Gott spielen oder Humanität zeigen? Die Sterbehilfe im Spiegel der Religionen


Term Paper, 2013

22 Pages, Grade: 2,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung

3. Formen der Sterbehilfe
a. Aktive Sterbehilfe
b. Passive Sterbehilfe
c. Reine Sterbehilfe

4. Geschichtliche Entwicklung der Argumentation für und gegen die Sterbehilfe

5. Religion und Sterbehilfe - das geht nicht?!
a. Christentum
b. Judentum
c. Islam
d. Buddhismus

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“,

lautet der erste Satz unseres Grundgesetzes. Er beinhaltet einerseits, dass der Staat dem Einzelnen einen privaten Bereich zugesteht und in diesen nur mit Erlaubnis eingreifen darf und zum anderen ist der Staat verpflichtet, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Würde des Einzelnen zu schützen. Darunter fällt auch das „dafür Sorge tragen, dass dem Einzelnen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht wird.“1 Aber was heißt „menschenwürdiges Leben“ und wann kann man von einem „menschenunwürdigen Leben“ sprechen? Im Nationalsozialismus sprach man von „lebensunwertem Leben“ und bezeichnete so vor allem geistig und körperlich behinderte Menschen. Diese waren dem in ihren Augen dazu bestimmt zu sterben. Das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten forderte das Leben von tausenden behinderten Kindern, Erwachsenen und Alten. Nicht zuletzt hat dieser dunkle Abschnitt der deutschen Geschichte dazu beigetragen, dass die aktive und passive Sterbehilfe in Deutschland heiß diskutiert wird. Solche Geschehnisse zeigen uns immer wieder, wie wertvoll das Leben ist und wie leicht es einem genommen werden kann. Doch was ist, wenn man genau diesen Wunsch hat? Was ist, wenn dein eigenes Leben durch beispielsweise eine schwere, unheilbare Krankheit von Leid und Schmerz geprägt ist und dein einziger Wunsch der Tod ist, um von deinem Leiden erlöst zu werden? Der Mensch hätte in diesem Fall zwei Möglichkeiten: den Suizid und die Sterbehilfe. Beide Möglichkeiten werden auf kultureller, religiöser und philosophischer Ebene unterschiedlich bewertet. Der Suizid soll in der vorliegenden Arbeit nicht weiter betrachtet werden, da dies den Rahmen der Modularbeit überschreiten würde, deshalb konzentriert sie sich auf die verschiedenen Formen der Sterbehilfe.

Hierzu wird zunächst auf den zentralen Begriff dieser Arbeit eingegangen: ‚Sterbehilfe‘, um einen Arbeitsbegriff zu schaffen, auf den sich im weiteren Verlauf der Arbeit bezogen werden kann. Anschließend folgt ein kurzer geschichtlicher Abriss über Entwicklung zur Debatte der Sterbehilfe, denn diese Problematik ist keinesfalls eine Erfindung der modernen Gesellschaft.

Daran schließen sich Positionen von den fünf Weltreligionen an: Christentum, Judentum, Islam und Buddhismus. Dabei stellt sich stets die Frage, ob Sterbehilfe als ‚Gott spielen‘ oder als Zeichen von Humanität und Mitleid gesehen werden kann. Es soll geklärt werden, welche Religionen sich konkret gegen Sterbehilfe aussprechen und welche in ihren Geboten und Riten Platz für diese Praktik lassen.

In erster Linie wurden die zentralen Schriften der jeweiligen Religion untersucht. Da sich die Diskussion zur Sterbehilfe jedoch auch auf der Grundlage moderner medizinischer Möglichkeiten und gesellschaftlichen Fragen entwickelt hat, wird es schwierig sein, in den historischen Schriften, konkrete Anhaltspunkte zu finden. Deshalb werden auch zeitgenössische Beiträge und Schriften von Glaubensträgern zur Untersuchung der Fragestellung herangezogen, sowie Monografien und Aufsätze von Religionswissenschaftlern u. A.

