Grundüberlegungen zum quantitativen Wachstum. Kann es ein stetiges Wachstum real geben?


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2016

12 Seiten


Leseprobe


Inhalt:

Grundüberlegungen zum quantitativen Wachstum

Lineares Wachstum

Natürliches Wachstum

Exponentielles Wachstum

Produktionsfaktor Arbeit

Produktionsfaktor Rohstoffe

Produktionsfaktor Energie

Produktionsfaktor Boden

Treiber eines exponentiellen Wachstums

Aus der obigen Grafik ergibt sich somit folgende Problemstellung

Als möglicher Ausweg aus dem Dilemma wird aber eines öffentlich kaum diskutiert

Keynesianisches Szenario

Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

Grundüberlegungen zum quantitativen Wachstum:

Ausgangspunkt und Grundlage des Kapitalismus ist die endlose Akkumulation von Kapital. Dabei wird vorhandenes Kapital mit dem Ziel produktiv eingesetzt, Gewinne zu erzielen, welche dann teilweise reinvestiert, also wieder dem Kapitalstock zugeführt werden, damit in der nächsten Periode noch höhere Gewinne erzielt werden können, die dann partiell wiederum dem Kapitalstock zufließen usw.. In einem realwirtschaftlichen Kapitalismus werden also in einer endlosen Reihe mit dem Einsatz von Geld, Waren bzw. Dienstleistungen produziert um durch deren Verkauf dann noch mehr Geld zur Verfügung zu haben um es wiederum in die Produktion von Waren bzw. Dienstleistungen zu investieren (Schema: G→W→G‘→W‘→G‘‘→W‘‘→…..). Der Finanzkapitalismus versucht sich den Umweg über die Produktion von Waren oder Dienstleistungen zu ersparen, indem Geld direkt eingesetzt wird um noch mehr Geld zu verdienen (Schema: G→G‘→G‘‘→…..). Die grundsätzliche Logik ist jedoch die gleiche. Dieses Grundschema gilt für alle Ausprägungen des Kapitalismus, sowohl für einen marktradikaleren angloamerikanischen Kapitalismus, für die sogenannte kontinentaleuropäische Soziale Marktwirtschaft, aber auch für jenen Staatskapitalismus (Lenin) wie ihn der bekannte Sowjetkommunismus verkörperte.

Erkennbar wird hier ein exponentielles quantitatives Wachstumsschema, wie es in der bekannten Zinseszinsformel (Kt = K0 * (1+i)t) mathematisch abgebildet wird. Verschiedene Formen von quantitativem Wachstum lassen sich wie folgt darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Lineares Wachstum, exponentielles Wachstum und mittels einer logistischen Funktion approximiertes natürliches Wachstum (eigene Darstellung)

Lineares Wachstum:

Ein solches Wachstum der mathematischen Form y = kx + d ist zwar für einen längeren Zeitraum, aber nicht endlos tatsächlich vorstellbar. So können wir in der Natur bei Bäumen durchaus ein Höhenwachstum von einem halben Meter pro Jahr und Lebensdauern von 1.000 Jahren und mehr beobachten, dennoch gibt es keine Bäume mit einer Höhe von 500 Metern[1], da physikalische Gesetzmäßigkeiten dem entgegen stehen. In der Wirtschaft würde eine einfache Verzinsung einem derartigen Wachstum entsprechen.

Natürliches Wachstum:

