EMMEs im Unterricht. Erfolg in der Schule durch Eye Movement Modeling Examples und kognitive Aktivierung?


Projektarbeit, 2016

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

EMMEs im Unterricht – Erfolg in der Schule durch Eye Movement Modeling Examples und kognitive Aktivierung?
Eye Movement Modeling Examples
Kognitive Aktivierung
Hypothesen

Methode
Stichprobe
Material
Abhängige Variablen
Ablauf

Ergebnisse

Diskussion

Literaturverzeichnis

Abstract

Die Verwendung von multimedialem Lernmaterial hat Vor- und Nachteile. Einige dieser Nachteile, wie die Überlastung des Arbeitsgedächtnisses durch eine große Menge von Informationen, können EMMEs (Eye Movement Modeling Examples) durch zielgerichtete Lenkung der Aufmerksamkeit auf relevante Aspekte beseitigen. Zudem ist für eine Gestaltung des Unterrichts die Implementierung von kognitiv aktivierenden Aufgaben wichtig, die mit höherem Lernerfolg in Verbindung stehen. Es wurde untersucht, ob der Einsatz von visuellem Lernmaterial mit Blickbewegungen eines Experten (EMMEs) zu einem höheren Lernerfolg führt, als Lernmaterial ohne EMMEs. Außerdem sollte gezeigt werden, dass Video-Annotationen das Potential haben, kognitiv zu aktivieren. Des Weiteren war von Interesse, ob Video-Annotation in Kombination mit EMMEs einen Interaktionseffekt auf den Lernerfolg haben. Dazu wurden 160 Schüler zufällig einer von vier Bedingungen zugeordnet, in denen sie entweder visuelles Lernmaterial mit EMMEs oder ohne EMMEs präsentiert bekommen haben. Danach sollten diese bei einer Gruppenarbeit entweder Videos mit demselben Lerngegenstand (Bewegungsmuster von Fischen) mit Annotationen versehen, oder sich diese Videos nur ansehen. Tatsächlich fand sich ein signifikant höherer Lernerfolg bei der Darbietung von EMMEs, sowie eine größere kognitive Aktivierung bei der Verwendung von Video-Annotationen. Außerdem gab es einen signifikanten Interaktionseffekt zwischen der Darbietung von EMMEs und der Verwendung von Video-Annotationen auf den Lernerfolg. Die Ergebnisse konnten zeigen, dass digitale Medien durch EMMES zu einem höheren Wissenserwerb führen können. Außerdem können Video-Annotationen eine kognitiv aktivierende Aufgabe darstellen, die in Kombination mit EMMEs ebenfalls zu höherem Lernerfolg führen können. Diese Ergebnisse geben Implikationen für eine optimale Gestaltung des Unterrichts mit digitalen Medien.

EMMEs im Unterricht – Erfolg in der Schule durch Eye Movement Modeling Examples und kognitive Aktivierung?

Im Rahmen der Bildungswissenschaften stellt sich immer wieder die Frage, wie Unterricht möglichst optimal gestaltet werden kann. In Zeiten der Digitalisierung stehen den Lehrenden hierzu mehr Möglichkeiten zur Verfügung als jemals zuvor. Der Einsatz von multimedialem Lehrmaterial rückt dabei zunehmend in den Fokus von Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen. Die Frage nach den Vor- und Nachteilen der Nutzung dieser Hilfsmittel, sowie deren Implementierung in den Unterricht, beschäftigt die Forschung in diesem Bereich daher immer mehr. Eine dieser Fragen, die sich häufig stellen, ist, ob es bei dieser Fülle an Möglichkeiten und Informationen, mit der der Lernende dadurch konfrontiert wird, nicht leicht zu einer Überforderung der Informationsverarbeitung kommt.

