Wunderschön und gefährlich. Wildbäche in den Alpen


Dossier / Travail de Séminaire, 2015

38 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Wildbäche - wunderschön und gefährlich

2 Definitionen und Wildbachtypisierung
2.1 Wildbach
2.2 Sonderfall Mure

3 Wildbäche
3.1 Entstehung von Hochwasser und Geschiebe
3.1.1 Geologie und Geomorphologie
3.1.2 Hydrologie, Boden und Klima
3.1.3 Bodenbedeckung und Kultivierung
3.2 Menschliche Nutzung
3.3 Gefahren
3.4 Ein Beispiel - Der Lainbach bei Benediktbeuern

4 Schutz vor Wildbächen
4.1 Geschichtliches
4.2 Zuständigkeiten
4.3 Schutzmaßnahmen
4.3.1 Aktiver Schutz
4.3.2 Passiver Schutz
4.3.3 Integrale Schutzkonzepte

5 Klimawandel

6 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Längsgliederung eines Wildbaches in Sammelgebiet, Durchflussstrecke und Ablagerungsgebiet

Abb. 2: Wildbachklassifikation nach Aulitzky 1980

Abb. 3: Links: Jungschutt-Neubildung in dem vegetationslosen Gebirge im Hinter- grund. Im Vordergrund der Jungschuttwildbach Haindlkarbach in der Steiermark Rechts: Altschutt einer pleistozänen Moränenablagerung, welcher zusammen mit den darauf wachsenden Bäumen vom Wildbach abtransportiert werden kann

Abb. 4: Wildbachgefährdete Flächen in Prozent der Gesamtfläche der Bundesländer (kleine Karte links oben) und in den politischen Bezirken Österreichs (Stand 1967)

Abb. 5: Verebnungen im Hang stellen oft als Versickerungsgebiet eine Gefahr für den Unterhang dar

Abb. 6: Zwenbergerbach in Kärnten: wenn das Hochwasser durch einen plötzlichen Geschiebe- und Wildholzeinstoß für einige Zeit gestaut wird (Verklausung) kommt es zum Dammbruch und somit zu einer erheblichen Zunahme der zerstörenden Wirkung

Abb. 7: Verringerung der Versickerung und Verstärken des oberflächennahen Abflusses durch Rodung zugunsten einer Skipiste, links: Zustand vor der Rodung, rechts: Zustand auf der Piste nach dreimaliger Begrünung

Abb. 8: Röthelmoosklause bei Ruhpolding

Abb. 9: Räumliche Verteilung der Wildbachereignisse von 2013 in Österreich, nach Intensitätsklassen aufgeteilt

Abb. 10: Zeitliche Verteilung der dokumentierten Wildbachereignisse von 2012 in Österreich, nach Prozessart unterteilt

Abb. 11: Skizze von Benediktbeuern und dem Ortsteil Ried, mit der Ausdehnung des Überschwemmungsgebietes beim Hochwasser 1990

Abb. 12: Links: Geschiebestausperre im Schechen & rechts: Sperrentreppen im Wilerlibach oberhalb von Bürglen im Kanton Uri

Abb. 13: Gefahrenzonenplanung an Wildbach- und Lawinengebieten in Österreich

Abb. 14: Schematische Darstellung eines integrativen Wildbachkonzeptes

Abb. 15: Der „Risikokreislauf“

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Klassifikation der Wildbäche (WB) nach Art der Feststoffherde und der anthropogenen Beeinflussbarkeit

Tab. 2: Einflüsse auf die Hochwasser- und Geschiebeführung, unterteilt nach Einzugsgebiet und Oberflächengestaltung

Tab. 3: Zusammenhang von Oberflächenabfluss (OF-Abfluss) und Bodenarten, Bodentypen und der jeweiligen Standortnutzung

Tab. 4: Schutzbauwerke vor Wildbachgefahren

1 Wildbäche - wunderschön und gefährlich

„Kaum eine andere Naturgewalt vernichtet so viele volkswirtschaftliche Werte; kaum gibt es einen sprechenderen Ausdruck für das Zerstörungswerk im Gebirge als die Wildwasser“ (Penck 1912, S. 34).

