidet zwischen fachlicher, individueller, sozialer und strategischer Kompetenz) die Übertragung auf das „interkulturelle Handlungsfeld“ sichern (vgl. ebd.). Bolten argumentiert weiterhin, es gebe keine reine „interkulturelle Kompetenz“, die alleine Erfolg in interkulturellen Situationen garantieren könne. Im Arbeitsfeld zum Beispiel sind fachliche Kompetenzen allzu wichtig, sodass ein Mangel an spezifischen Fachkenntnissen zum Misserfolg führen kann, abgesehen davon, ob sich die Situation als interkulturell bezeichnen lässt oder nicht.

Rathje (2006) weist darauf hin, dass das Problem bei der Definition von interkultureller Kompetenz stark davon abhängt, dass keine Einigung darüber herrscht, was überhaupt das Ziel interkultureller Kompetenz ist. So erkennt Rathje zwei Grundgedanken, die je eine andere Zielsetzung für interkulturelle Kompetenz vorsehen. Einerseits stehen die Ansätze, die interkulturelle Kompetenz als „Erfolgsinstrument“ sehen, also das Mittel, um interkulturelle Situationen „erfolgreich“ zu bewältigen (vgl. ebd. S. 4). Thomas geht mit diesem „Effizienzansatz“ einig und erklärt das Ziel interkultureller Kompetenz als die Möglichkeit, „den interkulturellen Handlungsprozess so (mit)gestalten zu können, dass Missverständnisse vermieden oder aufgeklärt werden können und gemeinsame Problemlösungen kreiert werden, die von allen beteiligten Personen akzeptiert und produktiv genutzt werden können.“ (Thomas 2003, S. 141)

Wie schon aus den vorherigen Stellungsnahmen zur Definition interkultureller Kompetenz abgeleitet werden kann, wird diese Erfolgsorientierung nicht einstimmig angenommen. Rathje (2006) erkennt eine weitere Kategorie, die mit interkultureller Kompetenz erzielt, „den Menschen weiterzuentwickeln“. Dieser Entwicklungsprozess geschieht im interkulturellen Handlungsumfeld, wodurch die Interaktionspartner eine Veränderung erleben. Diese Veränderung wird auf Identitätsebene wahrgenommen, wo Identität kein festes Konstrukt ist, sondern ein veränderbares, das dazu gelangt, interkulturelle Begegnung als Chance zur persönlichen Bereicherung zu betrachten und nicht als Hürde, die „bewältigt“ werden müsse. Fraglich ist jedoch, ob diese Erläuterung der Realität entspricht und nicht nur eine utopische Zielsetzung ist.

In diesem Kapitel wurde also gezeigt, wie facettenreich der Begriff interkulturelle Kompetenz ist und wie komplex die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Terminus sein kann. Es wurde des Weiteren darauf hingedeutet, dass für die Debatte um dieses Konzept im großen Teil verschiedene Interpretationen von „Kultur“ verantwortlich sind. Im nächsten Teil wird deswegen versucht, zwischen den verschiedenen Kulturverständnissen Ordnung zu bringen.

2.2 Was ist Kultur?

Die große Anregung, die sich bei den Wissenschaftlern um den Begriff „interkulturelle Kompetenz“ formiert hat, liegt primär darin, dass dessen Subkonzepte schwer definierbar sind. Mit interkultureller Kompetenz geht viel Raum für die Definition von Kultur einher. Eine Analyse des Begriffes erschien schon 1952, in Rahmen derer Kroeber und Kluckhohn 150 verschiedene Definitionen sammelten (Kroeber und Kluckhohn 1952). Das wissenschaftliche Interesse an dem Kulturbegriff ist in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts stets gestiegen, dennoch ist keine Einigkeit über seine Definition erreicht worden, sodass man behaupten kann, dass es „den allgemein gültigen Kulturbegriff nicht gibt.“ (Bolten 2007, S. 39). Außerdem betont Thomas dass jeder Forscher, der sich mit dem Begriff auseinandersetzt, gemäß seiner Zielsetzung lediglich bestimmte Aspekte von Kultur berücksichtigt und vermittelt (Thomas 1993, S. 379). Einen kompletten Überblick des Terminus zu leisten ist also eine herausfordernde Aufgabe, die von diesem Kapitel nicht angenommen werden kann. Nichtsdestotrotz ist es wesentlich, die verschiedenen Grundauffassungen, die zu verschiedenen Interpretationen von interkulturellen Kompetenz führen und die wissenschaftliche Debatte animieren, darzustellen.

