Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Das Museum im Wandel
2. Das Folkwang Museum Essen im Überblick
3. Maßnahmen des Museums zur Anpassung an eine globalisierte Gesellschaft
3.1 Einführung des kostenfreien Eintritts und Erweiterung des Programms für ein breiteres Publikum
3.1.1 Einführung des kostenfreien Eintritts
3.1.2 Erweiterung des Programms für ein breiteres Publikum
3.2 Zusammenarbeit mit anderen Institutionen
3.3 Angebote über den musealen Kontext hinaus
4. Kritische Stellungnahme zu den vorgestellten Maßnahmen
4.1 Potential und Risiko des freien Eintritts
4.2 Einschätzungen des erweiterten Programms und der Zusammenarbeit
4.3 Gefahr der Kommerzialisierung durch Angebote über den musealen Kontext hinaus
5. Schlusswort
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung: Das Museum im Wandel
Längst ist es unumstritten, dass sich im Zuge der Globalisierung ein permanenter gesellschaftlicher Wandel vollzieht. Diese Veränderungen betreffen auch kulturelle Institutionen, die vor allem aufgrund der stetigen Ökonomisierung aller Lebensbereiche zunehmend unter Druck geraten. Um seine Position als wichtiger kultureller Bestandteil der Gesellschaft zukünftig wahrnehmen zu können, sehen sich Museen in der Notwendigkeit neue Wege zu beschreiten. Auch das Folkwang Museum in Essen hat in den vergangenen Jahren Maßnahmen zur Anpassung an die heutige Gesellschaft getroffen. Wie sind diese Anpassungsstrategien einzuschätzen? Um diese Frage beantworten zu können, ist es nötig, zunächst ein umfassenderes Bild des Folkwang Museums zu vermitteln. Im Folgenden werden die als nötig empfundenen Maßnahmen des Museums detailliert erläutert, wobei auch die Frage nach der erfolgreichen Umsetzung und der Resonanz beantwortet werden soll. Daran reiht sich eine persönliche Stellungnahme zum Thema, die auf mögliche Chancen, aber vor allem auch auf Risiken eingeht.
2. Das Folkwang Museum Essen im Überblick
Entstanden ist das heutige Museum 1922 aus dem Zusammenschluss des damaligen Essener Kunstmuseums mit der Sammlung des passionierten Kunstliebhabers Karl Ernst Osthaus. Die heutigen Ausstellungsstücke weichen jedoch von den ursprünglichen stark ab. Ein Grund hierfür ist unter anderem, dass während des NS-Regimes zahlreiche Werke von namhaften Künstlern, beispielsweise Max Beckmann, Paul Cézanne und Otto Dix, konfisziert wurden und in der Nachkriegszeit nicht vollständig wieder für das Museum erworben werden konnten. In den Jahren nach 1945 gelang es dem Museum trotz massiven Verlusten und hohem Schaden, sich durch seine vielfältige Dauersammlung, sowie etliche Sonderausstellungen, von der Tiefphase der Kriegsjahre zu erholen. Außerdem wurde zunehmend Wert auf die öffentliche Präsentation, der im Depot gelagerten Kunstschätze aus aller Welt, gelegt.[1]
Maßgeblichen Einfluss auf die stabile finanzielle Lage des Museums hatte sicherlich auch sein besonderes Verhältnis zu wirtschaftlichen Unternehmen. Bereits Gründungsvater Osthaus baute bewusst Beziehungen zu Industrieunternehmen auf, um so einerseits finanzielle Fördermittel zu erhalten und andererseits, um Kultur den
Bevölkerungsschichten näher zu bringen, deren Leben von der Schwerindustrie geprägt waren. Auf dieser Verbundenheit zur Wirtschaft, sowie der Mission, auch bildungsferne Schichten für Kunst zu begeistern, stützt sich das Museum Folkwang noch heute.[2]
Dennoch widerfuhr der Institution leider ein ähnliches Schicksal wie vielen Museen in den vergangenen Jahren: die spürbaren Folgen der Globalisierung in Form eines drastischen Rückgangs der Besucherzahlen. Diese dem Museum bis dahin unbekannte Krise führte zu einigen Gegenmaßnahmen, auf die im Folgenden genauer eingegangen wird. Aber zunächst stellt sich die Frage, wie das Museum überhaupt in diese Situation gelang.