Beim Betrachten des Titelbildes, dem Sittersbach in den Berchtesgadener Alpen, ist es schwer vorstellbar, dass dieser ruhige und idyllische Bach zu einer zerstörerischen und oft sogar tödlichen Gefahr werden kann.

Berichte über die verheerenden Schäden durch Naturgewalten sind heutzutage in der Presse schon fast täglich präsent. Schlagzeilen über die Zerstörung ganzer Ortschaften durch Wildbäche oder Murereignisse häufen sich. Stimmen werden laut, die Natur- katastrophen hätten zugenommen und der Klimawandel sei schuld. Das mag zu einem Teil auch richtig sein. Wie aber schon Walther Penck 1912 schrieb, bleibt zu bedenken, dass durch Wildbäche auch in der Vergangenheit Besitztümer zerstört und Leben gefordert wurden.

Dabei ist aber das Auftreten von Wildbächen und Murereignissen in den Alpen völlig normal und findet schon seit der Heraushebung des Gebirges statt. Erst als der Mensch seinen Lebensraum auf die Bergwelt ausweitete, begann der Konflikt zwischen Mensch und Natur. Anfangs wurden Siedlungen in respektvollem Abstand zu Wildbächen und anderen Gefahren errichtet. Durch den zunehmenden Siedlungsdruck, die touristische Erschließung und die wirtschaftliche Nutzung nahm die Risikobereitschaft der Menschen allerdings zu und der Abstand zu den Wildbächen ab (Stritzl 1980). Die Vulnerabilität des Menschen und dessen Anlagen wird durch zahlreiche schwerwiegende Katastrophen in den vergangenen Jahren (wie z.B. im Jahre 2002) deutlich. Diese Ereignisse zeigen, dass bei weiterhin ansteigendem Nutzungsdruck und der Veränderung des Klimas der Wildbachverbau zum Schutz von Siedlungen und Infrastruktur immer wichtiger wird. Zusätzlich ist aber auch jeder Einzelne gefordert, um mit Hilfe von Raumnutzungsplänen und Gefahrenhinweiskarten sich selbst schützen zu können.

Um ein besseres Verständnis für die Abläufe und die Gefahren in einem Wildbach zu bekommen, soll in dieser Arbeit ein Überblick darüber gegeben werden, was Wildbäche sind, wie sie entstehen, welchen Nutzen der Mensch aus ihnen zieht, aber auch welche Gefahren sie mit sich bringen, welche Schutzmaßnahmen es dagegen gibt und inwieweit sich der Klimawandel auf die Wildbachprozesse auswirkt.

2 Definitionen und Wildbachtypisierung

2.1 Wildbach

Nach DIN 19663 (1985, S. 3) sind Wildbäche „oberirdische Gewässer mit zumindest streckenweise großem Gefälle, rasch und stark wechselndem Abfluss und zeitweise hoher Feststoffführung“.

Das österreichische Forstgesetz (ForstG 1975, §99, Abs.1) beschreibt einen Wildbach als „ein dauernd oder zeitweise fließendes Gewässer, das durch rasch eintretende und nur kurze Zeit dauernde Anschwellungen Feststoffe aus seinem Einzugsgebiet oder aus seinem Bachbett in gefahrdrohendem Ausmaße entnimmt, diese mit sich führt und innerhalb oder außerhalb seines Bettes ablagert oder einem anderen Gewässer zuführt".

Schnell wechselnde Wasserstände, Feststoffe und starkes Gefälle - diese Eigenschaften sind laut Böll et al. (2008) entscheidende Abgrenzungskriterien zu anderen Fließgewässern. Für die Charakterisierung von Wildbächen ist es also von großer Bedeutung, den Ursprung dieser Komponenten zu ergründen und zu verstehen. Darauf wird in Kapitel 3.1 genauer eingegangen. Im Folgenden sollen einige Möglichkeiten der Einteilung von Wildbächen aufgezeigt werden.

