Die Schuldenkrise. Über die didaktische Herausforderung aktueller Themen in der Volkswirtschaft


Tesis de Máster, 2013

129 Páginas, Calificación: 3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einführung

1. Fachinhaltliche Aspekte der Schuldenkrise
1.1 Überblicksartige Darstellung der Entstehung und der aktuellen Situation der Schuldenkrise
1.2 Globale Aspekte der Schuldenkrise
1.2.1 Die neoliberale Sicht auf die Schuldenkrise
1.2.2 Die keynesianische Sicht auf die Schuldenkrise
1.2.3 Die Exzesse im Investmentbereich – Auswirkungen der Liberalisierung im Investmentbereich
1.3 Europaspezifische Problemstellungen: Die Europäische Währungsunion – einheitliche Währung, asymmetrische Wirtschaftspolitik
1.3.1 Darstellung der Ist-Situation – Geldschöpfung und Geldvernichtung
1.4 Nationale Ebene, dargestellt am Verhältnis Deutschland vs. Griechenland
1.4.1 Exportweltmeister Deutschland
1.4.2 Griechenland am Abgrund
1.4.3 Die wirtschaftlichen Interaktionen zwischen den Ländern

2. Didaktische Aspekte für die Behandlung der Schuldenkrise im volkswirtschaftlichen Unterricht an der Handelsakademie
2.1 Normative Forderungen zum Aktualitätsbezug von Inhalten im Unterricht
2.2 Grundsätzlicher didaktischer Umgang mit aktuellen Ereignissen und didaktische Modelle
2.2.1 Das Grundmodell nach Posch/Schneider/Mann
2.2.2 Kritisch-konstruktive Didaktik
2.2.3 Konstruktivistische Didaktik
2.3 Reduktion der Komplexität der Thematik
2.4 Didaktischer Umgang mit den ökonomischen Denkschulen
2.4.1 Transport der neoliberalen und der keynesianischen Sichtweisen an die SchülerInnen
2.4.2 Umgang mit der Unsicherheit und der Unwissenheit der Disziplin im Unterricht
2.5 Spezielle Herausforderung für die Lehrperson bezüglich dieses Themas

3. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang:

Einführung

Spätestens mit der Pleite der Lehman Bank am 15. September 2008[1] ist der Themenkomplex der Banken- bzw. Schuldenkrise ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit getreten. Dabei kann der Eindruck entstehen, dass die Situation immer wieder eskaliert um dann wiederum in eine Phase relativer Stabilität überzugehen. Zunächst wurde von einer Bankenkrise gesprochen. Auch wenn die Regierung der USA Lehman hat fallen lassen, so haben die westlichen Staaten in weiterer Folge viele Banken staatlicherseits mit Haftungsgarantien, aber auch mit realen Zahlungen massiv gestützt und damit wohl oft auch vor der Insolvenz gerettet.[2] Entgegen der Wettbewerbsregeln und Inflationsbedenken wurden Marktregeln insofern außer Kraft gesetzt, als Banken für die das Schlagwort too big to fail galt, von den Regierungen massiv gestützt wurden.[3] In den USA wurde weiters auch Industriekonzernen finanziell unter die Arme gegriffen.[4],[5] In Deutschland und Österreich wurde der Versuch unternommen, dem Wirtschaftsabschwung und der steigenden Arbeitslosigkeit, in Folge der Lehman Pleite, durch offensive Maßnahmen, wie z. B. Abwrackprämien[6] zu begegnen. Finanziert wurden all diese Aktivitäten der Staaten durch vermehrte Schuldenaufnahmen. Mittlerweile sind nun auch die Retter von einst in finanzielle Probleme gekommen.[7] In der öffentlichen Diskussion wird von einer Schuldenkrise gesprochen. Es ist mittlerweile auch von einer Krise in der Europäischen Währungsunion die Rede. Vor allem südliche Mitgliedsstaaten des Euro sind zum Teil in erhebliche Probleme geraten. Griechenland ist dafür das Paradebeispiel. Zur Rettung des Euro wurden Schutzschirme wie der ESM aufgespannt und die EZB hat unlängst entschieden, unter Einhaltung bestimmter Kriterien Staatsanleihen von Eurostaaten direkt aufzukaufen[8], sie also zu monetisieren.[9]

