Kultursensible Frühpädagogik. Respekt und Achtung vor kultureller Diversität


Hausarbeit, 2016

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmungen
2.1. Kultur
2.2. Interkulturelle Frühpädagogik
2.3. Autonomie und Verbundenheit

3. Grundlagen kultursensitiven frühpädagogischen Handelns und interkultureller Kompetenz
3.1. Kenntnis
3.2. Haltung
3.3. Leben mit Diversität

4. Zentrale Situationen der frühpädagogischen Praxis
4.1. Elternkontakt
4.2. Spielsituation
4.3. Sprache
4.4. Raumgestaltung
4.5. Physiologische Bedürfnisse

5. Ziele der interkulturellen und kultursensitiven Frühpädagogik

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Internationale Migration, die europäische Einigung und der Prozess der Globalisierung be­gründen die Notwendigkeit der interkulturellen Bildung und Erziehung, (vgl. Krüger-Potratz 2005, S.15)

Gegenwärtig beschäftigen sich nahezu alle europäischen Länder politisch, gesellschaftlich und humanitär mit der großen Anzahl flüchtender Menschen aus Syrien, Albanien, Afghanis­tan, Irak, Serbien und mit Flüchtlingen aus anderen von Gefahr, Krieg und Terror betroffenen und / oder bedrohten Ländern. Die Zahl der in Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge hat in den letzten beiden Jahren signifikant zugenommen. Im Jahr 2014 wurden in der Bundesre­publik Deutschland 202.834 Asylanträge gestellt, 2015 erbaten bereits 476.649 Menschen und in den Monaten Januar bis Februar 2016 120.642 Menschen Asyl. (vgl. Bundesamt für Migra­tion und Flüchtlinge 2016, online) Für das Jahr 2014 dokumentierte das Statistische Bundes­amt 20,3 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands einen Migrationshintergrund. (vgl. Statisti­sche Bundesamt 2015, online)

Diese Daten verweisen auf eine weiterhin stärker werdende kulturelle Durchmischung inner­halb der deutschen Gesellschaft. Gleichzeitig können diese Umstände als ein Indiz für die Bedeutsamkeit eines friedlichen, wertschätzenden multikulturellen Zusammenlebens für die Gesamtbevölkerung gewertet werden. Die Heterogenität der Menschen wirkt sich auf das so­ziale Miteinander aus und kann sowohl zu einem breiteren kulturellen Verständnis und inter­kulturellen Austausch, als auch zu Missverständnissen und Verständigungsschwierigkeiten führen, da verschiedene kulturelle Prägungen, Religionen, Werteorientierungen, Einstellungen und Haltungen aufeinandertreffen. Anlässlich der besonderen Aktualität dieser gesellschaftli­chen Situation, rückt die Bedeutung von Integration, Toleranz, Wertschätzung und kultursen­sitivem Verhalten in den Fokus.

Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Thematik kulturdifferenter Gegebenheiten so­wie der Bedeutsamkeit der interkulturellen Frühpädagogik und richtet ihren Blick auf das kul­tursensitive pädagogische Handeln. Bezüglich dieser pädagogischen Herangehensweise stellt sich die Frage, wie interkulturelle Pädagogik in frühpädagogischen Einrichtungen hinsichtlich ihrer praktischen, kultursensitiven Umsetzung realisiert werden kann. Zunächst werden die Begriffe Kultur, Interkulturelle Frühpädagogik, Autonomie sowie Verbundenheit definiert. Im Folgenden werden Grundlagen kultursensitiven Handelns charakterisiert, die erforderlichen Fachkompetenzen werden dargestellt und konkrete pädagogische Ansätze zum Umgang mit kultureller Vielfalt im Praxisfeld der frühkindlichen Pädagogik differenziert analysiert. Anschlie­ßend werden die Ziele der interkulturellen Frühpädagogik beschrieben. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und nimmt kritisch Bezug auf die dichotome Gegenüberstellung der kulturellen Autonomie- bzw. Verbundenheitsorientierung von Borke und Keller.

2. Begriffsbestimmungen

Um ein grundlegendes Verständnis gewährleisten zu können, werden in den folgenden Ab­schnitten die Begriffe Kultur, Interkulturelle Frühpädagogik sowie Autonomie und Verbunden­heit definiert.

