Steuerliche Auswirkungen deutscher Direktinvestitionen in der Russischen Föderation


Bachelorarbeit, 2014

54 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Gang der Untersuchung

2. Wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbetrachtung von deutschen Direktinvestitionen in der Russischen Föderation
2.1 Wirtschaftliche Grundlagen
2.2 Einführung in das russische Ertragsteuerrecht
2.2.1 Die Gewinnsteuer
2.2.2 Die Einkommensteuer
2.3 Einführung in das russische Gesellschaftsrecht
2.4 Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation
2.4.1 Persönlicher Anwendungsbereich nach Art. 1 DBA-RF
2.4.1.1 Der Personen- und Gesellschaftsbegriff nach Art. 3 Abs. 1 lit. a) und b) DBA-RF
2.4.1.2 Ansässigkeit nach Art. 4 DBA-RF
2.4.2 Sachlicher Anwendungsbereich nach Art. 2 DBA-RF
2.4.3 Freistellungs- und Anrechnungsmethode nach Art. 23 DBA-RF

3. Besteuerung deutscher Direktinvestitionen in der Russischen Föderation
3.1 Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
3.1.1 Tatbestandsmerkmale der Betriebsstätte nach Art. 5 DBA-RF und die daraus resultierenden Rechtsfolgen
3.1.2 Abkommensberechtigung der Betriebsstätte und Selbständigkeitsfiktion nach Art. 7 Abs. 2 DBA-RF
3.1.3 Gründe für eine Investitionsentscheidung zugunsten einer Betriebsstätte
3.1.4 Gründung einer ausländischen Betriebsstätte und damit verbundene steuerliche Auswirkungen
3.1.5 Laufende Gewinnbesteuerung einer Betriebsstätte in der Russischen Föderation
3.1.5.1 Besteuerung der Betriebsstätteneinkünfte in der Russischen Föderation
3.1.5.2 Besteuerung des deutschen Stammhauses
3.1.5.2.1 Einzelunternehmen als Stammhaus
3.1.5.2.2 Kapitalgesellschaft als Stammhaus
3.1.5.2.3 Personengesellschaft als Stammhaus
3.1.5.2.4 Steuerbelastungsvergleich
3.1.6 Betriebsstättenverluste
3.1.7 Betriebsstättenveräußerung
3.2 Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
3.2.1 Vorteile der Tochterkapitalgesellschaft gegenüber der Betriebsstätte
3.2.2 Laufende Gewinnbesteuerung einer Tochterkapitalgesellschaft
3.2.2.1 Inländische Kapitalgesellschaft als Gesellschafter
3.2.2.1.1 Besteuerung auf Ebene der Tochterkapitalgesellschaft
3.2.2.1.2 Besteuerung auf Ebene der Mutterkapitalgesellschaft
3.2.2.2 Natürliche Personen als Gesellschafter
3.2.2.2.1 Variante I: Beteiligung im Privatvermögen
3.2.2.2.2 Variante II: Beteiligung im Betriebsvermögen
3.2.2.2.3 Steuerbelastungsvergleich
3.3. Sonderfall

4. Fazit und Schlussbetrachtung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Im aufkommenden Zeitalter der Globalisierung hat die Bedeutung von ausländischen Direktinvestitionen immer weiter zugenommen. Dies bezieht sich nicht nur auf die Staaten der Europäischen Union, die aufgrund des freien Kapitalverkehrs eng miteinander verflochten sind, sondern auch in Bezug auf Drittstaaten. Wirtschaftliche Verflechtungen zwischen nahezu allen Staaten der Erde vertiefen sich immer weiter. Vor diesem Gesichtspunkt gewinnt auch die Thematik der Investition weiter an Bedeutung. In der vorliegenden Arbeit wird speziell die Investitionsform der Direktinvestition auf steuerlich relevante Aspekte hin untersucht. Mittels einer Direktinvestition wird in Form einer Unternehmensbeteiligung eine Kapitalanlage im Ausland geschaffen, die ein Instrumentarium darstellt, um auf die Politik des jeweiligen Unternehmens maßgeblichen Einfluss zu nehmen.1 Damit grenzt sich die Direktinvestition von der Portfolioinvestition ab, die mit Hilfe von Wertpapieranlagen ebenfalls nach dem ökonomischen Gewinnmaximierungsprinzip streben, jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik ausüben.2