Der Wildbach selbst lässt sich in seiner Längserstreckung (siehe Abb. 1) in drei Teile untergliedern:

Das Einzugsgebiet, in dem die Abflussbildung durch Niederschläge oder Schmelz- wasser erfolgt. Es wird auch bezeichnet als Erosionstrichter oder Sammelgebiet, da hier das Wasser und die durch Massenbewegungen entstandenen Feststoffe gesammelt, ab- gelöst und vom Wildbach selbst und seinen Zuflüssen aufgenommen werden. Um einen Wildbach beurteilen und richtig einschätzen zu können, ist eine genaue Kenntnis des Ein- zugsgebietes unabdingbar (Karl & Mangelsdorf 1982, Bunza et al. 1996). Im Vergleich zu anderen Gewässern ist das Einzugsgebiet eines Wildbaches eher klein, wobei es bei der Definition der Größe starke Differenzen zwischen den einzelnen Autoren gibt. Größen von 10 km² (nach Becht 1995, vgl. Fleischer 2011, S. 118) bis 300 km² (nach Uhlenbrook & Steinbrich 2002, vgl. Fleischer 2011, S. 118) werden genannt. Eine genaue Angabe scheint aber eher unzweckmäßig. Wichtiger ist, dass Abflüsse in Wildbächen direkt und unmittelbar vom Niederschlag oder dem Schmelzwasser in ihrem Einzugsgebiet beeinflusst werden (Fleischer 2011).

Die Abfluss- oder Durchflussstrecke (auch Schlucht, Tobel, Klamm oder Schwemmkegelhals genannt), in der das Material vermischt, z.T. abgelagert, wieder erodiert und talwärts transportiert wird.

Das Ablagerungsgebiet des mitgeführten Materials, welches sich oft als Schutt- oder Schwemmkegel ausbildet. Die Kegelform entsteht durch die ständige Verlagerung des Bachbettes bei Hochwasser. Eine weitere Form des Ablagerungsgebiets ist die Auf- sattelung, bei der der Wildbach durch die Ablagerung seines Geschiebes einen Damm vor sich her aufbaut und auf diesem entlang verläuft (Karl & Mangelsdorf 1982, Rimböck et al. 2012). Die Art der Ablagerung wird dabei durch die Steilheit des Gerinnes und das Verhältnis der Grob- und Feinanteile des Geschiebes bestimmt. Je feiner das Geschiebe, desto flacher erscheinen die Ablagerungen. Sehr grobes Material baut steile Schwemm- kegel auf, überwiegt das Feinmaterial, entstehen Schwemmfächer. Bei einem sehr flachen Verlauf des Wildbaches wird in den Umlagerungstrecken abgelagert. Somit kann das Ablagerungsgebiet sehr viel über die zu erwartende Wildbachtätigkeit aussagen. Schwemmkegel sind mittlerweile intensiv landwirtschaftlich genutzt und seit dem stark ansteigenden Siedlungsdruck auch als Siedlungsraum genutzt. Es muss allerdings immer mit schwerwiegenden Überschwemmungen und Muren gerechnet werden, was er- hebliche Herausforderungen für den Schutz von verstädterten Gebieten mit sich bringt (Aulitzky 1986, Marchi & Brochot 2000). Laut Surell (1841) ist das Vorhandensein eines Schwemmkegels bzw. eines Ablagerungsbereiches grundsätzlich eine klare Unter- scheidungsmöglichkeit zu anderen Wasserläufen wie einfachen Gebirgsbächen.

Abb. 1: Längsgliederung eines Wildbaches in Sammelgebiet, Durchflussstrecke und Ablagerungsgebiet (Hübl et al. 2003, S. 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Des Weiteren lassen sich Wildbäche anhand ihrer verschiedenen Eigenschaften untergliedern. Die Typisierung erfolgt dabei je nach Autor auf unterschiedliche Weise.

Stiny (1910) unterteilt Wildbäche entsprechend dem Alter der Feststoffherde, also in Altschuttbäche und Jungschuttbäche. 1931 versuchte Stiny eine weitere Einteilung in Altschuttwildbäche, Jungschuttwildbäche, gemischte Wildbäche und besondere Wildbäche.

