Edelmetall gedeckte Kryptowährungen

Modeerscheinung oder Chance für Finanzökonomie und Realwirtschaft?


Tesis de Máster, 2016

72 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einführung

2 Was ist Geld?
2.1 Einordnung des Geldbegriffs
2.2 Philosophie, Wert und Wesen des Geldes

3 Währungssysteme gestern und heute
3.1 Der Tausch
3.2 Edelmetall gedeckte Währungen
3.3 Die Frage nach der Gerechtigkeit
3.4 Zentralisierung geldpolitischer Instanzen
3.5 Die Rolle des Staates
3.6 Die Rolle der Banken
3.7 Regionale Währungen

4 Bankensysteme im Wandel
4.1 Digitalisierung der Bankenbranche
4.2 Die Evolution virtueller Währungen
4.3 Finanzinnovationen der Zukunft

5 Kryptowährungen und Kryptoökonomie
5.1 Werthaltigkeit von Kryptowährungen
5.2 Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen
5.3 Chancen und Risiken für den Finanzsektor
5.4 Edelmetall gedeckte Kryptowährungen

6 Zusammenfassung und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Unterscheidung der wichtigsten Geldarten

Tabelle 2: Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Zinseszins

Tabelle 3: Erfolgs- und Wertindikatoren von Kryptowährungen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Trilemma des Wechselkursregimes

Abbildung 2: Optimierung von Zahlungsprozessen mittels Payment Service Provider

Abbildung 3: Evolution virtueller Währungen

Abbildung 4: Innovationspotential digitaler Produkte

Abbildung 5: Dezentralität der Distributed Ledger Technologie

Abbildung 6: QR-Code einer öffentlichen Bitcoin-Adresse

Abbildung 7: Entwicklung Bitcoin-Kurs in Euro

Abbildung 8: BitIndex der Pantera Capital

Abbildung 9: Transaktionsinformationen einer Bitcoin-Zahlung

Abbildung 10: Kooperationen zwischen Banken und Fintechs

Abbildung 11: Euro Banking Association - Typeneinteilung der Kryptoökonomie

1 Einführung

Im Mai 2015 brachte die US-Amerikanische Firma Anthem Vault Inc eine Kryptowährung, die auf einer Golddeckung basiert, zur Marktreife. Der sogenannte HayekCoin erhielt seinen Namen in Andenken an den wohl bekanntesten Vertreter der Ö sterreichischen Schule der Ö konomie, Friedrich A. Hayek. Der Gründer und Geschäftsführer, Anthem Blanchard, ist damit einer der ersten, die ein Geschäftsmodell auf der Basis einer durch Edelmetalle gedeckten, virtuellen Währung anbietet. HayekCoins können mit Euro und Dollar erworben werden. Über den Erwerb hinaus, ist die neue Währung, die gleichzeitig der Geldanlage dient, von staatlichen Währungen unabhängig. Diese Entwicklung deutet auf fundamentale Veränderungen der modernen Systeme des Zahlungstransfers hin. Denn Geld ist im Wandel. Währungs- und Wirtschafstsysteme unter Druck. Globalisierung, Liberalisierung1 und Virtualisierung sind Treiber dessen, dem der Mensch Wert beimisst. Alles wirkt schnelllebiger und somit unkontrollierbar.

Die vorliegende Arbeit hat die Prüfung der Eignung Edelmetall gedeckter Online-Währungen als Zahlungsmittel zum Inhalt. Welche Potentiale und welche Grenzen haben dezentrale, digita- le Systeme? Welche sind die Finanz-Innovationen der gegenwärtigen Zeit? Und was macht überhaupt eine „gerechte” Währung aus? Der Untertitel dieser Arbeit greift die Begriffe der Realwirtschaft und der Finanzwirtschaft auf. Die Unterscheidung dieser Begriffe ist insbesonde- re für die Analyse der Teilbereiche einer Gesamtwirtschaft von Bedeutung. Die Realwirtschaft ist dabei nicht nur die produzierende Industrie, die reale Güter herstellt. Vielmehr befasst sich dieser Teil der Wirtschaft mit der Produktion, dem Vertrieb sowie dem Konsum von Waren und Dienstleistungen. Eine Differenzierung der beiden Teilwirtschaften im allgemeinen Sprachge- brauch ist eine Folge der Effekte und Verwerfungen der Schuldenkrise, deren Wurzeln zwar im Finanzsektor zu verorten sind, die in ihrem Ausmaß aber ganz eindeutig die Realwirtschaft be- treffen. So wurden die negativen Früchte, die aus der Kombination von Fehleinschätzungen und Kompromissen seitens der Politik, der Banken und von Anlegern resultierten, in ihrem Ausmaß erst in der Realwirtschaft offenbar. Kredite für jedermann, fehlerhafte Bewertung von Immobi- lien und Spekulationspraktiken beschleunigen den Kreislauf einer Wirtschaftskrise. Personal- kosten können nicht mehr getragen werden, Mitarbeiter müssen entlassen werden, Umsätze brechen weg, Preise steigen, Kredite können nicht mehr bedient werden, eine Verschuldungsspi- rale auf staatlicher und privater Ebene ist in Gang gesetzt. Mit der Finanzwirtschaft ist im Ge- gensatz zur Realwirtschaft also keine fiktive Wirtschaft gemeint, denn „ aus volkswirtschaftli- cher Perspektive dienen die Begrifflichkeiten lediglich zur Unterscheidung zwischen Güterströ- men und Geldströmen, wobei das Geld quasi als„Schleier“über der realwirtschaftlichen Sphä- re liegt.“ 2

Es handelt sich insofern eher um ein analytisches Hilfsmittel. Beide Teilwirtschaften sind für den Wirtschaftskreislauf essentiell, real und innerhalb einer Marktwirtschaft nicht zu trennen. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Währungspolitik (Niedrigzins), des historisch gewachsenen Geldsystems (ungedecktes Giralgeldsystem) und der digitalwirtschaftlichen Entwicklung (Finanztechnologien, Kryptowährungen), ist die Frage neu zu bewerten, ob - und unter welchen Rahmenbedingungen - neue Währungen Bestand haben. Begriffe des täglichen Gebrauchs sind zu definieren, Mechanismen zu verstehen, komplexes zu vereinfachen.

Einer der zeitweise meistgelesenen, deutschsprachigen Lyriker, Wolf Wondratschek, äußerte sich wie folgt zu dem Thema: „ Geld hat Hunger. Es ist eine Bestie. Es frisst Dich auf, deinenVerstand, dein Herz, deine Seele. Was bleibt, ist nackte Angst.3 Es gilt also, das Phänomen Geld besser zu verstehen.

