Shiatsu und lösungsorientierte Kurzzeit-Beratung bei stressbedingten Belastungen

Methodenüberblick und Wirksamkeitsstudien


Tesis (Bachelor), 2015

245 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Kurzfassung/Summary

Kurzfassung

Summary

Einführung

Teil 1 Methodische Grundlagen eines komplementären Ansatzes
1 Methodische Grundlagen im Überblick
2 Stress und die Folgen
2.1 Begriffsklärung
2.2 Diagnose von Stressbelastungen
2.3 Stresserkrankungen und Arbeitsunfähigkeit
2.4 Medizinische Wirkung von Stress
2.5 Therapieansätze
3 Shiatsu – Grundverständnis und Wirkungsweise
3.1 Grundmodelle der energetischen Arbeit
3.1.1 Ki (Energie)
3.1.2 Yin und Yang
3.1.3 Meridiane
3.1.4 Wandlungsphasen
3.1.5 Meridianentwicklung
3.2 Wirkkomponenten
3.2.1 Ziel und Ablauf einer Shiatsu-Behandlung
3.2.2 Östliche und westliche Medizin im Vergleich
3.3 Shiatsu bei stressbedingten Belastungen
3.4 Forschungsstand
3.4.1 Metastudie Shiatsu und Akupressur
3.4.2 Europaweite Studie zur Effektivität von Shiatsu
3.4.3 Weitere kontextbezogene Studien
3.4.4 Fazit
4 Lösungsorientierte Kurzzeitberatung als ergänzender Ansatz
4.1 Methodische Grundlagen
4.1.1 Konstruktivismus
4.1.2 Systemtheorie
4.1.3 Humanistische Psychologie
4.2 Beziehungsgestaltung und Rahmenbedingungen
4.3 Anlässe und Ziele lösungsorientierter Kurzzeitberatung
4.4 Abgrenzung zu anderen Methoden
4.4.1 Verwandte Methoden
4.4.2 Beratung und Psychotherapie
5 Shiatsu und lösungsorientierte Beratung in Kombination
5.1 Betrachtung aus Sicht der lösungsorientieren Beratung
5.2 Ergänzende Aspekte
5.3 Professionelles Selbstverständnis
5.4 Psychotherapeutische Konzepte
5.5 Forschungsansatz
6 Komplementärer Ansatz als Beitrag zur Gesundheitsförderung

Teil 2 Wirksamkeitsstudien und kritische Betrachtung im Kontext wissenschaftlicher Nachweismodelle
7 Studiendesign und Auswertung im Überblick
8 Untersuchungsgegenstand
8.1 Ziele der Studien
8.2 Fragestellung und Hypothesen
9 Studienaufbau und -kritik
9.1 Vergleichsstudie
9.1.1 Untersuchungsdesign
9.1.2 Instrumente und Messgeräte
9.2 Stress-Studie
9.2.1 Untersuchungsdesign
9.2.2 Instrumente und Messgeräte
9.3 Kritik des Studienaufbaus
9.3.1 Ethische Betrachtung und Informationspflicht
9.3.2 Statistische Gütekriterien
9.3.3 Geringe Probandenzahl der Stress-Studie
9.3.4 Behandler Bias der Stress-Studie
10 Vergleichsstudie zur Wirksamkeit von Shiatsu
10.1 Stichprobenkonstruktion
10.2 Untersuchungsdurchführung
10.3 Datenanalyse
10.3.1 Verteilung der teilnehmenden Praktiker
10.3.2 Verteilung der Klienten
10.4 Ergebnisse
10.4.1 Generelle Veränderungen
10.4.2 Analyse der Einflussfaktoren
10.4.3 Eigene Klienten im Vergleich
10.4.4 Überprüfung der Hypothesen
11 Wirksamkeit bei stressbedingten Belastungen
11.1 Stichprobenkonstruktion
11.2 Untersuchungsdurchführung
11.2.1 Datenerhebung
11.2.2 Dokumentation der Termine
11.2.3 Verlauf der Sitzungen
11.3 Beschreibung der Fälle
11.3.1 Fall 1 – Shiatsu und Beratung
11.3.2 Fall 2 – Shiatsu und Beratung
11.3.3 Fall 3 – Shiatsu
11.4 Ergebnisse
11.4.1 Bezug zur Vergleichsstudie
11.4.2 Anpassung der Fragebögen
11.4.3 Überprüfung der Hypothesen
12 Medizinische Forschungsstandards im Kontext komplementärer Methoden
12.1 Evidenzbasierte Medizin – der Goldstandard der Schulmedizin
12.1.1 Methodische Grundlagen
12.1.2 Historische Entwicklung
12.1.3 Kritik des Ansatzes
12.2 Erfahrungsbasierte Medizin – ein erweiternder Ansatz
12.2.1 Methodische Grundlagen
12.2.2 Einsatzbereich
12.2.3 Erkenntnisgewinn über den Einzelfall hinaus
12.2.4 Kritik des Ansatzes
12.3 EBM und CBM im Vergleich
12.4 Bewertung der vorliegenden Untersuchungen
12.5 Bedeutung für die weitere Forschung im Bereich Shiatsu
13 Zusammenfassung und Ausblick

Anhang
A 1 Psychische Erkrankungen 2012/13
A 2 Auswahl des Standard-Fragebogens
A 2.1 Auswahl der Vergleichs-Fragebögen
A 2.2 Bewertung der Fragebögen
A 3 Fragebogen zur Stress-Studie
A 3.1 Fragebogen Shiatsu und Coaching zu Beginn
A 3.2 Fragebogen Shiatsu und Coaching zum Abschluss
A 4 Codetabellen der Fragebögen zur Stress-Studie
A 5 Codetabelle MDBF
A 5.1 Erhobene und berechnete Daten
A 5.2 Codierung der Werte in SPSS
A 5.3 Kumulierte Veränderungen MDBF
A 6 Vergleichswerte MDBF
A 6.1 Deskriptive Statistik
A 6.2 Häufigkeitsverteilung der Parameter
A 7 Ergebnisse der Hypothesenüberprüfung
A 7.1 Überprüfung der Normalverteilung
A 7.2 Geschlechterverteilung
A 7.3 Kreuztabellen signifikanter Veränderungen
A 7.4 Ergänzende SPSS-Analysen
A 8 Evidenzklassen der EBM

Verzeichnisse
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis

Danksagung

Danken möchte ich an dieser Stelle allen Kolleginnen und Kollegen, die mich durch die Teilnahme an der Vergleichsstudie unterstützt haben. Ohne Euer Engagement wäre die Studie nicht möglich gewesen und ich würde mir wünschen, dass sie auch Euch zu der einen oder anderen Erkenntnis verholfen hat. Der Dank gilt ebenso meinen Klientinnen, die sich bereit erklärt haben, an der Stress-Studie teilzunehmen und ihre Daten zu Forschungszwecken zur Verfügung zu stellen.

Weiter geht mein Dank an alle meine Lehrerinnen und Lehrer, die mich auf meinem bisherigen Weg unterstützt und mir durch ihr Wissen und praktisches Tun einen Einblick in die Möglichkeiten von Shiatsu gegeben haben.

Last but not least danke ich meinem Mann für die Geduld, das Verständnis und die fortwährende Unterstützung sowie meinen Kommilitonen, die für einen fachlichen Austausch und inspirierende Gespräche Zeit gefunden haben.

Wiesbaden, Mai 2015

Karin Koers

Kurzfassung/Summary

Kurzfassung

Stressbedingte Erkrankungen stellen auf dem heutigen Arbeitsmarkt einen der häufigsten Gründe für krankheitsbedingte Fehlzeiten von Arbeitnehmern dar und tragen zu einem nicht unerheblichen Teil zu Frühverrentungen bei. Neben den hierdurch entstehenden wirtschaftlichen Folgen bedeutet dies vor allem für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine hohe Belastung, die zu vermeiden oder zumindest zu verringern als sinnvolle Aufgabe zu betrachten ist.

Diese Bachelor-Thesis befasst sich daher mit der Begründung eines komplementären Ansatzes aus Shiatsu und lösungsorientierter Kurzzeitberatung bei stressbedingten Belastungen mittels einer explorativen Studie („ Stress-Studie “), die im Rahmen von Einzelfall-Beschreibungen das Ergebnis des komplementären Ansatzes mit dem einer reinen Shiatsu-Behandlungsserie vergleicht.

