Entwicklung der medialen Nachfrage nach Wintersport in Deutschland

Auswirkungen auf Sportart und Athleten. Wintersportarten Biathlon und Skispringen


Masterarbeit, 2016

138 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung & Zielsetzung
1.2 Aufbau

2 Theoretischer Zugang
2.1 Magisches Dreieck: Medien, Wirtschaft, Sport
2.1.1 Das Verhältnis zwischen Sport und Medien
2.1.2 Das Verhältnis zwischen Sport und Wirtschaft
2.1.3 Das Verhältnis zwischen Medien und Wirtschaft
2.2 Veränderungsmodell des Hochleistungssports
2.3 Die Bedeutung des Hochleistungssports für die Gesellschaft
2.4 Determinanten der Sportnachfrage
2.5 Das Starphänomen
2.5.1 Superstartheorien
2.5.2 Die Figur des Sportstars

3 Untersuchte Wintersportarten
3.1 Definition und aktuelle Relevanz
3.2 Biathlon
3.3 Skispringen

4 Entwicklung der medialen Nachfrage nach Wintersport in Deutschland
4.1 Angebot und Nachfrage im medialen Umfeld des Wintersports
4.2 Datennutzung und Aufbereitung
4.3 Analyse der TV-Einschaltquoten
4.3.1 Biathlon
4.3.2 Skispringen
4.4 Analyse der Athletenleistungen
4.4.1 Das Scoring-Modell
4.4.2 Biathlon
4.4.3 Skispringen
4.5 Analyse des Starphänomens
4.5.1 Biathlon
4.5.2 Skispringen

5 Auswirkungen der medialen Nachfrage auf die Sportart
5.1 Einführung
5.2 Wettkampfmodi
5.3 Sportstätten, Geräte & Technik
5.4 Regelbrüche
5.5 Wertsteigerung, Rechte und Vermarktung
5.6 Sponsoring

6 Auswirkungen der medialen Nachfrage auf den Athleten
6.1 Theoretischer Einstieg
6.2 Athletensicht
6.3 Der Fall Sven Hannawald

7 Fazit, Limitationen und Forschungsbedarf

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abstract

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der medialen Nachfrageentwicklung nach Wintersport in Deutschland und deren Auswirkungen. Der Wintersport nimmt im deutschen Fernsehprogramm eine zentrale Rolle ein und hat jährlich hohe Zuschauerzahlen zu verzeichnen. Im Fokus der Zuschauernachfrage stehen hierbei regelmäßig die Wintersportarten Biathlon und Skispringen, die den Mittelpunkt der Untersuchungen dieser Arbeit bilden. Ziel ist es, zu evaluieren, welche Faktoren die hohe mediale Nachfrage nach den beiden Wintersportarten in Deutschland determinieren und wie deren Entwicklung im Zeitverlauf der letzten 20 Jahre zu beurteilen ist. Im Rahmen der Arbeit wird außerdem aufgezeigt, wie die beiden Wintersportarten Biathlon und Skispringen von der medialen Nachfrageentwicklung beeinflusst werden und welche Auswirkungen dies auf die Athleten der Sportarten hat. Grundsätzlich profitiert der Sport von der medialen Nachfrageentwicklung. Innerhalb der letzten 20 Jahre hat eine umfassende Mediatisierung, Eventisierung und Professionalisierung im Wintersport eingesetzt. Durch diese Anpassung an die Logik der Massenmedien konnten bessere Vermarktungsmöglichkeiten und konstant hohe mediale Nachfragewerte für den Wintersport erzielt werden. Durch Sportlerinterviews und die Einbeziehung einer Sportler Case Study konnte die Sicht der Athleten auf den Einfluss der medialen Nachfrageentwicklung in die Arbeit integriert werden. Sie beschreiben vor allen Dingen das Risiko der Athleten, am hohen Leistungsdruck der Medien zu zerbrechen. Das auffälligste Ergebnis der Arbeit konnte in Bezug auf die Determinanten der medialen Nachfrage nach Biathlon und Skispringen erzielt werden. Innerhalb der Fachliteratur besteht eine Hauptdeterminante der medialen Nachfrage im Erfolg der deutschen Athleten bei Wettkämpfen. Diese Annahme wurde innerhalb der Arbeit mithilfe einer Korrelations- und Regressionsanalyse der relevanten Fernseh- und Ergebnisdaten überprüft. Die Analyse gibt Grund zur Annahme, dass der Erfolg der deutschen Athleten entgegen den Erwartungen lediglich einen geringen Einfluss auf die mediale Nachfrage hat und andere Faktoren, wie die Relevanz der Wettkämpfe, im Vordergrund stehen.

This paper deals with the development of demand for televised winter sport events in Germany and its impacts. Winter sports have captured a central role in Germany’s television program and have attracted a high number of spectators every year. The winter sports biathlon and ski-jumping are regularly the main focus of attention. In this paper, they are therefore used as representative examples for the development of different winter sports. The objective of the paper is to evaluate which factors determine the demand for the two winter sports in Germany and to assess the development of demand within the last 20 years. Moreover, the paper shows how the two winter sports biathlon and ski-jumping are influenced by the development of demand in television and how this development affects its athletes. Generally, sports benefit from the development of spectator and broadcasting demand. Within the last 20 years a comprehensive process of mediatization, eventization and professionalization has begun and is likely to continue. Through the adjustment to the logic of the media, better marketing opportunities and constant high spectator numbers have been achieved for the two winter sports. Interviews with athletes and the usage of an athlete case study include the athletes’ viewpoint on the development of demand for televised winter sport events into this study. They primarily describe the risk of developing an inability to positively manage the pressure to perform caused by the media. The most striking result of this paper, however, is found concerning the determinants of demand for the televised winter sport events of biathlon and ski-jumping. The literature suggests that one main determinant of demand is the success of German athletes within competitions. Within the paper, this statement was tested with the aid of a correlation analysis and a regression analysis. Surprisingly and against expectations the analysis suggests that the success of German athletes has only little impact on the demand for televised events of the two winter sports. Other factors, like the international ranking of competitions, seem to be more important for the explanation of spectator demand.

1 Einleitung

1.1 Problemstellung & Zielsetzung

Seit es eine zeitnahe, authentische Berichterstattung der elektronischen Medien gibt, ist der Sport mit seinen turnusmäßigen Wettkämpfen und seinen Ritualen um Sieg und Niederlage in der Gesellschaft breit verwurzelt. Die Medien haben mit ihrer immer dichter werdenden Folge an Übertragungen maßgeblich dazu beigetragen, den Sport zu einem gesellschaftlichen Ereignis und zu einem dominierenden Phänomen der Alltagskultur zu machen (vgl. Brinkmann, 2000, S. 491). Im Fernsehen präsentierte herausragende Sportereignisse erzielen heutzutage höchste Einschaltquoten und eine Mehrheit von 56 Prozent der deutschen Erwachsenen ab 14 Jahren gab 2012 in der letzten Zuschauerbefragung ARD-Trend an, Sport „besonders gerne“ oder „gerne“ im Fernsehen anzusehen (vgl. Rühle, 2013, S. 423).

Welche Sportarten derzeit medial nachgefragt werden und in der Gesellschaft populär sind, scheint die Sportberichterstattung zu einem hohen Maß selbst zu beeinflussen. Auch die Popularität einzelner Sportler scheint durch die Medien vorprogrammiert (vgl. ARD-Forschungsdienst, 1998, S. 144). Um jedoch den medialen Erfolg von Sportlern und die mediale Entwicklung einzelner Sportarten im Zeitverlauf zu erklären, bedarf es der Identifikation weiterer Faktoren, die die Zuschauernachfrage nach Sport beeinflussen.

Der Übertragungszeitraum der jeweiligen Sportart scheint in diesem Zusammenhang beispielsweise eine große Rolle zu spielen. Während viele Sommersportarten noch darum kämpfen, neben dem „Beliebtheits-Riesen“ Fußball einen Platz im deutschen Fernsehprogramm zu erhalten, haben dies Wintersportarten wie Biathlon und Skispringen bereits geschafft. Sie sind mittlerweile feste Größen im Wochenendprogramm der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF. Hier wurden im vergangenen Winter von November bis März rund 350 Stunden Wintersport gezeigt, Tendenz steigend. Die Vierschanzentournee der Skispringer haben 2016 zwei Millionen Menschen mehr vor dem Bildschirm verfolgt als im Vorjahr und die Zuschauerzahlen im nacholympischen Jahr 2015 sind für die Wintersport Übertagungen allgemein noch einmal um 15 Prozent gestiegen (vgl. Ahrens, 2016, S. 1). Wie lässt sich dieser Wintersportboom in der deutschen Medienlandschaft und im Zuschauerinteresse erklären? Warum lieben die Deutschen den Wintersport so sehr? Und war das schon immer so?

Die Entstehung, Entwicklung und Auswirkung des Wintersportphänomens in den deutschen Medien soll den Fokus dieser Arbeit bilden. Hierbei steht die Beantwortung der folgenden vier zentralen Fragestellungen im Mittelpunkt:

- Wie hat sich die mediale Nachfrage nach Wintersport in Deutschland in den letzten 20 Jahren entwickelt?
- Welche Faktoren entscheiden über den medialen Erfolg einer Sportart?
- Welchen Einfluss haben die Leistungen deutscher Athleten auf diesen Erfolg?
- Wie haben Sportarten und Athleten auf die mediale Nachfrageentwicklung reagiert und wie werden sie von ihr beeinflusst?

Ziel ist es, die Fragestellungen am Beispiel der Wintersportarten Biathlon und Skispringen zu bearbeiten. Es soll herausgestellt werden, welche Faktoren die beiden Sportarten im Fernsehen so erfolgreich gemacht haben und wie sich ihr medialer Erfolg über die letzten 20 Jahre hinweg entwickelt hat. Es gilt zudem zu evaluieren, ob ein Zusammenhang zwischen dem Erfolg deutscher Athleten und dem TV-Zuschauerinteresse, das sogenannte Starphänomen, im Biathlon und Skispringen existiert. Des Weiteren soll im Rahmen der Arbeit herausgestellt werden, was die mediale Entwicklung für die Entwicklung der beiden Sportarten bedeutet und wie die Athleten von dieser beeinflusst werden. Das Fernsehen steht im Rahmen der Arbeit aus zwei Gründen im Mittelpunkt der Medienuntersuchung. Erstens war nur das Fernsehen bis vor kurzem in der Lage die Charakteristik des sportlichen Wettkampfs auditiv, visuell und unmittelbar zu vermitteln. Und zweitens liegen nur für das Fernsehen kontinuierliche, auf einzelne Disziplinen bezogene Nutzungsdaten zur Analyse vor (vgl. Zubayr & Gerhard, 2004, S. 28).

Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die Ergebnisse der Arbeit in Bezug auf die gewählten Beispielsportarten Biathlon und Skispringen nicht generell auf andere Sportarten ohne Anpassungen übertragen lassen. Jede Sportart ist individuell und findet unter ihren eigenen konzeptionellen Rahmenbedingungen statt, die sich in unterschiedlichster Art und Weise auf das Zuschauer- und Medieninteresse auswirken können.

1.2 Aufbau

Um einen ersten Einstieg in die Funktionsweise des Sports in den Medien zu ermöglichen, wird zu Beginn der Arbeit (Kapitel 2.1) mithilfe eines heuristischen Vorgehens zunächst die Beziehung zwischen Medien, Wirtschaft und Sport aufgezeigt. Demnach wird auf Basis vorhandener Fachliteratur und darauf aufbauender Interpretation beurteilt, wie die drei Bereiche zueinander in Beziehung stehen und wie sich deren Verhältnis zueinander entwickelt hat. In diesem Zusammenhang wird zudem kurz auf das Veränderungsmodell des Hochleistungssports nach Bertling (Kapitel 2.2) und die Rolle des Sports für die Gesellschaft (Kapitel 2.3) eingegangen.

In Kapitel 2.4 werden darauf aufbauend Determinanten der Sportnachfrage identifiziert. Dies geschieht ebenfalls mithilfe gängiger Fachliteratur. Da der Fernseher das meist genutzte Medium zur Rezeption von Sport in den Medien darstellt, wird bei der Identifikation ein besonderes Augenmerk auf die TV-Nachfrage gelegt (vgl. Gleich, 2000, S. 514).

Im darauffolgenden Kapitel 2.5 wird der Einfluss der Leistungen der deutschen Athleten auf die Zuschauernachfrage dargestellt. Als vermeintlich wichtigste Determinante wird das sogenannte „Starphänomen“ zunächst auf theoretischer Grundlage erläutert, um es dann anschließend innerhalb der Wintersportarten Biathlon und Skispringen über eine Spanne von 20 Jahren auf sein Vorhandensein hin zu überprüfen (Kapitel 4). Zuvor steht ein kurzer Abriss über die Geschichte der beiden Sportarten, ihre Position im Medienumfeld sowie eine Kurzeinführung in ihre individuellen Regeln und Wettkampfmodi (Kapitel 3).

Zur Überprüfung des Starphänomens werden in Kapitel vier quantitative Daten der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) zur Sehbeteiligung an Biathlon und Skisprung Übertragungen in Deutschland mit quantitativen Daten zu Leistungen der deutschen Athleten, zur Verfügung gestellt durch die Internationale Biathlon Union (IBU) und den Internationalen Skiverband (FIS), verglichen. Die genaue Vorgehensweise der Datennutzung und -aufbereitung wird im Zuge der Vorstellung der Ergebnisse (Kapitel 4.3 bis 4.5) in Kapitel 4.2 beschrieben.

In den Kapiteln fünf und sechs steht die vierte zentrale Fragestellung nach den Auswirkungen der medialen Nachfrageentwicklung nach Wintersport im Mittelpunkt. Während in Kapitel fünf die Konzentration auf den zwei Sportarten an sich liegt, wird in Kapitel sechs der Fokus auf die Athleten gelegt. Um praxisrelevante und aktuelle Erkenntnisse über die Beeinflussung der Athleten durch die mediale Nachfrageentwicklung gewinnen zu können, wurden im Rahmen der Arbeit zwei Online-Befragungen mit einem aktiven Biathleten, Benedikt Doll, und einem ehemaligen Skispringer, Christian Ulmer, durchgeführt. In Kapitel 6.2 werden die Sichtweisen der Athleten vorgestellt. Das Kapitel basiert demnach hauptsächlich auf der Analyse dieser qualitativen und primär erhobenen Daten. Die Athletensicht wird durch ein Praxisbeispiel aus dem Skispringen, den Fall Sven Hannawald, ergänzt (Kapitel 6.3). Dieser erkrankte wohl auch aufgrund medialer Einflüsse am Burn-Out-Syndrom.

In Kapitel sieben werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst, Limitationen benannt und der weitere Forschungsbedarf erfasst. Am Ende steht ein Blick in die Zukunft.

2 Theoretischer Zugang

2.1 Magisches Dreieck: Medien, Wirtschaft, Sport

Das magische Dreieck hatte in der Literatur im Laufe der Jahre viele Namen. Egal ob „Magisches Dreieck Sport-Fernsehen-Kommerz“, „Magisches Dreieck des Sports“ oder „Die Sport-Medien-Wirtschaft-Allianz“, alle Bezeichnungen beschreiben das Verhältnis zwischen den drei Systemen Medien, Wirtschaft und Sport (vgl. Blödorn, 1988, S. 102; Onnen & Ufer, 2005, S. 10; Schauerte, 2008, S. 39). Dieses Verhältnis und die darauf aufbauenden Beziehungen und Abhängigkeiten zu kennen, ist essenziell um die Wirkungsweise des Sports innerhalb der Medien, insbesondere der Fernsehberichterstattung, zu verstehen.

Hierfür muss zunächst die Entwicklung der drei Systeme im Zeitverlauf betrachtet werden. Die mediale Instrumentalisierung des Sports begann bereits vor über 100 Jahren. Spätestens aber seit der Einführung des dualen Rundfunksystems 1984 hat diese Instrumentalisierung eine Dynamisierung und Differenzierung erfahren, deren Entwicklung wohl auch in absehbarer Zeit noch nicht abgeschlossen sein wird. Ähnliches gilt für die Einbindung des Sports in die Unternehmenskommunikation der werbetreibenden Wirtschaft. Sie wurde etwa zur gleichen Zeit professionalisiert und in der Folge systematisch genutzt, um durch Imagetransfer positive Synergieeffekte auf das Unternehmen oder die offerierten Produkte und Dienstleistungen zu erzielen (vgl. Bruhn, 1998, zitiert nach Schauerte, 2008, S. 39). Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass Spielregeln und Wettkampfpläne von Sportarten nach den Bedürfnissen des Fernsehens angepasst wurden und der Erfolgsdruck auf die Athleten immer weiter stieg. Beim Entscheid über Sieg oder Niederlage geht es heutzutage um viel Geld in Form von Werbeverträgen, Förder- oder Preisgeldern, was nicht selten zu einer leistungssteigernden Überschreitung der Legalitätsgrenze seitens der Athleten führt, dem Doping (vgl. Beck, 2001, S. 2).

Trotzdem erweist sich der Sport sowohl für die Medien als auch für die Wirtschaft als höchst geeigneter und interkultureller Transporteur von Botschaften und als Gegenstand emotionaler Partizipation. Er erreicht sowohl Männer als auch Frauen und ist durch seine international einheitlichen Regeln jedem relativ leicht zugänglich (vgl. Schwier, 2000, zitiert nach Schauerte, 2008, S. 39; Onnen et al., 2005, S. 12). Für die Medien ist der Sport vor allem einer der Themenbereiche, in denen routinemäßig Neues anfällt und die infolgedessen einen festen Platz in der Berichterstattung gewinnen. Hierbei werden Dopingfälle sogar zu spannenden Berichterstattungsthemen, die die Zuschauer aufgrund ihrer Skandalwirkung an den Bildschirm fesseln sollen. Sportereignisse folgen zudem einem festen zeitlichen Ablauf und kalendarischen Regelmäßigkeiten. Dies macht den Berichterstattungsgegenstand Sport zu einem langfristig etablierten Thema und sorgt für eine kontinuierliche Thematisierung und Kontextualisierung (vgl. Luhmann, 1990, S. 170, zitiert nach Loosen, 2004, S. 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Das magische Dreieck – Medien, Wirtschaft, Sport (in Anlehnung an Onnen et al., 2005, S. 10)

Der Attraktivität des Sports sind sich sowohl die Medienschaffenden und die werbetreibende Wirtschaft als auch Sportorganisationen und -veranstalter bewusst und versuchen diese zu ihrem jeweils eigenen Vorteil zu nutzen. Wie das magische Dreieck (Abbildung 1) zeigt, stehen in der mittlerweile fast ausschließlich ökonomisierten Medienlandschaft und im mediengerecht wie auch werbegeeignet inszenierten Sport die drei Systeme Wirtschaft, Sport und Medien in einem symbiotischen Verhältnis zueinander. Dieses Verhältnis ist zugleich konstitutiv als auch regulativ und führt zu einer heterogenen Interessenslage aller am Entstehungsprozess massenmedialer Sportangebote beteiligten Parteien. Ihre gemeinsame handlungsleitende Intention ist eine breite Publizität ihrer selbst, gekoppelt an eine positive externe Wahrnehmung (vgl. Schauerte, 2008, S. 40).

Im Folgenden wird das magische Dreieck hinsichtlich der Verzahnungen und Abhängigkeiten sowie der unterschiedlichen Perspektiven der Teilsysteme im Entstehungsprozess medialer Sportangebote beleuchtet. Hierfür wird das Dreieck in drei thematische Teilbereiche zerlegt. Diese Trennung erfolgt aus reinen Übersichtsgründen und soll keine Trennung in Bezug auf die Verhältnisse innerhalb des Dreiecks symbolisieren.

2.1.1 Das Verhältnis zwischen Sport und Medien

An dieser Stelle soll das Verhältnis zwischen Sport und Medien aus beiden Perspektiven heraus beleuchtet und ihre gegenseitige Einflussnahme aufgezeigt werden. Dieses Verhältnis wird aufgrund des medialen Bezugs der Arbeit im Vergleich zu den zwei folgenden Verhältnisbeschreibungen in Kapitel 2.1.2 und 2.1.3 am ausführlichsten erläutert.

Wie bereits erwähnt, hat die Etablierung privater Rundfunksender das Mediensystem in Deutschland und mit ihm das Verhältnis zwischen Sport und Medien seit Mitte der 1980er-Jahre grundlegend gewandelt. Vor der Einführung des dualen Rundfunksystems waren Sportverbände und Veranstalter sowie öffentlich-rechtliche Sendeanstalten die beiden Parteien, welche in einem ausgewogenen Kräfteverhältnis über die Konditionen, zu denen Sportereignisse medial der Öffentlichkeit präsentiert wurden, verhandelten. Dieses ausgewogene Verhältnis von Angebot und Nachfrage wurde durch die Bestrebungen der privaten Sender, sich auf dem deutschen Fernsehmarkt zu etablieren, nachhaltig gestört (vgl. Schauerte, 2008, S. 41).