1.1 Fragestellung

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich in ihrer Fragestellung auf die steuerlichen Folgen derartiger Direktinvestitionen in Bezug auf die Russische Föderation. Das Hauptaugenmerk wird dabei vor allem auf die steuerliche Behandlung des laufenden Gewinns in Deutschland gelegt. Die Fragestellung wird unter Berücksichtigung aktueller nationaler und internationaler Rechtsvorschriften vorgenommen. Dabei wird stets das Ziel der Steuerminimierung verfolgt.

1.2 Gang der Untersuchung

Die Untersuchung wird in zwei Hauptabschnitte gegliedert. Im ersten Hauptabschnitt findet eine Rahmenbetrachtung unter besonderer Berücksichtigung rechtlicher und wirtschaftlicher Aspekte vorgenommen. In den Gliederungsabschnitten 2.1 und 2.2 wird ein Überblick über das russische Steuer- und Gesellschaftsrecht gegeben, ehe eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Doppelbesteuerungsrecht, das für diese Thematik essentiell ist, stattfindet. Im zweiten Hauptabschnitt erfolgt schließlich ein Steuerplanungsmodell in Form eines steuerlichen Belastungsvergleichs, mithilfe welcher nicht nur die günstigste Handlungsalternative im Hinblick auf die Besteuerung verschiedener Formen von Direktinvestitionen in der Russischen Föderation herausgestellt werden soll. Darüber hinaus sollen steuerliche Wechselwirkungen festgestellt und einer Analyse unterzogen werden. Die wichtigsten Erkenntnisse der Untersuchung werden abschließend in einem Fazit abgerundet. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf künftige Entwicklungen erteilt.

2. Wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbetrachtung deutscher Direktinvestitionen in der Russischen Föderation

2.1 Wirtschaftliche Grundlagen

Die Wirtschaft der Russischen Föderation hatte im vergangenen Jahrzehnt, nach Überwindung der zum Teil verheerenden innenpolitischen Transformationskrise in den 1990er Jahren, ein deutliches Wachstum hingelegt. Vor Beginn der Wirtschaftskrise 2008/2009 wuchs das russische Bruttoinlandsprodukt durchschnittlich um bis zu sieben Prozent jährlich.3 Seither hat auch das Interesse der deutschen Unternehmer am lukrativen Wachstumsmarkt der Russischen Föderation zugenommen. Dabei ist es vor allem der deutsche Mittelstand, dem eine Rolle als „Motor“ im Hinblick auf die weiterhin modernisierungsbedürftige russische Wirtschaft zugesprochen wird. Dabei beschränken sich die Perspektiven des russischen Marktes bei weitem nicht mehr auf den Rohstoffmarkt. Insbesondere der Gesundheits- und der Automobilsektor haben vor allem in den vergangenen Jahren kräftige Zuwachsraten an den Tag gelegt. 4 Viele andere Marktsegmente sind in der Russischen Föderation nach wie vor schwach gesättigt und bieten damit Potential für Investoren.5 Demgegenüber birgt der russische Markt aber auch Risiken, zu welchen in erster Linie die hohe Korruption, Ineffizienz sowie der hohe Grad an Bürokratie genannt.6

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kumulierte deutsche Investitionen in Russland7

Nach Angaben der russischen Statistikbehörde „Rosstat“ haben sich die deutschen Direktinvestitionen in Russland in den vergangenen Jahren nahezu vervierfacht. Während die Bestände deutscher Direktinvestitionen im Jahr 2005 noch umgerechnet 2,3 Milliarden Euro betragen hatten, waren es im ersten Halbjahr des Jahres 2012 bereits 8,4 Milliarden Euro.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt das kumulierte Volumen deutscher Direktinvestitionen zum Jahresende 2012 mit 23 Milliarden Euro an. Deutschland gehört damit zu den größten Direktinvestoren in der Russischen Föderation.8

2.2 Einführung in das russische Ertragsteuerrecht

Da für einen potentiellen Investor steuerplanerische Aspekte von großer Wichtigkeit sind, ist es unumgänglich, insbesondere das Ertragsteuerrecht des jeweiligen Investitionsziellandes zu untersuchen.