Ergänzt wird diese Studie durch Grundlagenforschung zur Wirkungsweise von Shiatsu („ Vergleichsstudie “). Hierzu wurde im Verbund von 14 Shiatsu-Praktikern eine quantitative Studie mit 103 Probanden zur Wirkung von Shiatsu-Behandlungen auf die psychische Befindlichkeit durchgeführt, bei der die psychische Befindlichkeit der Klienten jeweils vor und nach einer Shiatsu-Behandlung mittels des Mehrdimensionalen Befindlichkeits-Fragebogens (MDBF) erfasst wurde.

Die Gesamtdauer der Studie umfasste den Zeitraum von August 2013 bis April 2015, der Schwerpunkt der quantitativen Studie lag im Zeitraum von Dezember 2014 bis Februar 2015.

In beiden Studien können die aufgestellten Hypothesen weitgehend angenommen werden.

Die Analyse der Vergleichsstudie basiert auf den mit dem MDBF erhobenen Parametern „Gute-Schlechte Stimmung“ (GS), „Wachheit-Müdigkeit“ (WM) und „Ruhe-Unruhe“ (RU). Die aufgestellten Hypothesen wurden alle angenommen.

1. Eine Shiatsu-Behandlung führt zu einer Erhöhung bzw. Stabilisierung des Wertes GS, also zu einer Verbesserung der Stimmungslage.
2. Eine Shiatsu-Behandlung führt zu einer Erhöhung bzw. Stabilisierung des Wertes RU, also zu einer Verringerung von Unruhe.
3. Eine Shiatsu-Behandlung führt zu einer Veränderung des Wertes WM.

Ergänzend wurden mögliche Einflussfaktoren auf diese Werte identifiziert. Hierzu zählen der Kliententyp (Shiatsu-Praktiker oder „Laie“), das Alter des Klienten sowie Zeitpunkt und Häufigkeit der erhaltenen Behandlungen.

In der Stress-Studie erfolgte die Befragung mittels für diesen Zweck konstruierter Fragebögen, die neben für den Prozess notwendigen Daten Informationen zur Zielerreichung, wünschenswerten Veränderungen und der Bewertung der Methodik erhoben. Die hierzu aufgestellten Hypothesen wurden ebenfalls weitgehend angenommen.

- Die Eigenwahrnehmung, Fachkompetenz, Sozialkompetenz und Zufriedenheit der Klienten erhöhen sich im Rahmen der Behandlungssequenz deutlich.
- Der komplementäre Ansatz wird als sinnvoll bewertet und den einzelnen Methoden [nur Shiatsu oder nur lösungsorientierte Kurzzeitberatung] vorgezogen.
- Als einziges verworfen wird die Hypothese zur Zielerreichung. Der angenommene Zielerreichungsgrad von 75% wurde mit einem Mittelwert von 67% nicht erreicht.

Die Werte der Stress-Studie sind aufgrund des explorativen Charakters und der geringen Probandenzahl nur eingeschränkt belastbar.

Um diese Untersuchungen in den medizinischen Forschungskontext einzuordnen und einen Beitrag zur zukünftigen Forschung im Bereich von Shiatsu als komplementärer Methode zu leisten, werden ergänzend aktuelle Methoden medizinischer Forschung, die Evidenzbasierte (EBM) und Erfahrungsbasierte (CBM) Medizin, auf ihre Eignung für die Forschung im Bereich Shiatsu hin untersucht und zu den mit der Studie erzielten Ergebnissen in Bezug gesetzt.

Summary

Design of a complementary approach to deal with stress-related conditions including Shiatsu and solution-oriented short-term counselling

Studies of efficacy and critical consideration in the context of scientific research standards

Stress-related diseases are one of the most common reasons for employee absence due to sickness and contribute to a significant extent to early retirement. In addition to the economic consequences arising from this a heavy burden is carried by those affected and their families. To avoid or at least reduce this seems to be a worthwhile endeavour.

Therefore, this bachelor thesis is concerned with establishing a complementary approach of Shiatsu and solution-oriented short-term counselling on stress-related conditions by means of an exploratory study (‘stress study’). Based on individual case descriptions, it compares the result of the complementary approach with a series of solely Shiatsu treatments.

This study is expanded by basic research about the effects of Shiatsu (‘comparative study’). A group of 14 Shiatsu practitioners carried out in a quantitative study on the mental state of clients before and after a Shiatsu treatment, which included 103 study participants. The inquiry was done by means of the “Mehrdimensionaler Befindlichkeits-Fragebogen” (multidimensional mental state questionnaire; MDBF).

The overall duration of the study spanned from August 2013 until April 2015 with the quantitative study focus in the period from December 2014 until February 2015.

The hypotheses can be largely accepted for both studies.

The analysis of the comparative study is based on the data collected with the MDBF parameters ’Good-Bad Mood’ (GS), ‘Alertness-Fatigue' (WM) and ‘Rest-Unrest’ (RU). The established hypotheses were all verified.

4. A Shiatsu treatment leads to an increase or stabilisation of the GS value, thus resulting in a mood improvement.
5. A Shiatsu treatment leads to an increase or stabilisation of the RU value, thus in a reduction of restlessness.
6. A Shiatsu treatment leads to a change in the WM value.

Additionally possible influential factors on these values were identified. This includes the client type (Shiatsu practitioner or ‘layperson’), the age of the client as well as timing and frequency of received treatments.

In the stress study a questionnaire designed for this purpose was used. Apart from the necessary data for the treatments, it also collected information regarding goal achievement, desirable changes and methodology assessment. The hypotheses can be largely accepted as well.

7. There is a clear increase in the client's self-awareness, professional competence, social competence and satisfaction as part of the treatment sequence.
8. The complementary approach is considered reasonable and is preferred to individual methods [only Shiatsu or solution-oriented short-term counselling].
9. The goal achievement was the only hypothesis which had to be discarded. With an average of 67% the assumed target achievement of 75% was not achieved.

The capacity of these results is limited due to the exploratory nature and the small number of participants.

In order to place these studies within medical research as well as to contribute to future research in the field of Shiatsu as a complementary method, the studies were correlated with medical research standards. These current methods of medical research, evidence-based (EBM) and cognition-based (CBM) medicine are analysed with the intention of assessing their suitability for research in the field of Shiatsu as well.

Einführung

Stressbedingte Erkrankungen stellen auf dem heutigen Arbeitsmarkt einen der häufigsten Gründe für krankheitsbedingte Fehlzeiten von Arbeitnehmern dar und tragen zu einem nicht unerheblichen Teil zu Frühverrentungen bei (vgl. DAK Forschung 2014, S. VI). Neben den hierdurch entstehenden wirtschaftlichen Folgen bedeuten derartige Erkrankungen aber vor allen für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine hohe Belastung, die zu vermeiden oder zumindest zu verringern als sinnvolle Aufgabe zu betrachten ist.

Da Stress sowohl die Psyche als auch die Physis eines Menschen betrifft, erscheint ein ganzheitlicher Ansatz zur Gesundheitsförderung der Betroffenen sinnvoll. Eine Möglichkeit bietet hier die Kombination von eher mental fokussierten Gesprächsmethoden mit somatisch orientierten Methoden der Körperarbeit.

Das dieser Thesis zu Grunde liegende Studienprojekt befasst sich daher mit der Begründung eines komplementären Ansatzes aus Shiatsu und lösungsorientierter Kurzzeitberatung bei stressbedingten Belastungen. Ziel ist die Überprüfung der Thesen, ob sowohl Shiatsu als auch lösungsorientierte Kurzzeitberatung Klienten bei stressbedingter Belastung unterstützen können, inwieweit sich beide Methoden sinnvoll ergänzen und ob dieser kombinatorische Ansatz für den gewählten Einsatzbereich geeignet erscheint. Hierzu wird eine explorative Studie in Kombination mit einer Wirksamkeitsstudie zu Shiatsu durchgeführt.

Nach der Darstellung der methodischen Grundlagen von Shiatsu, lösungsorientierter Kurzzeitberatung und der Diskussion eines komplementären Ansatzes aus beiden Verfahren im ersten Teil liegt der Schwerpunkt des zweiten Teils auf der Beschreibung der genannten Studien und Überlegungen zu den Anwendungsmöglichkeiten medizinischer Forschungsmethoden.

