Deutschlands Entscheidungen bezüglich militärischer Auslandseinsätze sind sehr unterschiedlicher Art: Stephan Bierling identifizierte drei Phasen von Militäreinsätzen: In der ersten Phase von 1991 bis 1994 tastete sich Deutschland an „out-of-area“-Einsätze heran. Die nächste Phase war die der „Verantwortungsübernahme“. Sie begann mit der Beteiligung in Bosnien-Herzegowina 1995 und hatte mit den Einsätzen im Kosovo 1999 und in Afghanistan 2002 Höhepunkte. Während der gesamten Zeit verfolgte Deutschland keine Macht- oder Realpolitik, sondern sah militärische Auslandseinsätze als Bürde an, die nur als Ultima Ratio in Frage kamen. Hanns Maull unterstellte in seinem Artikel „Deutsche Außenpolitik: Orientierungslos“ eben eine solche Orientierungslosigkeit und kam zu dem Schluss, Deutschland folge in der Außenpolitik nur innenpolitischen Interessen. Eine außenpolitische Grundsatzdiskussion müsste schleunigst geführt werden. Nun erfolgt – nach langem Zögern – die Beteiligung in Syrien gegen den IS.
Die wechselhafte Beteiligung Deutschlands an militärischen Auslandseinsätzen stellt daher ein Rätsel dar. Ohnehin bedürfen Militäreinsätze demokratischer Staaten einer besonderen Erklärung. Der Doppelbefund zum Demokratischen Frieden ist hinlänglich bekannt: Demokratien greifen zwar nicht andere Demokratien an, aber gegenüber Nicht-Demokratien gilt das nicht. Innerhalb der Demokratien gibt bedeutende Unterschiede in ihrer Kriegsneigung gibt: Sie konnten ihre Hypothese bestätigen, wonach es aufgrund der pazifizierenden Wirkung von parlamentarischer Macht einen „parlamentarisch-demokratischen Frieden“ gibt. Da Deutschland ein solches parlamentarisches Regierungssystem hat und der Bundestag Auslandseinsätzen der Bundeswehr grundsätzlich zustimmen muss, ist eine Kriegsbeteiligung Deutschlands umso mehr erklärungsbedürftig.
Um dieses Rätsel zu erklären, könnten soziale Normen eine wichtige Rolle spielen. Denn soziale Normen bestimmen, welches Handeln in einer bestimmten Situation für angemessen erachtet und erwartet wird (Boekle et al. 2001: 106). Die Forschungsfrage lautet daher: Wie wirken sich soziale Normen in Deutschland auf die Entscheidung über die Beteiligung an militärischen Auslandseinsätzen aus? Damit soll die Arbeit einen Beitrag einerseits zur Erklärung von Deutschlands militärischen Auslandseinsätzen, andererseits zum Einfluss sozialer Normen auf außenpolitische Entscheidungen leisten.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Sozialkonstruktivistische Außenpolitiktheorie
- 2.1. Soziale Normen als erklärende Variable
- 2.2. Sozialisation - Verinnerlichung sozialer Normen
- 2.3. Identifizierung sozialer Normen für Deutschlands Militäreinsätze
- 3. Forschungsdesign
- 4. Datenerhebung
- 4.1. Libyen
- 4.1.1. Eckdaten zum Libyen-Krieg
- 4.1.2. Debatten im Bundestag über eine militärische Beteiligung Deutschlands
- 4.2. Syrien
- 4.2.1. Eckdaten zum Syrien-Konflikt
- 4.2.2. Debatten im Bundestag über eine militärische Beteiligung Deutschlands
- 4.1. Libyen
- 5. Datenauswertung
- 6. Fazit
- 7. Quellen- und Literaturverzeichnis
- 7.1. Quellen
- 7.2. Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den Einfluss sozialer Normen auf deutsche Entscheidungen über die Beteiligung an militärischen Auslandseinsätzen. Sie zielt darauf ab, die komplexen Faktoren zu beleuchten, die hinter Deutschlands wechselhaftem Engagement in internationalen Konflikten stehen und die Rolle sozialer Normen in diesem Prozess zu erforschen.
- Die Bedeutung sozialer Normen für das außenpolitische Handeln Deutschlands
- Die Rolle von Sozialisation und Verinnerlichung sozialer Normen im Kontext militärischer Auslandseinsätze
- Die Identifizierung relevanter sozialer Normen, die die deutsche Entscheidung über Militäreinsätze beeinflussen
- Die Analyse von Fallstudien, wie Libyen und Syrien, um den Einfluss sozialer Normen auf die deutsche Politik zu beleuchten
- Die Untersuchung der Auswirkungen des "parlamentarisch-demokratischen Friedens" auf die deutsche Kriegsbeteiligung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und erläutert die Relevanz der Forschungsfrage. Sie beleuchtet den wechselhaften Kurs Deutschlands in Bezug auf militärische Auslandseinsätze und stellt die Notwendigkeit einer umfassenden Analyse der zugrundeliegenden Faktoren heraus.
Kapitel 2 befasst sich mit der sozialkonstruktivistischen Außenpolitiktheorie und erörtert die Rolle sozialer Normen als erklärende Variable für außenpolitisches Verhalten. Die Verinnerlichung sozialer Normen durch Sozialisationsprozesse wird beleuchtet, und es werden relevante Normen für Deutschlands Militäreinsätze identifiziert.
Kapitel 3 beschreibt das Forschungsdesign der Arbeit und legt die Methodik zur Datenerhebung und -auswertung dar.
Kapitel 4 präsentiert die Datenerhebung anhand der Fallstudien Libyen und Syrien. Es werden die Eckdaten der jeweiligen Konflikte sowie die Debatten im Bundestag über eine militärische Beteiligung Deutschlands beleuchtet.
Kapitel 5 widmet sich der Datenauswertung und analysiert die Ergebnisse der Fallstudien im Kontext der sozialkonstruktivistischen Außenpolitiktheorie.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse sozialer Normen im Kontext deutscher Entscheidungen über militärische Auslandseinsätze. Daher stehen im Fokus der Untersuchung Begriffe wie "soziale Normen", "Außenpolitik", "Militäreinsätze", "Sozialisation", "Verinnerlichung", "Identifizierung", "Fallstudien", "Libyen", "Syrien", "parlamentarisch-demokratischer Frieden", "Demokratischer Frieden", "Bundestag", "NATO", "EU", "IS". Die Arbeit analysiert die Relevanz dieser Begriffe für die deutsche Außenpolitik und die Entscheidung über militärische Interventionen im Ausland.
- Quote paper
- Tom Barth (Author), 2016, Die Auswirkung sozialer Normen in Deutschland auf die Entscheidung über die Beteiligung an militärischen Auslandseinsätzen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/341971