2.1. Kultur

"Wenn es ein bestimmendes Merkmal des Begriffes Kultur gibt, dann die verbreitete Auffas­sung, dass dieser Begriff nicht zu definieren ist. Wer es trotzdem versucht, zeigt damit nur, dass er dem Begriff nichtgewachsen ist." (Dirk Baecker, 2003, S. 33)

Kultur im engen Sinne beschreibt die Leistungen gesellschaftlicher Eliten und wird weitgehend in Form von Kunstwerken sichtbar. (vgl. Niekrawitz 1991, S.35) Kultur verbindet Kunst und Leben, Politik und Soziales sowie Vergangenes und Zukünftiges. Die kulturelle Deutung und Bedeutung entfaltet sich in der konkreten historischen und geografischen Situation. (vgl. Zach­arias 2001, S.93) Kultur kann als Entwurf menschlicher Lebensformen in einer Gemeinschaft mit anderen verstanden werden. (vgl. Wiater 2012, S.16)

In der Pädagogik wird der Begriff Kultur erweitert verstanden. Kultur umfasst sowohl die kon­kret-materielle als auch die abstrakt-ideelle Ebene des kollektiven Zusammenlebens. (vgl. Nie­krawitz 1991, S.35) „Kultur (...) umfasst die Gesetze, nach denen menschliches Leben geregelt ist.“ (Auernheimer 2012, S.77) Werte und Normen, Rituale der Kommunikation, gesellschaftli­che Lebensweisen und Selbstzuordnungen gelten allgemein als elementare Bestandteile von kultureller Praxis. (vgl. Auernheimer 2012, S.77) „Die Kultur dient also der Bedeutung des ge­sellschaftlichen Lebens und damit der Orientierung des Handelns.“ (Auernheimer 2012, S.78) Borelli definiert den Kulturbegriff mit der Unmöglichkeit der Begrenzung, also der Universalität, mit der prozesshaften historisch- gesellschaftlichen Erfahrung und der Denkerfahrung, also der Verarbeitung gesellschaftlicher Erfahrungen. (vgl. Borelli 1986, S.9)

2.2. Interkulturelle Frühpädagogik

„Einer interkulturellen Arbeit bedeutet Kultur weder nur die inhaltlichen Sitten und Gebräuche, Werte und Anerkennungskämpfe bestimmter sozialer Gruppen (Multikulturalismus) und auch nicht nur die formalen Rechtsprinzipien und Normen, Interessen und Verteilungskämpfe einer Gesellschaft (Transkulturalismus) - sondern verweist darüber hinaus auf die qualitative Art und Weise, mit der Menschen in sozialen Gruppen ihre Beziehungen zur Umwelt pflegen.“ (Demorgon, Kordes 2006, S.34)

Mit der interkulturellen Frühpädagogik wird ein pädagogisches Konzept beschrieben, welches sowohl die soziale Integration ausländischer Kinder im Vorschulalter beinhaltetet als auch das gemeinsame Leben und Lernen für interkulturelle Erfahrungen und Bildungsprozesse nutzt. Interkulturalität nimmt das Vorhandensein von Verschiedenheit zum Anlass für interkulturelles, pädagogisches Handeln. (vgl. Gogolin, Krüger-Potratz 2010, S. 110-111)

Interkulturelle Frühpädagogik basiert auf dem Prinzip der Anerkennung, besonders von religi­öser und sprachlicher Vielfalt sowie dem Prinzip der Chancengleichheit. (vgl. Auernheimer 2012, S.19-20). „Vorrangig sind das Eintreten für gleiche Rechte und Sozialchancen ungeach­tet der Herkunft und die Haltung der Akzeptanz, des Respekts für Andersheit.“ (Auernheimer 2012, S.20) Das Bewusstsein für die Existenz von Ungleichheiten schafft die Voraussetzung für das Engagement gegen Diskriminierung. Interkulturelle Pädagogik impliziert Inhalte und methodische Zugänge für das konkrete pädagogische Handeln und muss antirassistisch rea­lisiert werden. (vgl. Auernheimer 2012, S.21) „Die Auseinandersetzung mit solcher Verschie­denheit soll in die Lage versetzen, das Andere ebenso wie sich selbst kennenzulernen und zu verstehen.“ (Gogolin 2007, S.350) Interkulturelle Pädagogik will Bildungsformen entwickeln, die sowohl Mehrheiten, als auch Minderheiten zum gegenseitigen Zuhören erzieht, so dass sich niemand für Fügen oder Gehen entscheiden muss. (vgl. Camilleri 2006, S.54)