Es steht nun aus medienökonomischer Sicht einem begrenzten Angebot von Sportgroßveranstaltungen eine quantitativ und qualitativ ausdifferenzierte Medienlandschaft gegenüber, deren Mitglieder versuchen, sich gegen ihre Mitbewerber im Buhlen um die Gunst des Publikums durchzusetzen und ihr Senderimage zu profilieren (vgl. Rühle, 2000, S. 499, zitiert nach Schauerte, 2008, S. 41). Nach marktwirtschaftlichen Gesetzen reagiert die Angebotsseite mit einer Erhöhung des Angebots auf eine erhöhte Nachfrage. Dies ist aber in puncto hochklassiger Sportveranstaltungen nicht zu realisieren, sodass hier von einem inelastischen Angebot zu sprechen ist. Durch die sich hieraus ergebende Monopolstellung des professionellen Sports war die nahezu inflationäre Entwicklung der Rechtekosten nur eine logische Folge marktwirtschaftlicher Gesetze. Diese bringt die beteiligten Sender zum Teil bis über die Grenze ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Die medienökonomischen Handlungsmotive für den Rechterwerb liegen in der Konterkarierung der Konkurrenzangebote und in der Hoffnung auf eine insgesamt positive Wahrnehmung des Senders durch den Zuschauer, sodass letztlich gesteigerte Werbeeinnahmen erzielt werden können, die eine Refinanzierung der teuren Sportrechte zulassen (vgl. Beck, 2001, S. 3; Hübner, 2000, S. 5, zitiert nach Schauerte, 2008, S.42). Ein Hauptproblem für die Sender besteht hierbei darin, dass die „medienökonomische Halbwertzeit“ von Sportveranstaltungen in der heutigen Zeit nur wenige Tage oder gar Stunden beträgt, da es Ereignisse von primärer Aktualität sind. Ein Wiederholen zu einem späteren Zeitpunkt scheidet hier also im Vergleich zu anderen Formaten, wie Spielfilmen oder Serien, aus. Auf der anderen Seite lässt sich aber genau für diese anderen Sendeformate im Rahmen der Werbeblöcke der Sportberichterstattung wieder Aufmerksamkeit durch Programmhinweise erzielen (vgl. Beck, 2001, S. 3; Rühle, 2013, S. 424; Schauerte, 2008, S.43).

Dem wirtschaftlichen Bedeutungswandel des Sports für das Fernsehen wird auch sendepolitisch durch quantitative und qualitative Veränderungen Rechnung getragen. Die quantitative Ausweitung der Sportberichterstattung erfolgte auf zwei Ebenen. Zum einen stieg ihr Gesamtumfang seit 1984 um ein Vielfaches und zum anderen wurden den einzelnen Sportereignissen größere Sendeplätze eigeräumt. Hierdurch wird eine längere Verwertungsdauer erzielt, die gepaart mit längeren Werbezeiten, eine höhere Refinanzierungsquote erreicht (vgl. Schauerte, 2008, S. 43). Zu den qualitativen Veränderungen zählt die Präsentation des Sports als informierendes Programmformat, welches neben dem reinen Informationswert auch einen Unterhaltungsfaktor aus dem Wettbewerbscharakter des Ereignisses generiert (vgl. Rühle, 2013, S. 423). Bereits 1998 stellt der ARD-Forschungsdienst fest: „Es ist deutlich zu erkennen, dass sich die Sportberichterstattung im Fernsehen […] insbesondere bei den privaten Anbietern von der reinen Berichterstattung zum Infotainment gewandelt hat (S. 144)“. Darauf aufbauend konstatiert Schauerte 2008, dass die dramaturgische Inszenierung der heutigen Sportberichterstattung den Eindruck erwecken lässt, dass der Schritt vom Infotainment zum reinen Entertainment bereits vollzogen ist (S. 44). Mit begleitenden Vor- und Nachberichten, Gewinnspielen, Comedy Einlagen, Experteninterviews, Homestorys von Sportlern und vielem mehr versuchen Sender die Zuschauer für sich zu gewinnen (vgl. Gleich, 2000, S. 512).

Betrachtet man die Entwicklung nun aus dem Blickwinkel des Sports, so stellt man fest, dass der medialen Präsentation des Sports vor dem Hintergrund der zunehmenden Kommerzialisierung eine nahezu existenzielle Bedeutung zukommt. Hierdurch entsteht eine hohe Abhängigkeit des Sports von den Medien sowie eine wachsende Kluft zwischen medialen Rand- und Spitzensportarten. Um die teuren Übertragungsrechte amortisieren zu können, benötigen die übertragenden Sender hohe Einschaltquoten. Dies bedeutet, dass nur publikumswirksame Sportarten eine Chance haben, im Fernsehen eine Plattform zu finden. Zwar haben die öffentlich-rechtlichen Sender eine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht das Interesse der Öffentlichkeit nach dem Verlauf und dem Ausgang wichtiger Sportereignisse zu befriedigen, trotzdem müssen aber auch sie in der Lage sein, ihre gekauften Sportrechte zu refinanzieren (vgl. Beck, 2001, S. 4; Gleich, 2000, S. 512; Rühle, 2013, S. 424; Schauerte, 2008, S. 44).

Im Buhlen um die lukrative Gunst der Medien haben sich viele Sportarten einer mediengerechten Adaption unterzogen. Sie reicht von kleineren ästhetischen Korrekturen im Gesamteindruck über werbestrategische Zeitpläne bis hin zu grundlegenden Regeländerungen (vgl. Schauerte, 2008, S. 44). Wie die Sportarten Biathlon und Skispringen diese mediengerechte Adaption vollzogen haben, wird innerhalb dieser Arbeit in Kapitel fünf näher erläutert.

Die Ausführungen machen deutlich: der Sport braucht die Berichterstattung in den Medien. Sportler und Sportarten werden durch die Übertragung im Fernsehen erst populär gemacht und sind dann in der Lage Partner und Sponsoren zu akquirieren (vgl. Ostermann, 2004, S. 248, zitiert nach Onnen et al., 2005, S. 11). Die Veräußerung der Fernsehrechte bringt das nötige Geld, um den Sportlern und Vereinen die nötigen Trainingsbedingungen für internationale Erfolge zu sichern. Durch bessere Ausrüstung und Trainingsanlagen kann die Symbiose zwischen Medien und Sport schließlich zur Professionalisierung der Sportler oder der Sportart insgesamt beitragen. Dies führt wiederum zu besseren Leistungen der Athleten und neuen Rekorden, durch die wieder mehr Medien und Sponsoren angezogen werden können (vgl. Onnen et al., 2005, S. 14).

Die Medien wiederum profitieren ihrerseits vom Zuschauermagnet Sport, der zumeist hohe Einschaltquoten garantiert (vgl. Kruse, 2000, S. 15, zitiert nach Onnen et al., 2005, S. 11). Sie benötigen den Sport, um sich ihre Einschaltquoten zu sichern und die Konsumenten an sich zu binden. Je konstanter die Zahl der regelmäßigen Nutzer, desto eher sind Unternehmen der Wirtschaft bereit, ihr Werbebudget mit dem jeweiligen Kanal umzusetzen (vgl. Onnen et al., 2005, S. 13-14).

2.1.2 Das Verhältnis zwischen Sport und Wirtschaft

Eine ökonomische Kooperation mit der werbetreibenden Wirtschaft einzugehen, war seitens des Sports lange Zeit verpönt und zum großen Teil auch unter Androhung von Sanktionen bei Missachtung verboten. Erst seit Mitte der 1980er-Jahre wurden diese restriktiven Beschränkungen schrittweise aufgeweicht und der Sport eröffnete sich eine lukrative Einnahmequelle, indem er sich zu einem lohnenden Werbeträger für die Wirtschaft entwickelte (vgl. Winkler & Karhausen, 1985, S. 198-212, zitiert nach Schauerte, 2008, S. 46).

Für die Wirtschaft stellt der Sport ein idealtypisches Feld zur Marketing-Kommunikation mit den Konsumenten dar. Er ist zu einem großen medialen Geschäft geworden und damit für viele wirtschaftende Unternehmen zum idealen Marketinginstrument beziehungsweise festen Bestandteil des Marketing-Mix. Eine große Rolle spielt hierbei der durch die Medien herbeigeführte Multiplikator Effekt von Sportübertragungen. In kaum einem anderen Bereich können entweder so viele Menschen aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen oder gezielt bestimmte Zielgruppen, zum Beispiel im Reit- oder Golfsport, erreicht werden. Im nicht kommerziellen Umfeld des Sports, in der stimmungs- und emotionsgeladenen Freizeitatmosphäre eines Stadions, lassen sich Konsumenten oft besser ansprechen und so von den Vorteilen des gezeigten Produkts überzeugen. Zusätzlich verringert die Einsicht in die Notwendigkeit einer Verbindung zwischen Sport und werbetreibender Wirtschaft und die positive Grundhaltung gegenüber dem Sport in der Bevölkerung das grundsätzliche Risiko negativer Assoziationen. Aus dem verfügbaren Instrumentarium der unternehmerischen Kommunikationspolitik haben sich vornehmlich die Segmente Sponsoring und klassische Werbung als Kommunikationsplattform im und mit Sport etabliert. Aber auch Event-Marketing, PR, Messen und Ausstellungen finden sich im Zusammenhang mit Sport wieder (vgl. Onnen et al., 2005, S. 15; Schauerte, 2008, S. 46). Das Thema Sponsoring wird in Bezug auf die beiden im Fokus dieser Arbeit stehenden Sportarten Biathlon und Skispringen in Kapitel 5.6 noch einmal aufgegriffen.

Aus der Sicht des Sports ist auf allen Leistungs- und Organisationsebenen die Ausstattung mit Geld- und Sachmitteln von konstituierender Bedeutung für das Erreichen der gesetzten Ziele (vgl. Schauerte, 2008, S. 48). Der professionelle Sport wäre ohne die Einnahmen durch Sponsorengelder in der heutigen Art und Weise kaum noch durchführbar (vgl. Ostermann, 2004, S. 248, zitiert nach Onnen et al., 2005, S. 11). Gleichzeitig, beziehungsweise gerade deshalb, hat die Wirtschaft, als Geldgeber, einen großen Einfluss auf den Sport und damit auf das Verhalten jedes einzelnen Athleten. Durch Werbegelder finanziert, erhalten Sportler in der Regel bessere Trainingsbedingungen und erbringen bessere Leistungen, durch die wiederum eine erhöhte Aufmerksamkeit der Medien gesichert und die eigene Attraktivität für Sponsoren gesteigert wird. Durch diese Abhängigkeit ändern sie allerdings auch ihren Status. Sie werden von unabhängigen Selbstfinanzierern zu einer Art Ware, die bei nicht erbrachter Leistung problemlos gegen eine Bessere eingetauscht werden kann (vgl. Onnen et al., 2005, S. 15).

