Goethes Drama "Iphigenie auf Tauris“. Die Auffassung von Familie und die mit ihm verknüpften Geschlechtermodelle


Hausarbeit, 2016

13 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.0 - Einleitung

2.0 - Auffassung von Familie
2.1 - Sehnsucht nach der Familie
2.2 - Liebe innerhalb der Familie
2.3 - Geschwisterliebe
2.4 - Innerfamiliäre Gewalt
2.5 - Versöhnung mit der Familie

3.0 - Charakter und Schicksal der Geschlechter

4.0 - Vergleich

5.0 - Harmonie in der Gruppierung der Geschlechter?
5.1 - Einzelstellung von Iphigenie als Frau

6.0 - Fazit

7.0 - Literaturverzeichnis

1.0 Einleitung

Das Familienbild wurde ab dem 18. Jahrhundert einem Paradigmenwechsel unterzogen.[1] Zu dieser Zeit ist die typische Auffassung von Familie die einer Kleinfamilie, die als geschützter Raum gilt und auf Liebe basiert.[2]

In Goethes Drama „Iphigenie auf Tauris“ wird eine Familie dargestellt, die sich im- mer weiter reduziert (entfremdet) und aufgrund eines Fluches durch schwerste Kon- flikte belastet ist. Die innerfamiliären Gebotsübertretungen führen zu einer Verket- tung von furchterregender Gewalt und Gegengewalt, welche motiviert durch Rache, Hass, Konkurrenz- und Machtstreben, im Mord der einzelnen Familienmitglieder gipfeln.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, zu zeigen, welche Auffassung von Familie - und die damit verknüpften Geschlechtermodelle - das Drama transportiert. Dabei wird ausschließlich die Darstellung von Iphigenies Familie untersucht. Thoas’ Familie wird in dieser Hausarbeit nicht berücksichtigt.

Das Familienbild scheint gleich auf den ersten Blick nicht positiv zu sein - und damit ganz anders auszufallen, als der sichere Raum von Bürgerlichkeit, den die zeitgenös- sischen Sozialtheorien als die neue Kernfamilie entworfen haben. Im Zentrum schei- nen hier eher die tödlichen Gefahren zu stehen, die familiäre Bindungen bereithalten. Um die Auffassung von Familie näher bestimmen zu können, werden an ausgewähl- ten Textstellen Wortwahl, Redeanteile, Verhältnis von Aktivität und Passivität sowie Handlungsmacht in Augenschein genommen, wobei der Schwerpunkt auf die Beob- achtung der Wortfelder liegt. Ebenfalls wird der Frage nachgegangen, ob die Famili- enkonflikte gelöst werden und somit das Begehren der Weimarer Klassik nach Ver- söhnung, Harmonie und Gleichgewicht aufgeht.

Frauen gelten in der Weimarer Klassik als abhängig, einem männlichen Beschützer unterworfen, schwach und emotional.[3] Deshalb konzentriere ich mich ebenfalls auf die Fragestellung, welche Auffassung von Charakter und Schicksal der Geschlechter im Drama vermittelt werden und warum Iphigenie eine Einzelstellung als Frau inne- hat.

2.0 Auffassung von Familie

2.1 Sehnsucht nach der Familie

Iphigenies Eingangsmonolog[4] zeigt auf den ersten Blick eine positive Auffassung von Familie. Wörter aus dem Wortfeld Familie, wie z.B. „Eltern“ (V.15), „Geschwis- tern“ (V.15) und „Mitgeborne“ (V.21), treten sehr häufig in Verbindung mit positiven Beschreibungen auf. So bezeichnet Iphigenie die anderen Familienmitglieder nicht nur als solche, sondern als „Geliebte“ (V.10). Andere positive Beschreibungen treten z.B. in Verbindung mit ihrem Zuhause auf, den „Hallen“ (V.18) ihres Vaters. Hier erfolgt eine positive Konnotation ihres Zuhauses einerseits durch die Nomen „Son- ne“(V.19) und „Himmel“(V.20), mit denen man Wärme und Licht verbindet, und an- dererseits dadurch, dass sich die Geschwister „spielend fest aneinander knüpfen“ (V. 21). Die Metapher der „[ge]knüpft[t]en sanften Bande“ (V.22), die Iphigenie benutzt, um ihre liebevolle, enge Beziehung zu ihren Geschwistern zu beschreiben, wird nochmals durch die Steigerung des Adverbs „fest“ (V.21) in ihrer Wirkung verdeut- licht.

Auf den zweiten Blick ist ebenfalls eine negative Schilderung von Familie zu erken- nen, da ein Familienmitglied, nämlich Iphigenie, bereits abgespalten ist, d.h. es wird eine reduzierte Kernfamilie dargestellt. Was Iphigenie von ihrer „geliebten“(V.10) Familie trennt, ist der Ozean (V.10). Neben dem Adverb „brausend“ (V.14) tritt auch anderes Vokabular aus dem Wortfeld des Ozeans auf, wie „Meer“ (V.10), „Ufer“ (V. 11) und „Welle“ (V.13). Das Meer assoziiert man aufgrund seiner hier trennenden Eigenschaft negativ. Diese Negativität lässt sich auch in Iphigenies emotionalem Zu- stand wiederfinden: Nomen wie „Seufzer“ (V.13) und „Gram“ (V.16), sowie Adjek- tive „dumpf“ und „einsam“ aus dem Wortfeld der Trauer zeigen Iphigenies Nieder- geschlagenheit aufgrund der Trennung ihrer Familie sehr deutlich. Auch die Interjek- tion (V.10) und der Ausruf (V.15f.) unterstreichen den Aspekt, dass Iphigenie hier sehr emotional auf ihre (nicht vorhandene) Familie reagiert. Sie vermisst nicht ledig- lich ihre Heimat, sondern sie „sehnt“ (V.12) sich nach ihrer Familie mit Leib und „Seele“ (V.12), welches die Alliteration „mit der Seele suchend“ (V.12) sehr deutlich zeigt.

