Leben in virtuelle Räumen des Internets - Einsam oder gemeinsam?


Mémoire pour le Diplôme Intermédiaire, 2002

28 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Virtuelle Räume im Internet - drei Ausprägungen

3. Zu Besuch in der Funama Republic
3.1. Die Idee
3.2. Die Stadt
3.3. Imitation und virtuelle Vermischung
3.4. Die reale Vermischung
3.4.1. Usertreffen
3.4.2. 'Real funcity e.V.'
3.5. Nutzerverhalten

4. Existierende Forschungsergebnisse
4.1. HomeNet-Studie
4.1.1. Methodik
4.1.2. Ergebnisse
4.1.3. Reaktionen
4.2. Robin B. Hammans AOL-Studie / Kritik an der HomeNet-Studie
4.2.1. Die soziologische Community
4.2.2. Hammans Kritik an der HomeNet-Studie
4.2.3. Methodik
4.2.4. Ergebnisse
4.3. Entdeckt: Die Minderheit / Das SSI-Projekt
4.4. Zwei Studien und ein Ergebnis

5. Fazit

Anhänge

Literatur / Links

1. Einleitung

Das Tor zu einer anderen Welt. In der Fiktion wie z.B. in der Verfilmung von Arthur C. Clarkes "2001 - Odyssee im Weltraum" durch Stanley Kubrick stellt es sich abstrakt dar. Der Astronaut David Bowman gleitet durch psychodelische Farbwelten, bis er eine für ihn geschaffene Welt betritt. Die Realität im Jahre 2002 stellt sich nüchterner dar. Man muss nicht, wie Bowman, zum Jupitermond Europa fliegen, um eine andere Realität zu erfahren. Ein handelsüblicher Personal-Computer (PC) ergänzt durch Peripherie in Form von Eingabegeräten (Tastatur, Maus), Ausgabegerät (Monitor) und ein Modulator-Demodulator (Modem) genanntes Gerät zur telefonischen Verbindung mit dem Internet reichen aus, um aus der Wirklichkeit zu entschwinden.

Doch wo kommt man an, wenn man der Realität entflieht? Wie sehen virtuelle Räume aus? Welche sozialen Folgen hat der Besuch virtueller Räume bzw. die Nutzung des Internets? Ist es möglich, sich durch Internetnutzung sozial zu isolerien oder gar internetsüchtig zu werden? Nach einem kurzen Exkurs über virtuelle Räume im Internet und der Darstellung einer florierenden virtuellen Stadt sollen zwei ausgewählte, vorläufig widersprüchliche, Studien dargestellt werden. Am Ende erfolgt eine kritische Bewertung der zusammengetragenen Informationen.

2. Virtuelle Räume im Internet - drei Ausprägungen

Virtuelle Räume können sich auf vielerlei Arten präsentieren. Allen gemeinsam ist, dass sie nur im Internet zu finden und zu besuchen sind. Ein PC ist dafür zwingend notwendig. Ihre Erscheinungsformen sind vielfältig. Im Folgenden sollen Chats, MUD und Communities kurz dargestellt werden.

Chats dienen der Kommunikation mit anderen Internetbenutzern bzw. Chattern und basieren zumeist auf einer reinen Textoberfläche. Der Name leitet sich aus dem Englischen ab und bedeutet soviel wie "plaudern". Der Vorgang an sich, das "Chatten", vollzieht sich meistens in einem virtuellen Raum zu dem eine begrenzte oder unbegrenzte Anzahl von Internetnutzern Zugang hat. Die Räume sind häufig durch einen Begriff betitelt, der in gewisser Weise auf das Chat-Thema hinweist (z.B. Plauderecke, Flirtraum o.ä.). Neben öffentlichen Chats gibt es je nach Anbieter der Chat-Plattform auch die Möglichkeit einen privaten Chat-Raum zu eröffnen. Je nach Konfiguratio n ist der Chat dann öffentlich oder nur für vom Eröffner eingeladene Personen zugänglich. Neben den ausschließlich textbasierten Chats existieren auch solche, die eine virtuelle Welt darstellen und in denen man sich mit einer eigenen, eventuell sogar persönlich geschaffenen und gestalteten Figur, einem sogenannten Avatar, bewegen kann. Alle in einem Chat-Raum anwesenden Personen sind dabei durch ihren Avatar visuell vertreten.