Rathje (2006) versucht, ein geordnetes Bild der Diskussion herauszuarbeiten, indem die Autorin zwei Hauptkategorien beschreibt. Diese werden im nächsten Teil erklärt und argumentiert.

2.2.1 Kohärenzorientierung

Unter Kohärenzorientierung stuft Rathje das populäre Verständnis von Kultur als etwas „Einigende[s], das aus Gemeinsamkeiten entsteht, die von einer signifikanten Anzahl ihrer Mitglieder geteilt werden“ ein (2006, S. 12). Eine Kultur ist also repräsentativ für eine einzige Gruppe von Menschen, deren Charakteristiken sich von anderen Gruppen differenzieren. Die Mitglieder einer Gruppe sind stark durch „Kohärenz“ verbunden, weil sie dieselben Werte und Vorstellungen besitzen. Es ist in dieser Kategorie wichtig zu beachten, dass jede dieser „Gruppen“ in der Regel ein Synonym für eine bestimmte Nation wird, in der eine „Nationalkultur“ herrscht, die den Alltag ihrer Mitglieder bestimmt. Diese Theorie scheint sich zu legitimieren, indem diese „Verhaltensmuster“ durch die Annahme von „Kulturdimensionen“ beschrieben und auf diese zurückgeführt werden. Kulturdimensionen sind universelle Kriterien, die auf vielversprechende Weise die Möglichkeit bieten, Kulturen zu evaluieren und damit vergleichbar zu machen. Der Begriff wurde das erste Mal in den 50er Jahren verwendet und von Kluckhohn und Strodtbeck bekannt gemacht. Einer der meistdiskutierten Modelle über Kulturdimensionen wurde jedoch von Geert Hofstede in den 60er Jahren entwickelt. Hofstede führte in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Unternehmen IBM eine große Umfrage durch, an der circa 116.000 Mitarbeiter teilnahmen. Die damit gesammelten Daten wurden von Hofstede anhand seiner 4 Dimensionen (Machtdistanz, Maskulinität - Feminität, Individualismus - Kollektivismus, Unsicherheitsvermeidung) analysiert und auf einer Wertskala für jede Dimension von 0 bis 100 bewertet. Die Ergebnisse sprechen für riesigen Unterschiede zwischen den Ländern und deren kulturellen Wertvorstellungen, weswegen sie heute noch in der interkulturellen Kommunikationsforschung gerne benutzt werden. Das Modell von Hofstede erweckte allerdings scharfe Kritiken und ist sogar als „Humbug“ (Dreyer 2011) bezeichnet worden. Wie könne eine Umfrage, die in einem Unternehmen geführt wurde, nationale Gültigkeit in Anspruch nehmen (vgl. ebd., S. 83)? Dazu wirft Thomas dem gesamten Konzept von Kulturdimensionen vor, kulturelle Unterschiede quantifizieren zu wollen (vgl. Thomas und Utler 2013, S. 47). Kulturdimensionen seien weiterhin von Unidimensionalität gekennzeichnet, was die qualitative Unterscheidung zwischen Kulturen nicht fördere (vgl. ebd.).

Rathje rechnet dieser Kategorie die Beiträge von dem Sozialpsychologen Alexander Thomas zu. Mit seiner Definition von Kultur als „Orientierungssystem“ öffnet Thomas den Weg zu seinem Konzept über „Kulturstandards“, die er folgendermaßen erläutert:

„Unter Kulturstandards werden alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns verstanden, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden.“ (Thomas 1993, S. 381)

Anders als die Kulturdimensionen, beschreiben Kulturstandards eine Kultur aus der Sicht einer bestimmten fremden Kultur, sodass die Mehrzahl der Werke in der für Führungskräfte gedachten Reihe „Beruflich in“ sich auf deutsche Arbeitnehmer bezieht. Selbst wenn das Konzept der Kulturstandards eine detailliertere und vielseitigere Untersuchung der Kulturen leistet als die vorgängigen Kulturdimensionen, wird es heutzutage für ungeeignet gehalten, um der tatsächlichen Heterogenität der Kulturen Rechnung zu tragen (vgl. Rathje 2006, S. 12). Aus diesem Grund schlägt die Autorin im Hinblick auf interkulturelle Kompetenz vor, einer anderen Interpretation von Kultur zu folgen.