2 Was ist Geld?

Es gibt viele Definitionen für Geld. Und ebenso vielfältig die Definitionen, so verbreitet die Unwissenheit über das, hinter dem Geldbegriff stehende Konstrukt der Geldwirtschaft und so groß die Verwirrtheit in der Terminologie. Liegt es vielleicht daran, dass das Geld nicht allein rational betrachtet werden kann, der Mensch vielmehr eine abstrakte, gar emotionale Beziehung zum Geld pflegt? Da es die eine, prägnante Definition nicht zu geben scheint, hilft es, sich dem Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu nähern. Weimer tut dies auf folgende Weise: „ Nichts bringt die Menschen schneller um den Verstand als die Liebe und das Geld. Geld ist etwas Hochabstraktes und Knallkonkretes zugleich, unveränderlich und laufend anders, ein Maßstab und doch gleichzeitig messbar. Geld hat die Aura des Magisch-Mythischen und zugleich etwas Platt-Profanes, es wird mit aller Inbrunst verteufelt und voller Leiden vergötzt, es ist ungeheuer praktisch und doch hochkompliziert. Geld verkleidet sich als Sache, als Funktion, als Instru-ment, als Vorstellung, als (Rechts)Anspruch, als Mittel oder gar als Symbol - es bleibt ein kniff-liges Paradoxon. Volkswirte nennen es Zahlungsmittel, Historiker einen Spiegel der Zeiten, Soziologen ein Mittel sozialer Differenzierung, für Moraltheologen ist es die Inkarnation des Diesseitigen, für Juristen ein Rechtsanspruch, für Ethnologen ein Kultobjekt, für Merkantile das Blut des Handelns, für Futurologen ein Motor der Evolution, für Literaten eine Chiffre der Habgier.”4

Das lässt die Vermutung zu, Geld träte in aller Vielfalt einer nicht zu fassenden Person auf. Es scheint tatsächlich eine gängige Praxis, dem Geld ein personifiziertes Element und eine We- sensart zu unterstellen. Ziel dieses Kapitels ist es, sich einer Definition zu nähern und insbeson- dere die damit verbundenen Termini zu unterscheiden und möglichst klar voneinander abzu- grenzen. Nur auf dieser Grundlage ist es möglich und zielführend, sich weiterführenden Analy- sen zuzuwenden.

2.1 Einordnung des Geldbegriffs

Geld wird in der Literatur in der Regel über seine Funktionen definiert. Darüber hinaus gibt es eine Reihe exotisch anmutender Definitionen. So wird Geld als Potenzmittel, Institutionalisier- tes Vertrauen und „ substanzgewordene Relativität5 bezeichnet. Was heute umgangssprachlich als Geld bezeichnet wird, muss vorerst einmal eingeordnet werden. Im Rahmen einer themati- schen Annäherung ist es sinnvoll, zwischen Staatsgeld und Wirtschaftsgeld zu unterscheiden, da diese beiden Ausprägungen des Geldes in verschiedenen Systemen Berechtigung finden und grundverschiedene Zecke haben. Der Umfang des Staatsgeldes, also des Bargeldes, das von der Notenbank und damit gewissermaßen vom Staat ausgegeben wird, beträgt dabei gerade einmal 5 bis 8 % der gesamten, umlaufenden Geldmenge.6 Das von den Geschäftsbanken erzeugte unbare Wirtschaftsgeld umfasst den bedeutend höheren Anteil.

Der Unternehmer und Autor Dietrich Eckhardt nähert sich der Frage „Was ist Geld?“ bewusst nicht über dessen Funktionen,7 wie sonst oft in der Literatur. Er stellt fest, dass sich die Frage ausschließlich auf das „ Wesen des Geldes8 beziehen kann und nimmt die Analyse des Be-obachtbaren zu Hilfe. Daraus ergibt sich auch seine etwas bizarr anmutende, jedoch durchaus nachvollziehbare Definition von Geld: „ Das Geld der Kreditwirtschaft ist die Gesamtheit jener quantitativ bewerteten und symbolisch vergegenständlichten Tilgungsversprechen, die durch das Leistungspotential [...] gedeckt ist.9 Diese Definition sucht besondere Aufmerksamkeit zu finden. Im Kern dieser Definition steht das Tilgungsversprechen, das Ausdruck eben dieser Kreditwirtschaft ist. Jede Geldeinheit, die bei Kreditaufnahme durch Bilanzverlängerung10 bei einer Bank entsteht, ist Resultat einer Willensbekundung des Schuldners, also des Kreditneh- mers, dieses Darlehen wieder zurückzuzahlen. Er wird das aufgenommene Geld dazu verwen- den, Wertschöpfung zu betreiben, die es ihm ermöglicht, das für seine Zwecke geschöpfte Geld wieder zurückzuzahlen. Diese Willensbekundung ist durch sein (von der Bank zu prüfendes) Leistungspotential gedeckt.

Lewis unterstreicht andererseits im Rahmen seiner Definition von weichem und harten Geld, dass Papier (bzw. digitale Information) niemals Geld sein sollte, sondern höchstens als kenn- zeichnendes Zeichen eines Wertes, der in Rohstoffen oder auch Erzeugnissen vorhanden sein muss.11 Er ist damit Befürworter (Edelmetall) gedeckter Währungen. Eine weitere Unterschei- dung muss insofern zwischen Geld und Kredit beachtet werden. Kreditgeld ist Geld, das von Geschäftsbanken geschöpft wird. Kredit wird dann ausgeweitet, wenn zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer eine klassische Win-win-Situation vorliegt und damit eine Art von Vertrag, der auf Geld lautet. Die Versorgung mit Kreditgeld (Giralgeldschöpfung) kann ausgeweitet werden, um einer neuen wirtschaftlichen Tätigkeit Rechnung zu tragen, die der Kreditnehmer anstrebt. Diese Ausweitung des Kredits ist dabei laut Lewis nicht preistreibend (eigentlich: in- flationär), da keine Ausweitung der (Bar-)Geldmenge vorliegt. Bei Rückzahlung von Kredit wird die Kreditsumme vernichtet, wobei diese Verknappung von Kredit als nicht deflationär einzustufen ist.12