2. Begriffsbestimmung

Betrachtet man die Sterbehilfe, tauchen noch andere Begriffe in diesem Zusammenhang auf. So beispielsweise ‚Sterbebegleitung‘ und ‚Euthanasie‘. Vordergründig ist die Sterbehilfe von der Sterbebegleitung zu unterscheiden. Die Sterbehilfe bezeichnet das Herbeiführen des Todes2 eines Menschen, durch eine aktive Handlung oder die Unterlassung gewisser Maßnahmen. Die Sterbebegleitung dagegen beinhaltet ‚nur‘ das Beistehen während des Sterbens, wobei der Zeitpunkt des Todes durch die Anwesenheit des Begleitenden nicht (vordergründig und auf medizinische Weise) beeinflusst wird. Der Begriff Euthanasie wird in der Literatur oft als Synonym für Sterbehilfe verwendet. Dieser stammt aus dem griechischen Sprachgebrauch (euthanatos) und bedeutet „guter Tod“.3 Jedoch findet er in der heutigen Zeit, besonders im deutschsprachigen Raum, aufgrund der geschichtlichen Prägung durch Adolf Hitlers Euthanasie-Programm, kaum noch Verwendung.4 In der vorliegenden Modularbeit werden beide Begriffe synonym verwendet.

Da die Abgrenzung dieser drei Begriffe nicht ausreicht, um die Sterbehilfe in ihrer Gesamtheit zu erfassen, behandelt der nächste Abschnitt die verschiedenen Formen der Sterbehilfe noch einmal genauer.

3. Formen der Sterbehilfe

Spricht man heute von Sterbehilfe, so umfasst diese die unterschiedlichen medizinischen Maßnahmen, welche zur Beendigung des Lebens eines (meist) Schwerkranken oder im Sterben Liegenden genutzt werden. In Deutschland unterscheidet man drei Formen von Sterbehilfe: aktive Sterbehilfe, passiveSterbehilfe und die reine Sterbehilfe. Die aktive Sterbehilfe und die Beihilfe zum Selbstmord werden in Deutschland vom Gesetzgeber bestraft.

a) Aktive Sterbehilfe

Die aktive Sterbehilfe (oder auch Tötung auf Verlangen) bezeichnet die gezielte Verkürzung des Lebens eines Patienten, um ihm weiteres Leiden ersparen zu können. Hierbei kommt es durch die Tätigkeit (Aktivität) einer zweiten Person bzw. eines Arztes und einer lebensbeendende Substanz zum Tod des Patienten, d.h. der Patient wird durch das Handeln des Arztes getötet. Dies kann auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten, zum Beispiel durch eine Patientenverfügung oder gegen den Willen der betreffenden Person geschehen, wobei dieses Vorgehen als Mord oder Totschlag gilt.5 In allen Fällen ist die aktive Sterbehilfe in Deutschland verboten und wird strafrechtlich verfolgt. Auf europäischer Ebene ist sie in den Niederlanden (seit 01.04.2002), Belgien (seit 23.09.2002) und Luxemburg (seit 17. März 2009) jedoch erlaubt. Um aktive Sternhilfe zu bekommen, müssen die Patienten ihren Wunsch frei und ohne Druck äußern können sowie sich in einer, aus medizinscher Sicht, ausweglosen Situation befinden, d. h. unheilbar krank sein. 2014 wurde in den Niederlanden das Mindestalter von 18 Jahren abgeschafft, weshalb nun auch schwerkranke Minderjährige den Wunsch zu sterben äußern können.6

Die aktive Sterbehilfe wird noch einmal in ‚Beihilfe zur Selbsttötung‘ und ‚indirekte Sterbehilfe‘ unterteilt werden. Die Beihilfe zur Selbsttötung setzt keine Aktivität des Arztes beim Tötungsakt voraus, vielmehr gibt er eine Hilfestellung beispielsweise durch das zur Verfügung stellen des tödlichen Medikaments. Der Patient ist somit selbst in der Verantwortung für seinen Tod. Die deutsche Gesetzgebung verbietet diese Form der Sterbehilfe nicht explizit.7

