Rhetorik und Dialektik in der Argumentationstheorie. Entwicklung seit der Antike


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

21 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Argumentationstheorie

3 Rhetorik
3.1 Definition
3.1.1 Das System der Rhetorik
3.1.2 Arten und Ziele von Rhetorik
3.1.3 Die Neue Rhetorik

4 Dialektik
4.1 Definition
4.1 Arten und Ziele von Dialektik
4.2 Die Neue Dialektik

5 Rhetorik vs. Dialektik
5.1 Gemeinsamkeiten
5.2 Unterschiede
5.3 Pragma-Dialektik

6 Fazit

7 Bibliographie

1 Einleitung

In der vorliegenden Hausarbeit beschäftige ich mich mit der Rhetorik und der Dialektik in der Argumentationstheorie. Beide haben ihre Spannungen bereits seit der Antike. Die Hausarbeit soll nun zeigen, welchen Wandel oder welche Entwicklung die jeweiligen Begriffe zueinander und untereinander erfahren haben.

In den ersten beiden Kapiteln stelle ich jeweils die Begriffe Rhetorik und Dialektik vor und gehe auf ihre Arten und Ziele ein. Hierbei beschäftige ich mich nicht ausschließlich mit dem antiken Rhetorikbegriffen beschäftigen, sondern auch auf die „Neue Rhetorik“ bzw. auf die „Neue Dialektik“ eingehen. Im nächsten Kapitel führe ich die verschiedenen Ausführungen von Philosophen und Sprachwissenschaftlern auf, die sich mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Rhetorik und Dialektik auseinandergesetzt haben. Danach werde ich auf die Pragma-Dialektik eingehen, die in diesem Kontext als Verbindungstück zwischen den Beiden angesehen werden kann. Zum Schluss werde ich die wichtigsten Erkenntnisse zusammenfassen.

2 Argumentationstheorie

Die Argumentationstheorie ist ein junges interdisziplinäres Fach und hat ihre Ursprünge in der Antike, und zwar in Logik, Dialektik und Rhetorik. In der heutigen Zeit gehört sie zu folgenden Fächern: Philosophie, Kommunikationstheorie und linguistischer Pragmatik, Sozialpsychologie und Rechtswissenschaften (vgl. BEHRENS 2010: 4).

BEHRENS (2010: 4) fasst die gemeinsamen Schnittpunkte der theoretischen Ansätze über die Argumentationstheorie im Folgenden zusammen: Die Argumentationstheorie ist dialogisch und dialektisch orientiert, welche eine verbale Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien beschreibt. Dabei geht es um unterschiedliche Standpunkte bzw. Meinungen oder eine bestimmte Fragestellung. Der Vortragende wird als „Protagonist“ bezeichnet und derjenige der einen anderen Standpunkt vertritt, wird als der „Antagonist“ bezeichnet. Im Zuge der Auseinandersetzung können die Rollen ständig wechseln.

VAN EEMEREN und GROOTENDORST (2004: 134) erklären, dass das Ziel der Argumentationstheorie zu bestimmen ist, wie Meinungsverschiedenheiten einer „kritischen Diskussion“ erfolgreich beseitigt werden können.

Alle neueren Ansätze bauen direkt oder indirekt auf die antiken Ansätze auf, hauptsächlich auf der von Aristoteles begründeten argumentativen Topik (vgl. KIENPOINTNER (2005).

3 Rhetorik

3.1 Definition

Die Rhetorik ist die Praxis und die Theorie von Reden (vgl. KRABBE 2000: 205). Platons bedeutendster Schüler, Aristoteles, entwarf ein positives Bild der Rhetorik. Er definiert die Rhetorik als die „Fähigkeit, bei jeder Sache das möglicherweise überzeugende zu betrachten“. Er bezeichnet die Rhetorik auch als „Gegenstück der Dialektik“ und definiert die Rhetorik weiter als das Vermögen, zu jedem vorliegenden Thema überzeugende Argumente finden zu können Außerdem fügt er hinzu, dass die Rhetorik der „Nebenzweig von Dialektik“ ist, genauso wie von Ethik und Politik. Er sieht es als eine Art von Teilung und Ähnlichkeit, denn Konversationen können Reden beinhalten und Reden können oft so geschrieben werden, als ob sie Konversationen zwischen Autoren beinhalten (vgl. KRABBE 2000: 206). Andere Philosophen wie Kant, Heidegger, Locke etc. hatten ein negatives Bild der Rhetorik. Sie hielten die Rhetorik für ein Werkzeug, um unwahre Reden zu halten, die sich mit Blumensprache zierte und sich an die niederen Instinkte von Menschen richtete (vgl. KIENPOINTNER 2005: 1).

3.1.1 Das System der Rhetorik

Von der Idee bis zum tatsächlichen Vortrag der Rede sind nach Aristoteles fünf Schritte zu durchlaufen:

1. Inventio: Auffinden der Argumente

Die Inventio schafft die Grundlage der Rede. Hier muss der Redner, unter Berücksichtigung aller Aspekte, den Inhalt für die Rede suchen und finden.

