Spanisch basierte Kreolsprachen. Palenquero, Chabacano und Papiamento


Hausarbeit, 2014

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Palenquero
2.1 Neuere Sprachgeschichte
2.2 Normierung
2.3 Sprachpolitik
2.4 Sprachkontakt
2.5 Soziolinguistik

3. Chabacano
3.1 Neuere Sprachgeschichte und Sprachpolitik
3.2 Normierung
3.3 Sprachkontakt
3.4 Soziolinguistik

4. Papiamento
4.1 Neuere Sprachgeschichte und Sprachpolitik
4.2 Normierung
4.3 Sprachkontakt
4.4 Soziolinguistik

5. Fazit

6. Bibliographie

1. Einleitung

Weltweit existieren drei spanisch basierte Kreolsprachen: das Palenquero, das eine Minderheitensprache in Kolumbien darstellt, das Chabacano, welches den Oberbegriff für die auf den Philippinen verwendeten Varietäten bildet, und das Papiamento, das auf den ABC- Inseln gesprochen wird. Die kleinste Sprachgemeinschaft der drei Kreolsprachen bildet das Palenquero mit seinen 4.000 Sprechern (Bartens 1995: 268), wohingegen die Varietäten des Chabacano ungefähr 500.000 (Franziska Arndt 2011: 46) und die des Papiamento etwa 300.000 Sprecher umfassen (Kramer 2004: 7). Angesichts dieser geringen Zahlen, gerade in Bezug auf das Palenquero, welches als besonders gefährdet gilt, muss „ihre Zukunft als unsicher angesehen werden“ (Pfleiderer 1998: 5). Aufgrund dieses Umstands existieren viele Revitalisierungsversuche, die von den Mitgliedern der Sprachgemeinschaft, Linguisten, Politikern und anderen Persönlichkeiten und Gruppierungen durchgeführt werden, um einem eventuellen Sprachtod entgegenzuwirken (Pfleiderer 1998: 5).

Im Folgenden soll nun eine Betrachtung der neueren Sprachgeschichte dieser drei spanisch basierten Kreolsprachen stattfinden. Dabei werden die Versuche und Umsetzung ihrer Normierung und die damit verbundene Sprachpolitik näher analysiert. Weitere wichtige Aspekte bilden diesbezüglich der Sprachkontakt, hier beispielsweise das Code-Switching, und dessen Einfluss auf die Minderheitensprachen und die Soziolinguistik.

Die Quellenlage zum Gegenstand dieser Arbeit ist sehr ergiebig. Eine Vielzahl der Bibliotheken Berlins und Brandenburgs, insbesondere das Iberoamerikanische Institut, bieten einen weit gefächerten Korpus an Literatur an.

Grundlegend für die Untersuchung der Lengua Palenquera ist die Magisterarbeit Sprachtod und Revitalisierung der spanisch basierten Kreolsprache Palenquero (Kolumbien) von Bettina Pfleiderer, da sie sich eingehend mit allen in dieser Arbeit zu analysierenden Parametern befasst. Die Verwendung der Magisterarbeit Das Chabacano als spanisch basierte Kreolsprache - Forschungsgeschichte und Stand der Forschung von Franziska Arndt und die Publikation Die Iberoromanische Kreolsprache Papiamento von Johannes Kramer begründet sich unter anderem darin, dass es sich hierbei um die neuesten und vollständigsten Werke zu den beiden Kreolsprachen handelt.

2. Palenquero

2.1 Neuere Sprachgeschichte

Die spanisch basierte Lengua Palenquera ist eine Kreolsprache „de base léxica española […] con características morfosintácticas de lenguas autóctonas del continente africano, específicamente de la familia lingüística Bantú” (Ministerio de Cultura 2002: 29), die in der Sprachgemeinschaft des Dorfes San Basilio de Palenque in Kolumbien gesprochen wird. Von den 10.000 Palenqueros leben zurzeit ungefähr 3.500 Einwohner im Dorf (UNESCO: The Cultural Space of Palenque de San Basilio), von denen wiederum weniger als die Hälfte die Sprache aktiv beherrscht (Romero 2007). Zudem lässt sich hier eine Verringerung der Sprecherzahlen verzeichnen (Pfleiderer 1998: 85). Bereits Jahrzehnte zuvor prognostizierten Linguisten wie Carlos Patiño Roselli diesen Rückgang in der Sprachverwendung. Selbiger hielt es auch für wahrscheinlich, „da[ss] das Palenquero innerhalb der nächsten Generationen aussterben würde” (Pfleiderer 1998: 85).