In einer Einzelfall-basierten Studie wird untersucht, inwieweit eine regelmäßige Behandlung mit Shiatsu die lösungsorientierte Kurzzeitberatung („Coaching“) von Klienten bei stressbedingten Fragestellungen unterstützen kann. Ziel der Kombination dieser Methoden ist es, im Gespräch entwickelte Lösungsansätze auf körperlicher Ebene zu integrieren und die Selbstwahrnehmung, Flexibilität und Lösungskompetenz der Klienten zu unterstützen. Durch die Unterstützung auf verschiedenen Ebenen und die Entspannung während der Shiatsu-Behandlung soll der Zugang des Klienten zu seinen Ressourcen verbessert werden.

Um ein tieferes Verständnis für die spezifischen Wirkfaktoren zu erreichen, wird parallel zur explorativen Untersuchung dieses komplementären Ansatzes eine analytische Studie zur Wirkung von Shiatsu-Behandlungen auf die psychische Befindlichkeit durchgeführt. Diese leistet als Grundlagenforschung zur Wirkungsweise von Shiatsu einen Beitrag zur Verringerung der in verschiedenen Arbeiten beschriebenen lückenhaften Evidenz in diesem Bereich.

Aufbauend auf dieser Grundlagenarbeit werden Überlegungen zur zukünftigen Ausrichtung von Forschung im Bereich von Shiatsu als komplementärer Methode angestellt.

Die Grundlage für einen erfolgreichen Dialog zwischen komplementären Methoden und der Schulmedizin bildet ein gemeinsames Sprachverständnis, auf dessen Basis eine konstruktive inhaltliche Auseinandersetzung erfolgen kann. Aus diesem Grund werden aktuelle Methoden medizinischer Forschung auf ihre Eignung für die Forschung im Bereich Shiatsu hin untersucht und zu den mit der Studie erzielten Ergebnissen in Bezug gesetzt.

Aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit bei geschlechtsspezifischen Ausdrücken meist die männliche Form verwendet, obwohl im Shiatsu die Praktikerinnen deutlich in der Mehrheit sind. Eine Ausnahme bildet der Bereich der Stress-Studie, da an dieser nur Probandinnen teilgenommen haben.

Begriffserklärungen sind kursiv gedruckt. Längere Zitate, welche Kernaussagen enthalten, die von der Verfasserin als wesentlich in diesem Zusammenhang erachtet wurden, sind eingerückt und in kleinerer Schrift dargestellt.

Teil 1Methodische Grundlagen eines komplementären Ansatzes

1 Methodische Grundlagen im Überblick

Der erste Teil der Arbeit erläutert die theoretischen Modelle und Behandlungsansätze sowie die Notwendigkeit der Unterstützung bei stressbedingten Belastungen und die Folgen dieser Belastungen. Er bildet die Basis für die im zweiten Teil dargestellte Studie zur Wirkungsweise von Shiatsu im Kontext stressbedingter Belastungen.

Der theoretische Ansatz umfasst neben einer Beschreibung der physischen und psychischen Folgen von Stress einen Überblick über die verwendeten Methoden. Nach der Klärung der Begrifflichkeiten im Bereich stressbedingter Belastungen werden die aktuellen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt beleuchtet sowie Grundsätze der medizinischen Wirkung von Stress und mögliche Therapieansätze umrissen.

Das dritte Kapitel befasst sich mit den Grundmodellen und Wirkkomponenten von Shiatsu und betrachtet die Anwendbarkeit bei stressbedingten Belastungen sowie den aktuellen Forschungsstand zur Wirksamkeit von Shiatsu. Für die lösungsorientierte Kurzzeitberatung werden anschließend ebenfalls die methodischen Grundlagen, Rahmenbedingungen und Anlässe dargestellt und dieses Beratungskonzept in Abgrenzung zu ähnlichen Methoden und der Psychotherapie präzisiert.

Auf diesen Grundlagen werden die beiden Methoden hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten untersucht. Das fünfte Kapitel betrachtet Shiatsu und lösungsorientierte Kurzzeit­beratung aus Sicht verschiedener Theorien und beleuchtet ebenfalls das Rollenverständnis des Behandlers. Da eine Abgrenzung zwischen Beratung und Psychotherapie nicht immer eindeutig ist, werden auch psychotherapeutische Konzepte, die Shiatsu integrieren, aufgenommen und der von der Verfasserin gewählte Forschungsansatz hierzu in Bezug gesetzt.

Der erste Teil endet mit der Klärung der Frage, ob der komplementäre Ansatz aus Shiatsu und lösungsorientierter Kurzzeitberatung eine sinnhafte Form zur Gesundheitsförderung bei stressbedingter Belastung darstellt und stellt ihn in den Kontext aktueller Forderungen zur Gesundheitsförderung.

2 Stress und die Folgen

Stress zu haben oder gestresst zu sein ist in der heutigen Leistungsgesellschaft ein nahezu alltäglicher Zustand, glaubt man der Berichterstattung in den Medien und den Erzählungen im persönlichen Umfeld. Während ein gewisses Maß an Stress lebensnotwendig ist, kann eine – oft dauerhaft – erhöhte Stressbelastung zu gesundheitlichen Einschränkungen oder sogar ernsthaften Erkrankungen führen. Die so entstehenden Folgen belasten nicht nur die betroffene Person, sondern auch das familiäre und berufliche Umfeld sowie die Gemeinschaft durch die hierdurch entstehenden Kosten.

2.1 Begriffsklärung

Stress an sich beschreibt einen Bereitschaftszustand des Körpers auf unvorhergesehene und potentiell als bedrohlich empfundene Ereignisse in der Umwelt (vgl. Nuber 2013, S. 38). Er entsteht in Folge eines „Ungleichgewichts zwischen äußeren Anforderungen und den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, diese zu bewältigen“ (Lohmann-Haislah 2012, S. 13). Dieses Ungleichgewicht kann sich sowohl in einer Über- als auch Unterforderung äußern und beschreibt die fehlende Passung von vorhandenen Ressourcen auf die konkrete Situation. Das Phänomen „Stress“ wurde erstmals 1936 von Hans Seyle definiert (vgl. Nuber 2013, S. 38).

Die nachfolgende Abbildung beschreibt die Entstehung und die Auswirkungen von Stress in vereinfachter Form (Grafik: Lohmann-Haislah 2012, S. 18).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vereinfachtes Schema zur Entstehung von Stress

Ein gewisses Maß an Stress sichert das Überleben, es erhöht die Aufmerksamkeit und die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Wichtig für die Regeneration sind die jeweils folgenden Erholungsphasen. Eine zu intensive, häufige oder sogar ständige Stressreaktion hingegen belastet den Körper und führt zu langfristigen Folgeschäden. Im „modernen“ Alltag ist häufig keine körperliche Reaktion auf Stressoren, ein „abreagieren“ möglich. Durch die fehlende Entspannung kann chronischer Stress entstehen. Ein permanent erhöhter Stresshormonspiegel kann zu körperlichen Erkrankungen wie Kopf- und Rückenschmerzen, Bluthochdruck, Müdigkeit, Tinnitus etc. führen. Neben einer vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen kann es auch zu einer Hemmung der Ausschüttung von Kortisol kommen, was wiederum eine Überreaktion des Immunsystems bis hin zu Autoimmunerkrankungen nach sich ziehen kann (vgl. Nuber 2013, S. 40–41).

Der Pschyrembel erklärt Stress ausgehend von der englischen Übersetzung als Belastung oder Spannung, mit der der Körper auf (per se) unspezifische Reize reagiert, die sowohl körperlicher (Verletzung, Infektion) als auch psychischer (emotionale Belastung) Natur sein können. Die Aktivität des Sympathikus als Teil des vegetativen Nervensystems wird erhöht, in Folge steigt z.B. der Blutdruck und der Körper wird in den sog. „fight-or-flight“-Modus versetzt.

Hierbei werden zwei Formen von Stress unterschieden: Als „ Eustress “ wird eine kurz andauernde Anpassungsreaktion bezeichnet, die anregend wirkt und per se nicht als schädlich bewertet wird. „ Distress “ beschreibt im Sinne von Lohmann-Haislah die ungenügende Anpassung des Körpers an die situative Belastung und kann zu gesundheitlichen Belastungen wie der Verringerung der Abwehrkräfte oder psychischen Störungen führen (vgl. Pschyrembel 2007, S. 1846–1847).