Bei solchen ausgereiften Chats ist der Übergang zu sogenannten Multi-User-Dungeons (MUD) fast fließend. Im Gegensatz zu Chats beinhalten MUD zusätzlich eine Rollenspielfunktion. Der Benutzer steuert wiederum einen eigenen Avatar. Kommunikation zwischen einzelnen Teilnehmern ist möglich, stellt aber nicht das primäre Spielziel dar. Letzteres besteht in der Lösung von Rätseln oder Aufgaben (Quests) in der virtuell geschaffenen Welt. Diese Welt kann auf Textbasis bestehen, die die Räume und Welten, in denen sich der Spieler bewegt, beschreibt. Durch die Weiterentwicklung der Computertechnologie und der rasanten Verbreitung des Internets unterstützt, entwickelten sich grafisch animierte MUD, wie z.B. Diablo (Blizzard Entertainment). Je nach Kapazitäten des Servers, der das Rollenspiel im Internet verwaltet, ist es möglich, dass sich mehrere hunderte Spieler in einer Welt tummeln, sich zusammenschließen oder Gruppen (Clans) bilden, um gegeneinander anzutreten.

Eine weitere Ausprägung von virtuellen Räumen im Internet sind Communities (soziologische Definition siehe unter 4.2.1). Grundprinzip hierbei ist die kommunikative Interaktion zwischen ihren Teilnehmern zu bestimmten Themen. Dieses können Hobbies oder spezielle bzw. generelle Interessengebiete sein. Elemente von Communities sind in die Community integrierte Chats, Foren oder Möglichkeiten zum Austausch von Dateien (Grafiken, Musik oder Programme). Der grafischen Ausschmückung sind dabei fast keine Grenzen gesetzt, wobei einige Communities auch das Motto "schlicht und einfach" anwenden. Dies kommt nicht zuletzt der Geschwindigkeit des Seitenaufbaus zugute, denn noch sind schnelle Verbindungen zum Internet nicht Standard. Sehr aufwendig programmierte Seiten können so bei einem "Otto-Normal-Surfer" für den Aufbau schon einige Minuten in Anspruch nehmen.

Eine relativ einfache dafür aber äußerst praktische und unkomplizierte Community-Art stellen die Yahoo-Groups dar. Die Erstellung einer solchen ist auch für Laien einfach zu bewerkstelligen, weshalb sich diese Art der Community auch sehr großer Beliebtheit erfreut. Mittlerweile wird wohl jedes Interessengebiet abgedeckt, vor allem in den englischsprachigen Yahoo-Groups. Des Weiteren bestehen unzählige kommerzielle Communities von Firmen und / oder Produkten, sowie themenorientierte Communities. Diese überschneiden sich oftmals in ihren Funktionen, gleichen aber vom Prinzip den normalen Communities.

Klar von diesen Erscheinungsformen abzugrenzen sind die virtuellen Welten. Auch unter dem Oberbegriff "Virtuelle Realität" (VR) zusammengefasst, bieten diese Welten eine teilweise nahezu perfekte visuelle Simulation einer Umgebung. Durch spezielle Helme bzw. Brillen mit integrierten Monitoren wird dem Benutzer vorgetäuscht, er befände sich in einer anderen Umgebung. Beim Bewegen des Kopfes bewegt sich auch das Computerbild, so dass man die virtuelle Welt in 360° betrachten und sich ebenso frei in ihr virtuell bewegen kann. Angesichts der hohen Anschaffungskosten ist diese Form der Darstellung beim Heimanwender allerdings nicht verbreitet und könnte daher als Community exklusiverer Art bezeichnet werden. Aufgrund der grafischen Komplexität und der damit verbundenen Datenfülle wäre eine Verbindung zu Anderen per Internet außerdem nur mit einer hohen Datenübertragungsrate möglich. Aus diesem Grund kommt diese Technik fast ausschließlich als lokales Netzwerk in modernen Spielhallen zum Einsatz.

Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit soll jedoch auf der Gruppe der Communities liegen. Um dem Leser eine Vorstellung einer Community zu geben, möchte ich im Folgenden ein ausführliches Beispiel darstellen. Dafür habe ich aus der Menge der im Internet angebotenen Communities ein umfangreiches und visuell hübsch realisiertes Beispiel ausgewählt.