2.1.3 Das Verhältnis zwischen Medien und Wirtschaft

Die Medien bieten ihre Produkte distributionspolitisch auf zwei unterschiedlichen Märkten an, auf dem Rezipientenmarkt und auf dem Werbemarkt. Einerseits werden die publizistischen Erzeugnisse den Rezipienten (TV-Zuschauern) zur Befriedigung ihrer kommunikativen Bedürfnisse und andererseits der übrigen werbetreibenden Wirtschaft zum Erreichen der angestrebten Marketingziele als Kommunikationsplattform angeboten. Durch attraktive Sportprogramme lassen sich für die Medien hohe Marktanteile erzielen, die zu einer Steigerung der Sekundenpreise in den Werbezeiten führen. Gleichzeitig erwerben viele Sender Sportrechte um ihr Senderprofil zu schärfen und die eigene Leistungsfähigkeit zu dokumentieren. Dies soll im Urteil der Zuschauer eine Spartenkompetenz entstehen lassen, die der werbetreibenden Wirtschaft wiederum eine genauere und bessere Zielgruppenkalkulation ermöglicht. Diese ist im Verhältnis zu den Medien in der Regel mit dem Ziel der Gewinnmaximierung ausschließlich an einer Erhöhung des Bekanntheitsgrades des eigenen Unternehmens und der eigenen Produkte interessiert (vgl. Schauerte, 2008, S. 49-55).

Die Medienunternehmen mussten, wie bereits erläutert, im Laufe der Zeit durch längere Vor- und Nachberichterstattung versuchen mehr Werbezeit in die Übertragungen einzubeziehen, um ihre immer teurer werdenden Sportrechtekäufe zu refinanzieren. Dies führt laut Beck (2001, S. 5) zu einem Qualitätsverlust der Sendungen und zu einer geringeren Zuschauerzahl. Das „magische Dreieck“ des Sports funktioniert also nicht problemlos. Die Entwicklung ist möglicherweise an einem Punkt angekommen, an dem ein Preismaximum erreicht ist (vgl. Beck, 2001, S. 5, zitiert nach Onnen et al., 2005, S. 18).

Die soeben beschriebene Entwicklung gilt nicht nur für die privatrechtlichen Sendeanstalten, sondern auch für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Ein gebührenfinanziertes Programm finanziert sich zwar durch eine verfassungsmäßig verordnete und umfassende Angebotsvielfalt, um Legitimationsprobleme zu vermeiden, muss es aber vor dem Hintergrund seiner Finanzierung auch die Präferenzen der Konsumenten berücksichtigen. Hierdurch wird somit implizit dennoch eine Konkurrenzsituation zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichem System hergestellt (vgl. Kiefer, 1995, zitiert nach Schauerte, 2008, S. 53). Somit kommt nach Schauerte (2008, S. 54) dem Rezipienten die zentrale Position in der Medien-Wirtschafts-Symbiose zu, da er darüber entscheidet, welches publizistische Produkt für den Markt geeignet ist und dauerhaft ausgestrahlt wird.

Allgemein bleibt anzumerken, dass es falsch wäre anzunehmen, dass Medien, Wirtschaft und Sport in einem abgeschlossenen Raum, ohne weitere externe, oder auch interne, Einflüsse wirtschaften könnten. Die Politik stellt beispielsweise einen nicht unerheblichen externen Einflussfaktor dar. Ebenso verhält es sich mit bestehenden Gesetzen und gesellschaftlichen Normen (vgl. Schellhaaß, 2000, S.12, zitiert nach Onnen et al., 2005, S. 11). Diese Einflussfaktoren sind bei der Betrachtung des magischen Dreiecks somit stets zu berücksichtigen.

2.2 Veränderungsmodell des Hochleistungssports

Da sich diese Arbeit primär auf den Hochleistungssport konzentriert und es eben dieser ist, der den Sport innerhalb des soeben beschriebenen klassischen magischen Dreiecks am besten repräsentiert, soll im Folgenden kurz auf ein Modell von Bertling (2009, S. 75ff) eingegangen werden, der das magische Dreieck für den Hochleistungssport um drei weitere Teilsysteme ergänzt (siehe Abbildung 2).

Bertling (2009, S. 75) schreibt: „Die wichtigsten Veränderungen des Hochleistungssports und die damit verbundene Möglichkeit der wirtschaftlich motivierten Unterhaltungsorientierung nach der Logik der Massenmedien lassen sich anhand eines Veränderungsmodells des Spitzensports verdeutlichen“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Veränderungsmodell des Hochleistungssports (in Anlehnung an Bertling, 2009, S. 76)

Das Modell visualisiert die Wechselbeziehungen des Hochleistungssports mit den für seine Evolution wichtigsten und relevantesten Teilbereichen der Gesellschaft: Sport, Kultur, Medien, Wirtschaft und Politik. Die Wechselbeziehungen werden von Bertling in Haupteffekte (direkte Beziehung; gestrichelte Pfeile) und Interaktionseffekte (indirekte Beziehung; durchgezogene Pfeile) aufgeteilt. Er geht von komplexen, nicht abgestimmten Wechselbeziehungen aus. In den Teilsystemen werden demnach Entscheidungen getroffen, die nach der jeweiligen Eigenlogik des Bereiches zustande kommen. Der Hochleistungssport nimmt diese Entscheidungen nach seinem teilbereichsspezifischen Eigensinn auf und verarbeitet sie auch dementsprechend. Die bereits im magischen Dreieck vorhandenen Wechselbeziehungen hier näher aufzuführen, würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Deshalb sollen hier nur skizzenhaft die Beziehungen zu den drei bis jetzt nicht behandelten Bereichen aufgezeigt werden:

1. Intersystem-Beziehungen zwischen Hochleistungssport und Sport

Durch die Ökonomisierung beeinflusst das Sportsystem den Hochleistungssport hinsichtlich seiner Unterhaltungsausrichtung (Pfeil S2). Spitzenakteure können sich verstärkt unterhaltend ausrichten und hiermit die Aufmerksamkeit der werbetreibenden Wirtschaft auf sich lenken. Durch seine Unterhaltungsausrichtung beeinflusst der Hochleistungssport das Sportsystem (Pfeil S1). Die Beeinflussung erfolgt insofern, dass das Sportsystem eine stärkere Popularisierung erfährt. Sport wird in breite Bevölkerungskreise getragen.

2. Intersystem-Beziehungen zwischen Hochleistungssport und Kultur

Da als Antwort auf eine zunehmende Nachfrage nach Unterhaltung ein verstärktes Sportangebot bereitgestellt wird und durch seine Nutzung damit auch alltagsweltliche Lebensstile verändert werden, beeinflusst der Hochleistungssport die Alltagskultur (K1). Durch die zunehmende Unterhaltungsausrichtung einer hedonistisch orientierten Gesellschaft beeinflusst die Alltagskultur den Hochleistungssport hinsichtlich seiner Unterhaltungsausrichtung (K2).

3. Intersystem-Beziehungen zwischen Hochleistungssport und Politik

Durch seine Unterhaltungsausrichtung beeinflusst der Hochleistungssport den Politikbereich. Durch die starke Unterhaltungsausrichtung können sich Spitzenathleten zunehmend selbst vermarkten. Dies wirkt sich wiederum auf die Höhe der staatlichen Subventionen aus, die zunehmend beschränkt werden kann (P1). Der Hochleistungssport wird durch die Höhe der staatlichen Subventionen vom Teilbereich Politik beeinflusst. Da die staatliche Bezuschussung für die Mehrzahl der Spitzensportler nicht ausreicht, greifen sie zur besseren Vermarktung zunehmend auf Unterhaltungsstrategien zurück (P2).

(vgl. Bertling, 2009, S.75ff)

Es bleibt festzuhalten, dass der Hochleistungssport in einem hochkomplexen Beziehungsumfeld agiert, welches es bei den weiteren Ausführungen dieser Arbeit im Gedächtnis zu behalten gilt.

2.3 Die Bedeutung des Hochleistungssports für die Gesellschaft

Laut Best (2013, S. 57) bedeutet der Sport für Teile der heutigen Gesellschaft eine Art „Lebensmodell“. Danach hat nicht nur die Gesellschaft Einfluss auf den Sport, sondern der Sport ebenso auf die Gesellschaft. Ganze Terminpläne werden auf den Sport ausgerichtet und sportliche Großereignisse nehmen die Qualität moderner Rituale an, bei denen sich die Zuschauer der Werte, Normen und Traditionen der Gesellschaft versichern können. Dies ist aufgrund der zunehmenden Individualisierung und Diversifizierung in unserer modernen Gesellschaft in anderer Form kaum noch möglich. Im Jahr 2006 entsteht bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland beispielsweise ein wahrer Nationalstolz. Verstärkt durch die ersten Public-Viewing-Veranstaltungen in den Großstädten, wird das gesellschaftliche Miteinander gefördert und die Akteure zu nationalen „WM-Helden“ (vgl. Best, 2013, S. 57; Gleich, 2000, S. 516). Die soeben beschriebene Sichtweise unterstützt soziologische Theorien nach denen internationale Sportgroßereignisse eine gewisse nationale Stabilisierungs- und Identifikationsfunktion innehaben. Diese ist selbst bei wenig Sportinteressierten präsent (vgl. Gleich, 2000, S. 516).

Auch wenn man sich die aktuelle Sportnachfrage vor Augen führt, lässt sich die Verbundenheit der Deutschen mit dem Sport erkennen. Gemäß der Bestandserhebung des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) vom 23. Februar 2016 waren im Jahr 2015 rund 27,3 Millionen Deutsche Mitglied in einem dem DOSB zugehörigen Sportverein oder Verband (vgl. DOSB, 2016, S. 1). Schon diese Zahl verdeutlicht, dass ein Drittel der deutschen Bevölkerung regelmäßig sportlich aktiv ist. Hinzu kommen noch diejenigen Sportler, die nicht Teil eines Vereins sind und Sport zum Beispiel im Fitnessstudio betreiben. Zwar bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass all diese Menschen automatisch Interesse am Hochleistungssportprogramm im Fernsehen haben, doch sind diese Zahlen durchaus eine gute Voraussetzung.

Der Soziologie Schimank beleuchtet die Rolle des Hochleistungssports aus einem anderen Blickwinkel und fragt nach seiner gesellschaftlichen Entbehrlichkeit. Er prüft den Spitzensport auf die Fähigkeit hin, als eines von zwölf ungleichartigen und deshalb gleichrangigen Teilsystemen der modernen Gesellschaft zu gelten. Ungleichartig sind alle Teilsysteme, wie Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft, weil jedes auf andere Arten von gesellschaftlichen Problemen zugeschnitten ist. Gleichrangig sind sie hingegen in dem Sinne, dass jedes von ihnen unverzichtbar für die Reproduktion der modernen Gesellschaft als Ganzes ist. Demnach kann bei Ausfall der Wirtschaft nicht ein anderes Teilsystem, wie Bildung oder Politik, für sie einspringen. Der gesellschaftliche „Reproduktionskreislauf“ käme zum Erliegen (Giegel, 1975, S. 14-15 & Schimank, 1988, zitiert nach Schimank, 2001, S. 13).