In Verbindung mit Stress stehen auch die Begriffe Stressoren, Ressourcen und Resilienz. Stressoren beschreiben allgemein Faktoren, die eine Stressreaktion auslösen können. Als Ressourcen werden in diesem Kontext alle Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale verstanden, die zum Umgang mit Stressoren benötigt werden und die Stressverarbeitung ermöglichen bzw. unterstützen (vgl. Lohmann-Haislah 2012, S. 13). Als Resilienz wird die Widerstandskraft einer Person bezeichnet, unter Nutzung der vorhandenen Ressourcen Belastungen ohne Schaden zu nehmen zu bewältigen (vgl. Ostermann 2010, S. 115–116).

Im Bereich von Stressbelastung fallen oft auch die Begriffe Burnout (oder Burn-Out) und Mobbing. Eine klare begriffliche Trennung ist nicht immer erkennbar, weshalb hier ein Versuch der Abgrenzung und Klärung erfolgt.

Burnout und Stress werden häufig synonym verwendet. Genau genommen stellt Stress jedoch die (wesentliche) Ursache dar, auf deren Basis bei langfristiger hoher, negativ empfundener Stressbelastung und nicht hinreichend erfolgreichen Bewältigungsstrategien (Coping) ein Zustand des „Ausgebrannt Seins“, der Burnout entstehen kann (vgl. Hedderich 2009, S. 18–20).

Das Burnout-Syndrom beschreibt einen „Zustand emotionaler Erschöpfung, reduzierter Leistungsfähigkeit u. evtl. Depersonalisation“ als Folge einer Kombination von Distress und hohem Engagement. Symptomatisch können z.B. psychosomatische Erkrankungen oder Depressionen auftreten, bei den Betroffenen ist von erhöhter Suchtgefahr auszugehen (Pschyrembel 2007, S. 295). Aus medizinischer Sicht beschreibt Burnout eher den Prozess zur Entstehung einer Krankheit, z.B. einer Depression, als eine Krankheit an sich (vgl. Mehl 2014, S. 21).

Bei Burnout handelt es sich nicht – wie teilweise dargestellt – um eine Modediagnose. Die im Rahmen des Burnouts beschriebenen Symptome waren bereits Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt und wurden als „Neurasthenie“ beschreiben. Der Begriff Burnout selbst wurde erstmals 1974 von Freudenberger verwendet (vgl. Hedderich 2009, S. 13–14). Betroffen sind vor allem Berufe mit starkem emotionalem Engagement, in denen eine Interaktion mit anderen Menschen stattfindet, wie bei Lehrern und in pflegenden Berufen. Die Problematik tritt aber auch in anderen Berufsgruppen auf. Verstärkt wird das Risiko durch hohe eigene Erwartungshaltungen und Perfektionismus sowie belastende Umweltbedingungen (z.B. Zeitdruck, Schadstoffbelastungen). Baumgart nennt zudem Mobbing als eigenen, oft den Ausschlag gebenden Risikofaktor (vgl. Baumgart 2014, S. 19).

Mobbing wird in der Regel im Kontext von Konflikten am Arbeitsplatz verwendet, bei der die Kommunikation zwischen einzelnen Personen oder Gruppen belastet und eine Person unterlegen ist. Ziel ist die Ausgrenzung der betroffenen Person durch systematische und länger andauernde direkte und indirekte Angriffe (vgl. Schwickerath und Holz 2012, S. 15). Hierbei handelt es sich um einen komplexen Themenbereich, der im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter vertieft wird.

2.2 Diagnose von Stressbelastungen

Stress selbst ist laut ICD-10 keine eigenständige Erkrankung, die Symptome werden in den Kategorien der „Psychischen und Verhaltensstörungen“ (F00-F99) vor allem in den Klassen „Affektive Störungen“ (F30 bis F39) und „Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“ (F40 bis F48) geschlüsselt, wobei F32 die wichtigste Einzeldiagnose darstellt. Für alle psychischen Diagnosen gilt, dass es sich meist um längerfristige Krankheitsfälle handelt. (vgl. DAK Forschung 2014, DIMDI 2015). Auch Burnout besitzt keinen direkten Schlüssel im ICD-10. Zur Behandlung bzw. Abrechnung verwenden Ärzte daher beispielsweise die Diagnose Depression oder den Schlüssel Z73 (Burn-out-Syndrom, vgl. DIMDI 2015, Hedderich 2009, S. 10).

Die Kategorisierung stressbedingter Belastungen zur Abrechnung durch die Krankenkassen erfolgt im Wesentlichen durch nachfolgende Schlüssel (nach ICD-10):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: ICD-10-Schlüssel bei psychischer Stresserkrankung

2.3 Stresserkrankungen und Arbeitsunfähigkeit

Zu den Krankheiten, die zusammen über 50% aller Krankheits- und Arbeitsunfähigkeits-(AU-)tage verursachen, zählen neben Erkrankungen des Muskel-Skelett- und des Atmungssystems in den letzten Jahren auch psychische Erkrankungen (vgl. DAK Forschung 2014, S. VI).

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Anteile der wichtigsten Krankheitsarten an den AU-Tagen und -Fällen im Jahr 2013 (vgl. DAK Forschung 2014, S. 17). Obwohl die Zahl der Fälle bei psychischen Erkrankungen mit etwa 5% relativ gering ist, wird bei den AU-Tagen mit knapp 15% der dritthöchste Wert aller Krankheitsursachen erreicht (6,2 Erkrankungsfälle und 212,8 Arbeitsunfähigkeitstage pro 100 Versichertenjahre (VJ; vgl. DAK Forschung 2014, S. VI).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Anteile der AU-Tage und –Fälle 2013 nach Krankheitsarten (DAK)

Im Vergleich mit den Vorjahresdaten ist ein leichter Anstieg beider Werte für psychische Erkrankungen festzustellen (vgl. DAK Forschung 2014, S. 18). Bei Frauen stehen sie an dritter (17,4 % der AU –Tage), bei Männern an vierter Stelle (11,9 %, vgl. DAK Forschung 2014, S. 22). Psychische Erkrankungen zählen somit zu den „häufigsten und auch kostenintensivsten Erkrankungen“ (DAK Forschung 2014, S. 18).

Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre, zeigt sich ein kontinuierlicher Anstieg der Erkrankungen (Abbildung: AU-Tage und AU-Fälle pro 100 VJ aufgrund psychischer Erkrankungen, DAK Forschung 2014, S. 19).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Entwicklung psychischer Erkrankungen (DAK)

Auch die Gesundheitsberichterstattung des Bundes stellt fest, dass psychische und Verhaltensstörungen trotz insgesamt sinkender Krankenstände zugenommen haben. Bisher sind mehr Frauen als Männern betroffen, der Geschlechterunterschied nähert sich aber durch eine schnellere Zunahme bei den Männern langsam einander an.

Eine Pressemitteilung der DAK beleuchtet dies etwas genauer. So sind die Fehltage aufgrund von Burnout-Erkrankungen 2013 erstmals zurückgegangen, während die Fehltage durch Depression deutlich gestiegen sind und diesen Rückgang überkompensieren. Es stellt sich daher die Frage, ob es sich um einen tatsächlichen Rückgang handelt oder ob sich nur die Diagnostik weg von Folge hin zu dem eigentlichen Ursachen verändert hat (vgl. Die Welt). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung des Robert-Koch-Instituts: „Ob der Trend tatsächlich auf eine erhöhte Inzidenz psychischer Störungen zurückgeht oder Ärztinnen und Ärzte sie nur häufiger diagnostizieren, wird kontrovers diskutiert“ (Robert Koch-Institut, S. 59).