Die öffentliche Meinung in den Medien spiegelt die Situation und die Ereignisse wider. Dabei kommen unter anderem ÖkonomInnen unterschiedlichster theoretischer Richtungen zu Wort.[10] Dementsprechend unterschiedlich sind die Analysen und die als notwendig dargestellten Handlungsanweisungen:

Die Einen sprechen von notwendigen Austeritätsmaßnahmen (Reduktion der Ausgaben im sozialen Bereich[11], Steuererhöhungen), wobei die Staaten sparen sollen um ihre Haushalte wieder in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig seien Einschnitte in der Entlohnung der unselbständig Beschäftigten, die Erhöhung der Lebensarbeitszeit und ähnliche Maßnahmen die Voraussetzung um die Wettbewerbsfähigkeit, vor allem von Staaten der südlichen Peripherie Europas, wieder zu steigern, um eine ausgeglichene Leistungsbilanz zu erreichen und diese Volkwirtschaften wieder in Gang zu bringen.[12]

Andere halten diese Sparkurse wiederum für völlig falsch (man dürfe sich nicht weiter in die Krise hinein sparen[13] ). Im Gegenteil, es bedürfe einer offensiven Wirtschaftspolitik[14], um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen, damit die Wirtschaft wieder wächst. Dies soll es den Staaten ermöglichen in weiterer Folge ihre Steuereinnahmen zu erhöhen und ihnen so dabei zu helfen ihre Staatsfinanzen wieder zu stabilisieren.[15] Diese Ansätze basieren auf den Ideen zum Einsatz makroökonomischer Politikinstrumente zur Erreichung von Vollbeschäftigung. Dabei sollen durch die Geldpolitik die Zinsen dauerhaft niedrig gehalten werden und durch Fiskalpolitik das Niveau von öffentlichen und halböffentlichen Investitionen kontinuierlich hoch gehalten werden.[16]

Jene Minderheit, die sich auf die Österreichische Schule oder auf die Schöpferische Zerstörung Schumpeters berufen, sehen die Krise als Instrument welches zur Beseitigung der Ungleichgewichte wirken soll.[17]

Bezüglich des Euro ist die Diskussion entbrannt, ob dieser um jeden Preis gerettet werden soll[18], oder ob dieser eine Fehlkonstruktion[19], eine „Schönwetterwährung[20] “ sei, die ohnehin zum Scheitern verurteilt[21] ist.

Die Ereignisse und die allgemeine Situation sind mittlerweile nicht nur für wirtschaftliche Laien, sondern auch für Menschen mit einer soliden wirtschaftlichen Ausbildung unüberschaubar geworden und kaum noch zu überblicken, geschweige denn zu verstehen.

Diese Situation der Ungewissheit, der Unsicherheit und der Unklarheit betrifft auch die SchülerInnen der Handelsakademien. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die gegebenen Problemlagen auch in Zukunft nicht von selbst in Luft auflösen und sie somit die SchülerInnen auch in ihrer Zukunft weiter begleiten werden.

Forschungsfragen:

- Welche fachlichen Inhalte sind für ein grundsätzliches Verständnis der Schuldenkrise notwendig?
- Welche Aspekte der Schuldenkrise betreffen die globale, welche die europäische, und welche die nationale Ebene?
- Wie kann im Unterricht mit der Komplexität des Themas umgegangen werden, die auch von der Fachwissenschaft selbst nicht vollständig verstanden ist?
- Welche didaktischen Modelle können hier für die Lehrperson bei der Umsetzung im Unterricht hilfreich sein?