Weitergehend konstatiert Schimank, dass in einer funktional differenzierten Gesellschaft nicht nur nach dem Beitrag eines Teilsystems zum Erhalt des Ganzen gefragt werden kann, sondern auch nach den Leistungen gefragt werden muss, die die Teilsysteme wechselseitig füreinander erbringen. Demnach ist ein Teilsystem genau dann unverzichtbar, wenn es unverzichtbare Leistungen für andere Teilsysteme erbringt. Auch Schimank nennt in diesem Zusammenhang die im magischen Dreieck und im Veränderungsmodell des Hochleistungssports bereits identifizierten Verbindungen des Spitzensports zu Massenmedien, Wirtschaft und Politik. Wird der Spitzensport hinsichtlich seiner Leistungsbeziehungen allerdings vergleichend neben die anderen gesellschaftlichen Teilsysteme gestellt, fällt auf, dass keine weiteren Leistungsbezüge vorhanden sind. Für acht Teilsysteme produziert der Spitzensport also keine nennenswerten Leistungen. Zudem sind die Leistungen, die der Spitzensport für Politik, Wirtschaft und Massenmedien erbringt gemäß Schimank unbestreitbar existenziell nicht wichtig. „Die Wirtschaft fände auch andere Werbeträger (Schimank, 2001, S. 15)“, schreibt er trocken und steht damit gegenüber der Meinung anderer Autoren, die das magische Dreieck aus Wirtschaft, Medien und Sport als für alle drei Teilsysteme existenziell beschreiben. So formulieren beispielsweise Onnen & Ufer (2005, S.11-12): „Das magische Dreieck ist durch viele Interdependenzen zwischen den Teilsystemen gekennzeichnet, die ohne einander kaum noch existieren könnten“.

Schimank (2001, S.19-23) geht sogar noch weiter. Er ist der Meinung, dass sich der Spitzensport in der heutigen Gesellschaft als ein Teilsystem darstellt, welches deutlich häufiger als Empfänger denn als Bereitsteller von Leistungen auftritt. Die Aussagen von Best und Gleich zum Lebensmodell Sport, welches in der heutigen Gesellschaft ihrer Meinung nach immer mehr Zuspruch findet und nicht mehr Wegzudenken ist, kontert Schimank mit der Erkenntnis, dass die Fortexistenz der Gruppe an Gesellschaftsmitgliedern, die sich nicht für Spitzensport interessieren, beweist, dass die Zuschauerrolle weder für die Person noch für die Gesellschaft funktional erforderlich ist. Sein Fazit fällt deshalb eindeutig aus: Sowohl die anderen gesellschaftlichen Teilsysteme als auch die individuellen Gesellschaftsmitglieder könnten auf den Spitzensport gegebenenfalls auch verzichten. „Er ist nicht unverzichtbar wie Wirtschaft, Politik, Recht, Wissenschaft, Massenmedien, Bildung, Gesundheit und einige weitere gesellschaftliche Teilsysteme (Schimank, 2001, S. 23)“. Trotzdem bleibt auch Schimank am Ende nur zuzugeben, dass sich der Spitzensport für die Gesellschaft gemäß seiner Theorie zwar in einer entbehrlichen und strukturell schwachen Position befindet, sonst allerdings, wenn er sich keine strukturerschütternden Skandale leistet, immer noch die „schönste Nebensache der Welt“ darstellt (vgl. Schimank, 2001, S. 23).

2.4 Determinanten der Sportnachfrage

Nach der Einführung in die Grundstruktur des Sports innerhalb des magischen Dreiecks, steht in diesem Kapitel die Identifizierung von Determinanten der Sportnachfrage im Mittelpunkt. Hierbei wird vor allen Dingen die im Fokus dieser Arbeit stehende mediale Nachfrage nach Sportübertragungen im Fernsehen beleuchtet.

Nach wie vor gehören die Übertragungen von Sportereignissen zu den reichweitenstärksten und damit attraktivsten Angeboten im deutschen Fernsehen (vgl. ARD-Forschungsdienst, 2012, S. 286). Mit der Frage nach dem „warum?“ und „unter welchen Voraussetzungen?“ hat sich die Medien- sowie sportökonomische Forschung bereits umfassend beschäftigt und unterschiedlichste Lösungsansätze entwickelt. Eine vollständige Nennung aller Theorien und empirischen Befunde würde an dieser Stelle jedoch den Rahmen der Arbeit sprengen. Deshalb werden nur ausgewählte Theorien vorgestellt, die sich auf die TV-Nachfrage nach Sportübertragungen beziehen.

Bereits 1988 identifiziert Blödorn (S. 125) aus dem Blickwinkel der Sportarten drei grundlegende Prämissen für deren Erfolg in der Fernsehsportberichterstattung:

1. Die zu übertragende Sportart muss einen hohen Grad an Zuschauerakzeptanz besitzen, einen hohen Unterhaltungswert haben und telegen darstellbar sein.
2. Die zu übertragene Sportart muss beim Zuschauer eine ortsbezogene, regionale oder nationale Identifikation ermöglichen.
3. Die zu übertragende Sportart muss, wegen ihrer Vermarktbarkeit auch außerhalb Deutschlands, auf internationale Akzeptanz stoßen.

Werden diese drei Prämissen erfüllt, kann die Sportart laut Blödorn mit einer hohen TV-Nachfrage rechnen.

Aimiller und Kretschmar untersuchen die Determinanten der TV-Nachfrage nach Sport 1995 anhand der speziellen Bedürfnisse von Sportzuschauern, die sie zum Konsum von Sportangeboten im Fernsehen motivieren. Es konnten insgesamt zwölf Motive isoliert werden, die sich zu vier übergeordneten Kategorien zusammenfassen lassen:

1. Soziale Motive (Anschauen von Sportangeboten liefert Gesprächsstoff und fördert somit soziale Kontakte mit anderen)
2. Parasoziale Motive (Identifikation mit Sportlern/Mannschaften)
3. Entspannung (Abbau von Alltagsstress, Unterhaltung)
4. Stimulation (Erleben von Spannung, Anregung)

(vgl. Aimiller & Kretschmar, 1995, zitiert nach ARD-Forschungsdienst, 1998, S. 145)

Auch Woratschek & Schafmeister konzentrieren sich 2008 (S. 61ff) auf diesen Schwerpunkt. Sie untersuchen aufbauend auf den bereits vorhandenen Nachfrageforschungen zum Kauf von Stadiontickets ebenfalls die Motive der Fernsehnachfrage nach Sport. Hierzu entwickeln sie ein theoretisch fundiertes Nachfragemodell, für das sie auch die Ergebnisse von Aimiller und Kretschmar miteinbeziehen. Zudem beziehen sie sich auf die Forschung von Schellhaaß und Hafkemeyer. Diese stellen 2002 fest, dass der Wunsch nach Kenntnissen über eine Sportart eine Motivation sein kann, Sportübertragungen nachzufragen. Die Sportsendungen dienen demnach als Lehrmaterial, um langfristig das eigene Wissen zu erweitern und Konsumkapital aufzubauen (vgl. Schellhaß & Hafkemeyer, 2002, zitiert nach Woratschek et al., 2008, S. 70).

Das Nachfragemodell (Tabelle 1) nennt fünf Einflussfaktoren der TV-Nachfrage nach Sportübertragungen. Der erste Einflussfaktor Wettbewerb beschreibt die zeitliche und räumliche Flexibilität von TV-Zuschauern. Hierdurch müssen zu unterschiedlichen Sendezeiten verschiedene Konkurrenzangebote berücksichtigt werden. Eine Sportübertragung steht demnach im direkten Wettbewerb mit anderen Fernsehsendungen, die zur gleichen Zeit ausgestrahlt werden. Als mögliche Indikatoren für die Operationalisierung würden sich Tageszeiten und Wochentage anbieten. Dieser Einflussfaktor ist gerade in Bezug auf den Wintersport als sehr entscheidend zu beurteilen, da der Wintersport in Bezug auf alternative Sportübertragungen einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Sommersport vorzuweisen hat. Im Winter existieren weitaus weniger Konkurrenzangebote anderer gesellschaftlich hochangesehener Sportarten wie Fußball oder die Formel 1. Zusätzlich werden generell weniger Wintersportarten als Sommersportarten ausgestrahlt und Großveranstaltungen wie Fußball-Weltmeisterschaften, Fußball-Europameisterschaften und Olympische Spiele finden insgesamt betrachtet häufiger im Sommer als im Winter statt (vgl. Woratschek et al., 2008, S. 72).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Nachfragemodell für die Fernsehnachfrage nach Sportübertragungen (in Anlehnung an Woratschek et al., 2008, S. 79)

Der zweite Einflussfaktor Konsumkapital greift die Ergebnisse von Schellhaaß und Hafkemeyer auf. Im Rahmen der Entscheidungsfindung über die Auswahl einer Freizeitaktivität bewerten die Konsumenten den Nutzen, den sie aus einer Aktivitäten ziehen können. Es wird angenommen, dass der Erwartungsnutzen bei einer unbekannten Sportart vor der Konsumentscheidung geringer ist als bei einer den Zuschauern vertrauten Sportart. Folglich folgen Zuschauer eher einer bekannten Sportart im Fernsehen als einer unbekannten. Darüber hinaus müsste die TV-Nachfrage nach einer Sportart mit der Zunahme des Konsumkapitals in dieser Sportart steigen. Ein Motiv für den Konsum einer Sportart kann also durchaus der gesellschaftliche Hintergrund oder das familiäre Umfeld einer Person sein, nach dem sich das Wissen über verschiedene Sportarten und deren Konsum bestimmt. Ein möglicher Indikator für das Konsumkapital könnte hierbei die Anzahl der Mitglieder in Sportvereinen oder Fan-Clubs sein (vgl. Woratschek et al., 2008, S. 73f).

Der dritte Einflussfaktor Popularität beschreibt die erhöhte Nachfrage nach Sportarten, die gesellschaftlich anerkannt und weit verbreitet sind oder nach Athleten, die als Superstars gelten. Als Indikator eignen sich hier die Tabellenposition von einzelnen Teams oder langfristige sportliche Erfolge von Athleten (vgl. Woratschek et al., 2008, S. 74ff).