Wachstumsprozesse bei Lebewesen sind zu Beginn des Lebens recht sportlicher exponentieller Natur, so erfolgt mit jeder Zellteilung eine Verdoppelung der Anzahl der Zellen. In weiterer Folge ist beobachtbar, dass die Wachstumsrate des jeweiligen Organismus sich stetig zu verringern beginnt (die Apoptose, der genetisch programmierte Zelltod wirkt hier dem Wachstum entgegen, irgendwann verknöchern sich die Wachstumsfugen der Knochen was deren Fähigkeit zum Längenwachstum ein Ende setzt). Ein einundzwanzigjähriger Mensch hat zwar noch ein gewisses Wachstumspotential in die Breite, nach oben aber ist kein weiterer Millimeter mehr möglich. Die wirtschaftshistorischen Daten seit dem Ende des zweiten Weltkrieges zeichnen ein ähnliches Bild. Bis in die 60er Jahre konnten hohe Wachstumsraten erzielt werden. Zunächst waren gravierende Kriegsschäden zu beseitigen und der Wiederaufbau zu bewerkstelligen, danach griff ein gewisser Aufholprozess Platz. In den letzten Jahrzehnten und Jahren wurde es aber zusehends schwieriger überhaupt noch ein nennenswertes reales Wirtschaftswachstum zu erzielen, die Marktsättigungen scheinen allgegenwärtig. Da wir hier ein mengenmäßiges Wachstum betrachten, stellt sich die Frage ob es sich hier um eine Art „naturgesetzliches“ Phänomen handelt.

Exponentielles Wachstum:

Exponentielles Wachstum kommt in der materiellen Welt durchaus vor. Den verschiedenen Beispielen ist eines gemeinsam, all diese Prozesse enden abrupt. In der Biologie sehen wir ein typisches exponentielles quantitatives Wachstum bei der Krebserkrankung (exponentielle Vermehrung der Krebszellen) und bei tödlich verlaufenden Infektionen (exponentielle Vermehrung der Krankheitskeime). Mit dem Tot des Wirtes ist es mit diesem Wachstumsprozessen schlagartig vorbei und sowohl die Krebszellen als auch die Keime gehen den Weg alles Zeitlichen.

Da eine kapitalistische Wirtschaftsordnung aber per se auf ein quantitatives exponentielles Wachstum, nämlich des Outputs an Gütern und Dienstleistungen, den es dann noch mit positiven Deckungsbeiträgen abzusetzen gilt, angewiesen ist, wird hier anhand von vier Typen von Produktionsfaktoren zunächst von der Inputseite her als Gedankenexperiment diskutiert, ob überhaupt Möglichkeiten bestehen könnten, dauerhaft exponentiell zu wachsen.

Produktionsfaktor Arbeit:

Die Bevölkerungsentwicklung der Menschheit in den letzten 2000 Jahren zeigt, trotz Pestwellen, Kriegen oder Hungersnöten eine eindeutig exponentielle Entwicklung. Derzeit stehen wir bei etwa 7,4 Milliarden Menschen, wobei die Zeiträume, die es für eine Verdoppelung braucht immer kürzer werden. Es ist zwar denkbar, dass es gelingen kann auch 15 Milliarden Menschen ausreichend zu versorgen, bei einer Zahl von 150 Milliarden hingegen kommen berechtigte Zweifel auf. Um zu illustrieren, dass diese vorhandene exponentielle Bevölkerungsvermehrung nicht endlos fortgesetzt werden kann sei diese hier ultimativ zu Ende gedacht. Irgendwann würde sich, bei Beibehaltung der gegenwärtigen Wachstumsraten, das schiere Volumen an Menschenleibern, ausgehend von der Erde mit Überlichtgeschwindigkeit ins All ausbreiten (wogegen ein gewisser Herr Einstein kleinere Einwände hätte). Lange bevor für den Aufbau all dieser Menschenleiber jegliche Materie des Universums verbraucht wäre, würde deren Masse zu einem schwarzen Loch kollabieren. Zu einem derartigen mathematischen Szenario kann es natürlich nicht kommen.

In entwickelten Volkswirtschaften (nach dem demographischen Übergang) gibt es, was die Anzahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter betrifft, kaum noch Wachstumsmöglichkeiten. Durch eine positive Nettozuwanderung und familienfreundliche Politik ließe sich dauerhaft wenigstens eine Schrumpfung verhindern. Bis zu einem gewissen Grad vermehrbar wäre das Angebot an Arbeit indem die Lebensarbeitszeit verlängert würde (Verlängerung der Wochenarbeitszeit, Reduktion von Urlaubsansprüchen, Anhebung des Pensionsantrittsalters etc.). Ein dauerhaftes exponentielles Wachstum des Outputs würde sich durch diese Ausweitung des Angebotes an Arbeit alleine aber keinesfalls erzielen lassen.