Zielsetzung:

Es soll eine fachinhaltliche Strukturierung der Thematik erarbeitet werden, die für die SchülerInnen das Verstehen der komplexen Zusammenhänge erleichtert.

Im Detail geht es in fachlicher Hinsicht um:

- die überblicksartige Darstellung der Entstehung und der aktuellen Situation der Schuldenkrise;
- eine knappe Beschreibung der globalen, der europäischen und der nationalen Aspekte des Themas und
- die Darstellung und Gegenüberstellung der neoliberalen und der keynesianischen Sichtweisen auf die Schuldenkrise.

Die didaktische Herausforderung der Arbeit liegt in der Berücksichtigung des Aktualitätsbezuges und des Umstandes, dass es sich bei diesem Thema nicht um ein punktuelles aktuelles Ereignis, sondern um eine längerfristige Entwicklung mit hoher Komplexität handelt. Gerade unter diesen Gesichtspunkten kommt der Didaktik eine besondere Rolle zu. Komplexitätsreduktion und der Umgang mit den beiden großen ökonomischen Denkschulen (Neoliberalismus und Keynesianismus) erlangen dabei eine besondere Bedeutung.[22]

Überblick über den Inhalt der Arbeit:

Die Arbeit gliedert sich in drei Kapitel. Das erste Kapitel beinhaltet die fachinhaltlichen Aspekte der Schuldenkrise. Dabei werden die relevanten wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklungen seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems aufgearbeitet. Es erfolgt ein Blick auf die globalen und europäischen Aspekte der Schuldenkrise. Danach werden die neoliberale und die keynesianische Sichtweisen der Schuldenkrise thematisiert. Insbesonders werden die Exzesse im Investmentbereich und Auswirkungen der Liberalisierung im Investmentbereich beleuchtet. Anschließend wird auf die europaspezifischen Problemstellungen, wie das Vorhandensein einer einheitlichen Währung bei einer asymmetrischen Wirtschaftspolitik behandelt. Danach erfolgt eine theoretische Betrachtung über die Entstehung des Geldes und der Schulden.

Im Zweiten Kapitel werden didaktische Fragestellungen zum Thema behandelt. Die Forderungen des Gesetzgebers bezüglich des Aktualitätsbezugs des Unterrichts werden dargestellt. Bei den diesbezüglich relevanten Rechtsquellen handelt es sich um das Schulunterrichtsgesetz und den Lehrplan für die Handelsakademie. Anhand des Grundmodells der Unterrichtsplanung nach Posch/Schneider/Mann, der kritisch-konstruktiven Didaktik und der konstruktivistischen Didaktik wird an den grundsätzlichen didaktischen Umgang mit aktuellen Ereignissen heran gegangen. Die Notwendigkeit zur Reduktion der Komplexität wird diskutiert. Weiters wird thematisiert wie die Sichtweisen der beiden wesentlichen ökonomischen Denkschulen didaktisch für die SchülerInnen aufbereitet werden können. Es wird darauf eingegangen, wie die Lehrkraft mit der Unwissenheit der Fachdisziplin umgehen kann, da die Fachwissenschaft keine vollständige Erklärung für die Schuldenkrise liefert und zukünftige ähnliche Ereignisse nicht voraussehen kann. Die Besprechung der speziellen Herausforderungen an LehrerInnen bei der Behandlung des Themas in ihrem Unterricht rundet das Kapitel ab.

Im Dritten und letzten Kapitel wird eine Zusammenfassung der Arbeit geboten.

1. Fachinhaltliche Aspekte der Schuldenkrise

Inhalt dieses Kapitels sind die fachinhaltlichen Aspekte der Schuldenkrise. Zunächst erfolgt ein knapper wirtschaftshistorischer Abriss der Ereignisse, beginnend mit dem Ende des Bretton-Wood-Systems[23] fester Wechselkurse im Jahr 1971.

