Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Vorstellung und Begründung für die Wahl des Themas
1.1. Aufbau der Arbeit
2. Untersuchung verschiedener Lexikonartikel
2.1. Zusammenfassung
3. Metapherntheorien
3.1. Die Substitutionstheorie des Aristoteles
3.2. Andere Theorien
3.2.1. Max Black
3.2.2. Roman Jakobson
3.2.3. Harald Weinrich
4. Exkurs: Allegorie und Symbol
5. Der Versuch einer eigenen Definition von Metapher
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
1. Vorstellung und Begründung für die Wahl des Themas
Im Rahmen des Seminars III „Bild und Text in der Literatur“ während des Wintersemesters 2004/05 an der Technischen Universität Dresden beschäftigte ich mich dem literarischen Bild in Form der Allegorie, der Metapher und des Symbols. Dabei fiel mir auf, dass es vor allem auf dem Gebiet der Metapher eine Vielzahl von Theorien über deren Entstehung und Verwendung gibt, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen und mehr oder weniger umfassend den Charakter des Phänomens wiedergeben. Aus diesem Grund sind auch die Definitionen der Metapher kaum zu überschauen und reichen von kurzen, prägnanten Formulierungen bis hin zu mehrseitigen Lexikonbeiträgen.
Da es sich sowohl bei der Metapher, als auch bei der Allegorie und dem Symbol um zentrale literaturwissenschaftliche Begriffe handelt und diese nur schwer voneinander zu trennen sind[i], ist es unerlässlich, sie innerhalb einer Arbeit zumindest gemeinsam auftreten zu lassen. Im Übrigen sollte jeder, der sich mit Literatur beschäftigt, wissen, was sich hinter den Begriffen, mit denen man täglich zu tun hat, verbirgt. Dennoch widmet sich die vorliegende Arbeit hauptsächlich der Metapher und hier besonders den unterschiedlichen Theorien und Definitionen. Schon hier sei darauf verwiesen, dass keine allgemein gültige Begriffsbestimmung gegeben werden soll, sondern lediglich eine Untersuchung bestehender Meinungen erfolgt. Vielmehr handelt es sich um einen Versuch der Re-definition[ii]. Interessant wird es sein zu verfolgen, unter welchen Gesichtspunkten die jeweiligen Autoren die Erscheinung der Metapher betrachtet haben. Denn dies trägt entscheidend zur Beschreibung bei, die dann eventuell völlig anders als ihre Vorgänger ausfällt, ihnen jedoch keineswegs widersprechen muss. So muss man vermuten, dass es mehrere „richtige“ Definitionen der Metapher gibt, je nach dem aus welcher Perspektive man sie betrachtet.
1.1. Aufbau der Arbeit
Zunächst soll es darum gehen, verschiedene Lexikonbeiträge näher vorzustellen und deren Kernpunkte zu extrahieren. Wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo liegen die Unterscheide? Oder gibt es bei der Beschreibung der Metapher gar keine? Neben den allgemein bekannten Nachschlagewerken, wie dem Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft und dem Literaturlexikon, herausgegeben von Walther Killy (Band 13 von Volker Meid), wird vor allem der Artikel des Historischen Wörterbuchs der Rhetorik untersucht.
Das folgende Kapitel bildet den Kern der Arbeit und diskutiert die unterschiedlichen Metaphertheorien. Hierbei wird eine generelle Unterscheidung zwischen den so genannten Vergleichstheorien und anderen Ansätzen getroffen, da sich im Laufe der Geschichte diese beiden Entwicklungsrichtungen herauskristallisiert haben und daher voneinander getrennt zu erörtern sind. Punkt Fünf stellt den Versuch dar, aus den bisher gewonnen Erkenntnissen eine eigene, am Gebrauch orientierte Definition der Metapher zu geben, die sich auf basale Aussagen beschränkt. Dabei soll es auch um die Unterschiede im Vergleich zum Symbol gehen, nachdem dieses Phänomen im vorangegangenen Abschnitt neben dem der Allegorie kurz beschrieben wurde.