Es zeigte sich, dass der Lernerfolg bei der Darbietung von multimedialem Lehrmaterial, also solches, das sowohl textuell oder sprachlich, als auch in Form von Bildern präsentiert wird, höher als bei reinem Text ist (was als Multimediaeffekt bekannt ist) (Mayer, 2009). Jedoch gibt es auch Hinweise darauf, dass Lernende Schwierigkeiten haben können, Text- und Bildrepräsentationen ineinander zu übersetzen (Ainsworth, Bibby, & Wood, 2002). Außerdem fanden sowohl Hannus und Hyönä (1999), als auch Scheiter und Eitel (2015) heraus, dass die Tendenz besteht, Bilder werden zu wenig beachtet oder ganz ignoriert. Ganz im Sinne des Angebot-Nutzungs-Modell von Helmke (2003) werden also Elemente des Unterrichts, die als Angebot für den Lernenden angesehen werden, nicht optimal genutzt. Dies kann an der fehlenden Motivation oder Anstrengungsbereitschaft des Lernenden liegen oder aber auch an einem mangelnden Einsatz von Lern- und Verarbeitungsstrategien, die notwendig wären, diese multimediale Integration zu bewältigen. Letzteres ist jedoch lernbar und es ist Aufgabe der Forschung, wie und wodurch eine selbstregulierte Anwendung dieser Lern- und Verarbeitungsstrategien unterstützt werden kann.

Zudem zentral für die Unterrichtsforschung ist, wie Wissen an Lehrende weitergegeben werden kann. Ziel des Lehrenden ist es also, seinen Wissensstand an den Lernenden weiterzugeben. Hierbei fungiert der Lehrende als Experte oder auch Modell, von dem gelernt werden soll. Eine wichtige psychologische Theorie, die hinter dieser Idee steckt, ist das sogenannte Beobachtungslernen oder Lernen am Modell von Bandura (1977). Diese theoretischen Konzepte, sowie das eben genannte Aufzeigen von Lern- und Verarbeitungsstrategien und die einführend dargestellten Problemfelder werden von den Eye Movement Modeling Examples, kurz EMMEs, aufgegriffen.

Durch diese Studie soll gezeigt werden, dass durch Blickbewegungen eines Experten auf Lernmaterial, den sogenannten EMMEs, relevante Informationen ausfindig gemacht und diese tiefer verarbeitet werden können, als dies ohne EMMEs möglich wäre. Eine Gruppenarbeit soll außerdem für eine kognitiv anregende Auseinandersetzung mit dem Lernmaterial sorgen. Durch dieses Experiment lässt sich somit eine Unterrichtsgestaltung aufzeigen, die ohne großen Aufwand in jede Lernsituation, unabhängig von der Bildungseinrichtung, einen deutlich höheren Lernerfolg zur Folge haben könnte. Dies bedeutet, dass die vorliegenden Ergebnisse für jede Institution relevant sein könnten, bei der ein möglichst hoher Lernerfolg durch Wissensvermittlung erzielt werden soll.

Eye Movement Modeling Examples

EMMEs sind Videos mit Blickbewegungen eines Modells. Das bedeutet, dass Lernenden Blickbewegungen von Experten auf dem jeweiligen Lernmaterial präsentiert werden. Dabei werden Informationsverarbeitungsstrategien des Modells mit Hilfe ihrer Blickbewegungen dargeboten und den Lernenden in Form von Videos gezeigt. Es wird zudem versucht, diejenigen kognitiven Prozesse, die dem Lernenden während des Unterrichts normalerweise unsichtbar sind, durch Darbietung dieser Blickbewegungen sichtbar zu machen. Dabei nimmt man an, dass Blickbewegungen auf kognitive Verarbeitungsprozesse zurückzuführen sind, die zu diesem Zeitpunkt beim Modell ablaufen.

Neben dem bereits erwähnten Lernen am Modell von Bandura (1977), das der sozial-kognitiven Lerntheorie entspringt, liegen EMMEs weitere theoretische Konzepte zugrunde. Eine davon ist der Worked-Example-Effekt (Renkl, 2005). Dieser besagt, dass es für Novizen, also Anfänger, in einem bestimmten Gebiet, sehr effektiv ist, wenn beispielsweise bei einer Aufgabe das Lösungsverfahren durch einen Experten aufgezeigt wird. Lernenden fällt es also oft leichter, Lerninhalte anhand von ausgearbeiteten Lösungsverfahren zu verstehen, als dass sie sich den Weg selber erarbeiten müssen. Dadurch wird das Arbeitsgedächtnis nicht zusätzlich durch den Lösungsprozess belastet, so dass ein schnelles und zielgerichtetes Lernen stattfindet. Das hat nicht nur den positiven Effekt, dass mögliche kognitive Belastung reduziert werden kann, sondern auch generalisierte Schemata ausgebildet werden, die den Transfer auf ähnliche Aufgabenstellungen ermöglichen. Es werden also, wie bereits erwähnt, Lern- und Verarbeitungsstrategien aufgezeigt, die dann vom Lernenden übernommen werden können und somit zu selbstreguliertem Lernen führen sollen. Diese Strategien können durch Blickbewegungen visualisiert werden. Es besteht die Möglichkeit diese Lösungsstrategien durch EMMEs sichtbar zu machen, wodurch es den Lernenden einfacher fallen dürfte, diese zu erkennen und zu verinnerlichen.

