Der Terminus der Modernisierung basiert zunächst auf einer Typisierung von Gesellschaften und Institutionen in vergleichbare Phänomene sowie auf der Zuschreibung einer Entwicklungsdimension in die Richtung einer Moderne. Denn erst die Idee von verschiedenen Formen und Ausprägungen eines Typus oder allgemeinen beziehungsweise universalen Eigenschaften erlauben eine Zusammenfassung von beobachtbaren Gegenständen. Zur weiteren Beschreibung werden die unter einem Typus gefassten Phänomene nach Dimensionen geordnet. Um sie in Relation zu setzen, werden unterschiedliche Ausprägungen bezüglich einer Dimension als verschiedene Stadien klassifiziert.
Geht man also von einer (einzelnen) „Modernen Gesellschaft“ aus, werden im Rahmen einer Theorie gesellschaftlicher Modernisierung alle als Gesellschaften klassifizierte Phänomene in Bezug auf jene (einzelne) „Moderne Gesellschaft“ eingeteilt und hierarchisiert.
Émile Durkheim argumentiert für einen wissenschaftlichen Nutzen der Typisierung sozialer Phänomene, jedoch nimmt er die Begriffe für seine Typenbildung beispielsweise aus einer Gesellschaft, die über den Begriff der Religion verfügt und versucht anhand diesem Wahrnehmungsmuster ähnliche Phänomene an anderen Orten und zu anderen Zeiten zu beschreiben und in sein System „sozialer Typen“ zu integrieren. Wobei er gerade in so genannten „einfachen“ Gesellschaften die „elementaren Formen“ seiner Typen zu finden glaubt. Des Weiteren teilt er die Phänomene in verschiedene Stadien ein, indem er Grade der Komplexität unterscheidet. Dabei geht er davon aus, dass sich Gesellschaften in die Richtung einer zunehmenden Komplexität entwickeln.
Diese Perspektive gründet in seiner funktionsorientierten Sichtweise auf soziale Phänomene. Seine allgemeine Typenbildung beihaltet also einen Prozess der fortschreitenden funktionalen Differenzierung im Rahmen einer Ausdifferenzierung bereits klassifizierter Phänomene.
Auch Talcott Parsons interessieren die sozialen Strukturen in ihrem funktionalen Beitrag zur Kontinuierung von Gesellschaft. Ebenso beschreibt er sozialen Wandel als Prozess der Ausdifferenzierung. Im Gegensatz zu Durkheim sieht er jedoch die komplexeren Gesellschaften als Analysegrundlage für eine Typisierung, denn in „modernen“ differenzierten Gesellschaften werde scheinbar am ehesten eine Antwort auf das ihn beschäftigende soziale Organisationsproblem gegeben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Émile Durkheim
- Gesellschaftliche Entwicklung als funktionale Differenzierung sozialer Typen
- Talcott Parsons
- Optimierung der Anpassungsfähigkeit des sozialen Systems in der „modernen“ Gesellschaft
- Talcott Parsons und Gerald Platt zum anpassungsorientierten Differenzierungsprozess der Universität im Rahmen der Bildungsrevolution
- Zivilisationsansatz
- Johann P. Arnasons kritische Anregungen zu einer Theorie axialer Zivilisationen
- Shmuel N. Eisenstadt über die axialen und nicht-axialen Eigenschaften der japanischen Zivilisation
- Multiple Modernities
- Anwendungen und Weiterentwicklungen zum Paradigma der „Multiple Modernities"
- Ronald Inglehart und Wayne E. Bakers Studie über den Zusammenhang von ökonomischer Entwicklung und Wandel der Wertorientierung
- Gesellschaftstheorie und Zeitdiagnose
- Pierre Bourdieus Analyse von Wandel und Neuerungen im literarischen Feld
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Exzerpte zur Literatur des Seminars „Modernisierung und Moderne: Soziologische Ansichten zu den historischen Grundlagen kultureller Integration“ behandeln die Entwicklung des Begriffs der Modernisierung und der „modernen“ Gesellschaft aus soziologischer Perspektive. Die Texte beleuchten unterschiedliche Theorien und Ansätze zur Beschreibung und Erklärung gesellschaftlichen Wandels, der sich als ein Prozess der funktionalen Differenzierung und Ausdifferenzierung versteht.