Im Unterschied zu den deutschen Steuergesetzen sind die russischen in einer einheitlichen, kodifizierten Rechtsquelle zusammengefasst, welche als Steuerkodex der Russischen Föderation (Налоговый кодекс Российской Федерации, Nalogowy kodeks Rossijskoj Federacii9 ) bezeichnet wird.10 Der russische Steuerkodex ist von seiner Systematik her in zwei Teile gegliedert.

Der Erste Teil des StK-RF entspricht von seiner Funktion her der deutschen Abgabenordnung. Dort sind ebenfalls grundlegende Rechtsnormen enthalten, die übergreifend alle oder mehrere Steuerarten einer Reglementierung unterwerfen und somit den Vorschriften über die einzelnen Steuerarten mehr Übersichtlichkeit und Widerspruchsfreiheit verschaffen.11 Dazu gehören die Vorschriften über

- die Entstehung, Änderung und Beendigung des Steuerschuldverhältnisses,
- die Rechte und Pflichten der Steuerbehörden, der Steuerpflichtigen und anderer Beteiligter am Steuerschuldverhältnis,
- die Formen und Methoden der Steuerprüfung,
- Rechtsverstöße und ihre Ahndung,
- Rechtsbehelfe gegen die Verwaltungsakte der Steuerbehörden und gegen die Tätigkeit oder Untätigkeit der Amtsträger.12

Der Zweite Teil des StK-RF beinhaltet schließlich die Rechtsnormen zu den einzelnen, konkreten Steuerarten. Einen Überblick über die Steuerarten in der Russischen Föderation soll die folgende Abbildung verschaffen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Steuerarten in der Russischen Föderation

Für die steuerplanerische Gestaltung eines Investitionsprojektes in der Russischen Föderation ist die Steuer auf die Einkünfte natürlicher Personen13 (Налог на доходы физических лиц, Nalog na dochody fizičeskich lic) und die Steuer auf den Gewinn von Unternehmen14 (Налог на прибыль организаций, Nalog na pribyl organizacij) wesentlich. Daher sollen sich die nachfolgenden Ausführungen nur auf diese beiden Steuerarten beziehen.

2.2.1 Die Gewinnsteuer

Die Steuer auf den Gewinn von Unternehmen (nachfolgend Gewinnsteuer genannt) ist die wesentliche Steuerart für die Investitionstätigkeit in der Russischen Föderation.

Steuersubjekt bei der Gewinnsteuer ist das Unternehmen (организация, organizacija). Dazu gehören russische Unternehmen sowie ausländische Unternehmen mit Einkünften auf dem Gebiet der Russischen Föderation.15

Steuerobjekt ist der Unternehmensgewinn. Dieser ermittelt sich aus den Einnahmen vermindert um die Ausgaben, welche im Einklang mit den Vorschriften in Art. 253 bis 257 StK-RF berechnet werden.16 Die Bemessungsgrundlage berechnet sich aus der Differenz von Einnahmen und Ausgaben, korrigiert um die bemessungsgrundlagenmindernden beziehungsweise -erhöhenden Tatbestände des Art. 274 StK-RF.17

Der Gewinn des der Steuerpflicht unterliegenden Unternehmens wird einem Einheitssteuersatz in Höhe von 20 Prozent unterworfen, sofern das Gesetz nicht etwas anderes vorsieht.18