2. Disposition: Gliederung des Vortrags

Nachdem der Inhalt gefunden ist, muss er geordnet werden. Dabei sollen die Argumente kunstfertig zu einer Rede gestaltet werden, wobei eine Steigerung zum Schluss hinzielt.

3. Elocutio: Einkleidung der Gedanken in Worte (ornatus = Redeschmuck)

Die Verwendung von rhetorischen Figuren setzt Wissen, Verfügungsgewalt und Sprachgefühl voraus. Hierbei wird auch die zu erwartende Zuhörerschaft berücksichtigt.

4. Memoria: Einstudieren der Rede für das auswendige Vortragen

Der Redetext wird durch die Aneignung von Merktechniken eingespeichert und zwar mit Gedächtnisörtern und Gedächtnisbildern.

5. Pronunatio/ Actio: öffentliche Vortrag

Beim öffentlichen Vortrag ist auch die passende Stimmlage, die richtige Körperhaltung, Gestik, Kleidung etc. von großer Bedeutung.

Vgl. KOLMER/CARMEN 2002: 40 ff.)

3.1.2 Arten und Ziele von Rhetorik

Aristoteles unterscheidet zwischen drei Redegattungen der Rhetorik: die „génos dikanikón/genus iudiciale“, welche sich auf die Handlungen der Vergangenheit beziehen und die rechtlich beurteilt werden müssen (Gerichtsrede); die „génos epideiktikón/genus demonstrativum“, welche sich auf die Gegenwart bezieht (Lobrede, Festtagsrede); und die „génos symbouleutikón/genus deliberativum“, welche sich auf die Zukunft bezieht (Parlamentsrede) (vgl. KOLMER/CARMEN 2002: 38). Desweiteren gliedert er die Begründungsmittel in Ethos (Charakter des Redners), Pathos (Emotionen des Publikums) und Logos (die sachbezogenen Argumente).

Die Brauchbarkeit der Rhetorik ist nach Aristoteles die Verteidigung von Entscheidungen und die Überzeugung von wissenschaftlichen Thesen sowie die Argumentation für und gegen eine Absicht. Der Zweck der Rede ist es, dem Zuhörer von einer Aussage zu überzeugen oder zu einer bestimmten Handlung zu bewegen (vgl. KRABBE 2000: 209).

3.1.3 Die Neue Rhetorik

Die „Neue Rhetorik“ gehört zu einer Strömung des 20. Jahrhunderts und hat ihre Verbindungen zur aristotelischen Rhetorik. Sie nähert sich dem dialogischen Konzept des Argumentierens an. PERELMAN/ OLBRECHTS-TYTECA (1969) definieren ihre „Neue Rhetorik” als „the study of the discursive techniques allowing us to induce or to increase the mind's adherence to the theses presented for its assent”. Für sie besteht die Wichtigkeit der Neuen Rhetorik darin, dass sie den klassischen Katalog argumentativer Topoi um einige empirisch interessante argumentative Muster erweitert haben und auch neue Impulse geliefert haben (vgl. KIENPOINTNER 2005: 373).

Die “Neue Rhetorik” ist nach VAN EEMEREN (2009: 123) keine normative Theorie, aber eine Anleitung von Argumentationsarten, welche in der Praxis nützlich sein könnten.

Der Unterschied zur traditionellen Rhetorik ist, dass die Neue Rhetorik eine Argumentationstheorie ist (vgl. PERELMAN 1979: 9). KOPPERSCHMIDT (2006: 16 ff.) hat drei Präzisierungen vorgenommen, um das Neue an der Neuen Rhetorik thesenhaft zu benennen:

- Die Neue Rhetorik ist ein auf das Verfahren der Argumentation methodologisch fokussierte Rhetorik
- Die Neue Rhetorik ist eine aus dem Prinzip der Argumentation konsistent entwickelte Rhetorik
- Die Neue Rhetorik ist eine an dem Vernunftcharakter der Argumentation philosophisch interessierte Rhetorik

Perelmans Ziel war es, dass die traditionelle Rhetorik, die nur noch daraus bestand ornamental zu reden, wieder zu einer praktischen Kunst wird (vgl. KOPPERSCHMIDT 2006: 16).

4 Dialektik

4.1 Definition

Die Dialektik ist nach Aristoteles die Kunst, eine Aufstellung einem Gegner gegenüber zu verteidigen oder anzugreifen (vgl. ROLFES 1919: VI). Den Begriff der „Dialektiker“ bezieht sich nach Aristoteles im Allgemeinen auf eine Person, die argumentative Fähigkeiten besitzt. Derjenige, der diese Fähigkeiten nutzt, wird als „Sophist“[1] bezeichnet (vgl. HOHMANN 2000: 1). Die Dialektik war in der Antike für die Sophisten die Eristik[2], während Plato die Dialektik als einen Weg zur Wahrheitssuche empfand (vgl. VAN EEMEREN/HOUTLOSSER 2000: 296).