Die Geschichte der Metapher wird nicht in einem eigenen Punkt betrachtet, da die jeweiligen Entwicklungstheorien eng mit dieser verbunden sind und somit ausführlich im Text zur Sprache kommen werden.
2. Untersuchung verschiedener Lexikonartikel
Im 13. Band des Literatur-Lexikons findet man unter dem Begriff Metapher keinen Eintrag, sondern wird auf die Stichwörter Bild bzw. Bildlichkeit verwiesen. Dieser Hinweis sagt bereits einiges über das Wesen der Metapher als literarisches Mittel aus. Hier wird die Metaphorik zusammen mit der Symbolik, der Allegorie und weiteren Bezeichnungen als „verbreitete, auf den ersten Blick verständliche u. unvermeidliche, auf den zweiten Blick wegen der Implikation von Visualität problematische u. vage literaturwissenschaftliche Sammelbegriffe … für Gegenstandsreferenzen bzw. Gegenstandsevokationen im lit. Text“[iii] definiert. Als erste Punkte lassen sich somit festhalten, dass Metaphern verbreitet sind, dass sie etwas evozieren bzw. auf etwas referieren und dass sie problematisch sind. Zur Geschichte der Metapher sagt der Beitrag, dass sie bereits bei Aristoteles (Poetik, Kap. 21 u. 22; Rhetorik, III 2 2-5, 10-11) und Quintilian (Institutio oratoria) beschrieben wurde. Nach Aristoteles „wird die Struktur der Metapher als Akt einer semant. u. emotionalen Übertragung beschrieben. In diesem Akt werden die semant. Elemente prädikativ aufeinander bezogen, wobei semant. Inkongruenzen nicht getilgt werden. (Die Struktur der Metapher enthält ein ´dies soll das sein´ u. ´dies ist das nicht´“[iv] Ferner nennt das Lexikon die Arbeit Weinrichs (1963), der die beiden Elemente als „Bildspender“ u. „Bildempfänger“ bezeichne. Der Bildspender sei das metaphorische Element. Zum Wesen des Phänomens wird gesagt, das Quintilian die Metapher als verkürzten Vergleich deute. In Umkehrung zum aristotelischen Ansatz, der den Vergleich von der Metapher ableite[v]. Der gegenwärtige literaturwissenschaftliche Begriffsgebrauch nenne außerdem die Uneigentlichkeit als Merkmal. Die Bezeichnung selbst komme aus dem Griechischen: μεταφορά, und bedeute „Übertragung“[vi].
Der nächste Lexikonartikel steht im Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Dort findet sich neben dem Stichwort Metaphernkomplex, welcher einen Sammelbegriff für verschiedene Möglichkeiten der Gruppenbildung von Metaphern beschreibt[vii], ein mehrseitiger Beitrag zum Thema Metapher selbst. Die Definition lautet dort: „Ein im übertragenen Sinne gebrauchter Ausdruck, der mit dem Gemeinten durch eine Ähnlichkeitsbeziehung zu verbinden ist.“[viii] Erneut wird der Begriff als ein sprachlicher Ausdruck der Übertragung genannt. Neu ist die Ähnlichkeitsbeziehung (Äquivalenz) zum Gemeinten. Der Verfasser des Artikels, Hendrik Birus, hält „metaphorische Sprachverwendung“ für „ein universell zu beobachtendes und in der Poetik wie Rhetorik hochgeschätztes Verfahren der Überschreitung konventioneller Ausdruck-Inhalt-Zuordnungen“[ix]. Wiederum wird zur Beschreibung der Metapher der Begriff der „uneigentlichen Rede“ verwendet. Der Vollzug der Metapher wird in Analogie zu indirekten Sprechakten betrachtet, wobei sich der Hörer die Sprecher-Intention erschließen muss. Die Referenz des verwendeten Sprechzeichens liege außerhalb des eigentlichen Textes, im so genannten Co- oder Kontext. Bei der Wortgeschichte betont der Autor die Kontinuität, die der Terminus bis zurück zur klassischen Antike habe. Jedoch fügt er hinzu, dass es im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einer wachsenden Infragestellung dieser Tradition komme. Interessant ist die Feststellung, dass die Definition des Aristoteles Metaphern im weiteren Sinne umfasse, und dass diese Mehrdeutigkeit Anlass für spätere Begriffsverwirrungen gewesen sei. Im Folgenden geht Birus näher auf die Begriffsgeschichte ein – angefangen bei Aristoteles über das Mittelalter bis in die Neuzeit. Der Absatz über die Forschungsgeschichte beschäftigt sich ausschließlich mit den Entwicklungen des 20. Jahrhunderts, hierbei insbesondere mit den Neuakzentuierungen von Roman Jakobson.