Hier liegt eine erstzunehmende Differenz in der Geld-Definition einiger Wirtschaftsexperten. Die Unterscheidung zwischen Bargeld, dessen Emittent die Notenbank mit Auftrag der Regie- rung, und Wirtschaftsgeld (Kreditgeld), dessen Emittent eine Geschäftsbank (ebenfalls mit ge- setzgeberischer Legitimation) ist, scheint durchaus sinnvoll. Doch nur das Bargeld, also das einzig vom Staat herausgegebene Geld, als einzig wahresGeld bezeichnen? Auch das ist zu hinterfragen. Insbesondere deshalb, da der Staat diese Geldmenge nicht einmal direkt steuert, denn die Herausgabe von Bargeld ist nicht vom Gutdünken des Staates Abhängig, sondern vielmehr von den Bürgern bzw. den Wirtschaftssubjekten. So kommt Lewis auf folgende Aus- sage: „ Die Wirtschaft als ein organisiertes Ganzes hat keine Nachfrage nach Geld. Geld ist keine Art hydraulischer Substanz, die die Maschinerie der Wirtschaft durchwirbelt. Die Men-schen fragen Geld nach. [...] Daher ist [der Bedarf an Bargeld - Anm. d. Verf.] variabel und nicht vorhersehbar.13 Letzteres ist Konsens, auch wenn der Geldbegriff bei der Masse der Au- torenschaft nicht nur auf das Bargeld beschränkt ist.

Um sich dem gegenwärtigen System des Geldes zu nähern, ist es nützlich, die Geldarten des Finanzmarktes zu unterscheiden. Der Finanzmarkt gliedert sich im Allgemeinen in die Bereiche des Geld-, Kapital-, und des Kreditmarktes, wobei damit primär die Fristigkeit des Geldbedarfs unterschieden wird. Für das Verständnis der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Betrachtung, ist die Unterscheidung zwischen Bargeld (Staatsgeld) und Kreditgeld (Wirtschaftsgeld) nötig. Der Bezug zu der Art der Geldentstehung und der Wertigkeit des Geldes ist damit der Fristigkeit vorzuziehen. Das führt, statt zu der Kategorisierung des Finanzmarktes, zu der Unterscheidung der Arten des Geldes.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Unterscheidung der wichtigsten Geldarten14

Bei der Zentralbank entsteht demnach Bargeld, bei Geschäftsbanken Buch-, Giral-, Fiat- bzw. Kreditgeld. Die Bezeichnung Fiatgeld15 suggeriert, dass Geld „aus dem Nichts“ geschaffen wer- de und somit keinerlei Deckung unterläge. Ähnlich wie bei Fiatgeld, wird auch bei Kreditgeld oft angenommen - und somit dem Geldgeber eine gewisse Willkür unterstellt - dass der Geld- schöpfung keine Werte gegenüberstehen. Dieser Unterstellung stellen einige Autoren die Tatsa- che des zugrundeliegenden Versprechens auf Rückzahlung und damit einen nicht-materiellen Wert entgegen. „ Weil Kreditgeldschöpfung die Vergegenständlichung von Versprechen ist und das Leistungspotential der Kreditnehmer nichts anderes als die Deckung der Versprechen, ist die Deckung dieser Versprechung auch die Deckung des aus ihnen erwachsenden Geldes.“16

Insofern ist der Ausdruck, Geld würde „aus dem Nichts“ geschöpft nicht zutreffend, da es „ aufder Basis wirklich vorhandenen Leistungspotentials17 entstanden ist.

Unter Nichtberücksichtigung der staatlichen Einlagensicherung ist die Aussage, Kreditgeld sei nur durch das Vertrauen in den Staat, der das Geld ausgibt, gedeckt, muss ebenfalls nachdrück- lich widersprochen werden, da der Staat keinen direkten Einfluss auf die Kreditgeldmenge hat.

Wie bereits angedeutet, ist eine eindeutige Definition der Geldbegriffe durch die Vielzahl in der Öffentlichkeit (oft synonym) verwendeten Begriffe recht beschwerlich, jedoch essenziell. Er- schwerend kommt der Umstand hinzu, dass unter der Autorenschaft massive Diskrepanzen in der Meinung zu sinnhaften Definitionen vorliegen. Das Aufstreben spezieller Gruppierungen (Think Tanks), die seit der letzten großen Finanzkrise, die im Jahr 2008 ihren Höhepunkt ein- läutete, viel Aufwind erfahren, wirbeln diese Diskussionen weiter auf, schaffen aber auch eine wohl dringend notwendige Vielfalt und Bereitschaft der Auseinandersetzung.18

Weiterhin sind auch Begriffe wie monetär und finanziell nicht synonym zu betrachten. Als mo-netär sollten Änderungen des Wertes einer Währung und der Begriff finanziell eher die Ände- rung des Kreditverhältnisses bezeichnet werden.19 Es handelt sich also um grundverschiedene Ebenen der Betrachtung. Eine weitere Feststellung bezieht sich auf die Unterscheidung der Be- griffe Geld und Wert. In der Regel werden auch diese Begriffe mit gleicher Bedeutung belegt. Jedoch gilt vielmehr: „ Über den Wert lernst man etwas aus der Analyse des Bewertens.Über das Geld lernt man etwas aus der Analyse des Kreditierens.20 Auch hier taucht wieder der Be- griff Kredit auf, der ganz eindeutig auf den Akt der Geldschöpfung durch Banken hinweist. An dieser Stelle kommt es oft zu Fehlausdrücken, insbesondere wenn Edelmetalle, wie etwa Gold, „bewertet“ werden. Es wird dann oft davon gesprochen, dass eine Unze Gold einen gewissen Eurobetrag wert wäre. In der Tat liegt hier ein logischer Zirkelschluss vor, der vermieden wer- den sollte. Vielmehr ist die Aussage, dass der Preis (in Euro ausgedrückt) für eine Unze Gold einen gewissen Eurobetrag betrüge, zielführend.

Der Geldbegriff und die Frage nach dem Wert des Geldes, führen unweigerlich zu dem Phäno- men des Zinses. Wird Geld als das„wichtigste Wirtschaftsgut“ 21 bezeichnet, so wird der Zins von einer breiten Autorenschaft als der „Preis des Geldes“ oder auch als „ Belohnung für die Nicht-Hortung von Geld22 gesehen. Hier muss die prämonetäre Bedeutung betrachtet werden, um sich mit den oben genannten Definitionen nicht einer Vordergründigkeit (und damit einer mangelnden Gründlichkeit) zu unterwerfen. So kommt Eckardt auf die Aussage, der Zins sei der „ Lohn für einen gewährten Zahlungsaufschub oder - von der anderen Seite her betrachtet - füreine (unter Umständen gar riskante) Vorablieferung. Je länger der Zahlungsaufschub, destohöher der Lohn.“23 Und er ist damit nicht allein, denn Issing nennt den Zins den „ Preis für diefrühere Verfügbarkeit eines Gutes24.