Ausnahmetatbestände, die für die vorliegende Thematik bedeutend sind, ergeben sich etwa bei der Besteuerung von Dividenden. Inländische

Dividendenausschüttungen werden abweichend mit neun Prozent besteuert.19 Fließen die Dividenden eines russischen Unternehmens einem im Ausland ansässigen Unternehmen zu, erhöht sich der Steuersatz auf 15 Prozent.20

2.2.2 Die Einkommensteuer

Im Hinblick auf die Steuer auf die Einkünfte natürlicher Personen (im Folgenden Einkommensteuer genannt) bedient sich das russische Einkommensteuerrecht ebenso wie das deutsche der Differenzierung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht. Steuerinländer sind verpflichtet, ihr Welteinkommen gegenüber dem russischen Fiskus offenzulegen.21 Als Steuerinländer gilt dabei jeder, der sich im Laufe eines Kalenderjahres an mehr als 183 Tagen faktisch in der Russischen Föderation aufgehalten hat.22 Unschädlich sind dabei Auslandsaufenthalte zu beruflichen, medizinischen oder zu Bildungszwecken.23

Die Qualifikationsfrage hinsichtlich unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht ist mit weitreichenden Folgen verbunden, da für Steuerinländer und -ausländer verschiedene Steuersätze gelten. Während das zu versteuernde Einkommen eines Steuerinländers einem Einheitssteuersatz von 13 Prozent unterworfen wird24, erhöht sich der Steuersatz bei Steuerausländern um mehr als das Doppelte auf 30 Prozent.25

2.3 Einführung in das russische Gesellschaftsrecht

Wichtigste Rechtsquelle des russischen Gesellschaftsrechts ist der Erste Teil des Zivilkodex (Гражданский кодекс Российской Федерации, Graždanskij kodeks Rossijskoj Federacii), das Pendant zum deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch.

Die für das Wirtschaftsleben bedeutendsten Rechtsformen werden in der folgenden Tabelle dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Überblick über die Gesellschaftsformen in der Russischen Föderation

Dabei ist die GmbH die mit Abstand beliebteste Rechtsform in der Russischen Föderation. Nahezu 80 Prozent aller juristischen Personen firmieren als GmbH.26 Nichtsdestotrotz bevorzugen speziell deutsche Direktinvestoren in der Russischen Föderation die Rechtsform einer Aktiengesellschaft.27 Daher sollen sich die nachstehenden Ausführungen auf die russische Aktiengesellschaft beschränken.

Die Aktiengesellschaft ist laut Legaldefinition in der Grundnorm des Art. 96 ZK-RF eine „Gesellschaft, deren Satzungskapital in eine bestimmte Anzahl von Aktien zerlegt“ ist. Die Aktiengesellschaft besitzt als juristische Person eine eigene Rechtspersönlichkeit.28 Das Verlustrisiko tragen die Aktionäre lediglich für den Wert der ihnen gehörenden Aktien, nicht für die Verbindlichkeiten der Aktiengesellschaft.29

Das russische Zivilrecht unterscheidet zwischen einer offenen und einer geschlossenen Aktiengesellschaft. Können die Aktionäre ihre Anteile ohne die Zustimmung der anderen Aktionäre veräußern, so spricht man von einer offenen Aktiengesellschaft, die kraft Gesetzes dazu berechtigt ist, ihre Aktien öffentlich zu zeichnen.30 Ist die Aktiendisposition nur den Gründern Gesellschaft oder einem bei einem vorher bestimmten Personenkreis vorbehalten, so spricht man von einer geschlossenen Aktiengesellschaft.31 An einer geschlossenen Aktiengesellschaft dürfen maximal 50 Aktionäre beteiligt sein.

Voraussetzungen für die Gründung einer Aktiengesellschaft sind ein Beschluss der Gründer, eine Feststellung der Vermögenswerte und Wertpapiere sowie der Abschluss eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages.32 Auch Ein-Mann- Gesellschaften zulässig.