Der vierte Einflussfaktor Spannungsgrad wurde in der Literatur bereits häufiger und in unterschiedlichen Formen diskutiert. Grundsätzlich kann unter Spannung die Unsicherheit über Ergebnisse verstanden werden. Theoretisch betrachtet hat Unsicherheit unterschiedliche Quellen. Zumindest kann im Sport formal nicht von einer Transivität der Ergebnisse ausgegangen werden (A > B und B > C heißt nicht A > C), was Unsicherheit und damit Spannung hervorruft (vgl. Heinemann, 1995, zitiert nach Woratschek et al., 2008, S. 76). Die Zuschauer haben typischerweise eine Präferenz für Spannung und damit Wettbewerbe, deren Ausgang ungewiss ist. Dieses Konzept geht bis auf die Anfänge der Sportökonomie bei Rottenberg (1956) und Neale (1964) zurück und wird als „uncertainty of outcome hypothesis“ (UOH) bezeichnet. Der Unterhaltungsnutzen für den Zuschauer steigt, wenn die Spannung hoch ist. Der Unterhaltungsnutzen sinkt, wenn der Ausgang des Wettbewerbs bereits vorher abzusehen oder gar bekannt ist. Dies ist gemäß der UOH auch der Grund, warum Wiederholungen hinsichtlich der Nachfrage weit hinter Live-Übertragungen zurückbleiben. Empirisch wurde die UOH allerdings noch nicht eindeutig bewiesen (vgl. Budzinski & Feddersen, 2015, S.12ff). Von der Argumentation ähnlich ist der Giant-Killer-Effekt. Es gelingt Außenseitern immer wieder gegen Favoriten zu gewinnen, was im Vorfeld von Wettkämpfen zu Unsicherheiten über den Spielausgang und somit zu einer höheren Nachfrage führt. Es wird aber auch genau das Gegenteil von vielen Autoren beschrieben. So soll eine ausgeglichene Wettbewerbsfähigkeit, genannt „competitive balance“, unter den Wettbewerbern das Ergebnis des Wettbewerbs unvorhersehbarer machen und somit die Spannung erhöhen (vgl. Fort & Quirk, 1995, zitiert nach Budzinski et al., 2015, S.13). In beiden Ansätzen ist zu berücksichtigen, dass die Zuschauer bei ihrer Meinungsbildung nicht nur auf die Erfahrungen der laufenden Saison, z.B. die aktuelle Tabellenposition der eigenen Mannschaft, sondern auch auf die weiter zurückliegenden Perioden zurückgreifen. Die Erwartungen über den Spannungsgrad lassen sich also aus dem gesamten Erfahrungsschatz der Zuschauer ableiten (vgl. Woratschek et al., 2008, S. 77).

Der fünfte Einflussfaktor Relevanz beschreibt die Erhöhung der Nachfrage als Folge einer Erhöhung der Relevanz des Wettbewerbs. So interessieren sich deutlich mehr Zuschauer für ein Weltmeisterschaftsrennen als für ein Weltcuprennen oder für ein Finale als für ein Gruppenspiel. Aus ökonomischer Sicht sind Sportevents im TV damit besonders wertvoll, wenn sie mit einer hohen Relevanz ausgestattet sind (vgl. Feddersen & Rott, 2011, S. 365; Woratschek et al., 2008, S. 78f).

Neben dem soeben ausführlich erläuterten Nachfragemodell existiert auch ein oft zitiertes Dimensionsmodell von Wenner und Gantz (1998, S. 237, zitiert nach Hagenah, 2008, S. 38). Sie ermittelten fünf Dimensionen der TV-Sport-Nutzung:

1. Learning dimension: Informationsbedürfnis der Rezipienten, mehr über Sportler und Teams zu erfahren
2. Fanship dimension and the desire to thrill in victory: Spannung in Verbindung mit dem Bedürfnis, sich mit Gewinnern identifizieren zu können
3. Companionship dimension: Affiliationsmotiv (Zusammensein mit Freunden und Familie)
4. Release dimension: Entspannung
5. Filler dimension: Zeitvertreib

Diese fünf Dimensionen werden von Hagenah (2004, S. 87f) im Rahmen seiner Sport-TV-Motiv-Skala und einer Faktorenanalyse bestätigt. Auch Gleich (2000, S. 513ff) und der ARD-Forschungsdienst (2012, S.286ff) identifizieren ähnliche Nachfragemotive. Hagenah beschreibt die fünf Dimensionen jedoch als eher weniger relevant für die Sportnachfrage und macht stattdessen fünf Subskalen seines Modells für eine hohe Nachfrage verantwortlich: Parainteraktive Emotionssuche (Mitfühlen mit Idolen/Athleten), Kommunikation/Zusammensein, Isolationsfurcht/Wetten, Ästhetisches Vergnügen und Zapping.

Schimank macht 2001 (S. 20) ebenfalls drei Faktoren aus, die seiner Meinung nach den massiven Zuschaueranstieg beim Spitzensport im Fernsehen bedingt haben. Diese sind im Vergleich zu den zuvor genannten Theorien mehr auf die gesellschaftliche Entwicklung als Ganzes fokussiert als auf die Erklärung der Motive des einzelnen Zuschauers:

1. Die Entwicklung der Gesellschaft zu einer „Mediengesellschaft“: Die Massenmedien werden immer wichtiger für die Gesellschaftserfahrung der Person.
2. Die Entwicklung der Gesellschaft zu einer „Freizeitgesellschaft“: Die Person verfügt aufgrund der Verkürzungen der Arbeitszeit über mehr disponible Zeit.
3. Die Entwicklung der Gesellschaft zu einer „Überflussgesellschaft“: Aufgrund allgemeiner Einkommenssteigerungen hat das disponible Einkommen der Person zugenommen.

Im Jahr 2006 untersucht Schimank dann gemeinsam mit Schöneck das Inklusionsprofil des Sports innerhalb der deutschen Bevölkerung. Im Rahmen der Untersuchung wird deutlich, dass ein starker positiver Zusammenhang zwischen Medieninteresse und Veranstaltungsbesuch besteht. Wer ins Stadion geht, verfolgt Sport also tendenziell auch in den Medien. Es bestehen zudem signifikante Zusammenhänge zwischen regelmäßigem eigenen Sporttreiben und dem Interesse an Sportberichterstattung. Aktiv Sporttreibende werden also eher zu Rezipienten von Sportberichterstattung als nicht aktiv Sporttreibende (vgl. Schimank & Schöneck, 2006, S. 11). Laut dem ARD-Forschungsdienst (2012, S.289) wirkt sich zudem auch die allgemeine Sportbegeisterung einer Person auf die Häufigkeit der Sportrezeption aus.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Telegenität des Sports aufgrund des Zusammenwirkens unterschiedlichster Faktoren kaum zu übertreffen ist (vgl. Schaaf, 1995, S. 52, zitiert nach Onnen et al., 2005, S. 13). In realen Wettkämpfen treten Menschen in nicht vorhersehbaren Situationen gegeneinander an, das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Zuschauern wird gesteigert und das Wissen über Regeln und Abläufe erhöht. Es zählen Faktoren, wie Relevanz und Popularität der Sportart, aktives Sporttreiben oder das generelle Sportinteresse zu den Determinanten der Sportnachfrage. Aber auch gesellschaftliche Entwicklungen und kulturelle Hintergründe sind ausschlaggebend für die TV-Nachfrage nach Sportübertragungen und den Erfolg einer Sportart.

Bezogen auf den Wintersport lässt sich in Ergänzung sagen, dass es dieser ausgenommen gut versteht eine gemächliche Spannung zu liefern, die bei den Zuschauern gut ankommt und sich nicht so konfliktbeladen wie bei Teamsportarten, wie Fußball, zeigt. Selten kommt es zu direkten Duellen, das Mitfiebern passiert kontrolliert, die Regeln sind verständlich und die deutschen Athleten sind erfolgreich. Und das alles in einer Jahreszeit, in der die Menschen sowieso generell mehr Zeit zuhause vor dem Fernseher verbringen. Zudem gibt es im Wintersport keinerlei Vereinskonkurrenzen. Jeder Athlet tritt immer für sein Land an, was die Identifikation mit diesem erleichtert. Darüber hinaus präsentieren sich viele Wintersportler weitaus bodenständiger als große Fußballstars, was ihnen große Sympathiewerte beim Publikum einbringt. Der Wintersport bietet in der grauen Jahreszeit außerdem eine Art Routine, der Struktur und Ablenkung in den Alltag bringt. So weiß der regelmäßige Wintersportzuschauer, dass am Wochenende um die Mittagszeit Biathlon gesendet wird. Der Sportsoziologe Bette erklärt, dass viele Zuschauer beim Wintersportkonsum im TV mit harmlosen Themen Spannung erleben wollen. Der Wintersport sei dafür ideal. „Er lebt von einer gewissen Gemächlichkeit, […] bei der sich die Ereignisse nicht überschlagen. Es springt immer nur ein Skispringer […] und die Biathleten schießen auch nicht alle Scheiben auf einmal weg, alles schön nacheinander (vgl. Der Tagesspiegel, 2015, S. 2)“.

Eine bisher mit Absicht vernachlässigte Determinante der Sportnachfrage ist der Erfolg der eigenen Nationalmannschaft oder der dem eigenen Land zugehörigen Einzelathleten. In nahezu allen Arbeiten zur Zuschauernachfrage im Sportbereich wird dieser Aspekt als einer der bedeutendsten beleuchtet und mit dem Terminus „Starphänomen“ bzw. „Superstartheorie“ versehen (vgl. Budzinski et al., 2015, S.10ff; Rosen, 1981, S. 845ff; Woratschek et al., 2008, S. 66; Zubayr et al., 2004, S. 39ff). Die Grundaussage ist in Bezug auf die deutsche TV-Nachfrage dabei recht einfach zu formulieren: Je besser die deutschen Athleten in einer Sportart abschneiden, desto höher ist die Nachfrage nach dieser Sportart und den darin antretenden, zu nationalen „Sportstars“ werdenden Athleten unter den deutschen Zuschauern. Aufgrund der Wichtigkeit der Determinante und einer der zentralen Fragestellungen der Arbeit nach dem Vorhandensein des Starphänomens in den Sportarten Biathlon und Skispringen, wird dem Starphänomen im Folgenden ein eigenes Kapitel gewidmet.