Aulitzky (1980) unterscheidet vier Wildbachtypen, indem er die „Murfähigkeit“ von Wild- bächen beurteilt: Murstoßfähige, murfähige, geschiebeführende und nur hochwasserführende Wildbäche. Diese unterteilt er dann weiter anhand der vorherrschenden Art ihrer Erosionsvorgänge im Einzugsgebiet und beurteilt die Entwicklungsfähigkeit des Wildbaches (siehe Abb.2).

Abb. 2: Wildbachklassifikation nach Aulitzky 1980 (Hübl et al. 2003, S. 13).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Karl & Mangelsdorf (1982) verwenden als Einteilungskriterien zum einen das Maß der menschlichen Beeinflussbarkeit (bzw. Unbeeinflussbarkeit) des Niederschlagsabflusses und/oder des Feststoffanfalls. Zum anderen beurteilen sie die Art der Feststoffherde, welche aus den geologisch-morphologischen Verhältnissen im Einzugsgebiet des Wildbaches abgeleitet wird. Aufgrund dieser Kriterien unterscheiden sie (speziell für die Ostalpen) zehn unterschiedliche Wildbachtypen (siehe Tab. 1).

Dabei sind die anthropogen beeinflussbaren Wildbäche in die Gruppe der expansiven Feststoffherde und die nicht beeinflussbaren Bäche in die Gruppe der stationären Fest- stoffherde eingeteilt. Anthropogen beeinflussbar sind z.B. Abfluss und Abtrag in Wild- bächen in Talverfüllungen, hierfür sind der Halblech im Ostallgäu oder auch der Lainbach im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gute Beispiele (Karl & Mangelsdorf 1982). Diese Einteilung dient v.a. als Entscheidungshilfe für die Art der künftig durchzuführenden Wildbachverbauung.

Tab. 1: Klassifikation der Wildbäche (WB) nach Art der Feststoffherde und der anthropogenen Beeinflussbarkeit (eigene Darstellung nach Karl & Mangelsdorf 1982).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wildbäche sind aber auch abhängig vom lokalen Klima, dem geologischen Aufbau des Wildbachgebietes, der Form des Niederschlagsgebietes und vom Niederschlagsereignis selbst. Daraus ergeben sich unterschiedliche Abflusstypen der Wildbäche (Karl & Mangelsdorf 1982):

- episodisch bzw. periodisch wasserführend sind Wildbäche bei Schneeschmelze, lang andauernden Niederschlägen oder bei Starkregen.
- Permanent wasserführende Wildbäche unterliegen starken Wasserstands- Schwankungen, fallen aber nicht trocken.

2.2 Sonderfall Mure

Einen Sonderfall des Wildbaches bei Hochwasser stellt die Mure (auch Rüfe, Gisse oder Murgang genannt) dar. Laut Fleischer (2011) gibt es dafür allerdings keine klare Definition in internationalen Publikationen. Bei einem Murereignis steigt die mit dem Wasser mitgeführte Geschiebemenge so stark an, dass das Wasser nicht mehr als Transportmittel fungiert, sondern ein einheitlich vermischter Schlammstrom aus Wasser, Felsblöcken, Steinen, Kies, Holz und Feinmaterial entsteht, welcher sich mit Ge- schwindigkeiten bis zu 100 km/h talwärts bewegt und mehr oder weniger gleichmäßig über den Abflussquerschnitt verteilt ist. Die Abflussgeschwindigkeit ist dabei stark von Art und Konzentration der Feststoffe sowie den Entstehungsbedingungen (Aufbruch einer Verklausung, Geschiebeaufnahme während des Abflusses, Hangrutschung,…) abhängig.

