Die Geschichtsphilosophie Immanuel Kants. Was die Entwicklung der Menschheit antreibt

Natur, Vernunft und Antagonismus


Dossier / Travail, 2016

14 Pages, Note: 1,7

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichtsphilosophie allgemein

3. Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784)

4. Darlegung der Idee
4.1 Ausführung des geschichtsphilosophischen Entwurfs
4.2 Gebrauch und Nutzen des geschichtsphilosophischen Entwurfs

5. Praktische Anwendung auf die Entstehungsgeschichte der Menschen

6. Reflektion und Überlegungen

7. Schluss

8. Literatur

1. Einleitung

Es gibt die unterschiedlichsten Arten der Geschichtsschreibung. Von der Universalgeschichte über Chroniken, Sozialgeschichten oder Wirtschaftsgeschichte. Jede dieser Arten hat ihre eigenen Themenbereiche und Schwerpunkte.

In dieser Arbeit wird die Geschichtsphilosophie von Immanuel Kant vorgestellt und anschließend genauer untersucht und beurteilt. Hierbei handelt es sich um eine besondere Art Geschichte zu verstehen und zu erklären. Es werden keine einzelnen Völker oder Zeitalter in den Mittelpunkt gestellt. Eine genauere Erklärung findet sich im Kapitel 2.

Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf der Vorstellung von Kants Geschichtsphilosophie. Diese wird in den Abschnitten drei bis vier genauer aufgezeigt. Immanuel Kants Werk „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ stellt einen Versuch dar, eine Geschichtsschreibung mithilfe des teleologischen Prinzips zu entwerfen. Mithilfe von neun aufeinander aufbauenden Thesen zeigt er auf, wie sich die Menschheit entwickelt und wodurch sie angetrieben wird. Die wichtigsten Stichpunkte in seinem Werk lauten Natur, Vernunft und Antagonismus. Diese Schlagwörter werden in der Arbeit näher ausgeführt und erläutert. Vor allem der Begriff der Naturabsicht zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk.

Kapitel fünf zeigt eine praktische Anwendung der zuvor ausgeführten Leitsätze auf, indem es diese auf den Anfang der Menschengeschichte bezieht. Hierfür legt Kant das erste Buch Moses (Genesis) zu Grunde und analysiert jenes mithilfe der Lupe der Vernunft. Es wird jedoch nur die reine Geschichte als Vorlage genommen und theologische Begriffe bleiben unerwähnt.

Der vorletzte Punkt führt Überlegungen zu Kants Werk an und überträgt diese auf die heutige Zeit. Ist eine Entwicklung in der Welt zu sehen oder scheint das Werk von Kant doch nur eine Idee zu sein? Auch der Einfluss der Natur in seinem Text oder der Motor des Antagonismus werden in diesem Punkt noch einmal genauer betrachtet. Weiterhin wird die Entwicklung der Moral untersucht.

Den Abschluss dieser Arbeit bildet Punkt sieben, der sowohl eine Schlussbetrachtung des Werkes, als auch ein Resümee enthält. Gibt es wirklich einen Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit und falls ja, wodurch lässt er sich begründen?

2. Geschichtsphilosophie allgemein

Der Begriff der Geschichtsphilosophie geht zurück auf Voltaire, welcher 1764 von dem Bedürfnis geleitet wurde, eine ausschließlich philosophisch geschriebene Geschichte auszuformulieren. Im Vordergrund steht hierbei die Destruktion einer Historiographie, welche alle Ereignisse auf das Eingreifen einer göttlichen Macht in der Geschichte zurückführt. Die philosophische Geschichtsschreibung steht im Gegensatz zur christlichen Geschichtstheologie. Die Vernunft rückt an die Stelle von Offenbarung und göttlicher Lenkung.[1] Es wird ein Ersatz der Wunder- und Fabelerzählungen durch vernünftige, bzw. natürliche Erklärungen angestrebt. Die Ursprünge der Völker und Gesellschaften werden nicht in der Schöpfungsgeschichte gesucht, sondern in der Natur.

Anstatt viele kleine Einzelheiten aufzuzählen, liegt eine weitere Besonderheit der Geschichtsphilosophie darin, die Konzentration auf Geist, Sitten und Gebräuche der wichtigsten Völker zu legen.