Das Mindestsatzungskapital der Aktiengesellschaft ist variabel. Dieses bestimmt sich durch den zum Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft geltenden allgemeinen Nettomonatsmindestlohn. Bei einer offenen Aktiengesellschaft beträgt das Mindestsatzungskapital das Tausendfache des Nettomonatsmindestlohns, bei der geschlossenen ist es das Hundertfache.33

2.4 Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation

Bei einer grenzüberschreitenden Direktinvestition realisiert der Steuerpflichtige einen steuerlich relevanten Sachverhalt, welcher in mehreren Staaten gleichzeitig der Steuerhoheit unterliegt.34 Während das Welteinkommen des Steuerpflichtigen im Ansässigkeitsstaat vom Fiskus besteuert wird (Welteinkommensprinzip), greift der andere Staat, aus dem die ausländischen Einkünfte stammen, in Ausübung seiner souveränen Steuerhoheit ebenfalls auf die steuerpflichtigen Einkünfte zu, welche auf dem Hoheitsgebiet dieses Staates realisiert wurden (Quellenprinzip).35 Dadurch kommt es innerhalb eines identischen Zeitraumes zu einer wiederholten Besteuerung derselben Einkünfte desselben Steuerpflichtigen durch die Erhebung einer gleichartigen Steuer.36 Dieser Vorgang wird in der Literatur als juristische Doppelbesteuerung bezeichnet. Von wirtschaftlicher Doppelbesteuerung ist stets dann die Rede, wenn mehrere Steuerhoheiten im selben Zeitraum auf dieselben Einkünfte zugreifen, die Identität der Person des Steuerpflichtigen jedoch nicht gegeben ist.37

Obwohl die Doppelbesteuerung vom völkerrechtlichen Grundsatz her nicht beanstandenswert ist38, ergreift die Mehrzahl der Staaten dennoch unterschiedlichste Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.39 Aus diesem umfangreichen Maßnahmenkatalog hat sich in den vergangenen Jahren vor allem der Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD- Vertragsmuster durchgesetzt.40 Bei den DBA handelt es sich um ratifizierte völkerrechtliche Verträge, die, anders als die Kollisionsnormen im Internationalen

Privatrecht, nicht dazu führen, dass etwa im Inland ausländisches Recht angewendet wird. Vielmehr wird das Besteuerungsrecht der Abkommensstaaten inhaltlichen Restriktionen unterworfen.41 Vom Grundsatz her bewirkt das DBA die sachliche Einschränkung des Besteuerungszugriffs im Quellenstaat zugunsten des Ansässigkeitsstaates. Wird dem Quellenstaat dennoch das Recht zur Besteuerung eröffnet, kommt im Ansässigkeitsstaat die Freistellungs- oder Anrechnungsmethode zum Tragen.42 Im nationalen deutschen Steuerrecht ist ausdrücklich bestimmt, dass die Doppelbesteuerungsabkommen Vorrang gegenüber dem nationalen Steuerrecht besitzen.43

Der international üblichen Praxis folgend haben die Bundesrepublik Deutschland und die Russische Föderation am 11.12.1996 ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen44. Der Inhalt des DBA-RF wurde, wie bei anderen osteuropäischen Staaten, allerdings dadurch beeinflusst, dass sich die Russische Föderation zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einer Phase der marktwirtschaftlichen Transformation, die zum Teil bis zum heutigen Tage fortdauert, befand.45 Daher enthält das DBA-RF Abweichungen im Vergleich zum Vertragsmuster der OECD.

2.4.1 Persönlicher Anwendungsbereich nach Art. 1 DBA-RF

Der persönliche Anwendungsbereich des DBA wird durch die Generalnorm des Art. 1 DBA-RF eröffnet. Dieser ist an zwei Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft, die die Voraussetzung für die Abkommensberechtigung bilden.46

Abkommensberechtigung bedeutet in dem Zusammenhang, dass die jeweilige Person am Abkommensschutz teilhaben darf.47 Es muss sich ferner um eine Person handeln, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig ist.