3. Maßnahmen des Museums zur Anpassung an eine globalisierte Gesellschaft
„Dieses Museum war leer, als ich hierher kam“[3], berichtet der derzeitige Museumsdirektor Dr. Tobia Bezzola über die Ausgangssituation des Museum Folkwang in Essen bei seinem Amtsantritt im Jahr 2013. Eine solche Aussage mag zunächst verwundern, da eben dieses Museum sich nur drei Jahre zuvor noch stolz als „schönstes Museum der Welt“[4] tituliert hatte. Berücksichtigt man aber den fortschreitenden gesellschaftlichen Wandel, bedingt durch die allgegenwärtige Globalisierung und Beschleunigung der Lebensverhältnisse und zusätzlich die zunehmende Konkurrenz durch neue Medien und Veranstaltungen, dann wird die Museumskrise ansatzweise verständlich. Die Freizeitgestaltung der Menschen hat sich durch das Internet und den vielen anderen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten enorm verändert.
Hinzu kam 2009 noch die Weltwirtschaftskrise, welche zur Folge hatte, dass industrielle Sponsoren des Museums ihre finanzielle Unterstützung stark reduzieren mussten. So fand sich das einst hochgeschätzte Museum Folkwang in einer bis dahin nicht gekannten Tiefphase, die es durch Anpassungsstrategien an heutige Anforderungen zu überwinden galt.[5]
Im Folgenden werden einige ausgewählte Maßnahmen vorgestellt. Die Frage, wie diese neuen Ansätze einzuschätzen sind, soll in einem weiteren Abschnitt diskutiert werden.
3.1 Einführung des kostenfreien Eintritts und Erweiterung des Programms für ein breiteres Publikum
3.1.1 Einführung des kostenfreien Eintritts
Für große öffentliche Aufmerksamkeit sorgte zu Beginn des Jahres 2015 eine bis dato in Deutschland nicht dagewesene Aufhebung des Eintrittspreises für die ständige Sammlung des Folkwang Museums, sowie Wechselausstellungen innerhalb der Dauerausstellung. Ermöglicht wurde die Realisierung der Idee durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung, die dem Museum eine Million Euro zur Deckung der ausbleibenden Eintrittspreise, innerhalb der nächsten fünf Jahre, zur Verfügung stellt.[6]
Bereits in den vorangegangenen Jahren hatte das Museum den freien Besuch der Sammlung samstäglich ermöglicht, und an diesem Wochentag regelmäßig deutlich höhere Besucherquoten erzielt. Zudem nahm man sich britische Kulturinstitutionen zum Vorbild, welche ebenfalls das Konzept des kostenlosen Eintritts verfolgen.[7]
Durch den Wegfall dieser materiellen ,Barriere‘ gelang es dem Folkwang Museum Essen, wie erhofft, innerhalb kürzester Zeit, zahlreiche Besucher anzulocken, auch wenn deren Hauptmotivation finanziell begründet ist.[8] Der Artikel „Freier Eintritt lockt Besucherscharen “ spricht diesbezüglich von einem Anteil von über 60 Prozent.
Auf diese Weise will das Museum sich zudem an spontane Besucher anpassen, die sich, aufgrund der zunehmenden Beschleunigung des Lebens, nicht die Zeit für einen ausführlichen Museumsbesuch nehmen können, und so die Möglichkeit bekommen, diesen dennoch als kleinen Bestandteil ihres Alltags einzugliedern. Außerdem wird erwartet, dass die steigende Besucherzahl sich auch positiv auf die weiterhin gebührenpflichtigen Sonderausstellungen auswirkt, da diese vor allem für regelmäßige Besucher von Interesse ist.[9]
Dass der neue Ansatz die gewünschte Wirkung erzielt, zeigt sich daran, dass nach über einem Jahr durchschnittlich immer noch 3 mal so viele Eintrittskarten an Museumsbesucher ausgeteilt werden können, als vor der Abschaffung des Preises.[10]
3.1.2 Erweiterung des Programms für ein breiteres Publikum
„Das Museum Folkwang versteht sich als außerschulischer Lernort [...]. Es versteht sich als Ort des sinnlichen Erlebens, der ästhetischen und künstlerischen Bildung, als eine Stätte der lebhaften Auseinandersetzung mit Kunst, Kultur und Leben.“[11]
Zum Zwecke des Bildungsauftrags aller Bevölkerungsschichten und Altersgruppen bietet das Folkwang Museum ein vielfältiges Programm, welches nicht in Gänze vorgestellt werden kann. Daher sei an dieser Stelle auf die sehenswert gestaltete Homepage des Museums[12] verwiesen, welche ein umfassendes Bild aller Angebote präsentiert und hilfreiche Informationen bereithält. Ich möchte lediglich hervorheben, dass bereits in den vergangenen Jahrzehnten ein weites Feld an Angeboten für unterschiedliche Besuchergruppen zur Verfügung gestellt wurde.