Zumindest über Jahrzehnte könnte hier mit einer exponentiell wachsenden Produktivität gearbeitet werden. In der folgenden Abbildung zeigt sich, dass die Empirie tatsächlich eine derartige Entwicklung zeitigt.[2] Realisiert wird dieses Produktivitätswachstum wohl durch folgende Faktoren:

- Technologische Entwicklung, v.a. Automatisierung (hat progressives Potential, aber auch der Einsatz an Energie und Rohstoffen steigt hier irgendwann exponentiell),
- organisatorische Optimierung in Unternehmen (ist degressiv, da ein jeder Optimierungsprozess irgendwann zu einem Maximum führt),
- Verdichtung des Aufgaben an ArbeitnehmerInnen (ist degressiv, da Menschen bis zu ihren Leistungsmaximum aktivierbar sind, eine zusätzliche Aktivierung führt dann aber zu einer Leistungsverminderung).

Produktionsfaktor Rohstoffe:

Im Gegensatz zu den Dienstleistungen, die immaterieller Natur sind, braucht es zur Produktion von Waren immer irgendwelcher stofflicher Grundlagen (selbst der berühmte Replikator aus Star Trek bedarf der entsprechenden Atome bzw. Elementarteilchen). Grundsätzlich gilt für sämtliche Rohstoffe, dass sie in begrenzter Menge vorhanden sind. Bei endlichen Rohstoffen gilt weiters, dass es bei deren Gewinnung zu sinkenden Grenzerträgen kommt (zur Gewinnung jeder weiteren Mengeneinheit muss ein immer höherer Aufwand betrieben werden). Um ein dauerhaftes Wachstum überhaupt zu ermöglichen ist eine Kombination folgender Maßnahmen denkbar:

- Vollständiger Stoffkreislauf durch eine 100% Recyclingquote. Ein (relativ unrealistischer) vollständiger Stoffkreislauf würde zumindest eine stationäre Wirtschaft für einen extrem langen Zeitraum ermöglichen. Soll die Wirtschaft dauerhaft weiter wachsen, müssten dennoch stetig Rohstoffe neu gewonnen werden. Alternativ könnte bei einer 100% Recyclingquote die Lebensdauer der Produkte stetig weiter verkürzt werden (geplante Obsoleszenz), sodass die jeweiligen Rohstoffe kürzer in den Produkten gebunden bleiben und die Rohstoffe so immer schneller umgewälzt würden. Lange bevor die theoretisch kürzeste Lebensdauer eines Produktes erreicht wäre (ist mit 0 streng nach unten limitiert), würden sich für diese Produkte vermutlich keine Käufer mehr finden.
- Miniaturisierung: Gerade die Computertechnologie zeigt, dass durch Miniaturisierung sowohl die Rechenleistung als auch die Speicherdichte in den vergangenen Jahrzehnten in beeindruckender Weise exponentiell gewachsen sind. Vor der Tür steht die Nanotechnologie, die hier weitere Fortschritte verspricht. Aber auch trotz Entwicklung von Dingen wie Quantencomputern ist absehbar, dass irgendwann physikalische Grenzen sowohl bei der Speicherdichte als der Rechengeschwindigkeit erreicht werden. Das monetäre Marktvolumen ist hier zwar auch exponentiell gewachsen, aber bei weitem nicht so schnell wie jene Computerpower die der Menschheit zur Verfügung steht. Durch die extreme Verbilligung der Geräte besteht zwar noch hinsichtlich der Leistungen ein gewaltiges Wachstumspotential, bei der möglichen Umsatzentwicklung sieht aber offensichtlich anders aus. Fraglich ist auch, ob wir die zur Produktion notwendigen seltenen Erden irgendwann substituieren können. Bei anderen technischen Anwendungen sind hinsichtlich Miniaturisierung natürliche Grenzen gesetzt. Bei Fahrzeugen ergeben sich Grenzen schon aufgrund der anatomischen Voraussetzungen der zu transportierenden Personen bzw. aus dem Volumen der vorgesehenen Fracht. Gleiches gilt analog für Gebäude.
- Substitution: Rohstoffe können grundsätzlich substituiert werden, dabei werden seltene Rohstoffe durch solche ersetzt, die in größeren Mengen zur Verfügung stehen. Die Substituierbarkeit von Rohstoffen ist grundsätzlich durch deren physikalische Eigenschaften gegeben oder auch beschränkt. Nicht nachwachsende Rohstoffe schaffen Limitationen für ein endloses Wachstum, sofern sie nicht durch andere ersetzt werden können. Denkbar wäre es, die Grenzen hinaufzusetzen, indem man diese Rohstoffe an anderen Orten im Sonnensystem (für das Verlassen dessen reichen unsere Fähigkeiten noch bei weitem nicht aus) abbaut (dennoch bleiben auch hier Grenzen bestehen). Nehmen wir jedoch an, dass wir alle endlichen Rohstoffe irgendwann durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen könnten (was nicht sehr realistisch erscheint) indem beispielsweise sämtliche Kunststoffe aus organischem Material (Pflanzen, Pilze, Flechten etc.) gewonnen werden, ergibt sich folgende Limitation: Im Sinne von Nachhaltigkeit dürften der Natur jährlich nicht mehr der betreffenden Stoffe entnommen werden, wie jährlich nachwachsen (ein Mehr wäre ruinöser Raubbau). Die Menge der Biomasse des Planeten ist aber, abhängig von Klimaschwankungen relativ konstant. Das die Menge an Gesamtsubstanz des Planeten ohnehin begrenzt konstant ist, stellt diese selbstredend das absolute Limit für exponentielles Wachstum dar (die kleine Menge, die jedes Jahr an Meteoriten hinzu kommt ist vernachlässigbar).

Fazit: Aus rein stofflichen Gründen ist ein exponentielles quantitatives Wachstum für absehbare Zeit (Jahrzehnte) noch vorstellbar. Ein reales Wirtschaftswachstum von einem Prozent für die nächsten fünfhundert Jahre (vor etwa fünfhundert Jahren begann sich der Kapitalismus zu entwickeln) erscheint jedoch absolut undenkbar. Setzt man einen Prozent in die Zinseszinsformel ein so erhält man bei 500 Jahren fast das 145 fache der heutigen Wirtschaftsleistung der Weltwirtschaft (die Frage wer das alles, auch bei einer Einwohnerzahl von 15 Milliarden, konsumieren soll wird hier noch gar nicht gestellt).

[...]


[1] Vgl. Monumentale Bäume (2012) [online]

[2] Vgl. nächste Abbildung

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Grundüberlegungen zum quantitativen Wachstum. Kann es ein stetiges Wachstum real geben?
Autor
Jahr
2016
Seiten
12
Katalognummer
V349759
ISBN (eBook)
9783668368088
ISBN (Buch)
9783668368095
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Außerhalb des Universitätskontextes entstandener wirtschaftswissenschaftlicher Aufsatz.
Schlagworte
Wachstum, Wirtschaftswachstum, Wachstumsdogma, quantitatives Wachstum, exponentielles Wachstum, Produktionsfaktoren, Grenzen des Wachstums, Grenzen des Konsums, lineares Wachstum, natürliches Wachstum, Zinseszinseffekt, Kapitalismus, Kapitalismuskritik, Reallohnentwicklung, Entwicklung der Produktivität, Grenznutzen
Arbeit zitieren
Andreas Unger (Autor:in), 2016, Grundüberlegungen zum quantitativen Wachstum. Kann es ein stetiges Wachstum real geben?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/349759

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