2.2.2 Differenzorientierung

Die These, die sich auf ein differenzorientiertes Verständnis von Kultur stützt, basiert explizit auf der Ablehnung der Kohärenzorientierung. Die „Vorstellung struktureller Einheitlichkeiten und Homogenität von Kulturen“ (ebd. S. 13) wird mit einer „Fiktion“ (Mall 2003, S. 196) verglichen und dekonstruiert, indem der heterogene Charakter von Kulturen hervorgehoben wird. Kulturelle „Systeme“ sollen nicht als „etwas objektiv Feststehendes und Feststellbares“ (Straub 2007b, S. 16) reifiziert werden, sondern sind vielmehr als „komplexes Gewebe“ (ebd.) zu verstehen.

Unterstützer dieses Kultuverständnisses argumentieren weiterhin mit dem Begriff der Hybridität, der sich einer kohärenzorientierten Kultur nicht unterordnen lassen kann. Hybridität wird grob als Synonym für „Vermischung“ verstanden und hat in den Sozialwissenschaften in Bezug auf Kulturen und Identität breite Anwendung gefunden (vgl. Hein 2006, S. 433). Für den Zweck dieser Arbeit liegt das Konzept der hybriden Kulturen zugrunde, da kulturelle Hybridität sich dem kulturellen Essentialismus widersetzt und die Instabilität von Kulturen betont (vgl. ebd. S. 57). Grundlegend ist zu begreifen, dass Hybridisierung nicht das Ergebnis einer Vermischung einstmals „reiner“ Kulturen ist. Kulturen sind schlichtweg nie homogen gewesen (vgl. ebd. S. 58).

Plausibel wirkt auch die auf das Konzept der Hybridisierung aufbauende Annahme, kulturelle Normen würden bei jedem Individuum etwa persönlich internalisiert (vgl. Mae 2003, S. 195) und somit jeweils unterschiedlich in der Praxis eingesetzt werden. Aber wenn gerade Individualität so wichtig erscheint, welche Rolle wird Kultur bzw. Kulturen beigemessen? Wenn Kulturen eigentlich durch Differenzen gekennzeichnet sind, ist es noch sinnvoll, überhaupt von Kulturen zu reden? Das nächste Kapitel widmet sich den Maßnahmen, welche die Förderung interkultureller Kompetenz erzielen. Aus den Grundlagen, die in diesem Kapitel vermittelt wurden, wird interessanterweise zu vernehmen sein, wie diese in der Tat teilweise kaum berücksichtigt werden. Darüber hinaus werden die Förderungsmaßnahmen zur Vermittlung interkultureller Kompetenz in Frage gestellt.

3 Förderung von interkultureller Kompetenz

3.1 Interkulturelle Trainings

Es wurde bereits diskutiert, dass in den letzten Jahrzenten der Bedarf an interkultureller Kompetenz schnell gewachsen ist. So Thomas (2003):

„Mit zunehmender Internationalisierung und Globalisierung weiter Bereiche des gesellschaftlichen Lebens […] wird der als zentrale Schlüsselqualifikation für die zukünftige Entwicklung moderner Gesellschaften anzusehenden ‚Interkulturellen Kompetenz‘ eine immer größere Bedeutung zukommen“ (ebd. S. 137).

[...]

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikation für Fach- und Führungskräfte
Untertitel
Ein kontroverses Konzept
Hochschule
Universität Regensburg  (Forschungstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
42
Katalognummer
V341728
ISBN (eBook)
9783668316492
ISBN (Buch)
9783668316508
Dateigröße
675 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interkulturelle Kompetenz, Interkultur, Intrakultur, International, Kollektiv, Kollektivwissenschaft, Thomas, Interkulturelle Kommunikation, Kultur, Transkulturalität, Interkulturalität, Interkulturelles Coaching, Interkollektiv, Interkollektivität, Globalisierung, Unternehmen, Betriebswirtschaft, Hofstede, Telesca, Fachkräfte, Führungskräfte, Manager, Intercultural competence, Interkulturelle Trainings, intercultural assimilator, Stereotyp, Vorurteil, Interkulturelles Paradigma
Arbeit zitieren
Fabio Telesca (Autor:in), 2016, Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikation für Fach- und Führungskräfte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/341728

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