Neben der vorhandenen Vielfalt, setzt sich das Museum nun zum Ziel, künftig auch bildungsschwache Mitglieder der Gesellschaft an die Kunst heranzuführen. Diesbezüglich werden „Führungen für Anfänger eingeführt und damit für Menschen, die noch nie im Museum waren.“[13] Auf diese Weise besteht die Möglichkeit ,Neulinge‘ und museumsferne Schichten mit der Ausstellung vertraut zu machen.
Darüber hinaus bietet das Museum inzwischen auch Führungen auf Türkisch an und schafft somit Raum für mehr Internationalität und kulturellen Austausch. Einmal pro Monat finden außerdem Führungen in anderen Fremdsprachen statt, die einen weiteren Teil des kostenlosen Angebots des Folkwang Museums darstellen.
3.2 Zusammenarbeit mit anderen Institutionen
Um das Folkwang Museum vermehrt in die Gesellschaft zu integrieren, wurde ein Netz aus Verflechtungen mit anderen öffentlichen Einrichtungen geknüpft.
Neben den finanziellen Beziehungen zu Wirtschaftsunternehmen und privaten Förderern, arbeitet das Museum zudem mit anderen Bildungseinrichtungen zusammen. Dieses Angebot beinhaltet beispielsweise Führungen und Fortbildungen für Lehrer, aber auch Workshops für Schulklassen, wie der Museumshomepage entnommen werden kann. In besonderem Maße wird die Folkwang Universität der Künste beteiligt, indem Studierenden der Hochschule die Möglichkeit geboten wird, einen Teil der Ausstellung selbst aktiv mitzugestalten. Für diesen partizipatorischen Ansatz wird im Erdgeschoss des Museums ein Raum für eigene Ausstellungen zur Verfügung gestellt, die von den jungen Menschen selbstständig organisiert und geleitet werden. Museumsdirektor Tobia Bezzola, der Initiator dieses Projekts, äußert sich diesbezüglich mit den Worten: „Das ist eine Art Museum im Museum.“[14]
3.3 Angebote über den musealen Kontext hinaus
Neben den zahlreichen Programmen, die sich auf das Museum und seine Funktion, einer „Einrichtung, [...] die zum Zwecke des Studiums, der Bildung und des Erlebens [...] Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt“[15] beziehen, gibt es auch Angebote, die darüber hinaus gehen.
Wie heute in den meisten Museen anzutreffen, verfügt das Folkwang Museum über einen Museumsshop, der auch eine Buchhandlung mit Fachliteratur beinhaltet. Außerdem können Besucher das kulinarische Angebot in Form des museumseigenen CaféRestaurants in Anspruch nehmen. Hervorgehobenen Stellenwert hat zudem ein Studien- und Lesesaal, der der wissenschaftlichen Recherche und akademischen Arbeit der Besucher zur Verfügung gestellt wird. Dabei fungiert das Museum auf ähnliche Weise wie eine Universitätsbibliothek und kann auch unabhängig vom Besuch der Sammlung genutzt werden. Alle Angebote sind, wie das Museum auch, montags geschlossen.[16]
4. Kritische Stellungnahme zu den vorgestellten Maßnahmen
Zweifelsohne ist das Folkwang Museum bemüht, sich an heutige Erwartungen an ein Museum anzupassen und erzielt unter anderem durch die Abschaffung des Eintrittspreises bisher die erhofften Erfolge. Dennoch müssen diese Veränderungen nicht nur auf ihre Chancen, sondern auch auf ihre möglichen Gefahren hin, beleuchtet werden.
4.1 Potential und Risiko des freien Eintritts
Die Besucherzahlen und die Gestaltung der Eintrittspreise stellen die beiden wesentlichen wirtschaftlichen Kennzahlen zur Verbesserung der finanziellen Lage eines Museums dar. Der Verlust der Einnahmen, aufgrund des Wegfalls der Eintrittspreise, bedeutet den Fokus auf die Steigerung der Besucherzahlen zu richten und gleichzeitig andere Einnahmequellen zu erschließen. Darüber hinaus sind finanzielle Unterstützungen von wirtschaftlichen Partnern, sowie staatliche Fördermittel, weiterhin erforderlich.