Bedingt durch seine isolierte Lage bestand Jahrhunderte lang nur wenig Kontakt zwischen den Sprechergemeinschaften Kolumbiens und den Palenqueros. Seit Anfang der 20er Jahre änderte sich diese Situation, da vermehrt Arbeiter auf den Plantagen außerhalb des Dorfes gesucht wurden, womit eine „[M]igration der Dorfbewohner stimuliert“ (Pfleiderer 1998: 86) wurde. Ein weiterer wichtiger Faktor war der Anschluss an die kolumbianische Infrastruktur mit dem Bau einer Straße als Anbindung an die nahe gelegene Großstadt Cartagena de Indias, der ab 1956 begann. Wirtschaftlichen Fortschritt erlangte das Dorf des Weiteren durch Antonio Cervantes, einem im Dorf geborenen, bekannten Boxer, der im Jahre 1972 den Weltmeistertitel gewann. Er sorgte für die finanziellen Mittel, um San Basilio de Palenque an das Elektrizitätsnetz anzuschließen. Mit den Kommunikationsmedien kam es schließlich zur endgültigen Verbindung zur Außenwelt (Pfleiderer 1998: 86).

2.2 Normierung

Eine Verschriftung der von der oralen Tradition1 geprägten Sprache fand mit dem Linguisten Patiño Rosselli statt, die „Anfang der 90er Jahre […] in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Programa de Etnoeducaci ó n [[2]]” (Pfleiderer 1998: 136) vorangetrieben wurde. Dem Forschungsstand der Magisterarbeit von Martina Pfleiderer zufolge wurde das Schriftsystem im Jahre 1998 bereits vier Jahre im Unterrichtsfach Palenquero an den Schulen verwendet (1998: 136).

Die Idee der Entwicklung eines solchen Systems wurde von den Mitgliedern des Programa de Etnoeducaci ó n initiiert. Des Weiteren lässt sich konstatieren, dass die Dorfbewohner selbst ein Interesse an einer Verschriftung ihrer Sprache zeigten, um dem eventuell bevorstehenden Niedergang derselben entgegenzuwirken (Pfleiderer 1998: 136). Auf der anderen Seite gab es jedoch auch einige Dorfbewohner, die sich gegen die Entstehung eines Schriftsystems aussprachen, da sie die „Funktion [des Palenquero] im Dorf geringschätz[t]en und daher seine Verschriftung als nicht lohnenswert erachte[te]n” (Pfleiderer 1998: 136).

Die funktionale Ausrichtung des Schriftsystems bezieht sich, so Pfleiderer, fast ausschließlich auf das Unterrichtsfach Palenquero. Weiterhin existieren zum Teil einzelne Artikel, die in einer Tageszeitung publiziert werden (Pfleiderer 1998: 137).

Dieses Schriftsystem weist eine große Ähnlichkeit zum spanischen System auf, denn,

[a]ngesichts der von Fishman vertretenen These, da[ss] für die Akzeptanz eines Schriftsystems der Gebrauch der Schrift gesellschaftlich so lohnenswert sein mu[ss], da[ss] die Benutzer für den Aufwand, die Schrift zu erlernen, entschädigt werden [...], liegt der Umkehrschluss nahe, da[ss] bei einem in der Gesellschaft funktional sehr begrenzten Schriftsystem der Lernaufwand so gering wie möglich gehalten werden sollte, um die Motivation der Lernenden nicht zu beeinträchtigen (Pfleiderer 1998: 138).

Allerdings handelt es sich bei dem von Patiño Rosselli erstellten Schriftsystem in keiner Weise um eine Normierung der Schriftsprache, da es einen vorläufigen „Entwurf des Alphabets und der Orthographie des Palenquero“ (Pfleiderer 1998: 138) darstellt, „dessen Vor- und Nachteile erst in der praktischen Anwendung überprüft werden müssen“ (Pfleiderer 1998: 144). Zusätzliche Ansätze in Richtung einer Normierung des Palenquero finden sich bei Linguisten wie Rutsely Simarra Obeso, die in San Basilio de Palenque geboren wurde und im Jahr 2007 an einem Lexikon arbeitete. Andere Linguisten trieben gleichzeitig die Publikation eines Wörterbuchs für den Gebrauch in Schulen voran.