Der Menschenverstand steht im Vordergrund und soll Widersprüche, welche in früheren Fabelerzählungen auftreten, überprüfen und aufdecken.[2]

3. Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784)

Kant verfasste seine Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlichen Absicht im Jahr 1784 und unternahm damit selbst den Versuch, eine Geschichtsphilosophie nach seiner Vorstellung zu entwerfen. Sein Ziel war die Errichtung einer vollkommenen Staatsverfassung, eines weltbürgerlichen Zustandes, welchen man auch unter einem weltweiten Rechtszustand fassen kann. Darüber hinaus stand die völlige Entwicklung der „Anlagen der Menschheit“ im Vordergrund, nämlich die Verwandlung des menschlichen Zusammenlebens in ein moralisches Ganzes. Der Titel seiner Idee impliziert bereits, dass Kant kein spezifisches Ereignis herausstellt oder ein gewisses Volk bevorzugt, sondern es ihm nur an einer allgemeinen Geschichtsschreibung gelegen ist. Der Begriff der „Idee“ ist absichtlich gewählt, da Kant keinen Status des Wissens für sich beansprucht. Es werden in diesem Werk rein philosophische Überlegungen getroffen, welche immer wieder durch das Wort „Versuch“[3] unterstrichen werden.[4]

Dieser Text stellt Kants erstes und wichtigstes Werk zur humanen Geschichtsphilosophie dar und wurde nicht nur für ein reines Fachpublikum, sondern für eine größere Leserschaft geschrieben.[5] Die Aufteilung des Textes sieht wie folgt aus: Der „Idee zu einer allgemeinen Geschichte“ folgen neun Sätze, welche auch noch einmal untergliedert werden können. Die Sätze 1-7 werden von Kant genutzt, um seinen Entwurf auszuführen und die beiden Sätze 8 und 9 beziehen sich auf Gebrauch und Nutzen.[6]

Die Einteilung in sogenannte Lehrsätze lässt eine scheinbare Orientierung an Spinozas Ethica vermuten, der seine Texte ebenfalls mit Lehrsätzen systematisch aufeinander aufbaute. Nach Otfried Höffe könnte Kants ungenannte Grundfrage wie folgt lauten: „Lässt sich ein Fortschritt der Menschheit philosophisch begründen: Des näheren: Worin besteht er? Und: Was ist die Antriebskraft, die den Fortschritt erwarten läßt?“[7]

4. Darlegung der Idee

Nach Kants Ansicht stößt das Verhalten der Menschen auf einen gewissen Unwillen. Die Geschichte der Menschen im Ganzen betrachtet erscheint geprägt durch Torheit, kindische Eitelkeit, Bosheit und Zerstörungssucht. In den Handlungen der Menschheit ist keine vernünftige Absicht erkennbar und sie scheinen richtungslos zu sein. Die Geschichte der Menschen folgt keiner planmäßigen Geschichte, da sie nicht bloß instinktmäßig wie Tiere handeln. Kant unternimmt daher den Versuch eine Naturabsicht herauszustellen, welche die widersinnigen Geschehnisse nach einem Plan ablaufen lässt. Sein Ziel ist der Entwurf eines Leitfadens der Geschichte, dem es gelingt, eine Zweckmäßigkeit in den menschlichen Handlungen zu entdecken.[8]

4.1 Ausführung des geschichtsphilosophischen Entwurfs

Im ersten Satz seines Entwurfes führt Kant den Begriff des teleologischen Prinzips ein.[9] „Alle Naturanlagen eines Geschöpfes sind bestimmt, sich einmal vollständig und zweckmäßig auszuwickeln“[10] Hierbei handelt es sich um einen Grundsatz, nämlich das jeder Organismus mit bestimmten konstanten Anlagen ausgestattet ist. Die Rede ist hier von einer gesetzmäßigen Natur, in der jedes Organ in der Fortpflanzung reproduziert wird. Würde man hiervon abweichen, so bliebe nur ein trostloses Ungefähr, welches an die Stelle des Leitfadens der Vernunft treten würde.[11]

Der zweite Lehrsatz richtet sich konkret an die Entwicklung des Menschen als „einziges vernünftiges Geschöpf auf Erden“[12] Die Naturanlagen, welche auf den Gebrauch der Vernunft abzielen, können sich nur in der Gattung und nicht im Individuum alleine entwickeln. In der Vernunft sieht Kant den Unterschied zu den Tieren, denn sie ist nicht instinktmäßig, sondern kann nur durch Versuche, Übungen und Unterricht entwickelt werden. Diese Entwicklung kann nicht im Laufe eines Menschenlebens stattfinden, sondern ist ein Prozess über einen längeren Zeitraum.[13]