Durch den kostenfreien Zugang zur Dauerausstellung ist es dem Museum Folk- wang gelungen, die Motivation der Bürger, das Museum aufzusuchen, deutlich zu steigern und mehr spontane Ausstellungsbesucher für sich zu gewinnen. Zugleich kann das Museum seiner Aufgabe als Bildungsstätte in höherem Maße gerecht werden. „Das Museum erfüllt als Ort lebenslangen Lernens einen Bildungsauftrag. Basis hierfür sind seine Sammlungen [,..]“[17] Dennoch birgt sich gerade hier eine Gefahr. Museen steht zunehmend weniger Etat zur Verfügung, und auch die scheinbar großzügige Spende der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung wird in wenigen Jahren ausgeschöpft sein. Somit gerät die Kulturinstitution in eine zunehmende Abhängigkeit. Bereits jetzt bleibt das Museum an einem Wochentag geschlossen, eine Sparmaßnahme, der weitere folgen könnten. Spätestens nach Ablauf der fünf Jahre wird das Museum höchstwahrscheinlich mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert, insofern bis dahin nicht weitere Sponsoren tätig werden. Dieses Szenario ist bereits stellenweise in einigen britischen Museen eingetreten.[18]
Ein weiteres Risiko des kostenfreien Eintritts besteht darin, dass die tragende gesellschaftliche Rolle des Museums als Wahrer von kulturellen und künstlerischen Schätzen an Achtung verliert. Um Zugang zu einem Museum zu erhalten, ist, meiner Meinung nach, die Wertschätzung der Ausstellung und der Arbeit der Museumsprofessionals, in Form eines Eintrittspreises, unumgänglich. Dadurch wird die Entscheidung, ein Museum zu besuchen, ganz bewusst getroffen und auch der Respekt vor der Kunst kann nur gewahrt werden, wenn dafür ein gewisser Preis zu zahlen ist. Der Kauf der Eintrittskarte birgt die nötige symbolische Wertschätzung der Institution und ist daher von großer Bedeutung.
Diesbezüglich ist es angebracht, auf die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Besuchergruppen einzugehen. Besonders für junge Menschen sollte der Eintritt in Museen mit möglichst geringen Zahlungen verbunden sein, da hier der Bildungsauftrag und das Kennenlernen kulturellen Erbes im Vordergrund steht. Studenten sollten ebenfalls keine hohen Kosten aufbringen müssen, da auch ihr Budget begrenzt ist. Berufstätige Erwachsene jedoch, sollten bereits mit der Bedeutung von Kunstschätzen vertraut sein und daher auch gewillt, eine gewisse Summe dafür zu bezahlen. So würde die nötige Wertschätzung des Museums gewahrt werden.
Dieses Konzept wird vom Folkwang Museum bereits bei Sonderausstellungen erfolgreich umgesetzt und könnte in abgeschwächter Form auch auf die Dauerausstellung angewandt werden.
[...]
[1] Vgl. „Das schönste Museum der Welt“ — Museum Folkwang bis 1933, S.9.
[2] Vgl. ebd. S.9, S.11.
[3] Allroggen, Antje: Mehr Besucher durch freien Eintritt.
[4] „Das schönste Museum der Welt“ — Museum Folkwang bis 1933, S. 7.
[5] Vgl. Allroggen
[6] Vgl. Deutsche Presse-Agentur: Eintritt frei! Sammlung von Museum Folkwang ab sofort gratis.
[7] Vgl. Allroggen.
[8] Vgl. Droste, Marvin: Freier Eintritt im Museum Folkwang in Essen wirkt sofort.
[9] Vgl. Deutsche Presse-Agentur.
[10] Vgl. Allroggen.
[11] Homepage des Museum Folkwang (Bildung und Vermittlung, Schulen)
[12] https://www.museum-folkwang.de/de.html
[13] Wuttke, Gabi im Gespräch mit Tobia Bezzola: Freier Eintritt lockt Besucherscharen.
[14] Allroggen
[15] ICOM: Ethische Richtlinien für Museen, 2010, S.29.
[16] Vgl. Homepage des Museum Folkwang
[17] ICOM: Standards für Museen, S.20.
[18] Vgl. Wuttke.