2.3. Autonomie und Verbundenheit

Der Begriff Autonomie umschreibt die Fähigkeit Kontrolle über das eigene Leben, eigene Ent­scheidungen und Handlungen zu erhalten. Verbundenheit definiert die psychologische und/ oder ökonomische Verwobenheit zwischen Personen. Das Bedürfnis nach Autonomie und Verbundenheit erfahren Menschen in unterschiedlichen Gewichtungen und Ausmaßen. Borke und Keller stellen die psychologische Autonomie auf der einen und die hierarchische Verbun­denheit auf der anderen Seite, als prototypische kulturelle Modelle dar. Die psychologische Autonomie schreiben die Autoren der westlichen Welt zu. Charakteristisch für dieses Modell seien das Freiheitsideal, der Drang zur Unabhängigkeit, sowie das Bedürfnis nach Individua­lität und Abgrenzung. Soziale Beziehungen seien durch Vorlieben, Wünsche und Neigungen gestaltet. (vgl. Borke/Keller 2014, S.17-19) Die Autorinnen Zenk und Gündogdu schreiben der westlichen Welt ebenfalls die vorherrschende Kulturdimension des Individualismus zu und be­tonen in dieser Dimension den Sinn der Selbstverwirklichung. (vgl. Zenk/Gündogdu 2011, S.18)

Das Modell der hierarchischen Verbundenheit ist durch ein verschwimmen der Ich-Grenze so­wie einer hierarchischen Differenzierung gekennzeichnet und findet sich insbesondere in nicht westlichen, ländlichen, wenig industrialisierten Regionen. Im Kontext der hierarchischen Ver­bundenheit bildet die Handlungsautonomie ein zentrales Sozialisationsziel. Die Kinder sollen früh eigenverantwortlich handlungsfähig werden und der Gesellschaft von Nutzen sein. Zwi­schenmenschliche Beziehungen basieren häufig auf Verpflichtungen, das Bedürfnis nach in­dividueller Ausgestaltung von sozialen Beziehungen ist gering. (vgl. Borke/Keller 2014, S.17- 19) Zenk und Gündogdu sprechen der östlichen Welt den kulturellen Kollektivismus zu und unterstreichen die gesellschaftliche Bedeutung von Konsens und Loyalität. (vgl. Zenk/Gün- dogdu 2011, S. 18)

Borke und Keller betonen, neben der Existenz der beiden kulturellen Prototypen, die Varianz der Ausgestaltung der prototypischen Kategorien sowie das Vorhandensein von Mischformen. Aufgrund der verschiedenen kulturellen Orientierungen hinsichtlich Autonomie und Verbun­denheit, können unterschiedliche Vorstellungen, Wünsche, Vorlieben und Abneigungen be­züglich kindlicher Entwicklungs- und Bildungsziele sowie Betreuungsformen in der pädagogi­schen Praxis aufeinandertreffen. Daher beschäftigen sich die folgenden Ausführungen mit der konkreten kultursensitiven Arbeit in frühkindlichen Institutionen und zeigt auf wie kultursensi­tive Frühpädagogik verwirklicht werden kann.

3. Grundlagen kultursensitiven frühpädagogischen Handelns und interkulturel­ler Kompetenz

Voraussetzung für grundlegend kultursensitives Handeln in frühkindlichen Bildungseinrichtun­gen bildet die in den folgenden Abschnitten näher beschriebene pädagogische Trias, beste­hend aus Kenntnis, Haltung und Leben mit Diversität. Diese Grundlagen bilden gleichzeitig die Kernkompetenzen für interkulturelle Fachlichkeit.

Der pädagogisch befähigte Umgang mit kultureller Heterogenität kann unter dem Begriff Inter­kulturelle Kompetenz zusammengefasst werden. Interkulturelle Kompetenz setzt die Bereit­schaft voraus, die Realität mit den Augen des Fremden zu betrachten. Voraussetzung für in­terkulturelle Kompetenz ist der Wille zur Verständigung und zur Anerkennung des Anderen als gleichberechtigten Partner. Aufgrund eines geklärten Bewusstseins über die eigene Kultur soll fremden Kulturen und Lebensformen offen und dialoghaft begegnet werden. (vgl. Wiater2012, S.27-28) „Die Standortgebundenheit des eigenen Denkens muss dabei jedem Kommunikati­onspartner bewusst werden, sie muss von ihm reflektiert werden, ohne dass er sie aufgeben oder durch eine andere ersetzen sollte.“ (Wiater 2012, S.28)