Dieses Mehrphasengemisch entsteht durch den plötzlichen Eintrag großer Feststoff- mengen, welcher beispielsweise durch Rotationsrutschungen oder Wandabbrüche zustande kommen kann. Das Verhältnis von Murmaterial zu Wasser ist laut Bunza (1975) durchschnittlich 1:1. Wildbäche können - wie oben bereits erwähnt - das Potential zur Murbildung besitzen oder auch nicht (Karl & Mangelsdorf 1982, Luzian 2002). Die Abgrenzung zwischen Wildbach und Mure ist schwierig, da sich Transportprozesse und Mischungsverhältnisse oder -zustände während des Verlagerungsprozesses verändern können und zudem während (und auch nach) dem Ereignis nicht eindeutig bestimmbar sind (Stiny 1910, Hübl 1996, Fleischer 2011).

3 Wildbäche

3.1 Entstehung von Hochwasser und Geschiebe

Die Definition von Wildbächen (siehe Punkt 2.1) beinhaltet schon die wichtigsten Faktoren, welche für die Entwicklung und das Verhalten eines Wildbaches von Be- deutung sind. Angefangen von der Geologie (sie bestimmt, welche Feststoffe für den Transport zur Verfügung stehen), über die Geomorphologie, also das Relief und die unterschiedlichen Formen des Massenabtrages, und die Vegetation (speziell im Einzugsgebiet), bis hin zum Wasser, das den Motor für alle Wildbachprozesse darstellt. Allem übergeordnet beeinflussen das im jeweiligen Gebiet vorherrschende Klima und die anthropogenen Eingriffe in das Wildbachsystem (Verbauung, Nutzung,…) das Abtrags- geschehen. Dabei sind die einzelnen Faktoren nicht isoliert, sondern als Ursachen- komplexe zu betrachten, die permanent oder periodisch wirken und sich gegenseitig be- einflussen können. Zudem kann, wie schon erwähnt, zwischen vom Menschen unbe- einflussbaren (weitgehend gleichbleibenden) und anthropogen veränderlichen Faktoren unterschieden werden (Bunza 1992, Luzian 2002).

Tab. 2: Einflüsse auf die Hochwasser- und Geschiebeführung, unterteilt nach Einzugsgebiet und Oberflächengestaltung (eigene Darstellung nach Luzian 2002, S. 57).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Zusammenstellung der wichtigsten Einflussgrößen ist in Tab. 2 dargestellt, wobei hier die Bodenbedeckung und deren Kultivierung als anthropogen stark veränderlicher Faktor aus den Eigenschaften des Einzugsgebietes ausgegliedert wurden.

3.1.1 Geologie und Geomorphologie

Die Alpen sind geologisch gesehen ein sehr komplexes Gebirge. Viele verschiedene Ge- steinsschichten wurden aus ursprünglich weit voneinander entfernt liegenden konti- nentalen und ozeanischen Platten durch mehrere Phasen der Gebirgsbildung auf engstem Raum zusammengeschoben und in Decken übereinander gestapelt. Durch Ab- lagerung, Verformung, Heraushebung, Verwitterung und Abtrag entstand über Millionen von Jahren das rezente Gebirge. Die Hebung des Gebirges findet auch heute noch mit durchschnittlich 0,5 bis 1 Millimeter pro Jahr statt (Marthaler 2013). Entgegen diesen endogenen Kräften wirken exogene Kräfte v.a. dort abtragend auf die Gesteine, wo tek- tonisch beanspruchte Bereiche und leicht erodierbare Fest- oder Lockergesteine vor- liegen. Die Tektonik und die Lithologie sind die „Primärursachen“ (Bunza 1992, S. 16) für Massenbewegungen und die Bildung von Feststoffherden für Wildbäche:

In tektonisch stark beanspruchten Gebieten können Diskontinuitäten (Schwächezonen) und Erdbeben entstehen, die zu Hangbewegungen führen können. In diesen geologisch labilen Bereichen entwickeln sich besonders gefährliche Wildbäche (z.B. der Gschliefgraben bei Gmunden, oder der Zlambach im Salzkammergut) und eine hohe Wildbachdichte, wie sie z.B. im Gailtal vorzufinden ist (Bunza et al. 1996, Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft 2002, Luzian 2002).