2.2 Liebe innerhalb der Familie

Das „historisch neue bürgerliche Konzept der auf Liebe begründeten Familie“[5] findet sich ebenfalls in Iphigenies Darstellung ihrer ‚engeren’ Familie wieder, d.h. bezogen auf Agamemnon, Klytämnestra, Elektra, Orest und sie selbst. Das zeigt sich daran, dass in diesem Zusammenhang Wörter rund um das Thema Familie deutlich positiv konnotiert sind. Zum Beispiel beschreibt Iphigenie ihren Vater Agamemnon als einen „vollkommen Mann“ (V.403), sich selbst bezeichnet sie als einen „Erstling der Lie- be“ (V.404f.) und ihren Bruder Orest als den „Liebling“(V.411). Eine wiederkehren- de Metapher ist hier auch das „Band“ (V.331) im Sinne des Familienbands, welches schon in Iphigenies Eingangsmonolog[6] auftaucht und Ausdruck eines engen, liebe- vollen Familienverhältnisses ist. Dass Familie „die zartesten Empfindungen erzeugt“[7], wird ebenfalls deutlich, indem Iphigenie anführt, dass ihre Familie mit Trauer an sie denke[8], wodurch sie der Familie bzw. ihren Familienmitgliedern positi- ve Eigenschaften wie Mitgefühl und Sehnsucht zuschreibt. Auch dadurch, dass sie davon ausgeht, dass ihre Rückkehr nach Hause für ihre Familie neue Lebenskraft zur Folge hätte[9], verdeutlicht die positive Auffassung von Familie.

2.3 Geschwisterliebe

Das auf Liebe basierende Familienkonzept findet sich ebenfalls in der Geschwister- liebe zwischen Orest und Iphigenie wieder. Iphigenie wertschätzt ihre Geschwister, was sich durch rege Verwendung von Wörtern aus dem Wortfeld des Wertvollen, wie z.B. „Segenskränze“ (V.1098), „Gaben“ (V.1101), „Reichtum“ (V.1102) und „Geschenken“ (V.1104), ausdrückt. Iphigenie ist voller positiver Gefühle, als sie erfährt, dass ihre beiden Geschwister noch leben. Ihre Glücksgefühle werden durch die Verwendung von Wörtern aus dem Wortfeld der positiven Gefühle, wie z.B. „Dank“ (V.983), „schöne Freude“ (V.987), „Hoffnung“ (V.996, V.997), „Glück“ (V.1115) und „Liebe“ (V.1157) nochmals besonders betont.

[...]


[1] Vgl. Kost, Jürgen: Wilhelm von Humboldt. Weimarer Klassik. Bürgerliches Bewusstsein. Kulturelle Entwürfe in Deutschland um 1800. Würzburg: Verlag Königshauses & Neumann GmbH 2004. S.102.

[2] Ebd. S.101.

[3] Vgl. Möller, Helmut: Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert. Verhalten und Gruppenkultur. Berlin: Walter de Gruyter & Co1969. S.18.

[4] Vgl. von Goethe, Johann Wolfgang: Iphigenie auf Tauris. Paderborn: Ferdinand Schöningh 2000. Aufzug I, Auftritt 1.

[5] Vgl. Kost, Jürgen: Wilhelm von Humboldt. Weimarer Klassik. Bürgerliches Bewusstsein. Kulturelle Entwürfe in Deutschland um 1800. Würzburg: Verlag Königshauses & Neumann GmbH 2004. S.101.

[6] Vgl. von Goethe, Johann Wolfgang: Iphigenie auf Tauris. Paderborn: Ferdinand Schöningh 2000. Aufzug I, Auftritt 1.

[7] Vgl. Kost, Jürgen: Wilhelm von Humboldt. Weimarer Klassik. Bürgerliches Bewusstsein. Kulturelle Entwürfe in Deutschland um 1800. Würzburg: Verlag Königshauses & Neumann GmbH 2004. S.101

[8] Vgl. von Goethe, Johann Wolfgang: Iphigenie auf Tauris. Paderborn: Ferdinand Schöningh 2000. V. 457f..

[9] Vgl. von Goethe, Johann Wolfgang: Iphigenie auf Tauris. Paderborn: Ferdinand Schöningh 2000, V. 462.

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Details

Titel
Goethes Drama "Iphigenie auf Tauris“. Die Auffassung von Familie und die mit ihm verknüpften Geschlechtermodelle
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
1,3
Jahr
2016
Seiten
13
Katalognummer
V344839
ISBN (eBook)
9783668346758
ISBN (Buch)
9783668346765
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Iphigenie, Weimarer Klassik, Goethe, Iphigenie auf Tauris, Familie, Geschlechtermodelle
Arbeit zitieren
Anonym, 2016, Goethes Drama "Iphigenie auf Tauris“. Die Auffassung von Familie und die mit ihm verknüpften Geschlechtermodelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/344839

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