2.4.1.1 Der Personen- und Gesellschaftsbegriff nach Art. 3 Abs. 1 lit. a) und b) DBA-RF

Der Personenbegriff ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 lit. b) DBA-RF. Dieser umfasst Personen, Gesellschaften sowie „alle anderen Personenvereinigungen“. Unter dem Ausdruck „Gesellschaften“ werden in Art. 3 Abs. 1 lit. c) juristische Personen sowie Körperschaften subsumiert.

Qualifikationsfragen werfen sich bei den Personengesellschaften auf. Hier muss herausgestellt werden, ob die Personengesellschaft hinsichtlich der Abkommensberechtigung wie eine juristische Person behandelt werden kann. Ist dies nicht der Fall, steht die Abkommensberechtigung nicht der Gesellschaft zu, sondern nur den Gesellschaftern.48 Diese Frage muss eine länderspezifischen Würdigung zugeführt werden, da einige Vertragsstaaten i. S. d. Transparenzprinzips besteuern, andere werden nach dem steuerlich intransparent behandelt. 49 50

Auch im Falle der Russischen Föderation werden Personengesellschaften intransparent besteuert. Dies ist zum einen daran zu erkennen, dass bei russischen Personengesellschaften nicht die Gesellschafter als Ertragsteuersubjekt fungieren, sondern die Gesellschaft.51 Zum anderen werden Personengesellschaften nicht der Einkommensteuer unterworfen, sondern der Gewinnsteuer für Unternehmen, die von ihrem Rechtscharakter her mit der deutschen Körperschaftsteuer vergleichbar ist. Allerdings wird Personengesellschaften nach nationalem deutschem Steuerrecht, mit Ausnahme der Gewerbesteuer, die Anerkennung als eigenes Ertragsteuersubjekt versagt.52

[...]


1 Vgl. Haas/Neumair, Internationale Wirtschaft, 2006, S. 215.

2 Vgl. Haas/Neumair, ebenda.

3 Statistisches Bundesamt, Statistische Länderprofile, G20 Industrie- und Schwellenländer 2012, S. 2. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Internationales/Laenderprofile/Russfo ederation2012.pdf (abgerufen am 19.05.2014).

4 Vgl. Mangold, Deutscher Mittelstand als Motor der Modernisierung Russlands, in: Investieren in Russland – Chancen für den Mittelstand 2009, Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft, Sonderpublikation zur 3. Deutsch-Russischen Mittelstandskonferenz, S. 14 ff.

5 Vgl. Wellmann, Richard: Investitionsstandort Russische Föderation: Wirtschaftsrecht, in: IStR 2008, S. 426

6 Vgl. Wellmann, ebenda.

7 Deutsch-Russische Außenhandelskammer: Russland in Zahlen, S. 9. http://www.germania.diplo.de/contentblob/3839412/Daten/3093892/2013winter.pdf (abgerufen am 19.05.2014).

8 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Russland - Wirtschaftliche Beziehungen. http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/laenderinformationen,did=316538.html (abgerufen am 19.05.2014).

9 Für die Umschrift russischsprachiger Ausdrücke wird im Folgenden die wissenschaftliche Transliteration kyrillischer Alphabete slawischer Sprachen nach DIN 1460:1982-04 verwendet.

10 Steuerkodex der Russischen Föderation vom 31.07.1998 (Veröffentlicht im Amtsblatt der russischen Regierung, der „Rossijskaja gaseta“ Nr. 146-F3), letztmals novelliert am 05.05.2014.

11 Vgl. zur Funktion der deutschen Abgabenordnung Kraft/Kraft: Grundlagen der Unternehmensbesteuerung. Die wichtigsten Steuerarten und ihr Zusammenwirken, 3. Auflage 2009, S. 17.