3.1. Kenntnis

Um kultureller Vielfalt in der Frühpädagogik kultursensitiv begegnen zu können ist es erforder­lich Informationen, Wissen und Kenntnis über die kulturellen Hintergründe, insbesondere die Formen und Verläufe von Entwicklungsprozessen sowie über kulturell bedingte elterliche und pädagogische Verhaltensweisen zu erlangen. Welche kommunikativen Regeln, kulturspezifi­sche Gesten, sprachlichen und religiösen Hintergründe müssen kultursensibel berücksichtigt werden? Das Wissen um solche kulturellen Besonderheiten kann ein Ausdruck der Wertschät­zung sein. Für die interkulturelle, insbesondere sprachliche Verständigung kann eine kulturelle Vielfalt im pädagogische Team hilfreich sein. (vgl. Borke/Keller 2014, S.99-101) Des Weiteren sollten die pädagogischen Fachkräfte über Kenntnisse bezüglich Methoden interkulturellen Lernens und antirassistischer Arbeit sowie überden rechtlichen, politischen und sozialen Sta­tus der Migranten verfügen. (vgl. Zenk/Güngogdu 201, S.18)

3.2. Haltung

Zur Basis kultursensitiven Handelns zählt die grundsätzliche Anerkennung und soziale Wert­schätzung von unterschiedlichen Kulturen und ihren Besonderheiten, sowie die Achtung der allgemeinen Menschenwürde. (vgl. Auernheimer 2012, S.21) „Leitend für die Interkulturelle Pädagogik sind die Anerkennung von Anderssein und das Bewusstsein von Ungleichheit, m. a. W. die Wachsamkeit gegenüber Diskriminierungen.“ (Auernheimer, 2012 S. 59) Gesetzlich ist dieser Aspekt seit 2006 durch das Gleichbehandlungsgesetz im AGG §1 verankert.

Eine kultursensitive Haltung zeichnet sich daher zunächst durch die Aufmerksamkeit und Of­fenheit für mögliche Kulturdifferenzen und der Wahrnehmung der eigenen Kulturgebundenheit aus. (vgl. Auernheimer 2012, S.118) Wertungsfreie Offenheit und Aufmerksamkeit dienen dazu, Familien in ihren Vorstellungen, Einstellungen und Verhaltensweisen zu verstehen und zu schätzen. In der kulturellen Verschiedenheit können Ressourcen entdeckt und gefördert werden. Bedingt durch eine empathische Herangehensweise und eine verständnisvolle Hal­tung der Fachkräfte können Kompromisse und Lösungen in Problemsituationen entwickelt werden. Eine kultursensitive Haltung ist unabdingbar, um Diskriminierung im alltäglichen pä­dagogischen Umgang zu vermeiden. (vgl. Borke/Keller 2014, S.100-103) „Für die Pädagogik gibt es weder .Ausländer' noch .Inländer': für sie gibt es nur Menschen.“ (Borelli 1986, S.24)

3.3. Leben mit Diversität

Im alltäglichen, multikulturellen Miteinander benötigen die frühpädagogischen Fachkräfte ein breites und kompetentes Handlungs- und Verhaltensrepertoire, um sensibel und situationsan­gemessen auf die jeweiligen kulturellen Kontexte eingehen und reagieren zu können. (vgl. Borke/Keller 2014, S.105) Voraussetzungen für kompetentes Handeln ist die Fähigkeit Bezie­hungen zu anders kulturell sozialisierten Menschen aufzubauen, sich geschickt und anpas­sungsfähig mit Fremden und Fremdem zu verhalten sowie Räume für ein friedliches, toleran­tes und demokratisches Miteinanderzu gestalten. (vgl. Zenk/Gündogdu 2011, S.19)

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Kultursensible Frühpädagogik. Respekt und Achtung vor kultureller Diversität
Hochschule
Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz)
Veranstaltung
Erziehungs- und Bildungskonzepte
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
16
Katalognummer
V349113
ISBN (eBook)
9783668366619
ISBN (Buch)
9783668366626
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
interkulturelle Pädagogik, interkulturelle Erziehung, Kultursensitive Pädagogik
Arbeit zitieren
Michaela Hausmann (Autor:in), 2016, Kultursensible Frühpädagogik. Respekt und Achtung vor kultureller Diversität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/349113

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