Es wird sowohl auf die neoliberale, als auch auf die keynesianische Sicht auf die Schuldenkrise Bezug genommen. Ein eigener Abschnitt wird der Liberalisierung der Finanzwirtschaft und deren Auswirkungen, die in Exzesse im Investmentbereich mündeten, gewidmet.

Ein weiteres Unterkapitel legt den Fokus auf europaspezifische Problemstellungen. Hier wird das europäische Unikum betrachtet, wo eine einheitliche Währung vorhanden ist und gleichzeitig eine asymmetrische Wirtschaftspolitik innerhalb des gemeinsamen Währungsgebietes betrieben wird.[24]

Da Geld und Schulden (von denen in einer Schuldenkrise zu viele vorhanden sind) im gegenwärtigen Finanzsystem untrennbar miteinander verbunden sind (Geld entsteht schließlich im Rahmen der Kreditvergabe als Schuld[25] ), und da somit Geld und Schuld praktisch zwei Seiten der gleichen Medaille sind, wird die Geldentstehung in eigenen Unterabschnitten (einmal bezüglich des Zentralbankgeldes und einmal bezogen auf das Giralgeld der Geschäftsbanken) beleuchtet.

Die Erwähnung einer wissenschaftlichen Minderheitenposition über mögliche Zusammenhänge, Folgen und Auswirkungen des derzeitigen monetären Systems runden die Geldthematik ab. Die Begründung für diese Erwähnung ist das Untersuchungsergebnis der beiden IWF-Ökonomen Benes und Kumhof. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass bei sonst gleichen Parametern, sich die öffentliche und private Verschuldung bei einer anderen Konstruktion des Finanzsystems stark verringert.[26]

Letztlich wird die nationale Ebene innerhalb Europas, exemplarisch an den Beispielen Deutschland und Griechenland, sowohl innerstaatlich als auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Interaktionen miteinander, thematisiert.

1.1 Überblicksartige Darstellung der Entstehung und der aktuellen Situation der Schuldenkrise

Das Ende des Bretton-Woods-Systems:

Mit seiner Fernsehansprache[27] vom 15. August 1971 leitete der US-Präsident Richard Nixon das endgültige Ende des Bretton-Woods-Systems ein. In dieser Ansprache wurde angekündigt, dass die Konvertibilität des US-Dollars in Gold temporär aufgehoben sei (temporär dauert dabei bis dato an). Diese Konvertibilität bestand in einer Goldeinlösegarantie für die Dollarreserven ausländischer Zentralbanken. Damit verschwand der letzte Rest an Goldbindung (Dollar direkt ans Gold, andere Währungen durch feste Wechselkurse an den Dollar) des Währungssystems.[28],[29]

Dem voraus ging, dass Frankreich im Jahr 1969 unter Staatspräsident de Gaulle (als einziges von mittlerweile hundert Mitgliedsländern des Bretton-Woods-Systems) die Einlösung seiner Dollarreserven in Gold forderte. Die damals vorhandenen Goldreserven der USA reichten aber kaum aus, um auch nur die Forderungen eines einzigen Mitgliedslandes in Gold zu begleichen. Durch die Aufhebung der Goldeinlösegarantie durch Nixon entzogen sich die USA ihrer internationalen Verpflichtung.[30] Mit dem Ende der Goldeinlösegarantie war auch das Ende der festen Wechselkurse verbunden.[31] Als Folge der Aufgabe der festen Wechselkurse verlor der Dollar 25 Prozent seines Wertes.[32] Seine Rolle als wichtigste Leitwährung konnte der Dollar aber dennoch behalten. Möglich wurde dieser Status dadurch, dass er seit 1971 die einzige Währung ist, in der Erdöl gehandelt (Petrodollar) wird.[33] Eine entsprechende vertragliche Regelung mit Saudi-Arabien trägt dazu bei, dass dies so bleibt.[34]

Der Ölpreisschock:

Die Aufgabe der festen Wechselkurse führte im den Jahren 1971 bis 1973 sowie 1977 bis 1979 zu einer massiven Entwertung des Dollars und war eine Ursache der Ölpreisschocks. Die Folge davon waren die beiden Rezessionen 1974/75 und 1980 bis 1982. Diese Rezessionen (mit Anstieg der Inflation[35] ) wiederum hatten zur Folge, dass die Unsicherheit bezüglich der Profitabilität von Realinvestitionen, bei gleichzeitiger Zunahme der Spekulationschancen auf den Devisen- und Rohstoffterminmärkten, stieg.[36]

Milton Friedmans Generalangriff auf den Keynesianismus:

Die Konstellation steigende Arbeitslosigkeit bei gleichzeitiger Inflation nutzten neoliberale Ökonomen wie Milton Friedman zu einem Angriff auf den Keynesianismus. Sie behaupteten, dass die Phillips-Kurve (als Kernstück der keynesianischen Theorie) falsifiziert sei.[37]

Hochzinspolitik der Zentralbanken und Inflation:

Zum Ende der 1970er Jahre begann eine Phase der extremen Hochzinspolitik durch die Nationalstaaten, da die Dollarentwertung (1977 bis 1979) und der darauf folgende Ölpreisschock Inflation nach sich zogen.[38] Folge der Hochzinspolitik der Zentralbanken war, dass der Zinssatz seither fast permanent über der Wachstumsrate lag. Dies wurde allerdings in den USA vor 20 Jahren korrigiert.[39]

Verlagerung von Realkapitalbildung zu Finanzveranlagungen:

Durch die Rückkehr der Theorie des Laissez-Faire wurde die Voraussetzung für die Entfesselung der Finanzmärkte geschaffen. Dabei hat sich das Gewinnstreben von der Realwirtschaft hin zur Finanzwirtschaft verlagert.[40]

In den achtziger Jahren entstanden im Rahmen der neoliberalen Deregulierung viele Finanzinnovationen wie beispielsweise Derivate. Diese Innovationen erleichterten Spekulationen verschiedenster Art, was zur Folge hatte, dass die Instabilität der Preise stieg. Das positive Zins-Wachstums-Differential (Zinsen liegen über der Wachstumsrate) veranlasste nichtfinanzielle Konzerne Investitionen vom realwirtschaftlichen in den finanzwirtschaftlichen Bereich zu verlagern. Gleichzeitig senkten Unternehmen ihre Fremdfinanzierungen und damit das Wachstum ihrer Realinvestitionen.[41] Das wiederum dämpft das Wirtschaftswachstum nachhaltig und führt zum Steigen von Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit.[42]

Aktienboom und das Platzen der Dotcom Blase:

Mit dem 1982 einsetzenden Aktienboom wurde die Spekulationsfreude stimuliert. Die Umstellung der Pensionssysteme in den USA führte dazu, dass dieser Boom fast 20 Jahre lang anhielt.[43] Gleichzeitig ermutigte man unselbständig Erwerbstätige, einen Anteil am Kapitalismus zu kaufen um sich so einen Anteil an den Gewinnen zu sichern.[44] In Europa wuchs in den neunziger Jahren die Realwirtschaft kaum noch, aber das Finanzkapital sollte Renditen von 10 Prozent einbringen. Durch den Aktienboom vergrößerte sich die Diskrepanz zwischen dem realen Wert von Unternehmen und deren Börsenwert zusehends. Dies endete abrupt mit dem Aktiencrash der Jahre 2000 bis 2003.[45]

Die Immobilienblase in den USA und deren Folgen:

Beginnend mit dem Jahr 2003 bis 2007 gelang ein erneuter Aktienboom. In Europa beispielsweise durch Anreize zur kapitalgedeckten Altersvorsorge. In den USA hingegen spielte die Immobilienblase eine viel größere Rolle.[46] Die Krise des US-Finanzsystems seit dem Jahr 2007 und deren globale Auswirkungen stellt kein unverbundenes Einzelereignis dar, sondern ist vorläufig die letzte in einer Kette von schweren Währungs- und Bankenkrisen (Mexiko 1994, Südostasien 1997, Russland 1998, Argentinien 2001, Dotcom Crash).[47] Dem Dotcom Crash folgte die Subprime-Krise, welche für das Bankensystem auf beiden Seiten des Atlantiks beinahe zum Super-GAU führte.[48] Global war eine auf dem Kopf stehende Pyramide, bestehend aus Privat- und Bankschulden, aufgetürmt worden, welche nur auf einer schmalen Basis von Vermögenswerten, nämlich jenen der amerikanischen Häuser, beruhte.[49]