Die Verteilung der AU-Tage je 100 VJ der wichtigsten Einzeldiagnosen in Zusammenhang mit Stress ergibt folgendes Bild (DAK Forschung 2014, S. 20):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: AU-Tage durch psychische Erkrankungen (DAK)

Psychische Erkrankungen wie Depressionen und Anpassungsstörungen spielen somit bereits heute eine große Rolle bei Arbeitsunfähigkeitsfällen und Frühverrentungen. Eine mögliche Ursache des Wachstums vermutet das Robert-Koch-Institut in verstärkten seelischen Belastungen, ohne zwischen berufsbedingten und privaten Ursachen zu trennen (vgl. Robert Koch-Institut, S. 19). Auch im europäischen Vergleich stellen psychische Probleme eine große Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit dar, die die Wirtschaft stark beeinträchtigt (vgl. WHO 2013, S. 2). Untersucht man die Betroffenen genauer, fällt neben der schon beschriebenen geschlechtsspezifischen Differenzierung der Zusammenhang mit dem sozialen Status auf. Eine schlechte materielle Situation korreliert mit erhöhten psychischen Belastungen (vgl. WHO 2013, S. 22).

Über die psychische Belastung hinaus treten auch viele körperliche, mit Stress in Zusammenhang stehende Beschwerden deutlich häufiger bei Personen auf, die sich selbst einer erhöhten Stressbelastung ausgesetzt sehen. Die Techniker Krankenkasse (TK) stellt dies in ihrer 2013 erschienen Studie zur Stresslage der Nation „Stress macht krank (Techniker Krankenkasse Pressestelle 2013, S. 33) dar. Es besteht somit Grund zur Annahme, dass die Belastungen durch stressbedingte Erkrankungen nicht auf die oben genannten Krankheitsbilder beschränkt sind, sondern auch zu Fällen in weiteren Krankheitsarten wie Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems führen können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Stressbelastung und Beschwerden (TK)

2.4 Medizinische Wirkung von Stress

Stress und Reizüberflutung führen im Alltag von Personen häufig zu einer Überstimulation des sympathikotonen Teils des vegetativen oder autonomen Nervensystems (VNS; vgl. Wernicke 1992, S. 894). Das VNS kontrolliert die grundlegenden Körperfunktionen und setzt sich aus dem Sympathikus, dem Parasympathikus und dem enterischen Nervensystem im Magen-Darm-Trakt zusammen, das von den beiden erstgenannten beeinflusst wird. Es innerviert alle inneren Organe mit Ausnahme der Skelettmuskulatur und steuert Funktionen wie Blutdruck, Durchblutung von Magen-Darm-Trakt bzw. Extremitäten oder die Öffnung der Pupillen; es kann nicht willkürlich gesteuert werden. Die wichtigste Aufgabe des VNS ist die Steuerung der Organfunktionen und die Aufrechterhaltung der Homöostase (vgl. Klinke und Baumann 2010, S. 800–803).

Während der Parasympathikus für die Verdauung und Regeneration zuständig ist („rest and digest“), steuert der Sympathikus die Aktivierung des Körpers als Basis für eine schnelle Reaktion („fight or flight“). Bedingt durch erhöhte Stressbelastungen befindet sich der Körper vermehrt in einem symathikotonen Zustand, wodurch wichtige Körperfunktionen wie die Verdauung, Erneuerung von Zellen und Abbau von Giftstoffen behindert werden kann – auch die Entleerung der Blase ist z.B. eine Funktion des Parasympathikus. Durch diese einseitige Belastung können dauerhafte Störungen auftreten. Die Verengung der Pupillen, evolutorisch betrachtet wichtig für eine schnelle Reaktion auf die unmittelbare Bedrohung, führt zu einer Einschränkung des Sichtfeldes, zum „Tunnelblick“. Im übertragenen Sinn geht hierdurch der Blick für Alternativen verloren, was zur Einschränkung von Handlungs- und Entscheidungsräumen führt.

Auch bei psychosomatischen Erkrankungen spielt das VNS eine Rolle, da es aufgrund der engen Verknüpfungen von Vegetativum und Psychomotorik zur Fehlsteuerung von Organen kommen kann, die keine – eigentliche – physische Ursache haben (vgl. Klinke und Baumann 2010, S. 800).

2.5 Therapieansätze

Ein möglicher Ansatz zur Vermeidung psychischer Störungen ist neben der ggf. akut notwendigen Therapie auftretender Symptome eine Verringerung der ursächlichen Stressbelastung. Mittel- bis langfristig sollte auf einen Ausgleich des VNS abgezielt werden. Stress betrifft den ganzen Menschen, weshalb ganzheitliche Ansätze, die sowohl die Psyche als auch die Physis integrieren, den meisten Erfolg versprechen dürften.

Nur etwa 10% der empfundenen Stressbelastung wird direkt durch die auslösenden Stressoren verursacht. Etwa 90% der Stressreaktion entsteht durch die Bewertung der Situation. Kaluza unterscheidet hier zwischen der primären und sekundären Bewertung. In der primären Bewertung geht es darum, ob die Situation bedeutsam bzw. essentiell bedrohlich ist und somit eine „Soll-Ist-Diskrepanz“ besteht. Die sekundäre Bewertung befasst sich mit der Einschätzung der Bewältigbarkeit oder Aussichtslosigkeit und steht in Zusammenhang mit dem Selbstbild bzw. der persönlichen Resilienz. Durch eine entsprechend positive Bewertung kann der messbare Stress signifikant vermindert und die Gesundheitsgefährdung reduziert werden, wie eine Studie der University of California, San Francisco zeigt (vgl. Nuber 2013, S. 41–42).

Ein wesentlicher Aspekt, beispielsweise bei der Burnout-Gefährdung, scheint das Vorhandensein und die Bewertung von Entscheidungsspielräumen zu sein, die dem Betroffenen die Möglichkeit bieten, selbst Verantwortung für die weiteren Entwicklung zu übernehmen (vgl. Baumgart 2014, S. 18).

Aufgrund der Varianz der Belastungen, sowohl hinsichtlich ihrer Ursachen als auch der Symptome, gibt es keinen Goldstandard zur Behandlung, vielmehr ist eine individuelle, möglichst fachgebietsübergreifende Therapieplanung notwendig – eine Forderung, die eine Erweiterung des medizinischen Tuns im bisherigen Sinne notwendig macht (vgl. Baumgart 2014, S. 19).

Mehl verweist in diesem Zusammenhang darauf, die Gehirnchemie und damit körperliche Vorgänge auch durch das „bloße“ Sprechen über Gefühle und Gedanken beeinflussen zu können und betont somit die Verbindung zwischen Körper und Psyche über neurologische Verknüpfungen (vgl. Mehl 2014, S. 21).

3 Shiatsu – Grundverständnis und Wirkungsweise

In diesem Kapitel werden neben der historischen Entwicklung des Shiatsu wesentliche Modelle der traditionellen japanischen Medizin und die Erklärung der Wirksamkeit von Shiatsu aus westlich-medizinischer Sicht beleuchtet. Anschließend wird auf die spezifischen Einsatzmöglichkeiten von Shiatsu bei stressbedingten Belastungen eingegangen sowie der aktuelle Stand der Forschung in diesem Gebiet dargestellt.

Shiatsu ist eine in Japan entwickelte manuelle Therapieform, bei der durch Druck (japanisch shi=Finger, atsu=Druck) entlang der Leitbahnen (sog. Meridiane) eine „Harmonisierung innerhalb des Organismus angestrebt“ wird (Pschyrembel 2011, S. 390). Ein wesentlicher Aspekt dieser Methode ist „die Verschmelzung von östlichen und westlichen Philosophien, Konzepten und Techniken“ (Itin 2007, S. 15). Shiatsu in der heute in Europa hauptsächlich praktizierten Form integriert Erkenntnisse der Naturwissenschaften und der westlichen Medizin in die traditionellen Behandlungsformen und Gedankenmodelle, ebenso wie Ansätze aus westlichen physikalischen Therapie und der Psychotherapie. Die Methode ist einer fortlaufenden Entwicklung unterworfen, was zu einer breiten Palette an Anwendungsformen und -feldern führt (vgl. Sedlin 2013, S. 118). So ergänzt z.B. die Deutsche Gesellschaft für Shiatsu e.V. (GSD) explizit die Einsatzmöglichkeiten über die rein manuelle Tätigkeit hinaus als „achtsame, tief wirkende Berührung mit Händen, durch eine entsprechende Haltung und im Gespräch“ (Schmidt 2012, S. 11).

Kern der Betrachtung des Klienten ist der salutogenetische Ansatz nach A. Antowsky, Ziel ist eine Stärkung der Ressourcen und die Gesunderhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit im ganzheitlichen Sinn. Die aus der westlichen Medizin bekannte pathogene Fokussierung auf Probleme bzw. Symptome findet nicht satt, Shiatsu ist daher dem präventiven und gesundheitsfördernden Bereich zuzuordnen (vgl. Sedlin 2013, S. 66, Bergman et al. 1991, S. 9).