2.3 Sprachpolitik

Das Programa de Etnoeducaci ó n wurde 1978 vom kolumbianischen Erziehungsministerium initiiert. Zunächst bezog sich dessen Durchführung lediglich auf die Comunidades Ind í genas und wurde dann mit der Eingliederung der Comunidades Negras erweitert (Pfleiderer 1998: 96). Das Programm setzt sich die

Stärkung der Identität dieser Bevölkerungsgruppe sowie [...] [die] Durchsetzung ihrer Rechte als ethnische Gruppe [zum Ziel]. [...] [Des Weiteren befasst sich] der Bereich Etnoeducaci ó n [...] überwiegend mit den für die ethnische Identität relevanten Erziehungs- und Bildungsfragen und ist, seit der staatlichen Anerkennung im Jahre 1994, fester Bestandteil des kolumbianischen Bildungssystems (Pfleiderer 1998: 29).

Grundlegend war die Idee, „dass die einzelnen Mitglieder einer ethnischen Gruppe bereits in der Schule Zugang zu Bildung haben sollten, deren Inhalte sich nicht ausschließlich auf die nationalen Werte Kolumbiens konzentrieren, sondern auch die kulturspezifischen Kenntnisse der Comunidades Negras vermittelt“ (Lipp 2011: 29). Im Jahre 1989 wurde die Lengua Palenquera dann schließlich als offizielles, staatlich anerkanntes Unterrichtsfach in einer der Grundschulen und der Oberschule des Dorfes eingeführt (Pfleiderer 1998: 99).

Weitere Unterstützung erfuhr die Sprechergemeinschaft durch die neue kolumbianische Verfassung von 1991, da einige bedeutende Artikel die weitere Emanzipation der Sprache forcierten. So besagt der Artikel 7: „El Estado reconoce y protege la diversidad étnica y cultural de la nación colombiana“ (Zimmermann 1997: 394). Der Artikel 10 beinhaltet den „kooffiziellen Status“ (Zimmermann 1997: 394) der neben dem Kastilischen in Kolumbien existierenden Sprachen und Dialekte: „El castellano es el idioma oficial de Colombia. Las lenguas y dialectos de los grupos étnicos son también oficiales en sus territorios. La enseñanza que se imparta en las comunidades con tradiciones lingüísticas propias será bilingüe“ (Zimmermann 1997: 394). Mit diesem Artikel wurde nun auch das Unterrichtsfach Palenquero konstitutionell bestätigt. Mit der Inklusion der zuvor genannten Artikel „fand eine umfassende Anerkennung der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Vielfalt Kolumbiens auf Verfassungsbasis statt“ (Lipp 2011: 31).

2.4 Sprachkontakt

Lange Zeit nahm die Forschung an, dass die Lengua Palenquera eine dialektale Varietät des Spanischen darstellt (Montes 1962: 450). Erstmalig negiert wurde diese Annahme von Germán de Granda, gefolgt von Dereck Bickerton und Aquiles Escalante, die das Palenquero 1970 als spanisch basierte Kreolsprache identifizierten (Pfleiderer 1998: 67). Dem Forschungsstand der Magisterarbeit von Bettina Pfleiderer folgend, gab es bis zum Jahr 1998 „keine umfangreichen [empirischen] Erhebungen [...] [zum Verhältnis der Gemeinsprache Kastilisch und dem Palenquero] oder auch allgemein zur Sprachwahl und Domänenverteilung“ (1998: 74). Weiterhin führt sie an, dass Linguisten wie Germán de Granda deklarieren, da[ss] über 75 % der Sprecher sowohl das Palenquero als auch die Superstratsprache beherrschen, die Sprache in der Funktion einer Gruppensprache verwendet wird, die Superstratsprache homogen ist und ein diglossisches Verhältnis zwischen den beiden Sprachen mit einer Tendenz zur Herausbildung eines postkreolischen Kontinuums vorliegt (Pfleiderer 1998: 75).

Ferner konstatiert Pfleiderer, dass Armin Schwegler bereits 1991 feststellte, und damit mit den Aussagen von Dereck Bickerton und Aquiles Escalante übereinstimmte, da[ss] die vielen spanischen Elemente im Palenquero eher durch Codeswitching als durch Interferenzen oder Entlehnungen zustande kommen, die beiden Varietäten im Bewu[ss]tsein der Sprecher klar voneinander getrennt werden und somit eher eine Diglossie als ein postkreolisches Kontinuum vorliegt (Pfleiderer 1998: 75).