Da für die verleihende Partei, für die Zeit des Verleihens, von einem Liquiditätsverzicht gespro- chen werden kann, kann der Zins auch als eine „ an die Leihzeit gekoppelte Prämie für die Auf-gabe der Vorteile, die mit dem Geldbesitz verbunden sind25 definiert werden. Allgemeiner formuliert, kann auch der Begriff des Kapitals genutzt werden. Denn dieser lenkt den Fokus auf die hinter dem Geld stehenden Faktoren, trägt damit aber nicht zwingend zu einer Klärung des Sachverhalts bei. Von der Seite des Geldnehmers aus betrachtet, ist der Zinssatz also „ der Preis der Aufnahme von Kapital, das nicht Geld an sich ist, sondern die Zeit und Arbeit der Bürger, die in Geldeinheiten dergestalt ist.26 Vor diesem Hintergrund soll in der vorliegenden Arbeit mit den Begriffen Liquiditätsverzichtsprämie bzw. eine Liquiditätsbeschaffungsprämie 27 der Definition des Zinses dienen.

Nicht nur die Definition, auch die Auswirkung des Zinses (und insbesondere die des Zinses- zins), werden zunehmend angeprangert, denn „ ökonomisch gesehen, bedeutet Zinsnehmen von einem bestimmten Punkt an eine Vermehrung des Geldes ohne Kopplung an die Produktion von Gütern. Dieser Prozess führt auf Dauer zum Ruin jeder Volkswirtschaft.28 Nun könnte man unterstellen, dass Dietrich Schirmer als sogenannter „Geistlicher” keine besonders weitreichen- de Expertise zu den Themen Beschäftigung, Zins und Geld beizutragen hätte. Die (Kirchen-) Geschichte lehrt jedoch, dass sich Kirchenväter seit jeher, nicht nur mit der „ Liebe zum Geld als Wurzel alles Bösen29, sondern auch eingehend mit der Zins- und Zinseszinsproblematik be- schäftigt haben.

Darüber hinaus sind die zinsbedingten Wachstumszwänge in der neueren Literatur häufig thematisiert. So stößt man unweigerlich auf drei Problemfelder, die mit Zins und Zinseszins in direktem Zusammenhang zu stehen scheinen (Tabelle 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Zinseszins30

Kennedy sieht den Grund in den grundsätzlich unterschiedlichen Wachstumsmustern, die in der Ökologie und der Ökonomie vorherrschen und die im herkömmlichen Finanzsystem nicht zusammengeführt werden können.31 Die hier entstehenden Missstände zwischen der Finanz- und der Realwirtschaft sieht sie im Rahmen von Komplementärwährungen gelindert, deren Analyse an anderer Stelle dieser Arbeit zum Inhalt gemacht werden.32

Zunächst wurde in diesem Kapitel eine Analyse der vorherrschenden Begrifflichkeiten vorge- nommen. Es ist unumgänglich, den Wortschatz, der bei diesem Thema zur Anwendung kommt, zu prüfen und wesentliche Begriffe und deren Bedeutung zu benennen. Da die bisher zur Spra- che gekommenen Definitionen jedoch grundsätzlich für Bargeld und Kreditgeld zutreffend sind, muss im Folgenden eine eindeutige Bezeichnung für das virtuelle Währungsgeld eingeführt werden. In Anlehnung an Polleit und von Prollius, wird mit Blick auf Kryptowährungen von freien Marktgeld gesprochen. Freies Marktgeld (auch: privates Marktgeld) ist das Resultat aus einem freien Markt, der einzig und allein auf den Gesetzen von Angebot und Nachfrage beruht. Die Marktteilnehmer haben die freie Wahl, was sie für Geld akzeptieren.33 Bitcoin und andere Kryptowährungen können daher als freies bzw. privates Marktgeld bezeichnet werden.34 Inso- fern bedarf es einer weit umfangreicheren Definition von Geld, um den Ansprüchen dieser Ar- beit Rechnung zu tragen.

2.2 Philosophie, Wert und Wesen des Geldes

Die Fachliteratur (bis hin zu den Anfängen der Bankgeschäfte35 ) bietet eine Fülle an unter- schiedlichen Definitionen und Schwerpunkten. Auch die Frage nach dem Grund der Entstehung von Geld scheiden die Geister: „ Für Adam Smith ist es aus dem Handel entstanden, Bernhard Laum aus religiösen Motiven, für John Locke aus Bedürfnissen der Wertaufbewahrung, für

Wilhelm Gerloff Prestigedrang, für Karl Marx aus dem Zwang, Werte zu messen, für Aristoteles aus dem Zahlungsmittelbedarf, Georg Friedrich Knapp aus staatsrechtlicher Konvention.“36

Auf den Zusammenhang zwischen Geld und Kredit wurde bereits eingegangen. Doch was ist der (innere) Wert des Zahlungsmittels, das wir im Alltag in Verwendung bringen? Wird der Wert einerseits, im Sinne der reinen Kaufkraft, auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage zurückgeführt, nennt Lewis dies eine leichtfertige Verallgemeinerung und greift korrigierend ein, indem er feststellt, dass der Wert als grundlegendes ökonomisches Gut im Sinne von Kapi- tal als die Arbeitsleistung, die Zeit, menschliches Fähigkeiten und Fertigkeiten definiert werden kann und unterscheidet insbesondere zwischen Wert und Preis.37 So sollte der Wert eines Zah- lungsmittels im Idealfall eine vergleichbar konstante Stabilität aufweisen, wie es bei andere Maßeinheiten (Kilogramm und Liter) der Fall ist.38 Dass Geld nicht in der Lage ist, einen Wert zu bemessen, verdeutlicht folgendes Beispiel: „ Herr Meier kauft beim Obsthändler einen Apfel, für den er einen Euro bezahlen muss. Ist der Apfel Herrn Meier einen Euro wert? Nein, der Apfel ist ihm mehr wert als einen Euro, denn Herr Meier tauscht einen Euro nur dann gegen einen Euro, wenn aus seiner Sicht der Apfel mehr wert ist, als ein Euro. Für den Obsthändler gilt genau das Gegenteil. Aus seiner Sicht ist ein Euro mehr wert als ein Apfel.39 Insofern bil- det der Preis nicht den Wert eines Gutes ab, sondern vielmehr zeigt dieser an, dass zu diesem Preis ein Tauschvorgang zustande kam. Umgangssprachlich ist oft vom Wert die Rede. Gemeint ist jedoch meist die Kaufkraft.