Geschichtlich betrachtet basiert Shiatsu auf frühen japanischen Formen der Behandlung von Beschwerden durch manuelle Manipulation, die sowohl als Fremd- (te-ate; te=Hand, ate=Berührung) als auch als Eigenbehandlung (Do-In) existieren. Durch kulturellen Austausch mit China (u.a. Kampo-Medizin) wurden Techniken des Tuina-Anmo (tui=schieben; na=greifen; an=drücken; mo=reiben) integriert und das japanische Anma entwickelte sich, das als „Wurzel des Shiatsu“ betrachtet werden kann. Der Begriff Anma setzt sich zusammen aus den Silben „an“ (die Hand ruhig halten) und „ma“ (die Hand schnell bewegen, um zu entfernen), bereits in diesem Stadium finden sich Bezüge zu energetischen Fülle-(jitsu) und Leere-(kyo)-Zuständen (vgl. Sedlin 2013, S. 26).

Während der Meji-Resauration (1869) verlagerte sich der Schwerpunkt des Interesses in Japan hin zur westlichen, „holländischen“ Medizin und die traditionellen Methoden verloren an Bedeutung. Anma wurde nur noch hauptsächlich von Blinden und Hebammen sowie zur Entspannung praktiziert.

In Abgrenzung von diesen Wellness-Anwendungen wurde Shiatsu als Begriff erstmals von Tenkei Tamai verwendet (1919), der westliche Anatomie- und Physiologie-kenntnisse mit den traditionellen Behandlungs­methoden verband. Tokujiro Namikoshi, einem Schüler von Tamai, ist es wesentlich zu verdanken, dass Shiatsu als Therapieform dauerhaft anerkannt wurde. Der Namikoshi-Stil definiert sich auf Basis der westlichen Medizinkonzepte und besitzt keinen Bezug zu den klassischen asiatischen Erklärungsmodellen wie z.B. den Meridianen. Diese klare Trennung ist in weiten Teilen der um 1920 vorherrschenden politischen Situation geschuldet, in der traditionelle Behandlungsmethoden keine staatliche Anerkennung fanden. Die Bemühungen führten 1964 zur Anerkennung von Shiatsu als eigenständiger Therapieform durch das japanische Gesundheitsministerium.

Shizuto Masunaga, ein Schüler Namikoshis, bracht das Shiatsu wieder in Verbindung mit der der traditionellen asiatischen Medizinlehre und Philosophie, ohne hierbei westliche Elemente der Naturwissenschaften, Psychologie und Gesundheitslehre außer Acht zu lassen. Nach Differenzen mit Namikoshi eröffnete er 1960 eine eigene Schule und begründete seinen eigenen Stil. Wataru Ohashi, ein Schüler Masunagas, brachte Shiatsu in die USA und machte es dort populär, von wo aus es ab den 70er-Jahren nach Deutschland gelangte.

Auf der Basis des Masunaga-Shiatsus, das auch als Zen-Shiatsu bezeichnet wird, entwickelten sich vielfältige Formen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, auf die an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen werden soll.

Aktuell wird in Europa und im Westen generell eher Shiatsu nach Masunaga praktiziert, während in Japan hauptsächlich der Namikoshi-Stil verbreitet ist (vgl. Itin 2007, S. 15–29).

3.1 Grundmodelle der energetischen Arbeit

3.1.1 Ki (Energie)

Ki, häufig als Lebenskraft oder -energie übersetzt, bildet einen grundlegenden Begriff im östlichen Verständnis von Leben und Gesundheit. Der Begriff umfasst die physische und psychische Energie eines Menschen ebenso wie die Energie der belebten und unbelebten Umwelt. Jeder Mensch besitzt ein individuelles Ki-Muster, das die Basis der eigenen Persönlichkeit und spezifischer Reaktionen auf äußere Begebenheiten bildet.

Ein ausgeglichener Ki-Haushalt wird als Basis für Gesundheit betrachtet. Wird Ki geschwächt oder befindet sich im Ungleichgewicht, ist die Folge ein Verlust von Lebensenergie und (möglicherweise) Krankheit. Umgekehrt ist die Harmonisierung des Ki-Flusses Voraussetzung für die Gesundung (vgl. Kalbantner-Wernicke 2010, S. 21–24).

Die asiatische Medizin geht davon aus, dass jeder Mensch mit einem bestimmten Vorrat an ererbtem Ki (Nieren-Ki) auf die Welt gekommen ist und sich dieses im Laufe des Lebens verbraucht. Krankheit kann nach diesem Verständnis entstehen, wenn die zur Verfügung stehende Energie geschwächt ist und nicht mehr ausreicht, exogenen Faktoren (wie Viren, Luftverschmutzung und anderen Stressoren) wirksam zu begegnen, was durch die Lebensbedingungen in der westlichen Industriegesellschaft (Ernährung, Luftqualität) forciert wird. Eine starke Schwächung des Systems birgt das Risiko für schwerwiegende Erkrankungen (z.B. Burnout).

Viele Methoden, den eigenen Energiehaushalt wieder zu regulieren, setzen ein gewisses Mindestmaß an verfügbarer Energie voraus. Shiatsu hat hier den Vorteil, auch bei sehr niedrigem Ki-Level des Klienten unterstützend zu wirken und so den Weg zu ergänzenden anderen Methoden (wie Meditation, Tai Chi etc.) zu öffnen (vgl. McRitchie 2004).

3.1.2 Yin und Yang

Ki entsteht durch die Dynamik von Yin und Yang. Diese beiden Begriffe beschreiben die gegensätzlichen Pole aller Gegenstände und Erscheinungen, die sich gegenseitig bedingen und hervorbringen. So sind beispielsweise Tag (Yang) und Nacht (Yin) nur durch ihr jeweiliges Pendant begreifbar und gehen in ständigem Wechsel ineinander über. Der Tag in seiner größten Ausprägung enthält bereits einen Teil der Nacht, nach dem Sonnenhöchststand am Mittag geht die Sonne unter und der Mond auf.

Bei diesen Begriffen handelt es sich nicht um feste Zuschreibungen, die Yin- bzw. Yang-Qualität eines Gegenstandes besteht grundsätzlich in Bezug zu einem Pendant. So ist das Licht einer Kerze im Vergleich zu Sonne Yin, im Verhältnis zur Dunkelheit der Nacht aber Yang.

Im Westen wird das Prinzip von Yin und Yang häufig mit dem Unterschied zwischen Mann und Frau gleichgesetzt, dies ist jedoch nur ein möglicher Aspekt unter vielen. Jeder Mensch besitzt sowohl Yin- als auch Yang-Anteile, wenn auch in den traditionellen Rollenbildern bei Männern der Yang- und bei Frauen der Yin-Aspekt in den Vordergrund tritt.

Die folgende Tabelle beschreibt exemplarisch die Zuordnung zu den beiden Polen (vgl. Rappenecker 2007, S. 127–131):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Yin und Yang

3.1.3 Meridiane

Die Meridiane oder Leitbahnen bilden im Körper ein Netzwerk, durch das der gesamte Körper mit Ki versorgt wird. Dies umfasst sowohl die inneren Organe, nach denen die Meridiane in der Regel benannt sind, als auch die übrigen Körperfunktionen. Gleichzeitig verbindet dieses System diametrale Aspekte miteinander wie „Gewebe mit Geist, Yin mit Yang [und] Erde mit Himmel“ (Eckert 2005, S. 19).

Es existieren 12 Hauptmeridiane, die in der Längsachse des Körpers verlaufen und gemeinsam mit den inneren Verläufen, den außerordentlichen Meridianen und ihren Verbindungskanälen ein Netzwerk bilden, welches den gesamten Körper versorgt.