Die Brockhaus-Enzyklopädie geht zuerst auf die Etymologie des Begriffs ein und nennt die Metapher dann ein „sprachliche Ausdrucksmittel der uneigentlichen Rede“[x]. Das Wort, welches ein anderes ersetzt, weise demnach eine sachliche oder gedankliche Ähnlichkeit oder dieselbe Bildstruktur auf. In Abgrenzung zur Metonymie wird betont, dass bei der Metapher ein Sprung im Vorstellungsbereich erfolgt. Ferner wird unterschieden zwischen unbewussten und bewussten Metaphern unterschieden. Bei den unbewussten gibt es notwendige, die immer dann auftreten, wenn ein Sachverhalt einer notwendig gewordenen Neubezeichnung (meistens in Wissenschaft und Technik) bedarf. Hinzu treten die verblassten, konventionalisierten oder selbstverständlichen Metaphern. Diese Figuren sind derart in den Sprachgebrauch übernommen worden, dass uns ihre übertragene Ebene nicht mehr bewusst ist. Als Beispiele werden die schreienden Farben und die faule Ausrede angeführt. Wegen ihrer poetischen, stilistischen Wirkung würden bewusste, akzidentielle Metaphern gesetzt. Sie werden in übertriebener Weise als „Kennzeichen schöpferischer Phantasie“ charakterisiert.
Auch das Metzler-Philosophielexikon nennt die Metapher eine rhetorisch-poetische Redewendung, „bei der ein Ausdruck aus seinem üblichen Gebrauchsbereich unter einem bestimmten Hinblick auf einen fremden Bereich übertragen wird“.[xi] Der Beitrag unterscheidet zwischen Epipher, wo „auf eine bereits bestehende Ähnlichkeit zwischen beiden den beiden Begriffen zurückgegriffen wird“ und Diaphor. Hier entstehe erst eine neue Ähnlichkeit. Ferner beruhe die Metapher auf Analogien. Als Beispiel dient der Lebensabend. Hier entspricht der Tag dem Abend wie das Leben dem Alter. Gegen Ende des Artikels wird die Möglichkeit betont, dass durch metaphorische Neubeschreibungen neue Weltsichten gewonnen werden können, dass ein euphemistischer Metapherngebrauch aber auch zum Erkenntnis behindernden Denkzwang führe.
Im Historischen Wörterbuch der Rhetorik findet man den ausführlichsten Artikel zur Metapher. Zu Beginn des Beitrags, der rund vierzig Seiten in Anspruch nimmt, steht eine kurze Einordnung der unterschiedlichen Metaphernbetrachtungen. Dann folgt eine Analyse der verschiedenen Auffassungen im Laufe der Geschichte, angefangen mit der griechischen und lateinischen Antike. Dabei wird die klassische Methode der Übertragung eines Wortes auf ein anderes klar von der modernen Theorie der Substitution abgegrenzt. Der traditionellen Rhetorik sei die Absicht der Ersetzung des eigentlichen Wortes durch ein uneigentliches „völlig fremd“[xii]. Vielmehr habe Aristoteles, auf den man sich auch beruft, eine Vergleichstheorie vertreten, die im Folgenden erklärt wird.