12 Vgl. Art. 1 Abs. 2 StK-RF

13 Art. 207 bis 233 StK-RF.

14 Art. 246 bis 333 StK-RF.

15 Vgl. Art. 246 Nr. 1 StK-RF.

16 Vgl. Art. 247 StK-RF.

17 Art. 274 Nr. 1 und 2 StK-RF.

18 Vgl. Art. 284 Nr. 1 StK-RF.

19 Vgl. Art. 284 Nr. 3 Abs. 2 StK-RF.

20 Vgl. Art. 284 Nr. 3 Abs. 3 StK-RF.

21 Vgl. Budilov-Nettelmann, Die Besteuerung der Einkommen natürlicher Personen in Russland nach neuem Recht, in: WiRO 2001, S. 263.

22 Vgl. Art. 207 Nr. 2 Satz 1 StK-RF.

23 Vgl. Art. 207 Nr. 2 Satz 2 StK-RF.

24 Vgl. Art. 224 Nr. 1 StK-RF.

25 Vgl. Art. 224 Nr. 3 StK-RF.

26 Vgl. Hansson, Gestaltungsmöglichkeiten im reformierten russischen GmbH-Recht, in: WiRO 2011, S. 97.

27 Vgl. Rodde/Abovski, Eine kurze vergleichende Betrachtung des russischen Aktienrecht und dessen Gestaltungsmöglichkeiten, in: WiRO 2009, S. 33.

28 Vgl. Art. 96. Nr. 3 i. V. m. Art. 48 ZK-RF.

29 Vgl. Art. 96 Nr. 1 2. HS ZK-RF.

30 Vgl. Art. 97 Nr. 1 ZK-RF.

31 Vgl. Art. 97 Nr. 2 ZK-RF.

32 Vgl. Art. 9 AktG-RF i. V. m. § 1 des Föderalen Gesetzes über die minimale Höhe des Arbeitsentgeltes in der Russischen Föderation. Der gesetzliche Nettomonatsmindestlohn beträgt seit dem 01.01.2014 5.554 RUB, was umgerechnet rund 120 EUR sind.

33 Vgl. Art. 26 AktG-RF.

34 Vgl. Brähler: Internationales Steuerrecht, 7. Auflage 2011, S. 16.

35 Vgl. Bächle/Knies/Ott/Rupp: Internationales Steuerrecht, 2. Auflage 2010, S. 3.

36 Vgl. Brähler, S. 17.

37 Vgl. Vogel in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Auflage 2008, Einl., Rdnr. 4.

38 Vgl. Höhn/Höring: Das Steuerrecht international agierender Unternehmen, 2010, Rdnr. 105.

39 Vgl. Höhn/Höring, Rdnr. 111-113.

40 Vgl. Höhn/Höring, Rdnr. 109.

41 Vgl. Vogel in: Vogel/Lehner, Einl., Rdnr. 43.

42 Vgl. Brähler, S. 104.

43 Vgl. § 2 Abs. 1 AO.

44 BGBl. II 1996, S. 2711 ff.

45 Vgl. Brähler, S. 102.

46 Vgl. Bächle/Rupp/Ott/Knies, S. 168.

47 Vgl. Henkel in Mössner u. a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Auflage 2005, Rdnr. E 147.

48 Vgl. Brähler, S. 134.

49 Vgl. Brähler, S. 136.

50 Vgl. Gliederungspunkt 3.2.2.

51 Art. 246 Nr. 1 StK-RF.

52 Vgl. Schmidt/Zagel, OHG, KG und PublikumsG, 2. Auflage 2010, Rdnr. 256.

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Steuerliche Auswirkungen deutscher Direktinvestitionen in der Russischen Föderation
Hochschule
Fachhochschule Bielefeld
Note
2,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
54
Katalognummer
V342629
ISBN (eBook)
9783668324008
ISBN (Buch)
9783668324015
Dateigröße
1045 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Steuern, Steuerrecht, Direktinvestitionen, Russland, Russische Föderation, DBA
Arbeit zitieren
Georg Farafonow (Autor:in), 2014, Steuerliche Auswirkungen deutscher Direktinvestitionen in der Russischen Föderation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342629

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