Eine weitere theoretische Grundlage, auf die EMMEs basieren, ist die Cognitve Load Theory (Sweller, 1988), die von der kognitiven Belastung beim multimedialen Lernen handelt. Hierbei wird von einer begrenzten Aufnahmekapazität des Arbeitsgedächtnisses ausgegangen. Daher sollte sich die kognitive Belastung in Grenzen halten und das Arbeitsgedächtnis nicht überlastet werden. Lehrmaterial sollte deswegen so gestaltet sein, dass es zu keiner kognitiven Belastung beim Lernenden kommt.

EMMEs können vor allem bei visuellem Lernmaterial, wie Videos, sehr nützlich sein. Videos sind, in Bezug auf den Wissenserwerb, ein sehr komplexes Unterrichtsmaterial. In relativ schneller Abfolge wird eine große Anzahl von relevanten, aber auch irrelevanten (in Bezug auf den späteren Lernerfolg) Informationen präsentiert. Videos sind daher ein Beispiel für Lernmaterial, dass zu einer kognitiven Belastung führen kann. Oft herrscht kein Zusammenhang zwischen der thematischen Relevanz der Elemente des Lernmaterials und deren visuellen Auffälligkeit. Die Folge davon ist, dass die Aufmerksamkeit der Lehrenden auf irrelevante Elemente der Aufgabe gerichtet ist, während das Entscheidende durch seine visuelle Unauffälligkeit kaum beachtet wird (Schnotz & Lowe, 2008). Durch die Darbietung der Blickbewegungen eines Experten wird hierbei die Aufmerksamkeit hin zu den relevanten Informationen im Video gelenkt und weg von weniger relevanten Aspekten. Sie können somit auch kognitive Belastung reduzieren. Jarodzka, van Gog, Dorr, Scheiter und Gerjets (2013) konnten tatsächlich in einer Studie über die Präsentation von Videos mit Fischbewegungen, unterstützt durch EMMEs, zeigen, dass EMMEs zu einer verbesserten visuellen Suche und einer besseren Lenkung der visuellen Aufmerksamkeit führten.

Jedoch basiert erfolgreiches Lernen nicht nur auf der Fokussierung von relevanten Informationen. Um einen möglichst hohen Lernerfolg zu erzielen sollte das Lernmaterial zuvor so gut wie möglich verstanden worden sein. Außerdem ist es wichtig nicht nur bereits bekannte Aufgabenstellungen zu beherrschen, sondern sein Wissen auf ähnliche Situation und Aufgabenstellungen anwenden zu können. Mason, Pluchino, & Tornatora (2015a) unterschieden in ihrem Experiment, in dem Schüler der siebten Jahrgangsstufe ein Video über den Wasserzyklus gezeigt bekamen, die Bedingung mit und die Bedingung ohne EMMEs. In der Bedingung mit EMMEs fanden sie ein tieferes Verständnis der Lerninhalte und damit einen höheren Lernerfolg. Diese Ergebnisse zeigten sich sowohl in Bezug auf die Abfrage des Gelernten, als auch bei der Anwendung auf ein anderes Themengebiet, das dieselben Lernstrategien, wie die gelernten Inhalte, erforderte.

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass der Einsatz von EMMEs beim Lernenden zu einer Verbesserung von visuellen Suchprozessen führen kann, die visuelle Aufmerksamkeit auf relevante Aspekte gelenkt wird und ein tieferes Verständnis des Lerninhalts erreicht wird. Es wird also ein höherer Lernerfolg durch den Einsatz von EMMEs erwartet. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Lernende mithilfe von EMMEs hilfreiche Verarbeitungsstrategien beobachten, ihre bisherigen Strategien reflektieren, diese regulieren und damit ihre eigenen Verarbeitungsstrategien verbessern können.