Neben der Analogie bezüglich der feststehenden Maße unseres Alltags, lohnt ein Blick auf eine sehr viel abstraktere Ebene, nämlich die des „ Gegenstandcharakters des Kreditgeldes.40 Aus- gehend von der Charakterisierung des (Kredit-)Geldes als Vergegenständlichung eines Verspre- chens, vergleicht Eckardt die Entwicklung des modernen Geldes mit der Entstehung der Ma- thematik bei den alten Griechen, denn: „ Die Mathematik ist nicht Teil der Natur, sondern eine Tätigkeit unseres Geistes (die allerdings zur Natur passt). Die Gegenstände der Mathematik sind durch und durch immateriell. Sie lassen sich nur symbolisch vergegenständlichen. Der gerade Strich auf dem Papier ist nicht die Gerade. Er ist nur das Symbol derselben. Die Gerade selbst ist ein reines Geistesprodukt.41 Da dieser Zusammenhang auch die Zahlen (und andere mathematische Gebilde) betrifft, vergleicht Eckardt dies ebenso mit der Vergegenständlichung eines Tilgungsversprechens. Dies ist eine bloße Bescheinigung, die wiederum nur eine symboli- sche Vergegenständlichung ist. Das Versprechen bleibt immateriell, jedoch kann es „ in Gestalt

seiner symbolischen Vergegenständlichung wie etwas Dingliches fungieren und wie etwas Dingliches, z.B. in Form eines Gutscheins oder EDV-Eintrags, behandelt werden.42 Damit erfüllt es die Bedingung, wie eine Ware am Tauschhandel teilnehmen zu können. Konkret kann es „ die vorläufige Komplettierung eines Tausches (mittels Versprechen) in eine endgültige ver-wandeln und der Tausch als bilateraler Gütertausch vollständig abgeschlossen werden.43

Der Versuch, die Immaterialität des Geldes zu erfassen, brachte auch Friedrich August von Hayek zu der Aussage: „ Das Geld und seine Institutionen scheinen jenseits der Grenze löbli-chen und verständlichen physischen Schöpfungsbemühens zu liegen, in einem Bereich, in dem die Fassbarkeit des Konkreten aufhört und unfassliche Abstraktionen herrschen.“44 Darin liegt für andere wiederum die eigentliche Revolution der Geldentwicklung. Denn das „primitive“ Geld, das sich in der materiellen Erscheinung, etwa in Gold oder Silber, ausdrücke, wurde zu dem, was „gilt“, nämlich als das „ prinzipiell immaterielle Geld seine Verkörperung in wertlosen Gegenständen fand, bzw. in Gegenständen, die einen zu vernachlässigenden Eigenwert hat- ten.45 An die Materialdeckung tritt beim Kreditgeld das Leistungsvermögen des Menschen, seinem Leistungspotential und damit die Immaterialität. Geprüft werden muss nun nicht mehr die Güte des Materials, sondern vielmehr die Potenz von Menschen. Auch wenn das Geld unter dieser Betrachtung einen wichtigen Bezug zum Materiellen hat, so wird unterstellt, erfüllt es seine Dienste dann am besten, wenn es seine Verkörperung in der Immaterialität findet. Ein Argument, dass es im Rahmen der Kryptowährungen wieder aufzugreifen gilt.

Georg Simmel, dessen Aufsatz „Psychologie des Geldes“ bereits 1888 erschien, setzt sich mit der Frage auseinander, ob Geld überhaupt einen Wert hat, oder nur das Symbol eines Wertes ist. Auch er redet vom Wesen des Geldes. Wert wird unterdessen definiert als: „ unabhängig von der Wirklichkeit, dem subjektiven Urteil unseres Bewusstseins entsprungen.46 Demnach führt Geld in einen Zustand, in einen Status - nicht zwingend gesellschaftlicher Art - aber ebendiesen Zu- stand, der Gelegenheit schafft. Er ist Ausdruck der Willenskraft. Doch was macht die Magie des Geldes aus? Wir überlassen ihm (dem Geld) die Möglichkeit, über Menschen und Gesellschaf- ten zu bestimmen.47 Auf der Suche nach der Magie des Geldes kann durchaus festgestellt wer- den, dass es nicht das Geld an sich, also das Blech oder das Papier ist, das in sich eine wirksame Kraft besitzt. Vielmehr muss nüchtern festgestellt werden, dass der, der dem Geld erst diese Magie verleiht, zweifelsohne ein Narr sein muss.48

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit lohnt ein Blick auf die sogenannte Wiener Schule derÖko-nomie, 49 dessen bekannteste Vertreter und Zeitgenossen F. A. Hayek und Ludwig von Mises sind. Hayek, der bereits 1976 in seinen vordenkerischen Texten wie etwa der „ Entnationalisie- rung des Geldes50 den Vorschlag für eine neue Währungsordnung formulierte, gilt als wichti- ger Vordenker für viele heutige Geldsystemkritiker, denn bereits er blies zum „ ersten ernstzu- nehmenden Großangriff auf das staatliche Geldmonopol weltweit”.51 Heute wird dieser Groß- angriff von Technologien wie Bitcoin unterstütz, denn „ derüberlegene Vorteil ist seine Dezent-ralität.52 Für Simmel ist Geld jedoch noch mehr: Geld hat selbst einen Wert, ist nicht nur Tauschmittel, sondern eine Ware, ein eigenständiger Wert. Somit zweifelt er an der Neutralität des Geldes und nennt es vielmehr: „ Substanzgewordene Relativität.”53 Auch heute führt die Fra- ge nach der Neutralität des Geldes immer wieder zum Disput unter Wissenschaftlern und Philo- sophen.54

Zur Ware geworden, tritt Geld in Vermessung und Austausch mit sich selbst. Als Beispiel kön- nen hier Währungskurse genannt werden. Geld verlangt selbst einen Preis, den Zins. Durch das Investieren wird das Geldkapital zum produktiven Kapital. Die Ansammlung des Geldes durch den Zinseszins nennt Simmel in diesem Zusammenhang „ Akkumulierung “.55 Er schließt daraus, dass: „ die Struktur der geldwirtschaftlichen Verhältnisse, die Art, wie das Geld Renten und Ge-winne erzielt, bringt es mit sich, das es von einer gewissen Höhe ab, sich wie von selbst ver-mehrt, ohne durch verhältnismäßige Arbeit befruchtet zu werden56 Damit zweifelt Simmel an der reinen Funktion des Geldes als Tauschmittel und befasst sich insbesondere mit der Werthal- tigkeit ziehungsweise einer Wertkonstanz, die erst in einer zeitlichen Kontinuität der Realwirt- schaft zum Vorteil dient.