2.5 Das Starphänomen

2.5.1 Superstartheorien

Die Zahlungsbereitschaft für, und damit die Nachfrage nach Sportwettbewerben hängt von der Qualität des dort dargebotenen sportlichen Talents ab. Superstars werden von den Zuschauern als Signal verstanden, welches sie vor der Konsumentscheidung zur Reduktion ihrer Unsicherheit über die Qualität der Unterhaltungsleistung verwenden (vgl. Franck & Opitz, 2003, zitiert nach Woratschek et al., 2008, S. 75). In Anlehnung an die ökonomische Superstartheorie (vgl. Rosen, 1981, S. 845ff, 1983a, S. 449ff, 1983b, S. 460ff; McDonald, 1988, S. 155ff) kann eine Präferenz für außerordentliches Talent unter den Zuschauern konstatiert werden, welche zu einer überproportionalen Zahlungsbereitschaft und damit einer erhöhten Nachfrage für die Darbietung besserer Talente, der sogenannten Stars, führt. Dies liegt zum einen daran, dass die Anzahl der besten Talente naturgemäß als knapp zu bezeichnen ist, und zum anderen, dass aus der Sicht der Nachfrager weniger begabte Sportler ein schlechtes Substitut für hochbegabte Sportler darstellen (vgl. Rosen, 1983a, S. 454). So ist die durchschnittliche Zahlungsbereitschaft der Konsumenten und das Interesse von Zuschauern überproportional größer, wenn sie den Olympiasieger beim Wettkampf sehen können, als wenn sie den Olympiazehnten angeboten bekommen (vgl. Budzinski et al., 2015, S. 10). Budzinski & Feddersen (2015, S. 10) betonen hierbei, dass sich Stareffekte sowohl auf individuelle Sportler als auch auf Mannschaften beziehen können. Die Einkommensstruktur von Spitzensportlern und Spitzenmannschaften deute eindeutig darauf hin. Anders sehen dies Woratschek und Schafmeister (2008, S.66): „Den Superstars kommt bei Einzelsportarten unseres Erachtens eine größere Bedeutung für die Nachfrage zu als bei Mannschaftssportarten. Es ist zu vermuten, dass die Loyalität im Mannschaftssport zum Team stärker ist als zum einzelnen Sportler“.

Trotzdem ist festzuhalten, dass auch bekannte Teamsportler zu echten Superstars aufgestiegen sind. Die Fußballspieler Christiano Ronaldo und Lionel Messi verzeichnen beispielsweise höchste Bekanntheitsquoten und sind in der „Celebrity 100“ Liste des Wirtschaftsmagazins Forbes (2015) an Platz 10 und 13 der meistverdienenden Prominenten der Welt gelistet. Das im Verhältnis zu vielen anderen Spitzenfußballern exorbitante Einkommen der beiden Stars erklärt Rosen (1981, S. 846) damit, dass aufgrund der eingeschränkten Substituierbarkeit unterschiedlicher Talentniveaus aus Sicht der Nachfrager die besten Talente monopolähnliche Honorare erzielen können und über die Marktmacht verfügen. Franck (2001, S. 42) beschreibt dies mit einer „Hebelerklärung“, die sich auf Rosens Superstartheorie stützt. Die Entwicklung der modernen Medien hat einen Hebel geschaffen, über den Unterhaltungsleistungen mit geringen Zusatzkosten einem größeren Publikum angeboten werden können. Wenn nun aus Sicht der Nachfrager unterschiedliche Qualitätsniveaus nur unvollkommen substituierbar sind, sind die Voraussetzungen zur Entstehung eines „winner-take-all-Marktes“ gegeben.

Die Besten einer Disziplin können über den medialen Hebel ihr Angebot in vormals geschützte Marktsegmente mit geringen Zusatzkosten ausdehnen. Weil die Konsumenten Qualitätsanstiege überproportional wertschätzen, fällt den Spitzenkönnern der Großteil der Marktnachfrage zu. Kleinste Unterschiede im Können der [Sportler] potenzieren sich so über den medialen Hebel zu großen Einkommensdifferentialen. (Franck, 2001, S. 42)

Auch wenn Rosens Superstartheorie als Grundlagentheorie im Bereich der Erklärung von Starphänomenen gilt, so existieren doch einige Kritikpunkte an seiner Vorgehensweise und Argumentationslogik. Bowrick (1983, S. 459) weißt beispielsweise darauf hin, dass sich die Theorie nicht mit den Folgen eines zusammengesetzten Produktes beschäftigt, welches aus der Zusammenkunft mehrerer Stars besteht. So könnte zum Beispiel ein Sportstar, der negative Konnotationen beim Zuschauer hervorruft dafür sorgen, dass der gesamte Wettkampf zum Konsum nicht mehr attraktiv erscheint, auch wenn mehrere andere Stars an ihm teilnehmen. Zudem gehe Rosen nicht auf den Fall ein, dass ein Produkt von mehreren Personen gleichzeitig konsumiert wird, wie es zum Beispiel beim Public Viewing der Fall ist. Laut Schulze (2003, S. 432) lässt Rosen zudem die Möglichkeit der Produktdifferenzierung unter Stars außer Acht und nimmt die unterschiedliche Verteilung von Talent unter Stars ohne eine nähere Erklärung ihrer Entstehung an.

McDonald stellt 1988 (S. 155ff) eine dynamische Form der Theorie Rosens zur Verfügung. Er ergänzt, dass aufgrund der Erfahrungsguteigenschaft von Talentdarbietungen bekannte Sportstars Vorteile gegenüber den vom Zuschauer schwerer einzuschätzenden Newcomern genießen und deshalb tendenziell höhere Honorare erzielen können. Die Zuschauer wählen also eher Darbietungen, von denen sie eine befriedigende Qualität gewohnt sind, und zahlen dafür gerne einen höheren Preis (vgl. Budzinski et al., 2015, S. 11; Nüesch, 2007, S. 87; Schulze, 2003, S. 432).

Die Nachfrage nach Sportübertragungen ist auch durch direkte Netzwerkeffekte gekennzeichnet. Dies befördert ebenfalls eine Konzentration der Nachfragemenge auf wenige Veranstaltungen und Stars. In Weiterführung des Konsumkapitalakkumulationskonzeptes (vgl. Stigler & Becker, 1977, S.76ff), nach dem der Nutzen des Zuschauers aus dem Konsum von Gütern, hier dem Sport, vom Wissensstand, den er sich über die Güter angeeignet hat, abhängt, entwickelt Adler (1985, S. 208ff; 2006, zitiert nach Budzinski et al., 2015, S. 11; vgl. Schulze, 2003, S. 433) eine Nachfragetheorie nach Unterhaltung, welche über die Talentdimension von Starphänomenen hinausgeht. Neben der Präferenz der Zuschauer für Talent, identifiziert er zwei weitere Präferenzen: jene für soziale Interaktion (commonality effect) und jene für die Medienpräsenz bekannter Stars. Beide bewirken direkte Netzwerkeffekte: Je mehr Anhänger ein Star oder ein Sportereignis haben, umso mehr Nutzen stiften sie als Gesprächsthema und durch komplementäre Medienpräsenz. Dies kann so weit reichen, dass sich Nicht-Fans am Konsum einer Sportübertragung beteiligen, um am Gemeinschaftserlebnis zu partizipieren und in den Folgetagen mitreden zu können. Die direkten Netzwerkeffekte stehen hierbei in einer sich wechselseitig verstärkenden Beziehung zur Wichtigkeit des Sportereignisses. Mit der Wichtigkeit verstärkt sich der Netzwerkeffekt und mit steigenden Netzwerkeffekten erhöht sich die Wichtigkeit. Hierdurch entstehen wiederum Potenziale für die Anbieter der populärsten Sportentertainmentangebote, die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager abzuschöpfen und monopolähnliche Renten zu erwirtschaften (vgl. Budzinski et al., 2015, S. 11f).

Neben dem Einzelsportler oder einer Mannschaft kann auch eine Wettkampfserie einen Starstatus erreichen. So beschert ein Aufstieg in die sehr hoch anzusiedelnde 1. Fußball-Bundesliga den betreffenden Vereinen regelmäßig ein deutliches Zuschauerplus (vgl. Thörner, 2001, zitiert nach Woratschek et al., 2008, S.66). Ähnlich verhält es sich mit den Springen der Vierschanzen-Tournee der Skispringer im Vergleich zu den Weltcupspringen (Rehm, 2016a, S. 38). Zudem haben im Rahmen der sportspezifischen Einflussfaktoren Erfolge einer Nationalmannschaft einen positiven Einfluss auf die Nachfrage nach Stadiontickets (vgl. Frick, 1999, zitiert nach Woratschek et al., 2008, S. 66).

2.5.2 Die Figur des Sportstars

Nach dieser eher allgemein gehaltenen Erläuterung verschiedener Startheorien, soll es nun speziell um die Stars des Sports gehen. Synonym wird in der Literatur ebenfalls oft der Begriff der Prominenz verwendet. Sportstars und prominente Sportler werden im Folgenden also gleichwertig behandelt.

Was macht Sportstars aus? Wie entwickeln sie sich? Und was unterscheidet sie von Stars aus anderen Bereichen, wie der Musik oder dem Film?

Rosen (1981, S. 845) definiert Superstars allgemein als eine relativ kleine Anzahl an Personen, die ein enormes Einkommen erzielen und diejenigen Aktivitäten dominieren, in denen Sie sich betätigen. Das Phänomen der ungerechten Einkommensverteilung soll hier außen vor bleiben, da es im vorhergehenden Kapitel bereits erläutert wurde und es hier primär um die Eigenschaften und Charakteristika von Sportstars abgesehen von ihrem Einkommen gehen soll. Die von Rosen erwähnte Dominanz in einer gewissen Aktivität, also einer gewissen Sportart, ist hierbei aber von großer Bedeutung.

„Die Prominenten des Sports unterscheiden sich von den meisten anderen Prominenten [nämlich] zuallererst dadurch, dass die Kopplung der Prominenz an ihren sportlichen Erfolg immer als Absicherung einer verdienten und angemessenen Aufmerksamkeit erscheint (Stauff, 2007, S.291)“. Sie sind nach den Theorien von Adler und Rosen sogenannte „self-made“ Stars, die aufgrund ihres eigenen Talentes erfolgreich sind (vgl. Nüesch, S. 112, 2007). In gewisser Weise fallen sie damit aus dem tautologischen Schema der Prominenz, für ihr Bekanntsein bekannt zu sein, heraus: Sie Sind mit gutem Grund und meist durch einen konkreten Anlass, zum Beispiel ein Sieg bei Olympischen Spielen, einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Die Prominenten des Sports unterscheiden sich ebenfalls darin, dass sie gleichermaßen als Repräsentanten der Nation wie auch als moralische Rollenmodelle konstituiert werden (vgl. Stauff, 2007, S. 291f).