Die dritte These beginnt mit dem Satz „Die Natur hat gewollt“. Es ist auffällig, dass Kant die Natur personalisiert und ihr damit einen gewissen Einfluss und Willen auf die Ereignisse gibt. Der Mensch wurde von ihr mit der Vernunft und seiner körperlichen Ausstattung versehen. Doch nicht nur dies, sondern auch die Freiheit des Willens macht den Menschen zu einem Wesen, welches sich gegenüber den Tieren abhebt. Er wird nicht durch Instinkt geleitet, sondern muss Alles aus sich selbst heraus leisten. Weder Krallen, noch scharfe Zähne oder sonstige Verteidigungs- oder Angriffswaffen sind dem Menschen gegeben. Er muss auf seinen Verstand zurückgreifen, um zu überleben. Aber nicht nur die eingeschränkten körperlichen Eigenschaften muss er durch seinen Geist ausgleichen. „Die Erfindung seiner Nahrungsmittel, seiner Bedeckung, seiner äußeren Sicherheit und Verteidigung […] alle Ergötzlichkeit, die das Leben angenehm machen kann, selbst seine Einsicht und Klugheit, und sogar die Gutartigkeit seines Willens, sollten gänzlich sein eigen Werk sein.“[14] Der Mensch soll sich aus der Rohigkeit zur Glückseligkeit emporarbeiten.

Im Mittelpunkt des vierten Lehrsatzes steht der Begriff des Antagonismus (Widerstreit). Dieser wird durch die These der „ungeselligen Geselligkeit“ untermauert. Die Natur nutzt den Antagonismus, um die Entwicklung aller Anlagen sicherzustellen. Der Fortschritt in der Entwicklung, aber auch im Denken wird weder durch Instinkt noch durch einen verabredeten Plan zustande gebracht.[15] Der Mensch ist mit zwei Trieben ausgestattet, welche sich widersprechen. Zum einem der Neigung zur Gesellschaft, um sich selbst als Mensch zu fühlen. Zum anderen mit dem Hang zur Isolation, welcher im egoistischen Eigeninteresse des Menschen begründet liegt. Dieser Widerstand findet im Inneren des Menschen statt und führt dazu, dass er seine gesamten Kräfte entwickelt. Seinen Hang zur Faulheit muss er demnach überwinden, um durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht einen Platz unter seinen Mitmenschen zu finden.[16] Gerade durch diese Eigenschaft des Antagonismus muss der Mensch anfangen seinen Verstand zu gebrauchen.[17] Kant steht in dieser Denkweise im Gegensatz zu Aristoteles und Hobbes. Aristoteles sieht den Menschen mit einer kooperativen Natur, Hobbes hingegen sagt, dass der Motor des Handelns nur egoistisches Verlangen nach Selbsterhaltung sei.[18]

[...]


[1] Dierse, U./G. Scholtz Geschichtsphilosophie, in: HWPh, Bd. 3, Basel 1974,Sp. 417.

[2] Ebd.

[3] „Es ist hier keine Auskunft für den Philosophen, als daß, da er bei Menschen und ihrem Spiele im großen gar keine vernünftige eigene Absicht voraussetzen kann, er versuche, ob er nicht eine Naturabsicht in diesem widersinnigen Gange menschlicher Dinge entdecken könne.“

vgl. Kant, Immanuel, in: Weischedel, Wilhelm (Hg.): Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik, Bd. 11, Frankfurt am Main 1977, S. 34 (A387,388)

[4] Kleingeld, Pauline: Fortschritt und Vernunft. Zur Geschichtsphilosophie Kants, Würzburg 1995, S. 20.

[5] Höffe, Otfried (Hg.): Immanuel Kant – Schriften zur Geschichtsphilosophie, Bd. 46, Berlin 2011, S. 4-5.

[6] Kleingeld, S. 20.

[7] Höffe, S. 5.

[8] Kant, S. 34 (A387, 388).

[9] „Telos“ Zweck und „Logos“ Lehre: Teleologie ist die Lehre, in der Handlungen oder überhaupt Entwicklungsprozesse an Zwecken orientiert sind und durchgängig zweckmäßig ablaufen.

[10] Kant, S. 35 (A 389).

[11] Ebd.

[12] Ebd.

[13] Ebd.

[14] Ebd., S. 36 (A 390, 391).

[15] Ebd., S. 37 (A 392).

[16] Ebd., S. 38 (A393, 394).

[17] Kleingeld, S. 25.

[18] Höffe, S. 14.

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Die Geschichtsphilosophie Immanuel Kants. Was die Entwicklung der Menschheit antreibt
Sous-titre
Natur, Vernunft und Antagonismus
Université
University of Tubingen  (Philosophische Fakultät)
Cours
Die Evolution der Ehtik
Note
1,7
Année
2016
Pages
14
N° de catalogue
V341931
ISBN (ebook)
9783668317215
ISBN (Livre)
9783668317222
Taille d'un fichier
448 KB
Langue
allemand
Mots clés
Natur, ungesellige Geselligkeit, Antagonismus, Geschichtsphilosophie
Citation du texte
Anonyme, 2016, Die Geschichtsphilosophie Immanuel Kants. Was die Entwicklung der Menschheit antreibt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/341931

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