Trotz dieser positiven Ergebnisse, gibt es auch Evidenz dafür, dass die Wirkung der EMMEs von bestimmten Faktoren beeinflusst werden können. Beispielsweise zeigten Mason, Tornatora und Pluchino (2015b), dass das Vorwissen und die Lesekompetenz einen Einfluss auf den Effekt von EMMEs auf den Lernerfolg haben kann. Van Gog, Jarodzka, Scheiter, Gerjets und Paas (2009) fanden zudem einen Einfluss der Verbalisierung in Kombination mit der Präsentation von EMMEs. Es hatte einen negativen Effekt auf den Lernerfolg, bei der Verwendung von EMMEs mit gesprochenen Erklärungen.

Kognitive Aktivierung

Die optimale Gestaltung des Unterrichts wird jedoch nicht nur allein aufgrund einer bestimmten Methode, mit der dem Lernenden der gewünschte Lerninhalt vermittelt werden soll, erreicht. Neben den sogenannten Sichtstrukturen, die sich auf Unterrichtsmerkmale beziehen, die leicht beobachtbar sind, wie beispielsweise welcher Hilfsmittel sich im Unterricht bedient wird, sind es vor allem die Tiefenstrukturen, die wesentlich sind, um eine möglichst gute Wissensvermittlung zu gewährleisten. Tiefenstrukturen beschreiben unter anderem die Qualität der Auseinandersetzung der Lernenden mit den Lerninhalten (Kunter & Trautwein, 2013). Hier ist vor allem die kognitive Aktivierung zu nennen, die dem Grad der Anregung in der Unterrichtssituation entspricht.

Wie bereits zuvor angesprochen, wird der Unterricht nach dem Angebot-Nutzungs-Modell als Angebot gesehen, der jedoch nicht in jedem Fall vom Lernenden genutzt wird. Tatsächlich gibt es auch keine Garantie für die kognitive Aktivierung jedes einzelnen Schülers. Jedoch kann der Unterricht oder auch bestimmte Aufgaben so gestaltet werden, dass diese(r) das größtmögliche Potential zur kognitive Aktivierung hat/haben. Dies wird vor allem durch einen angemessenen Anforderungsgehalt im Unterricht versucht zu realisieren. Ebenfalls Bestandteil des Konzepts der kognitiven Aktivierung ist die Idee, dass es sich beim Lernen um einen aktiven Prozess handeln soll. Je stärker die Lernenden sich aktiv mit dem Lernmaterial beschäftigen, desto besser wird dieses verstanden (Greeno et al., 1996, zitiert nach Kunter & Trautwein, 2013). Wichtig ist auch, dass die Lernenden die Aufmerksamkeit auf den Lehrgegenstand richten, diese neuen Informationen mit bereits vorhandenem Wissen abgleichen und ihr Wissen somit erweitern und ausbauen können. Lipowsky (2009) nennt Aufgabenstellungen, die ein hohes Potenzial an kognitiver Aktivierung haben können. Dazu zählen unter anderem komplexe Aufgaben, also solche, die aus mehreren Komponenten bestehen. Zudem Aufgaben, die Problemlöseprozesse erfordern, sowie Aufgaben, die mehrere Lösungen haben können. Außerdem Aufgaben, bei denen Lernende ein mentales Bild aufbauen und einzelne Elemente dieses Bildes ergänzen müssen.

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Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
EMMEs im Unterricht. Erfolg in der Schule durch Eye Movement Modeling Examples und kognitive Aktivierung?
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Psychologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
25
Katalognummer
V342977
ISBN (eBook)
9783668341869
ISBN (Buch)
9783668341876
Dateigröße
1064 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
EMME, Eye Movement Modeling Examples, Unterrichtsgestaltung, Multimedialität, Lernstrategien
Arbeit zitieren
Alexandro Roggio (Autor:in), 2016, EMMEs im Unterricht. Erfolg in der Schule durch Eye Movement Modeling Examples und kognitive Aktivierung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342977

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