Die Frage nach der Neutralität (Geist oder Ding) des Geldes trieb bereits eine Vielzahl an Den- kern aus allen wissenschaftlichen Richtungen um. Unter anderem wird auf das Problem der Geldblindheit hingewiesen, dem das Geld „ als Motor der Individualisierung, Zerstörung und Versachlichung zwischenmenschlicher Beziehung57 zugrunde liegt. In seinen Kritikpunkten am Geldgebrauch orientiert sich auch Eichler an dieser marxistisch geprägten Kapitalkritik. Ein Aspekt sei die „ Selbstverständigung des Geldes vom Mittel zum Zweck. [...] Das Geld schafft danach eine Verwendungsweise der Dinge, die ihnen nicht angemessen ist. Das Geld wird, ob- wohl es doch Mittler sein soll, um seiner selbst willen begehrt.58 Als zweiten Aspekt stellt der Autor den falschen und verfälschenden Maßstab heraus, den Geld auszudrücken vermag. Er kategorisiert dabei den „ pervertieren oder verkehrenden, den destrukturierenden, beziehungs- weise anarchischen und den individualisierenden Moment des Geldgebrauchs.59 Dieser Per- versionsmechanismus, der dem Geldgebrauch innewohnt, richtet sich gegen die herkömmliche Ordnung der Dinge. So wird etwa angeprangert, dass sich ein Sohn eines Millionärs vom Mili- tärdienst freikaufen kann. Auf diese Weise werden soziale Gefüge beziehungsweise Verhältnis- se verkehrt. Die Perversion führe nun direkt zur Destruktion. Durch die Umkehrung der Ord- nung der Dinge, wird sie also zugleich zerstört. Durch das Heraustreten aus der herkömmlichen Ordnung der Dinge, kann beispielsweise durch eine Spende oder Zahlung, der eine Bedingung obliegt, eine Macht ausgeübt werden, die dem Geldbesitzer sonst nicht zukäme. In der Literatur wird diese Individualisierung einerseits kritisiert, andererseits gelobt. „ Der Geldbesitzer tritt aus der Ordnung der Dinge heraus und verletzt so den organischen Gesellschaftskörper. Auf der anderen Seite ist das Individuum aber gerade deswegen in der Lage, dieübergeordnete Ord-nung der Dinge zu reflektieren, und muss sich ihr nicht mehr in jedem Fall unterwerfen.60

In der Alltagssprache wird zwischen Geld und Wert kaum unterschieden. Spätestens aber bei Spekulationsblasen, im moralischen Kontext, wenn beispielsweise ein bestimmtes Gut zu teuer oder zu billig verkauft werden soll, wird sehr schnell zwischen dem wirklichen Wert und dem ausgewiesenen Preis differenziert. Gibt es einen inneren Wert? Welcher ist der gerechte Preis? Was macht einen gerechten Tausch aus? Wie sieht eine gerechte Verteilung in einem Währungssystem aus? Und schließlich: Was ist Gerechtigkeit, und wer entscheidet, was als gerecht gilt? Hierin ist sich die Literatur nicht einig.

Wie bereits bei der Darstellung der systemischen Probleme im Zusammenhang mit dem Zinses- zins, sehen Vertreter von Regionalwährungen in ihren Ansätzen die Lösung dieser Fragestel- lungen. Die Idee und Konzeption eines Regiogeldes beruht auf dem Versuch, jene Wirkungen zu vermeiden, die Marx dem Geld in einer kapitalistischen Gesellschaft zugeschrieben hat: „ Verselbstständigung des Geldes, Entfremdung vom Prozess der Arbeit, Bereicherungsmotiv.”61 Komplementärwährungen haben oft den Anspruch, diese Wesensarten des Geldes zu berück- sichtigen und entgegenzutreten. Jedoch ist es, wenn Marx ernst genommen werden soll, nicht damit getan, ein System zu verändern. So stellt Thiele die Frage, ob die Konstruktionsweise des Regionalgeldes (negative Verzinsung, regionale Beschränkung) den FetischGeld bändigen

kann, da die marxistischen Erkenntnisse eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse bedürfen und nicht zwingend eine Veränderung des Geldes.62

Nun lässt sich eine Vielzahl an Zwecken, für die Geld dienstbar eingesetzt werden kann, be- obachten. Die Frage scheint an dieser Stelle berechtigt, ob es überhaupt sinnvoll sei, ein Geld für viele Zwecke zu nutzen oder ob es nicht für jeden Zeck (bzw. Zweckbündel) auch ein, von anderen Geldern unabhängiges Geld, geben könne. Der Übergang vom Wesen des Geldes zur praktischen Anwendung fasst Rohland folgendermaßen zusammen: „ Das Geld ist nicht durch seine Funktion bestimmt. Sein Wesen ist nicht durch seinen Zweck zu erklären. Dieser bestimmt, wie der Funktionsträger sein sollte; er sagt nichts darüber aus, wie er ist, noch warum er so ist.63 Wie er (der Funktionsträger) sein sollte, also welche Eigenschaften er hat, was seinen Wert ausmacht und wie das System konstruiert oder charakterisiert werden sollte, das sollten die beherrschenden Fragen sein. Dazu ist also zunächst die Frage nach dem Zweck zu stellen. Ist der Zweck nicht definiert, kann kein optimaler Funktionsträger definiert werden. Im folgen- den Kapitel soll der Zweck, nämlich ein gemeinschaftlich akzeptiertes System, beschrieben werden. Geld wird zu einem wesentlichen Element einer Währung und damit zu einem, dem Zweck angemessenen Funktionsträger.64

3 Währungssysteme gestern und heute

Als ob die Meinungen zu dem Geld-Begriff nicht schon eine ausreichend hohe Diversität aufweisen würden, sind mindestens ebenso viele Branchenkenner der Geschichte und der Gegenwart nicht müde geworden, das vermeintlich optimale Währungssystem zu diskutieren. Eine umfangreiche Ausführung zur Historie der Währungssysteme kann in dieser Arbeit nicht geleistet werden. Es sei jedoch auf die Darstellung bei Thiele (2011) Kapitel II, hingewiesen. Das folgende Kapitel beschäftigt sich, angelehnt an die Themen Philosophie, Wert und Wesen des Geldes, mit der Frage nach der systemimmanenten Gerechtigkeit und damit der hinter einer Währung stehenden Autorität. Darüberhinaus werden die Edelmetall gedeckten, regionalen sowie kryptografischen Währungen näher behandelt.