Bei der indirekten Sterbehilfe wird der Tod des Patienten in Kauf genommen, ist jedoch nicht das Ziel der Behandlung. Auch hier muss ein ausdrücklicher Wille des Patienten vorliegen, dass dieser die Folgen der (sinnvollen) Therapie - also den Tod, in Kauf nimmt. Man spricht in diesem Fall vom ‚Prinzip der Doppelwirkung‘.8

b) Passive Sterbehilfe

Passive Sterbehilfe wird geleistet, wenn lebensverlängernde Maßnahmen für einen Patienten nicht angewandt oder beendet werden, also ein Therapieverzicht oder -abbruch. Anders als bei der aktiven Sterbehilfe erfolgt hier nicht die geplante Tötung des Patienten, sondern er erliegt seiner Krankheit und stirbt auf natürlichem Weg ohne Fremdeinwirkung. In Deutschland ist die Form der Sterbehilfe nicht verboten, dennoch wird sie zwiespältig betrachtet.9

c) Reine Sterbehilfe

Die reine Schmerz- und Symptombehandlung im Falle einer schweren Krankheit, welche kein frühzeitiges Ableben des Patienten herbeiführt, bezeichnet man als reine Sterbehilfe. So gesehen ist es die humane Begleitung in den Tod, wie man sie aus Hospizen kennt. Diese Form der Sterbehilfe ist in Deutschland ethisch und rechtlich vorgeschrieben, sofern sie nicht gegen den Willen des Patienten angewandt wird.10

4. Geschichte der Sterbehilfe

Der hier dargestellte geschichtliche Abriss konzentriert sich, bezugnehmend auf die Fragestellung der Modularbeit, vorranging auf die Entwicklungen in Deutschland.

Der Tod ist etwas, mit dem sich die Menschen seit Anbeginn der Zeit beschäftigen müssen, denn, so paradox es auch klingen mag, er ist ein Teil des Lebens. Dennoch ist der Tod bis heute etwas, das vielen Menschen Angst macht, da er (meist) unerwartet eintritt und man nicht genau sagen kann, was danach passiert. Viele wünschen sich einen schnellen und vor allem schmerzfreien ‚guten Tod‘.

Der Begriff ‚euthanatos‘ stammt aus der Dichtkunst des alten Griechenlands und beschreibt den ‚guten Tod‘, welcher später als ‚Euthanasia‘ (ehrwürdiger oder rechter Tod) in den allgemeinen Sprachgebrauch aufgenommen wurde. Beide Begriffe beschreiben einen Tod ohne Leiden. In der Antike gab es keine konkreten rechtlichen Regelungen zur Praxis der Sterbehilfe.11 Aus den Aussagen antiker Philosophen wie Phytagoras, Platon und Aristoteles lassen sich dennoch Ansichten zur Sterbehilfe ableiten.12

In der stark christlichen Gesellschaft zwischen Mittelalter und Neuzeit ging es vorrangig um die geistliche Begleitung des Sterbenden, um ihn durch christliche Lehren zu einer „glückseligen Sterbestunde“13 zu verhelfen, als um das frühzeitige Herbeiführen seines Todes. Francis Bacon bringt um 1620 erstmals den Begriff der Euthanasie mit der Medizin in Verbindung. Er fordert eine aktive Begleitung des Sterbenden in den Tod durch den Arzt mittels Gabe von Medikamenten.14 Damit stieß er natürlich auch auf Widerstand, da seine Ansicht klar dem christlichen Weltbild widersprach.