Festgesteine werden je nach vorherrschendem Klima durch physikalische und chemische Verwitterung angegriffen und somit leichter erodierbar gemacht. Bergsturz-, Felssturz- oder Steinschlagerscheinungen sind mögliche Folgen und können Bäche auf- stauen oder Material zur Verfügung stellen, welches mit dem Wasser abtransportiert wird. Dichte Gesteine (z.B. der Flyschgürtel, tonhaltige oder granitische Gesteine) haben bei Starkregenereignissen einen starken Oberflächenabfluss zur Folge, wodurch wiederum eine große Gewässerdichte und steile Hochwasserwellen entstehen können (Bunza et al. 1996, Luzian 2002).

Lockergesteine lassen sich nach Stiny (1931) in Hinblick auf die Wildbachtätigkeit in Jungschutt- und Altschuttgesteine untergliedern.

Bei Jungschutt handelt es sich um aktuell und andauernd neu gebildete Ver- witterungsprodukte, welche z.B. aus der Frostverwitterung, der Druckentlastung oder auch aus chemischen Verwitterungsvorgängen entstehen. Da diese Verwitterungs- massen erst gebildet und angehäuft werden müssen, neigen Jungschuttwildbäche (siehe Abb. 3, links), in Abhängigkeit von klimatischen Einflüssen (hier v.a. Temperatur- änderungen), zu längeren Pausen der Geschiebeführung (ca. 3 bis 35 Jahre) bis das Sammelgebiet wieder mit ausreichend abfuhrbereitem Schutt aufgefüllt ist. Häufig kommt diese Art von Gesteinen im Kalkgestein vor (in Karten dann oft als „Weißenbach“ oder

„Griesbach“ zu finden), wie z.B. das Wimbachgries in den Berchtesgadener Alpen. Jung- schuttwildbäche können aber ebenso im Kristallin auftreten, z.B. der Fimberbach, welcher dem Silvretta-Hauptkamm entspringt und von dessen Einzugsgebiet Teile im Engadiner Fenster liegen (Stiny 1931, Karl & Mangelsdorf 1982, Luzian 2002).

Altschutt hingegen ist Lockergestein, welches heute nicht mehr in Bildung begriffen, sondern in der Vergangenheit entstanden ist. Geschiebeherde aus Altschutt bestehen meist aus glazialen, hoch gelegenen Talverfüllungen (Moränen) aus den letzten Eiszeiten

- v.a. entlang der großen Alpenlängstäler des Inns, der Salzach, der Enns, der Drau und der Möll - aber auch aus fluvioglazialen oder äolischen Ablagerungen. In den zentral- alpinen Bereichen mit besonders hartem Ausgangsgestein und steilen Talflanken waren die Möglichkeiten zur Ablagerung der glazialen Talverfüllungen eher eingeschränkt. Dadurch bilden diese Gebiete eher weniger Wildbachgebiete aus (siehe Abb. 4).

Abb. 3: Links: Jungschutt-Neubildung in dem vegetationslosen Gebirge im Hinter- grund. Im Vordergrund der Jungschuttwildbach Haindlkarbach in der Steiermark Rechts: Altschutt einer pleistozänen Moränenablagerung, welcher zusammen mit den darauf wachsenden Bäumen vom Wildbach abtransportiert werden kann (Luzian 2002, S. 28).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Fin de l'extrait de 38 pages

Résumé des informations

Titre
Wunderschön und gefährlich. Wildbäche in den Alpen
Université
University of Augsburg  (Geographie)
Cours
Hauptseminar "Physische Geographie der Alpen"
Note
1,0
Auteur
Année
2015
Pages
38
N° de catalogue
V342979
ISBN (ebook)
9783668337220
ISBN (Livre)
9783668337237
Taille d'un fichier
3208 KB
Langue
allemand
Mots clés
Wildbach, Verbau, Gefahr, Alpen, Mure, Typisierung, Lainbach
Citation du texte
Daniela Kagerbauer (Auteur), 2015, Wunderschön und gefährlich. Wildbäche in den Alpen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342979

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