3.1 Der Tausch

Wird das interaktive Moment des Geldes, also der Zahlvorgang bei Kauf einer Ware oder Dienstleistung betrachtet, ist die rechtswirksame, gegenseitige Übertragung von Bedeutung. Laut Eckardt kann gar „ nicht ausdrücklich genug betont werden, dass ein Verständnis der Sa-che Geld nicht ohne Verständnis der Sache Tausch zu erlangen ist.“65 Er entwickelt den Grund- begriff der Kreditgeldwirtschaft aus dem prämonetären Tausch und leitet wichtige Erkenntnisse über das Wesen des Geldes und einer Währung daraus ab. Der freie Tausch, also der Wechsel von Gütern, ist gesetzlich nicht direkt geregelt, da laut §480 BGB66 die Regelungen über den Kauf Anwendung finden. Grundsätzlich besteht der Unterschied zwischen dem Kauf und dem Tausch in der Art des Geld- bzw. Zahlungsmittels. So wird der Tausch in der Regel mit Sach- werten (Dingen) vollzogen, wohingegen der Kauf mit Geld (in diesem Zusammenhang besser: gesetzlichen Zahlungsmitteln) unternommen wird. Nun liegt die Frage nach der Definition auf der Hand. Für einige Autoren gilt ein recht pragmatischer Ansatz: „ Jedes in den Tausch gelang-te Gut ist Zahlungsmittel.“67 Diese Definition gilt aber nur dann, wenn das Zahlungsmittel nicht nur den Charakter eines puren Gutes, sondern zugleich auch den Charakter einer Schuld inne- hat. Denn „ jede Zahlung ist sowohl dieÜbertragung eines Gutes als auch der Ausgleich einer Schuld.“68

Es liegt also ein Doppelcharakter eines Gutes vor. Es ist, wenn es zum Tauschobjekt wird, Gut und Schuld zugleich. Dieses Verhältnis bzw. dieser Charakter spiegelt sich ebenso in der doppelten Buchführung wieder. Hier werden die Posten einmal als Gut (Vermögen) und als Schuld (Verbindlichkeit) aufgeführt. Nach dieser Definition reicht demnach eine symbolische Vergegenständlichung eines Versprechens, um als Zahlungsmittel zu gelten.

3.2 Edelmetall gedeckte Währungen

Im Vergleich zu Edelmetallen wird die Komplexität moderner Währungen erst vollumfänglich ersichtlich. Die Beschreibung von Edelmetallen ist schnell abgehandelt. Ein Metall, beispiels- weise Silber, lässt sich klar von anderen Edelmetallen abgrenzen. Es ist einfach beschreibbar, seine Farbe, Masse, elektrische und thermische Leitfähigkeit sind umfassend dokumentiert. Kurzum: Es ist physikalisch beschreibbar und eine leicht fassliche Materie. Geld hingehen, wie es heutzutage genutzt wird - als Phänomen der modernen Zivilisation - ist wesentlich abstrakter.

In Zeiten der Gold- und Silberwährungen bildeten Edelmetalle den am besten eintauschbaren Teil des Eigentums. Sie waren (fast) problemlos zu lagern, in kleinen Mengen nutzbar, durch ihre Seltenheit knapp und dadurch wertvoll. Da Gold und Silber in jeglicher Form als (greifba- re) Waren gesehen werden können, konnte die Symmetrie des Tauschaktes damit jederzeit her- gestellt werden.69 Edelmetallwährungen sind auch in der (durch das Papier- und Digitalgeld dominierenden) Wirtschaftswelt, im Gegensatz zu der Vielzahl an verschiedenen Geldern, eine weltweit handelbare Geldform. Für die einen ist Gold das dem Geld am nächsten stehende aller Güter und der beste zur Verfügung stehende Wertmaßstab.70 In den Augen vieler ist der Gold- standard jedoch nur ein Kompromiss, jedoch immerhin „ das am wenigsten mangelhafte Sys-tem.71

Bis zum Jahr 1973 wurde der amerikanische Dollar gesetzlich zu einem definierten Prozentsatz durch physisches Gold unterlegt, um dessen Werthaltigkeit sicherzustellen. Der Nachteil, der sich daraus ergab, war der Politik ein Dorn im Auge. Denn für den Fiskus ist eine begrenzte Möglichkeit der Geldschöpfung keine Option. So schloss der damalige US-Präsident Nixon das sogenannte Goldfenster und hob die Bindung an das Edelmetall auf. Die größte Hürde für den materialintensiven Vietnamkrieg war genommen. Die bis dato existente Edelmetallbindung wurde seit dem durch die Bindung an die Leistungsvermögen der Menschen (Kreditgeld) er- setzt.

In wirtschaftlich turbulenten Zeit kommt in der Gesellschaft ist ein Aufbegehren der Befürwor- ter einer vermeintlich sicheren Währung, basierend auf realen Werten, zu beobachten. Für Eckardt wäre der Schritt zurück zum Goldstandard ein Schritt zurück in die primitive Handels- welt, relativiert seine Meinung aber mit Blick auf die Grenzen des Systems und insbesondere der Gesellschaft: „ Vielleicht ist dieser Schritt in Richtung Barbarismus noch einmal nötig, bevor man die Fragilität desüber Schuldverschreibungen in die Märkte gelangendes Geldes richtig einzuschätzen gelernt hat und die Konsequenzen für die Geldumgangspraxis daraus zu ziehen vermag.72 Darüber hinaus kann mit den relativ hohen Transaktionskosten der Edelmetallwäh-

[...]


1 Damit ist die Liberalisierung der Wirtschaft gemeint, die insbesondere den Abbau staatlicher oder gesellschaftlicher Eingriffe und Vorschriften zum Inhalt hat.

2 Konrad Adenauer Stiftung (2016). Fachartikel zur Sozialen Marktwirtschaft sowie ordnungspolitischer und ökono- mischer Grundlagen vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise. Vgl. dazu auch Spremann / Gan- tenbein (2013), S. 69ff. Die Autoren betrachten die Finanzwirtschaft als Ergänzung der Realwirtschaft vor dem Hintergrund eines gemeinsamen Wirtschaftsgeschehens.

3 In seinem 2011 erschienenen Buch, „Das Geschenk“, geißelt der Autor das Geld als Grundübel der Welt. Vgl. Wondraschek (2011).

4 Weimer (1994), S. 7.

5 Simmel (1989), S. 134. Die Aussage ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass (laut Autor) das Geld zu einer Objektivierung des Wertes der Dinge führe.

6 Das Geldschöpfungsmonopol des Staates bezieht sich laut Eckardt ausschließlich auf die marginale Menge des Bargelds. Vgl. dazu auch Eckardt (2016), S. 1.