Mittlerweile waren die anfänglichen Überlegungen zur Sterbehilfe in allen Bereichen angelangt (Philosophie - Religion - Medizin). Für viele Mediziner war und ist die Sterbehilfe ein klarer Verstoß gegen den Hippokratischen Eid15. Der Patient vertraue auf den Arzt und dieser sei somit in der Pflicht, auch Unheilbarkranke weiter zu behandeln und nicht nur ihre Schmerzen zu lindern.16 Zur Mitte des 19. Jahrhunderts breitete sich der Diskurs zur Sterbehilfe auch auf andere Bereiche der Wissenschaft aus. Immer häufiger sprach man im Sozialdarwinismus und der Eugenik von der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Den Grundstein legte Darwin mit seiner These, dass eine natürliche Auslese der Schwachen stattfände und nur die Starken überleben und sich fortpflanzen würden.17 Ernst Haeckel greift Darwins These auf und bezieht diese auf die menschliche Rasse. Er mied zunächst eine konkrete Äußerung zur Tötung von ‚schwachen Menschen‘, bis zur Veröffentlichung seines Buches Die Lebenswunder von 1904. Hier spricht sich Haeckel eindeutig für die Euthanasie auch an Kindern aus. Alexander Tille ging noch einen Schritt und forderte eine Fortpflanzungsbegrenzung von Schwachen (Sozialeuthanasie). Beide ebneten damit den Weg der Eugenik, in der Alfred Ploetz auf deutschem Boden als Vorreiter gesehen werden kann. Mit Haeckel, Tille und Ploetz wurde ein Bild der ‚degenerierten Gesellschaft‘ geschaffen.18 Dem müsse man zum einen durch die Begrenzung der Fortpflanzung von Erbkranken und zum anderen durch die Förderung zur Vermehrung von ‚gesundem‘ Erbgut entgegen wirken, so Ploetz. Daran an schließt sich Friedrich Nietsche mit seiner zweigeteilten Gesellschaft in lebenswert und lebensunwert.19 20 Mit der Veröffentlichung von Die Freigabe zur Vernichtung lebensunwerten Lebens von Karl Binding und Alfred Hoche wird ein bis dahin bestehendes Tabu gebrochen. Binding und Hoche sprechen sich in ihrem Werk eindeutig für die aktive Sterbehilfe an geistig und körperlich behinderten Erwachsenen und Kindern (!) aus.21

[...]


1 Schlüter, Herrmann: Menschenwürde, 2014. URL: http://www.rechtslexikon.net/d/menschenwuerde/menschenwuerde.htm [03.02.2016]

2 Der Tod markiert das Ende des Sterbeprozesses. Dabei kommt es zum vollständigen Erliegen der Lebensfunktionen des Körpers. So lautet die medizinische Bezeichnung des Todes. Kulturelle, philosophische und religiöse Ansichten können davon jedoch abweichen. (Vgl.: Universallexikon. Bd. 5. S. 208).

3 Benzenhöfer: Der gute Tod?. 2009, S.9

4 Schöne - Seifert: Grundlagen der Medizinethik. 2007. S. 111 - 114.

5 Ebd. S. 34.

6 Hannemann, Jana: Diese Staaten erlauben aktive Sterbehilfe, 06.19.2015. URL: http://www.morgenpost.de/politik/article205982205/Diese-Staaten-erlauben-aktive- Sterbehilfe.html [14.04.2016]

7 Schöne-Seifert: Grundlagen der Medizinethik. 2007. S. 114.

8 Oduncu: In Würde sterben. 2007, S. 33

9 Ebd.

10 Oduncu: In Würde sterben. 2007, S. 33

11 Benzenhöfer: Der gute Tod?. 2009, S. 13-20.

12 Eibach: Sterbehilfe - Tötung aus Mitleid?. 19982. S. 15. Siehe dazu auch: Benzenhöfer: Der gute Tod?. 2009, S. 21-30.

13 Ebd. S. 54.

14 Ebd. S. 58-62.

15 Vgl.: Benzenhöfer: Der gute Tod?. 2009, S.34ff.

16 Ebd. S. 67.

17 Ebd. S. 70.

18 Ebd. S. 75-78.

19 Eibach: Sterbehilfe - Tötung aus Mitleid?. 19982, S. 18f.

20 Nietzsche, der noch Ende des 19. Jahrhunderts propagierte, welchen Nutzen und welche Vielfalt „entartete Naturen“ der Gesellschaft bringe, äußerte sich damit eindeutig positiv in Bezug auf die Auslese von Schwachen und Kranken zum ‚Wohle‘ der Gemeinschaft.

21 Siehe dazu: Binding, Karl / Hoche, Alfred: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form. Leipzig 1920.

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Details

Title
Gott spielen oder Humanität zeigen? Die Sterbehilfe im Spiegel der Religionen
College
University of Potsdam  (Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde)
Course
Modularbeit
Grade
2,3
Author
Year
2013
Pages
22
Catalog Number
V345537
ISBN (eBook)
9783668353824
ISBN (Book)
9783668353831
File size
618 KB
Language
German
Keywords
Sterbehilfe, Christentum, Islam, Religion, Euthanasie
Quote paper
Sabrina Kummer (Author), 2013, Gott spielen oder Humanität zeigen? Die Sterbehilfe im Spiegel der Religionen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345537

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