Diese 12 Meridiane sind paarig angeordnet und bestehen aus jeweils einem Yin- und einem Yang-Meridian, wobei den Yin-Meridianen jeweils ein Speicherorgan, den Yang-Meridianen ein Hohlorgan zugeordnet ist. Alle gemeinsam bilden einen Kreislauf, in dem das Ki durch den Körper fließt (vergleichbar etwa dem Blutkreislauf, vgl. Eckert 2005, S. 21–23).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Zuordnung der Meridiane

3.1.4 Wandlungsphasen

Das Modell der fünf Elemente oder Wandlungsphasen beschreibt die wechselseitigen Verbindungen und Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen, die sowohl in der Natur als auch für den Menschen wirksam sind. Die fünf Wandlungsphasen stellen „eine weitere Differenzierung von Yin und Yang dar“ (Rappenecker 2007, S. 132. vgl. Seefelder 2010, S. 14). Dieser Ansatz begründet im Westen und somit auch in Europa die Basis der theoretischen Begründung des Shiatsu. Er besticht sowohl durch seine Einfachheit als auch durch seinen umfassenden Ansatz, mit dessen Hilfe sich das Zusammenspiel der Meridiane ebenso beschreiben lässt wie das ganzheitliche Konzept der Ki-Qualitäten (vgl. Beresford-Cooke 2003, S. 7–9).

Die Zusammenhänge beschreiben sowohl die normale, „gesunde“ Verbindung der Elemente zueinander als auch pathologische Störungen. Jedes Element bildet die Grundlage für das nachfolgende Element und stellt diesem Energie zur Verfügung, was als Mutter-Tochter-Beziehung oder ernährender Zyklus bezeichnet wird. Darüber hinaus bestehen analog retrograde Beziehungen vom Tochter- zum Mutterelement sowie Beziehung zwischen den jeweils übernächsten Elementen, z.B. Feuer und Metall.

In der Literatur wie im Sprachgebrauch werden die Begriffe „Element“ und „Wandlungsphase“ häufig synonym verwendet. Bei differenzierter Betrachtung der dem System innewohnenden Dynamik ist der Begriff der „Wandlungsphase“ der passendere, da er einen stärkeren Bezug zum Übergang und der gegenseitigen Beeinflussung besitzt, während der Begriff „Element“ eher einen statischen Zustand bzw. das Element als einzelnes Teil des Ganzen beschreibt (vgl. Rappenecker 2007, S. 11–12).

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Abbildung 6: Wandlungsphasen-Modell

Die folgende Tabelle beschreibt die Zuordnung der einzelnen Meridiane zu den Wandlungsphasen sowie verschiedene weitere Eigenschaften, die alle Bereiche des Lebens betreffen und sowohl physische als psychische Aspekte umfassen (vgl. Beresford-Cooke 2003, S. 112, Eckert 2005, S. 16).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Zuordnung der Elemente

3.1.5 Meridianentwicklung

Neben dem Modell der fünf Wandlungsphasen ist für die Arbeit mit längerfristigen Themen vor allem das weniger verbreitete Entwicklungsmodell der Meridiane interessant, da Störungen, die in stressbelasteten Situationen auftreten, häufig ihre Ursache in der früheren Lebensgeschichte des Klienten haben bzw. in belastenden Situationen ein Rückgriff auf diese zu Beginn des Lebens entwickelten Strukturen erfolgt. Der Ansatz der Meridianentwicklung bietet eine interessante Möglichkeit, diese Phase auf energetischer Ebene anzusprechen, ohne den Klienten auf kognitiver Ebene bewusst damit zu konfrontieren.

Die Entwicklung und Ausreifung der Meridiane geschieht beim heranwachsenden Säugling analog der motorischen und sensorischen Entwicklung in verschiedenen Phasen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Mit der Geburt sind bereits alle Meridiane angelegt, aber in ihrer Funktion noch nicht vollständig ausdifferenziert. In den ersten Lebensjahren arbeiten jeweils Gruppen von Meridianen zusammen, um die wesentlichen Entwicklungsphasen des Kindes energetisch zu begleiten.

Mit der Geburt sind die Meridiane in drei Gruppen eingeteilt, die den in der Akupunktur bekannten Umläufen entsprechen und aufgrund der engen Beziehung der Meridiane als „ Familien “ bezeichnet werden. Die Entwicklung vollzieht sich in der Reihenfolge vordere – hintere – seitliche Familie, die Hauptfunktionen und wesentlichen Zuordnungen sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen (vgl. Kalbantner-Wernicke 2010, S. 49; 60-64;89-126):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Familienmodell der Meridianentwicklung

Aufbauend auf den drei Familien kommt es zu einer Aufspaltung in jeweils zwei Paare aus Yin- bzw. Yang-Meridianen. Diese Kopplung wird als „ Keiraku “ oder Oben-Unten-Kopplung bezeichnet und begleitet die Aufrichtung des Kindes und die Orientierung in der Vertikalen. Ihr entsprechen die in der TCM-Literatur bekannten sechs Achsen oder Schichten, wobei letzteres Modell zwar dieselben Meridian-Zuordnungen verwendet, aber mit der Beschreibung des Schwergrads von Erkrankungen eine grundsätzlich andere Bedeutung besitzt.

Während die Familien eher die grundsätzlichen Aspekte der (inneren) Haltung und Persönlichkeit eines Menschen beschreiben, sind die Haltungs- und Bewegungsmuster eines Menschen Thema der Keiraku. Die Entwicklungsphase, die durch die Keiraku begleitet und gesteuert wird, beginnt im Alter von ca. 18 Monaten mit dem freien Laufen und endet im Alter von etwa sechs Jahren mit der Schulreife (vgl. Kalbantner-Wernicke 2010, S. 66–72).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 6: Themen der Keiraku

Nach der Phase der Oben-Unten-Kopplung der Keiraku bilden sich mit Beginn der Schulzeit die Wandlungsphasen in Form einer Innen-Außen-Kopplung jeweils eines Yin- und Yang-Meridians aus, auf deren Basis sich schließlich die einzelnen Meridiane in ihrer Differenzierung entwickeln. Diese Kopplung geht einher mit verfeinerten emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten und der Fähigkeit, sich innerhalb eines sozialen Systems zu arrangieren (vgl. Kalbantner-Wernicke 2010, S. 74).

3.2 Wirkkomponenten

3.2.1 Ziel und Ablauf einer Shiatsu-Behandlung

Ziele einer Shiatsu-Behandlung sind die Harmonisierung des Ki-/Energieflusses im Körper durch die Beseitigung von Blockaden, die Aktivierung der Selbstheilungskräfte des Klienten sowie die Förderung der Eigenwahrnehmung und -verantwortung für die eigenen Bedürfnisse (vgl. Wernicke 1992, S. 893). Shiatsu wirkt über den ausgeübten Tiefendruck auf die lebende Körpermatrix (vgl. Oschman 2009, S. 182).

Aus der Traumaforschung ist bekannt, dass die Zustände der Muskeln und inneren Organe die Wahrnehmung der Umwelt beeinflussen und körperliche Entspannung auch auf mentaler Ebene ein Gefühl von Sicherheit vermitteln kann (vgl. Levine 2011, S. 163). Untersuchungen im Rahmen der Energiemedizin zeigen bei manuellen Therapieformen neben der Wirkung, die durch den physischen Druck auf das Gewebe ausgeübt wird, Veränderungen im biomagnetischen Feld zwischen Klient und Therapeut. „Mit anderen Worten, alle Formen der therapeutischen Berührung beinhalten weit mehr als nur Druck auf die Haut“ (Oschman 2009, S. 29).

Nach asiatischem Verständnis sind Störungen im Fluss der Lebensenergie der potentielle Auslöser für Krankheiten. Diese Störung schafft einen Angriffspunkt für exogene Noxen, die den Körper angreifen und bei fortdauernder Störung die Basis für organische Erkrankungen bilden können Die Erkrankung betrifft entsprechend des ganzheitlichen Ansatzes immer den ganzen Menschen und nie nur einen einzelnen Bereich bzw. eine Körperfunktion allein. Daher wird die Person als Ganzes und im Zusammenhang mit ihrer Umwelt betrachtet und nicht nur das aufgetretene Symptom (vgl. Vogt et al. 2013, S. 2). Messungen der Gewebeleitfähigkeit zeigen, dass sich derartige Veränderungen bereits vor der medizinisch erkennbaren Erkrankung darstellen lassen (vgl. Oschman 2009, S. 18).