Während bei anderen Prominenten das unschöne und ungeschminkte Gesicht eher auf eine Entlarvung des etablierten Images durch die Medien zielt, ist die sportliche Prominenz konstitutiv an die Inszenierung ihrer verzerrten und verschwitzten, ihrer weinenden und jubelnden Gesichter gebunden und erzeugt so Authentizität. Diese Authentizität der sportlichen Prominenz ist vor allem die Voraussetzung, um unter den Zuschauern ein gleichermaßen distanziert beurteilendes wie auch auf Verständnis, Nachvollzug und somit Empathie zielendes Verhältnis zu den prominenten Sportlern zu etablieren. Die Abhängigkeit des rezeptiven Vergnügens von einer kompetenten Einschätzung des möglichen Verlaufs des Wettkampfs führt dazu, dass die Zuschauer ein intensives interpersonales Involvement zu den Sportlern aufbauen (vgl. Hartmann, 2004, S. 106; Marshall, 1997, S. 150ff, zitiert nach Stauff, 2007, S. 298). „Denn nur aus der aufmerksamen und kritischen Beobachtung der Akteure heraus lässt sich für die mitfiebernden Rezipienten antizipieren, welchen Ausgang der Wettkampf wohl nehmen wird (Hartmann, 2004, S. 106)“.

Unter den Angebotsfaktoren von Sportlern dürften die folgenden drei von zentraler Bedeutung für die Zuschauernachfrage und die Starqualität sein:

1. Die Aufdringlichkeit (Obtrusivität) und Kontinuität (Persistenz), mit welcher der Sportler innerhalb des Medienangebots präsent ist
2. Die Art der Adressierung der Zuschauer
3. Die Erscheinungsform des Sportlers: Aussehen und Handlungen im unmittelbaren Objektkontext (vgl. Hartmann, 2004, S. 100)

Eine Biathletin mag zum Beispiel die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich ziehen, weil sie ein attraktives Erscheinungsbild besitzt (Aussehen), gekonnt eine Gegnerin überholt (Handlungen) und zudem ein interessantes Gewehr auf dem Rücken trägt (Objekt-Kontext). Sie könnte bei wiederholt schlechten Leistungen aber auch schnell wieder aus den Köpfen der Zuschauer verschwinden, weil dann wohl weniger über sie berichtet werden wird (negative Persistenz).

Der Sportler beziehungsweise Sportstar als medial vermittelte Person wird in der medialen und parasozialen Interaktionsforschung als Sport-Persona bezeichnet. Sie ist eine im Gegensatz zu Filmfiguren real existierende Persönlichkeit, die nur „sich selbst spielt“. Was die meisten Sport-Persona aber von anderen real existierenden Persona, wie zum Beispiel dem Nachrichtensprecher, unterscheidet, ist ihr Star- bzw. Idolcharakter. Die dargestellten Sportler stellen demnach ein überaus attraktives soziales Modell für viele Menschen dar und verstehen es auf bewundernswerte Weise, kraft ihres Vermögens siegreich aus Konflikten hervorzugehen (vgl. Sommer, 1997, Gantz & Wenner 1991, Thomae 1966, zitiert nach Hartmann, 2004, S. 102). In Anlehnung an McCroskey und McCain (1974, zitiert nach Hartmann, 2004, S. 102) kann Sportlern eine besonders hohe „task attractivity“ unterstellt werden. Sie differenzieren die Attraktivität der Sportler in dreierlei Hinsicht: Erstens kann ein Sportler aufgrund seines Handlungserfolgs attraktiv erscheinen (task attractivity), zweitens aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes (physical attractivity) und drittens aufgrund seines Charakters und seiner Wertvorstellungen (social attractivity). Im Wettkampfsport dürften die attraktivsten und bewundertsten Sportler diejenigen mit dem größten Handlungserfolg sein. Dieser lässt sich für alle Zuschauer aufgrund der klaren Wettbewerbsregeln eindeutig und einfach feststellen (vgl. Weiss, 1991, zitiert nach Hartmann, 2004, S. 102).

Damit ist jedoch nicht gesagt, dass Sportler nicht auch aufgrund ihres Erscheinungsbildes oder ihres Charakters zu Stars werden können. Da Stars und Idole die zentralen Werte ihrer Anhängerschaft verkörpern (vgl. Sommer, 1997, S. 123, zitiert nach Hartmann, 2004, S.103), ist es sogar wahrscheinlich, dass wirklicher Starcharakter nur denjenigen Sportlern zukommt, die neben ihrem Leistungserfolg ein attraktives Erscheinungsbild aufweisen und geschätzte Wertvorstellungen verkörpern (vgl. Hartmann, 2004, S. 103).

Neben dem Star- und Idolcharakter von Sport-Persona, lässt sich auch noch ein zweites wesentliches Merkmal festmachen. Sportler können stets als Repräsentanten einer übergeordneten Gruppe interpretiert werden. Entweder im Rahmen einer bestimmten Mannschaft, einer symbolischen Gruppe (z.B. „die Reichen“) oder als Repräsentant der eigenen Nation. Ein dritter bedeutsamer Unterschied von Sport-Persona zu fiktiven Charakteren, stellt die prinzipielle Kontaktmöglichkeit dar, die zu Sportlern besteht. Somit können Sportler auch außerhalb der Medien als real existierende Personen erfahren werden, während bei fiktiven Charakteren dieser Kontakt grundsätzlich ausgeschlossen ist. Fasst man die Ausführungen zur Sport-Persona zusammen, dann können diese als Stars verstanden werden, die vor allem aufgrund moralisch positiv bewerteter Leistungshandlungen bewundert werden. Aufgrund ihrer Repräsentationsfunktion setzten die Sportler aus Sicht der Zuschauer ihre Leistungsfähigkeit nicht nur für sich ein, sondern auch zugunsten einer übergeordneten Gruppe, die sie repräsentieren, was ihrem Einsatz eine besondere Symbolik verleiht (vgl. Hartmann, 2004, S. 103f). In diesem Zusammenhang können Sportstars sogar zu wahren Helden der modernen Gesellschaft heraufgehoben werden. Diese haben für die Attraktivität und Resonanzfähigkeit des Spitzensports eine große Bedeutung und kein anderer Sozialbereich als der Spitzensport ist in der heutigen Gesellschaft laut Bette (2007, S. 243ff) noch in der Lage, real existierende Helden in einer ungefährlichen und sozial weithin akzeptierten Weise zu produzieren.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich das Interesse der Zuschauer deutlich steigert, sobald ein bekannter Sportstar oder sogar eine nationale Heldenfigur an einem Wettkampf teilnimmt (vgl. Schellhaaß, 2000, S.11, zitiert nach Onnen et al., 2005, S. 13). Der Starfaktor eines Events ist ein wichtiges Argument der Fernsehsender im Wettstreit um die Marktanteile. Denn ein Sportstar hat eine große Anziehungskraft. Tritt ein Star auf, werden gemäß der gängigen Literatur mehr Zuschauer zu einer Veranstaltung kommen beziehungsweise sie am Fernseher verfolgen (vgl. Schaaf, 1995, S. 68, zitiert nach Onnen et al., 2005, S. 13).

Aus dieser Erkenntnis resultierte im Laufe der fortschreitenden Kommerzialisierung des Mediensystems eine Star- beziehungsweise Heldenmaschinerie der Medien. Prominenz hat sich aus Sicht der Medienwirtschaft zu einem wertvollen Gut mit immensen Vorteilen in der Inhalteproduktion entwickelt und somit die Produktion, Verwertung und Vermarktung der Prominenz-Berichterstattung grundlegend verändert und professionalisiert (vgl. Schierl, 2007, S. 98ff). Besonders die privaten Fernsehsender gingen dazu über, ein Heldenmanagement zu betreiben. Sie informierten nicht mehr nur über sportliche Höchstleistungen, die auch ohne sie passiert wären, sondern versuchten, die Episoden sportiven Heldentums unter eigener Regie herzustellen, also auch eigene Sportstars medial aufzubauen. Als Beispiel kann hier die Vermarktung der jungen deutschen Skispringer um Sven Hannawald und Martin Schmidt als „Boygroup“ durch RTL genannt werden. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich inzwischen diesem Trend der Inszenierung und Eventisierung von Sporthelden in gemäßigter Form angeschlossen. Sie bedienen damit systematisch die Helden-, Star- und Verschmelzungsphantasien eines Publikums, das selbst nicht zu außeralltäglichen Taten bereit oder fähig ist, und offerieren eine Ikonographie des Heldentums: Bilder und O-Töne von Situationen, in denen es ums Ganze geht, in denen spektakuläre Erfolge winken, aber auch dramatische Niederlagen passieren können (vgl. Bette, 2007, S. 262f).

In Bezug auf den anhaltenden Fokus auf Inszenierung und Eventisierung innerhalb von Übertragungsformaten, stechen im Wintersport zwei Sportarten besonders heraus, die sich symbiotisch mit der Kommerzialisierung des Mediensystems zu attraktiven und hochnachgefragten Sportarten weiterentwickelt haben: Biathlon und Skispringen. Diese im Fokus der Arbeit stehenden Sportarten werden im folgenden Kapitel auf ihren Stellenwert für das Mediensystem sowie das Wintersportsegment hin untersucht. Zudem wird kurz auf ihre Historie sowie das aktuelle Regelwerk eingegangen.

3 Untersuchte Wintersportarten

3.1 Definition und aktuelle Relevanz

Zu Beginn dieses Kapitels soll zunächst kurz darauf eingegangen werden, wie das Genre der Wintersportarten innerhalb des Sports klassifiziert wird. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (2013, S. 4) definieren den Wintersport in einem gemeinsamen Bericht zu dessen Rolle als Wirtschaftsfaktor als „Sport, der mit wenigen Ausnahmen in winterlicher Umgebung (natürlich oder künstlich winterlich) ausgeübt werden kann. Es handelt sich um Sportarten auf Eis und Schnee, die besonders während der Wintermonate ausgeübt werden“. Der Sport lässt sich gemäß Duden (o. J.a, S. 1) wiederum als „nach bestimmten Regeln [im Wettkampf] aus Freude an Bewegung und Spiel, zur körperlichen Ertüchtigung ausgeübte körperliche Betätigung“ definieren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 138 Seiten

Details

Titel
Entwicklung der medialen Nachfrage nach Wintersport in Deutschland
Untertitel
Auswirkungen auf Sportart und Athleten. Wintersportarten Biathlon und Skispringen
Hochschule
SRH Hochschule Heidelberg  (Fakultät für Wirtschaft)
Veranstaltung
Studiengang Master Sportmanagement
Note
1,5
Autor
Jahr
2016
Seiten
138
Katalognummer
V343107
ISBN (eBook)
9783668335301
ISBN (Buch)
9783668335318
Dateigröße
4968 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sportmanagement, Wintersport, Biathlon, Skispringen, Mediale Nachfrageentwicklung
Arbeit zitieren
Felicia Lange (Autor:in), 2016, Entwicklung der medialen Nachfrage nach Wintersport in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343107

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