7 Vgl. Laser (2015), S. 2ff.

8 Eckhardt (2016), S. 17.

9 Eckhardt (2016), S. 15. Vgl. dazu auch Rohland (1983), S. 119. Hier wird die Entstehung des Geldes (Geldgutha- bens oder auch Geldvermögens) als „ Emission eines positiven und eines negativen Guthabens bei zwei ver- schiedenen Wirtschaftssubjekten durch eine zahlungsvermittelnde Bank. “ bezeichnet.

10 Es handelt sich dabei um einfache, bankinterne Buchungssätze. Der Kreditbetrag wird einerseits als Forderung der Bank dem Schuldner gegenüber (Aktiva), andererseits gleichzeitig als Verbindlichkeit der Bank dem Schuldner gegenüber (Passiva) gebucht. Die Bilanzsumme „verlängert“ sich um den Kreditbetrag.

11 Vgl. Lewis (2008), S. 41. Er bezieht sich damit auf einen immateriellen Gegenwert des Geldes.

12 Vgl. Lewis (2008), S. 62. Nur unter der Annahme, dass Kreditgeld kein Geld im eigentlichen Sinne ist.

13 Lewis (2008), S. 64.

14 Quelle: Eigene Aufzählung in Anlehnung an Kellenbenz (1981), S. 55 ff, Polleit / von Prollius (2014), S. 32 ff. sowie Thiel (2011), S. 37 ff.

15 Lat. für „Es werde“.

16 Eckardt (2016), S. 45.

17 Eckardt (2016), S. 45.

18 Gemeint sind regionale und länderübergreifende Zusammenschlüsse systemkritischer Aktivisten, die oft der links- populistischen Szene zugeordnet werden.

19 Lewis (2008), S. 63.

20 Eckardt (2016), S. 52.

21 Koenig (2015), S. 58.

22 Keynes (1971), S. 146.

23 Eckardt (2016), S. 144.

24 Issing (2014), S. 94.

25 Creutz (1993), S. 122.

26 Lewis (2008), S. 70.

27 Vgl. Eckardt (2016), S. 142.

28 Dietrich Schirmer, Studienleiter an der Ev. Akademie Berlin in: „Zum Problem des Zinsnehmens“. Vgl. dazu auch die Zinskritik von Ludwig von Mises: „ Es wäre ein Irrtum, wollte man annehmen, dass der Bestand der moder- nen Organisation des Tauschverkehres für die Zukunft gesichert sei. Sie trägt in ihrem Inneren bereits den Keim der Zerstörung. Die Entwicklung des Umlaufmittels muss notwendigerweise zu ihrem Zusammenbruch führen.“ Mises (1924), S. 418f.

29 Vgl. Biblische Schriften (1. Timotheus 6, 10).

30 Vgl. dazu unter anderen Meyer (2014), S. 113 ff, Waigel / Kennedy / Lessenich / Rosa (2013), S. 15 ff, Binswan- ger (1996) sowie Krömer (2016), S. 146 ff.

31 Vgl. Kennedy (2011), S. 56.

32 Siehe Kapitel 3.7

33 Vgl. Polleit / von Prollius (2014), S. 76.

34 Laut Koenig kann Bitcoin daher als konsequente Weiterentwicklung der Wiener Schule gesehen werden. Vgl. dazu auch: Koenig (2015) S. 165.

35 Vgl. Mill (1848) sowie Lewis (2008).

36 Weimer (1994), S. 11.

37 Vlg. Lewis (2008), S. 59.

38 Ebd., S. 76.

39 Polleit / von Prollius (2014), S. 42.

40 Eckardt (2016), S. 98. Simmel nennt das die Objektivierung des Wertes der Dinge durch Geld. Demnach habe der Wert gar seinen „ reinsten Ausdruck und Gipfel “ gefunden hat. Vgl. dazu: Simmel (1989), S. 121.

41 Ebd.

42 Eckardt (2016), S. 98.

43 Ebd.

44 Hayek (2011), S. 116.

45 Eckardt (2016), S. 101.

46 Simmel (1989), Seite 29.

47 Vgl. Thiel (2011).

48 Vgl. Döblin (1997), S. 315 f.

49 Auch „Österreichische Grenznutzenschule“ genannt.

50 Der Original mit dem Titel „ Denationalisation of Money “ erschien im Jahre 1974.

51 Koenig (2015), S. 10.

52 Ebd. Koenig beschreibt damit die Überlegenheit dezentraler (privater) gegenüber zentralstaatlichen Ansätzen.

53 Simmel (1989), S. 134. Für den Autor hat Geld, über seinen reinen Funktionscharakter als Ausdruck des Wertver- hältnisses konkreter Dinge hinaus, Qualitäten, die es zu einem Marktgegenstand werde lassen. So hebe sich das Geld aus seiner absoluten Stellung heraus. Es ist nun nicht mehr Relation, sondern hat Relation.

54 Vgl. Flotow (1995), S. 66 f.

55 Simmel (1989), Seite 379.

56 Ebd., Seite 610.

57 Thiel (2011), S. 27.

58 Eichler (2011), S. 158.

59 Ebd.

60 Ebd., S. 160. Vgl. auch Weber (1972), S. 45. Hier ist gar von einer „ Versachlichung sozialer Beziehungen “ die Rede.

61 Thiel (2011), S. 48.

62 Thiel (2011), S. 48.

63 Rohland (1983), S. 115.

64 Vgl. Rohland(1983), S. 115 sowie Koenig (2015), S. 181.

65 Eckardt (2016), S. 18.

66 Auf volkswirtschaftlicher Ebene kommt der Vorgang des Barterings, dem professionellen Wahrentausch zum Tragen.

67 Eckardt (2016), S. 20.

68 Ebd., S. 21.

69 Vgl. Eckhardt (2016), S. 2.

70 Lewis (2008), S. 376.

71 Ebd.

72 Eckardt (2016), S. 106.

Final del extracto de 72 páginas

Detalles

Título
Edelmetall gedeckte Kryptowährungen
Subtítulo
Modeerscheinung oder Chance für Finanzökonomie und Realwirtschaft?
Universidad
Kiel University of Applied Sciences  (Wirtschaft)
Calificación
1,3
Autor
Año
2016
Páginas
72
No. de catálogo
V349154
ISBN (Ebook)
9783668383586
ISBN (Libro)
9783668383593
Tamaño de fichero
4463 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
edelmetall, kryptowährungen, modeerscheinung, chance, finanzökonomie, realwirtschaft
Citar trabajo
Ulrich Färber (Autor), 2016, Edelmetall gedeckte Kryptowährungen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/349154

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Título: Edelmetall gedeckte Kryptowährungen



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