3. Zu Besuch in der Funama Republic

Funama ist ein virtuelles Land mit der virtuellen Hauptstadt Funcity. Diese Hauptstadt, die auf keiner Weltkarte zu finden ist, wurde 1996 von dem Multimedia-Unternehmen Cross- Media-Service (CMS) gegründet. Das virtuelle Land Funama existiert seit 2001. Im Jahre 2002 wurde Funcity die Hauptstadt von Funama. Beide Auftritte waren ab nun unter der Internetadresse „www.funama.de“ zu erreichen. Seitdem wächst die Einwohnerzahl stetig.

Mittlerweile beträgt diese ca. 150.000, das sind 20.000 Einwohner mehr, als real in Potsdam leben.

3.1. Die Idee

Die Grundidee ist die Erzeugung einer Verbindung zwischen realer und virtueller Welt. Die reale ist in die virtuelle Welt eingebunden. So findet man Gebäude von tatsächlich existierenden Unternehmen in der Stadt: Neben anderen tauchen eine Krankenkasse, eine Bank und ein Radiosender im Stadtbild auf. Mit einem Mausklick landet man in der entsprechenden Einrichtung, in der auf die eigene Internetseite und spezielle Angebote hingewiesen wird. Der Finanzhaushalt der Stadt scheint damit also gesichert. Das Stichwort dafür lautet "Emotionale Kundenbindung": Die Firmen gehören zum Stadtbild und somit zur Stadt. Der Benutzer nimmt sie nicht als Werbung, sondern als Teil der Stadt wahr.

Bereits hier gehen programmierte Illusion und Realität eine Verbindung miteinander ein. Die Community kooperiert seit 2002 auch mit Hörfunkpartnern. Funkspots bei den Radiosendern sollen dabei die Verbindung zwischen On-Air und On-Line herstellen.

Übrigens existiert auch eine Art Paralleluniversum von Funama im Internet. 2002 übernahm CMS die Vermarktung einer polnischen Community, die der deutschen sehr ähnelt. (www.funama.pl)

3.2. Die Stadt

Bei der Einreise nach Funama stellt sich das Land zuerst in einer Panoramaansicht dar.i Zielstrebiges Ansteuern der Stadt unter dem Regenbogen führt nach nur einem Mausklick in die Hauptstadt Funcity. Dort angekommen offenbart sich auch schon der Umfang der Stadt: Ein Bildschirminhalt allein reicht nicht aus, um alle Gebäude darzustellen. Nur durch Bewegung des Bildschirminhalts ist es möglich alles zu erfassen. Bei genauerer Betrachtung der einzelnen Häuser stellt man fest, dass die Stadt sich grob in vier Einheiten unterteilen lässt: externe Links und Werbung, Unterhaltung / Spiele, Chats und Wohnstraßen.ii

3.3. Imitation und virtuelle Vermischung

Funama hat ein Konzept: Imitation und Vermischung. Die reale Welt wird entweder kopiert oder integriert. Das virtuelle Rathaus der Stadt fungiert z.B. wie im echten Leben als Verwaltungszentrale. Unter anderem kann sich der Besucher hier als Einwohner registrieren lassen und nach freien Wohnungen suchen.

Der besondere Clou dieser Community ist nämlich, dass jeder registrierte Benutzer, also jeder Einwohner von Funcity, die Möglichkeit besitzt eine virtuelle Wohnung zu beziehen. Dafür existieren verschiedene Wohnviertel (siehe 3.2.). Manche sind für jeden sofort beziehbar, andere exklusivere Wohngegenden werden verlost. Innerhalb der Wohnung kann man sich individuell einrichten. Die Farbe der "Tapete" darf ausgewählt und ein Bild aufgehangen werden. Ein virtueller Briefkasten, mit Hilfe dessen der Besuch Nachrichten hinterlassen kann, fehlt ebenso wenig wie ein kleiner Chat, der es ermöglicht innerhalb der Wohnung privat zu plaudern.