- Funktionalistische Ansätze in der Soziologie und die Rolle der Differenzierung
- Die „Achsenzeit“ und die Entstehung von axialen Zivilisationen
- Das Paradigma der „Multiple Modernities“ und die Vielfalt von Modernisierungsprozessen
- Der Zusammenhang von ökonomischer Entwicklung und Wertorientierung
- Wandel und Neuerungen im literarischen Feld und die Rolle der „Mode“
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil des Textes widmet sich Émile Durkheims Theorie der „sozialen Typen“ und seiner funktionalistischen Sichtweise auf gesellschaftliche Entwicklung. Durkheim argumentiert für die Bedeutung der Typisierung als wissenschaftliches Werkzeug, um soziale Phänomene zu verstehen und zu klassifizieren. Er betrachtet den Wandel als eine Entwicklung von „einfachen“ zu komplexeren Phänomenen, die er anhand des Beispiels der Religion veranschaulicht. In seinem Kapitel über die „Regel für die Aufstellung der sozialen Typen“ erklärt er, dass die Typisierung die Erkenntniserweiterung ermöglicht, indem sie wichtige Eigenschaften unterschiedlicher sozialer Arten hervorhebt.
Talcott Parsons erweitert Durkheims Ansatz und betrachtet die komplexen Gesellschaften als Analysegrundlage für eine Typisierung. Er sieht den sozialen Wandel als einen Prozess der Ausdifferenzierung, der die Anpassungsfähigkeit des sozialen Systems optimiert. Parsons und Gerald Platt untersuchen die Rolle der Universität im Rahmen der Bildungsrevolution und analysieren die Prozesse der Differenzierung im Bildungssystem.
Der dritte Teil des Textes behandelt den Zivilisationsansatz, der auf dem Konzept der „Achsenzeit“ von Karl Jaspers basiert. Johann P. Arnason kritisiert das Konzept der „Achsenzeit“ und fordert eine Theorie der „axialen Zivilisationen“, die die Grenzen historischer Erfahrung und die Bewertung von westlichen kulturellen Errungenschaften einbezieht. Shmuel N. Eisenstadt untersucht die axialen und nicht-axialen Eigenschaften der japanischen Zivilisation und zeigt, dass die „Multiple Modernities“ ein vielversprechendes Paradigma für die Beschreibung von Modernisierungsprozessen ist.
Ronald Inglehart und Wayne E. Baker untersuchen den Zusammenhang von ökonomischer Entwicklung und Wandel der Wertorientierung in verschiedenen Zivilisationen. Sie stellen fest, dass Menschen in prekären ökonomischen Situationen eher zu Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz neigen. Pierre Bourdieu beschäftigt sich in seiner Analyse des literarischen Feldes mit dem Phänomen der „Aktualität“ und zeigt, wie die „Mode“ im literarischen Feld wichtiger erscheint als die Suche nach aktuellen Problematiken.
Schlüsselwörter
Die Exzerpte befassen sich mit den Themen Modernisierung, Moderne, Gesellschaftliche Entwicklung, Differenzierung, Funktionale Differenzierung, Ausdifferenzierung, Soziale Typen, Zivilisationsansatz, Achsenzeit, Multiple Modernities, Wertorientierung, Wirtschaftliche Entwicklung, Literarisches Feld und Reflexive Modernisierung.
- Quote paper
- Carmen Weber (Author), 2010, Exzerpte zur Literatur des Seminars "Modernisierung und Moderne: Soziologische Ansichten zu den historischen Grundlagen kultureller Integration", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343821