Einen sehr guten Artikel liefert das literaturwissenschaftliche Lexikon von Brunner/Moritz. Sie definieren die Metapher nach „Uneigentlichkeit (in Form einer Gleichsetzung der ersetzenden mit der ersetzten Sache), Ähnlichkeit und sprachlicher Kurzform (unterhalb der Satzgrenze)“[xiii]. Sie nennen das Hauptbeispiel, Homers Löwen-Gleichnis aus dessen Werk, der Ilias. Der Reiz der Metapher beruhe demnach auf der Bildpane zwischen Spender und Empfänger. Erkennbar sei sie durch den sprachlichen und situativen Kontext. In Abgrenzung zu weiteren Tropen (Figuren des übertragenen bzw. uneigentlichen Ausdrucks) beruhe die Metapher nicht auf Kontiguität, d.h. nicht auf einem Realzusammenhang wie die Metonymie, sondern auf Ähnlichkeit (Similarität). Ferner werden Erscheinungsformen der Metapher genannt, ehe ein ausführlicher geschichtlicher Abriss geboten wird.
Der letzte angeführte Artikel entstammt dem Historischen Wörterbuch der Philosophie[xiv]. Hier findet sich neben den bereits bekannten Erläuterungen zur Etymologie und der geschichtlichen Entwicklung des Begriffs von der Antike bis in die Moderne auch der Hinweis auf das so genannte tertium comparationis. Dieses beschreibt das Element, was sowohl Bildempfänger als auch Bildspender gemeinsam haben und zumeist unausgesprochen bleibt. In diesem Beitrag kommt außerdem zur Sprache, dass die Metapher in der „nacharistotelischen Rhetorik … als eine der Tropen (τρόποι = verba alia pro aliis)“ gilt.
2.1. Zusammenfassung
Nach Abschluss der Analyse verschiedenster Lexikonbeiträge können offenbar charakteristische Merkmale von Metaphern festgehalten werden. Zunächst lässt sich zur Etymologie des Wortes sagen, dass es aus dem klassischen Griechisch stammt: μεταφορά von μετά φέρειν, was „übertragen“ bedeutet. Später wurde der Begriff ins Lateinische übernommen (metaphora) und durch einen weiteren (translatio) ergänzt. Bis heute hat sich die griechische Terminologie durchgesetzt. Eine erste intensive Beschäftigung mit dem Phänomen findet man bei Aristoteles, der – genau wie später Quintilian – die Metapher mit dem Vergleich in Beziehung setzt. Ein weiteres Kennzeichen der Figur ist, dass sie als stilistisches Mittel aus der Rhetorik bzw. der Poesie stammt. Es ist festzustellen, dass die Metapher im heutigen Sprachgebrauch stark verbreitet ist und zumeist unbewusst verwendet wird. Metaphorisches Sprechen ist ein Akt der Uneigentlichkeit, welcher bei bewusstem Gebrauch vom Empfänger entschlüsselt und richtig interpretiert werden muss, um sein Potential komplett zu entfalten. Das gesprochene Wort verliert seinen ursprünglich semantischen, konventionell festgelegten Sinn und erhält einen neuen. Dies geschieht mittels einer Übertragung von Bedeutungen. Diese vollzieht sich nicht willkürlich, sondern basiert auf Gemeinsamkeiten des Bildspenders und –empfängers.
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[i] Vgl. Kurz, S. 5.
[ii] Ebd., S. 6.
[iii] Vgl. Literatur-Lexikon, S. 109.
[iv] Vgl. Literatur-Lexikon, S. 114.
[v] Ebd., S. 111.
[vi] Ebd. 114.
[vii] Vgl. Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, S. 576.
[viii] Ebd., S. 571.
[ix] Ebd., S. 571
[x] Vgl. Brockhaus-Enzyklopädie, S. 521.
[xi] Vgl. Metzler-Philosophielexikon, S. 361.
[xii] Vgl. Historisches Wörterbuch der Rhetorik, S. 1099.
[xiii] Vgl. Literaturwissenschaftliches Lexikon, S. 219ff.
[xiv] Vgl. Historisches Wörterbuch der Philosophie, S. 1180ff.