Die Vermischung von Realität und Virtualität steigert sich, wenn man sich die Kirche in Funcity näher betrachtet. Im digitalen Gotteshaus befindet sich ein Kirchen-Chat, der zu "ernsthafteren Gesprächen und Begegnungen" verhelfen soll. An zwei Tagen in der Woche stehen zusätzlich zwei Seelsorger zur Verfügung, die auch Einzelgespräche durchführen. Darüber hinaus kann man eine Fürbitte abgeben, die dann beim realen Gottesdienst mit eingebracht wird.

3.4. Die reale Vermischung

Nicht alles was Funama ausmacht, geschieht online. Es existieren zwei besondere Arten der Verschmelzung. Die virtuelle Welt dient dabei als Wiedereinstiegshilfe in die Realität. Doch die Fluchtgefahr ist gering, wie sich gleich zeigen wird.

3.4.1. Usertreffen

Eine Form der Vermischung zwischen Online und Offline besteht in regelmäßig stattfindenden Usertreffen. Diese Art des Zusammenkommens mit anderen Benutzern einer elektronischen Community existiert wahrscheinlich schon so lange, wie es Kommunikation per Computer gibt. Die ersten massentauglichen Anfänge stellten Nachrichtennetze (z.B. das Fido-Netz) oder Mailboxen bzw. Bulletin Board Systems (BBS) dar. Die Nutzer dieser Einrichtungen, die sich bisher nur per Tastatur kannten, trafen sich um zu reden und zu feiern.

Das erste Usertreffen der Funama-Republic, das sogenannte "Synchron-Treffen", fand am 6. Juni 2002 im Capitol zu Hannover statt. Menschen, die sich größtenteils nur durch ihre Namen, die sie in der Stadt verwenden, kannten, trafen sich in der realen Welt. Ganz so real war diese dann aber doch nicht. Als Identifikationshilfe heftete man ein Namensschild mit seinem Pseudonym an die Kleidung. Entstehen so aus den Online-Bekanntschaften dauerhafte Offline-Bekanntschaften? Die Voraussetzungen dafür waren jedenfalls gegeben, sofern man sich nicht von den realen Leuten abwandte und in eine alte Gewohnheit zurückverfiel - chatten. Wesentlicher Inhalt der Party unter dem Motto "Kommt zusammen!" war nämlich ein Live-Chat, mit dem man sich mit zuhausegebliebenen Einwohnern unterhalten konnte.

Mehrere Webcams übertrugen das Geschehen ins Internet. Viele Leute sah man dabei nicht, denn der Termin, ein Donnerstag, war denkbar ungünstig gewählt. Nach Auskunft von Fr. Manig wurden die Erwartungen "nicht voll erfüllt", es gab etwa 200 Partygäste. Die Tanzfläche war Berichten zufolge zeitweise verwaist, denn seltsamerweise wurde die meiste Zeit gechattet. (Fun-Magazin, 2002) Ist dies ein Indiz dafür, dass sozialer Kontakt von Chattern, selbst auf einer eigens für den direkten zwischenmenschlichen Austausch gedachten Party, nicht mehr "face to face" möglich ist? Oder besteht unter den Chattern kein Bedürfnis den realen Freundeskreis weiter auszubauen?

3.4.2. 'Real funcity e.V.'

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass Funcity eine eigene Fußballmannschaft vorweisen kann. Nicht virtuell, wie man vielleicht meinen mag, sondern tatsächlich real. Der Vereinsname "Real funcity e.V." entbehrt daher nicht einer gewissen Doppeldeutigkeit. Zwar

[...]


i siehe Anhang, Grafik 1

ii siehe Anhang, Grafik 2

Fin de l'extrait de 28 pages

Résumé des informations

Titre
Leben in virtuelle Räumen des Internets - Einsam oder gemeinsam?
Université
Free University of Berlin  (Soziologisches Institut)
Cours
Soziologie des Internets: Kommunikation und Bindung
Note
1,3
Auteur
Année
2002
Pages
28
N° de catalogue
V34728
ISBN (ebook)
9783638348669
Taille d'un fichier
818 KB
Langue
allemand
Mots clés
Leben, Räumen, Internets, Einsam, Soziologie, Internets, Kommunikation, Bindung
Citation du texte
Christian Ciuraj (Auteur), 2002, Leben in virtuelle Räumen des Internets - Einsam oder gemeinsam?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34728

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