Laut Pfleiderer ist es durchaus mit Schwierigkeiten verbunden, Dekreolisierungserscheinungen ausfindig zu machen, da Phänomene wie Code-Switching, Interferenz, Entlehnung und Dekreolisierung nicht immer klar voneinander abzugrenzen sind. Beim Code-Switching, beispielsweise, kommt es nicht zu einer Veränderung der Sprache. Dahingegen können Interferenzen eine Angleichung an die Basissprache sein. Nach Pleiderer weist Armin Schwegler ebenso darauf hin, dass Interferenzen und Entlehnungen nicht immer eine Dekreolisierung zur Folge haben (1998: 75).

Ein weiteres Kriterium, das die „Einschätzung des Dekreolisierungsstadiums des Palenquero“ (Pfleiderer 1998: 76) erschwert, sind die fehlenden Belege für eine diachrone Entwicklung. Somit können sich Annahmen über eine Angleichung an die Basissprache immer nur „auf einen nicht mehr rekonstruierbaren und somit weitestgehend hypothetischen basislektalen Zustand des Palenquero beziehen“ (Pfleiderer 1998: 77).

Schlussfolgernd ist festzuhalten, dass die Mehrzahl der Linguisten das Verhältnis zwischen der Lengua Palenquera und der Gemeinsprache Kastilisch als diglossisch bezeichnet. Diese Diglossie soll bereits seit dem 18. Jahrhundert oder früher bestehen (Bartens 1995: 268). Jedoch herrscht kein „gleichzeitig[...] kollektive[r] Bilinguismus in der komplementären Domänenverteilung der beiden Sprachen“ (Pfleiderer 1998: 76) vor. Laut Pfleiderer verfügte „[d]as Palenquero [im Jahre 1998] über keine eigenständigen Domänen mehr, da das Spanische sukzessiv in alle ehemals dem Palenquero vorbehaltenen Domänen vorgestoßen ist“ (1998: 76-75).

Kontaktphänomen Code-Switching

Der Annahme eines diglossischen Verhältnisses zwischen dem Kastilischen und der Lengua Palenquera folgend, kamen die Linguisten Armin Schwegler und Thomas Morton in ihren Forschungen zu der folgenden Schlussfolgerung:

Elders maintain, no doubt correctly so, that during their lifetime code-switching has always been intense, thus constituting one of the major hallmarks of Palenquero speech. So common is the almost constant inter- and intrasentential back and forth between the two codes that, among elders (age 40 or more), monolingual discourse is the exception rather than the norm. […] A significant aspect of bilingualism in Palenque is, however, that Spanish and creole are thought of as two different distinct codes, and that as such speakers seek to keep them nearly separate from each other. […] It should be noted, however, that neither speakers nor listener(s) generally seem aware of intrasententential code switches (2003: 119).

Weiterhin betonen Armin Schwegler und Thomas Morton, dass in der Kommunikation der jüngeren, eher monolingualen Generationen das Code-Switching kaum noch vorhanden ist (2003: 119), weshalb sie allenfalls dazu neigen typische kreolische Wörter oder Phrasen wie „¿ta kuchá? ‘did you hear/understand [what I said]?’” (2003: 119) zu verwenden. “Die Einbindung dieser Segmente, dieser Überzeugung sind die Forscher, dienen einem außerlinguistischen Zweck, wie beispielsweise der Interaktion in einer humorvollen Situation oder in einer ethno-linguistischen Identifikationssituation“ (Lipp 2011: 15).

Die Linguisten kommen schließlich zu der Erkenntnis, dass die Forschung kaum Möglichkeiten bietet, eindeutige Merkmale des Code-Switching im Palenquero festzumachen:

[...]


1 Die Palenqueros bilden eine oral-visuelle Gemeinschaft, die von der mündlichen Überlieferung, auch als Oralität bezeichnet, geprägt ist. Vgl. Schwegler und Morton 2003: 115.

2 Das Programa de Ethnoeducaci ó n wird in Kapitel 2.3. näher erläutert.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Spanisch basierte Kreolsprachen. Palenquero, Chabacano und Papiamento
Hochschule
Universität Potsdam  (Romanistik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
25
Katalognummer
V345108
ISBN (eBook)
9783668348714
ISBN (Buch)
9783668348721
Dateigröße
632 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
spanisch, kreolsprachen, palenquero, chabacano, papiamento
Arbeit zitieren
Anne Lipp (Autor:in), 2014, Spanisch basierte Kreolsprachen. Palenquero, Chabacano und Papiamento, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345108

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