Für Aristoteles ist die Dialektik für dreierlei nützlich; für die Übung des Verstandes, für die mündliche Unterhaltung und für die Philosophie gehörigen Wissenschaften. Den ersten Teil, die Übung des Verstandes, begründet er damit, dass wenn man das gelehrte Verfahren verinnerlicht hat, es einem leichter fällt, einen Satz auseinanderlegen zu können. Den zweiten Teil, die mündliche Unterhaltung, erklärt er damit, dass man dadurch die Meinungen der Leute kennenlernt und was sie nicht richtig auszudrücken scheinen, dadurch richtig stellen kann. Außerdem argumentiert er für den dritten Teil, für die Philosophie gehörigen Wissenschaft, dass man die Bedenken über einen Gegenstand nach den entgegengesetzten Richtungen darlegen kann (vgl. ARISTOTELES 1882: 3). Für ihn ist die Dialektik die „Kunst der Erfindung, und darum beherrscht sie den Weg zu den Prinzipien aller Wissenschaften“.

4.1 Arten und Ziele von Dialektik

Die sokratischen Dialoge [3] werden als Instanzen des dialektischen Austauschs angesehen. Auf den ersten Blick scheint es, dass ein sokratischer Dialog darauf hinzielt, eine Frage zu beantworten, wie „Ist X Y?“ oder „Was ist X?“ (vgl. ROBINSON 1970: 49). Somit wäre der Dialog eine Art von Anfrage, mit dem Ziel philosophisches Wissen zu erlangen. Allerdings zeigt die Praxis dieser Anfragen viele Merkmale der Überredungskunst und sogar von der Spitzfindigkeit oder Wortklauberei (vgl. KRABBE 2000: 207).

Aristoteles unterteilt vier Arten von Argumenten, die im Dialog verwendet werden: Didaktische Argumente, Dialektische Argumente, Prüfender Argumente und Eristische Argumente.

Das dialektische Argument ist nach Aristoteles ein Argument, welche Prämissen nutzt, die nicht unbedingt an der Wahrheit liegen. Des Weiteren ist es eine Art Frage-Antwort Dialog, welcher ursprünglich auf der Meinung der Mehrheit beruhte (vgl. WALTON (1999: 2). Das Ziel derer ist, Schlussfolgerungen zu machen, die für die Adressaten akzeptabel ist (vgl. GRASSO et al. 2000: 1078) und die Wahrheit zu finden, in einem friedlichen Miteinander (vgl. WALTON 1999: 3). Die oben genannten Arten von Argumenten können auch verwendet werden, um sich auf die Arten von Dialogen zu beziehen, denn die Arten von Argumenten entsprechen den verschiedenen Aspekten der sokratischen Dialoge: didaktisch, dialektisch, prüfend und eristische Dialoge. (Vgl. KRABBE 2000: 207).

4.2 Die Neue Dialektik

Die „Neue Dialektik“ stammt von WALTON (1999) und hat ihrerseits auch ihre Ursprünge aus der aristotelischen Topik- und Rhetoriktradition. Jedoch befasst sich seine Neue Dialektik zentral mit der häufigsten Art von Argumenten, die in alltäglichen Gesprächen verwendet werden, und die dadurch eher auf vermutliche Argumentation beruht als deduktive oder induktive Logik (vgl. WALTON 1999: 72). In der Neuen Dialektik kann die Argumentation funktional sein, in dem sie zielgerichtet, auf Kenntnisse basiert und situationsbedingt ist. Insofern werden Überlegungen als Form von Dialogen angesehen, in denen Argumente benutzt werden (vgl. WALTON 1998: 34).

[...]


[1] Die „Sophisten“, auch als Weisheitslehrer bekannt, sind Vertreter einer Gruppe griechischer Philosophen und Rhetoren. Sie stellten den Menschen als Ersten in den Mittelpunkt philosophischer Betrachtungen. Vgl. Duden: „Sophist“

[2] Die Eristik ist die Kunst des Streitgesprächs und wurde von Platon und Aristoteles für die Art des Diskutierens der Sophisten gebraucht. Eristik ist die Kehrseite der Dialektik, denn sie strebt nicht nach Wahrheit, sondern nach Selbstbehauptung. Vgl. Schopenhauer (1983)

[3] Die sokratische Methode ist darauf angelegt, dass der Schüler im Zwiegespräch eigenständig zur Wahrheit gelangt.

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Details

Titel
Rhetorik und Dialektik in der Argumentationstheorie. Entwicklung seit der Antike
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für deutsche Sprache und Literatur der Universität zu Köln)
Veranstaltung
Argumentationstheorie
Note
1,3
Jahr
2015
Seiten
21
Katalognummer
V344303
ISBN (eBook)
9783668339972
ISBN (Buch)
9783668339989
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rhetorik, Dialektik, Argumentationstheorie, Wandel, Entwicklung, Antike, neue Rhetorik, neue Dialektik
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Rhetorik und Dialektik in der Argumentationstheorie. Entwicklung seit der Antike, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/344303

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