Im Shiatsu werden neben dem mit Daumen, Handballen und ggf. Ellenbogen oder Knie ausgeübten Druck, der durch das Lehnen des Behandlers aus dem eigenen Zentrum heraus entsteht, Dehnungen und Rotationen eingesetzt, um die Gelenke zu mobilisieren und sowohl den Ki-Fluss als auch die Versorgung des Knorpels zu unterstützen. Der Druck entsteht hierbei nicht durch Muskelkraft, sondern durch das Lehnen mit dem eigenen Körpergewicht in Richtung des Körperzentrums des Klienten im Atemrhythmus, genauer in der Ausatmung. Hierdurch wird der Druck langsam aufgebaut, die bei starkem Druck reflexhaft auftretende Abwehrspannung wird vermieden und die Abwehrreaktion des Sympathikus umgangen, was ein tieferes Einsinken in die Gewebestrukturen ermöglicht (vgl. Wernicke 1992, S. 894).

Eine Shiatsu-Behandlung findet in der Regel auf einem Futon am Boden statt und dauert etwa 60 Minuten. Daneben existieren Behandlungsformen auf der Liege und an einem speziellen Behandlungsstuhl. Während die Behandlung auf dem Boden durch die stabile Auflagefläche die „Erdung“ des Klienten unterstützt und den Shiatsu-spezifischen Druck durch Einsinken mit Hilfe des eigenen Körpergewichts erleichtert, bietet die Behandlung auf der Liege Vorteile für Klienten, denen es schwer fällt auf den Boden zu gelangen oder wieder aufzustehen sowie für Shiatsu-Praktiker, die z.B. aufgrund von Knieproblemen nicht (mehr) längere Zeit auf dem Boden arbeiten können. Bei der Stuhlbehandlung beträgt die Behandlungsdauer in der Regel 15 bis 20 Minuten, Einsatzbereiche sind neben der betrieblichen Gesundheitsförderung auch Aktionen in der Öffentlichkeit, z.B. auf Messen. Ziel ist hier eher eine kurze Erholungs- und Regenerationspause zu schaffen als an längerfristigen, strukturellen Themen zu arbeiten. Für eine dauerhafte Wirkung ist eine Serie von fünf bis zehn Behandlungen im Abstand von ein bis maximal zwei Wochen sinnvoll.

Basis der Behandlung ist (mit Ausnahme der weitgehend standardisierten Abläufe bei der Stuhlbehandlung) eine energetische Befunderhebung, die den aktuellen Status des Klienten feststellt und auf dieser Basis in Kombination mit den Wünschen und Zielen des Klienten individuelle Behandlungsansätze entwickelt. Klinische Befunde spielen bei der Behandlungs­planung insoweit eine Rolle, als sie Hinweise auf energetische Störungen geben können und ggf. Kontraindikation oder Hinweise auf schwere Erkrankungen darstellen. Im letzteren Fall ist dem Klienten eine ärztliche Abklärung zu empfehlen und ggf. (je nach Situation und Kompetenz des Behandlers) auf den Einsatz von Shiatsu zu verzichten. Ein direkter Bezug zwischen einer schulmedizinischen Diagnose und einer festen Behandlungsempfehlung, wie dies z.B. in der Akupunktur der Fall ist, besteht im Shiatsu nicht.

3.2.2 Östliche und westliche Medizin im Vergleich

Die westlichen und östlichen Medizin-Systeme unterscheiden sich nicht nur durch unterschiedliche Begrifflichkeiten, sondern auch durch die grundlegenden gedanklichen Strukturen zur Entstehung und Therapie von Krankheiten. Eine nach westlicher Definition bei mehreren Menschen gleiche Erkrankung kann (und wird) in der östlichen Lehre bei jedem Menschen eine andere Diagnose („Disharmoniemuster“) und demzufolge einen anderen Therapieansatz bedeuten (vgl. Kaptchuk 2006, S. 13–18).

Die westliche (Schul-)Medizin legt den Schwerpunkt auf die Diagnose und Behandlung von Erkrankungen einzelner Körperorgane und -systeme, jedoch weniger auf die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bereichen und die Art und Weise der Informationsvermittlung, die z.B. über die Bindegewebsmatrix stattfindet.

Komplementäre (westliche und östliche) Methoden hingegen haben ihren Schwerpunkt oft auf der „Qualität“ der Gewebematrix und der Haptik des Körpers, was im Shiatsu neben verschiedenen Befundmethoden auch bei der Qualität und Intensität des Drucks an verschiedenen Stellen relevant ist (vgl. Oschman 2009, S. 38). Generell richtet die asiatische Medizin den Blick auf die verschiedenen Energiequalitäten inner- und außerhalb des Körpers, es findet keine Trennung der physischen und der psychischen Ebene statt wie dies in der westlichen Medizin in der Regel der Fall ist (vgl. Bergman et al. 1991, S. 6). Die traditionelle asiatische Medizin kann daher zu Recht als ganzheitliche Medizin bezeichnet werden, die sich im Gegensatz zur sehr spezialisierten westlichen Medizin bemüht, „Geist, Seele und Körper als Einheit zu sehen, in Einklang zu bringen und nicht getrennt voneinander zu behandeln“ (Eckert 2005, S. 15). Die Spaltung zwischen Körper und Geist ist jedoch nicht per se ein Kritikpunkt der westlichen Medizin, sondern die Grundlagen unserer westlichen Kultur und in vielen Bereichen präsent (vgl. Levine 2011, S. 427).

Yasou Yuasa ergänzt über die Unterschiede in den Gedankenmodellen hinaus als Unterscheidungsmerkmal den stärkeren Praxisbezug der asiatischen im Vergleich zur eher theorielastigen europäischen (Medizin-)Historie (vgl. Johnson 2006, S. 98).

3.3 Shiatsu bei stressbedingten Belastungen

Shiatsu kann aufgrund des bereits beschriebenen ganzheitlichen Ansatzes eine positive Wirkung sowohl auf physischer als auch psychischer Ebene auslösen. Itin beschreibt Stress bzw. psychische Probleme allgemein als ein Thema, das unterschiedliche energetische Bezüge besitzen kann. Häufig ist der Verlust der Zentrierung, des Halts und des Vertrauens sowohl in die Umwelt als auch in die eigenen Fähigkeiten ein zentrales Thema.

Stress kann zudem zu Verspannungen führen, die auf körperlicher Ebene die Bewegung und somit Handlungsmöglichkeiten einschränken und ebenso auf psychischer und energetischer Ebene Blocken verursachen können. Durch die hohe Spannung wird entsprechend viel Energie benötigt, die den restlichen Körperfunktionen nicht mehr zur Verfügung steht und durch die eingeschränkte Möglichkeit, zwischen Spannung und Entspannung zu wechseln, wird der Ausgleich des vegetativen Nervensystems beeinträchtigt. In diesem Kontext kommt dem Schaffen eines geschützten Raums und dem begleitenden Gespräch eine besondere Bedeutung zu, weiter ist es wichtig, den Transfer in den Lebensalltag des Klienten zu unterstützen (vgl. Itin 2007, S. 266–271).

[...]

Final del extracto de 245 páginas

Detalles

Título
Shiatsu und lösungsorientierte Kurzzeit-Beratung bei stressbedingten Belastungen
Subtítulo
Methodenüberblick und Wirksamkeitsstudien
Universidad
Steinbeis University Berlin  (Institut für körperbezogene Therapien)
Curso
B.Sc. Komplementärtherapie, Vertiefungsrichtung Shiatsu
Calificación
1,0
Autor
Año
2015
Páginas
245
No. de catálogo
V343127
ISBN (Ebook)
9783668335011
ISBN (Libro)
9783668335028
Tamaño de fichero
4405 KB
Idioma
Alemán
Notas
Palabras clave
Shiatsu, Coaching, lösungsorientierte Kurzzeitberatung, Komplementäre Methoden, Studie, Gesundheitsförderung, Stress, Burn-Out, Komplementärtherapie, MDBF, Prophylaxe, Beratung, alternative Therapie, Körpertherapie, Salutogenese, Fragebogen, Evaluierung, TCM, TJM, Japan, manuelle Therapie
Citar trabajo
Dipl.-Wirtsch.inf, B.Sc. Karin Koers (Autor), 2015, Shiatsu und lösungsorientierte Kurzzeit-Beratung bei stressbedingten Belastungen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343127

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Título: Shiatsu und lösungsorientierte Kurzzeit-Beratung bei stressbedingten Belastungen



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