Als der Wert dieser Immobilien zu bröckeln begann, ging der Schuldenblase die Luft aus. Dies begann langsam und erreichte dann eine verheerende Geschwindigkeit.[50]

Als eines der ersten Anzeichen der Finanzkrise kann der Abzug von Kundengeldern bei der Northern Rock Bank im September 2007 angesehen werden. Im März 2008 erfolgte die Übernahme der Investmentbank Bear Stearns[51] durch JPMorgan Chase & Co. Die Pleite von Lehman Brothers am 15. September 2008 enthüllte das Risikopotential des Systems. Wissenschaftliche Untersuchungen seit Beginn der 2000er Jahre hatten zwar auf instabile Elemente innerhalb des Finanzsystems hingewiesen, das Ausmaß der Risiken war jedoch nicht klar. Vor allem hatte niemand erwartet, dass diese Risiken gleichzeitig zusammentreffen würden. Als Ergebnis des Schocks entstanden Unsicherheiten und eine Vertrauenskrise zwischen den Banken, was zu einem Zusammenbruch des Geldmarktes führte. Die globalen Verflechtungen von Banken und der Umstand, dass US-Immobilienwerte in Form von komplexen Finanzderivaten weltweit in großem Ausmaß veranlagt waren, führten zu einem raschen Übergreifen der Krise auf Europa. Zunächst nicht von der Finanzmarktkrise betroffen waren die Länder der südlichen Peripherie des Euroraumes.[52]

In Europa führte das Übergreifen der Krise unter anderem zu beinahe Pleiten der IKB, der Hypo Real Estate und der Sachsen LB. Diese Banken konnten nur mit massiver staatlicher Unterstützung gerettet werden.[53]

Die Rettung der Banken wirft die ethische Frage auf, ob Investoren die Gewinne aus gewonnenen Wetten behalten dürfen aber andererseits Verluste aus verlorenen Wetten sozialisiert werden sollen. Skidelsky sieht, wenn dies so ist, eine Bestätigung der negativen Urteile über den Kapitalismus.[54]

Die stark steigende Staatsverschuldung der jüngeren Vergangenheit ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Staaten, als Folge der Finanzkrise, auf der einen Seite Steuerausfälle zu verzeichnen hatten und sie die krisenbedingte Rezession mit Stimulationsprogrammen zu überwinden versuchten. Auf der anderen Seite hatten die Staaten erhöhte Aufwendungen zur Sicherung des Finanzsektors zu tragen. Dabei ist anzumerken, dass sie Vertrauens- und Schuldenkrise nicht alle Länder der Eurozone betrifft, sondern ausschließlich Länder der europäischen Peripherie.[55]

Die Konstruktion der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion hielt dem realen Stresstest nicht stand. Sie musste mit nicht abschätzbaren Folgen gestützt werden. Diese Stützung wurde mit in großer Eile beschlossenen Maßnahmen bewerkstelligt, wobei grundsätzliche Auffassungsunterschiede zutage traten. Möglicherweise sind es diese Auffassungsunterschiede, die die Staatsschuldenkrise in der EU so brisant und hartnäckig werden ließ.[56]

Bofinger sieht die Ursache der Finanzkrise im Wesentlichen darin begründet, dass viele Kredite an Personen vergeben wurden, deren finanzielle Möglichkeiten nicht ausreichten, diese zu bedienen. Diese Kredite wurden weiters für überteuerte Immobilien ausgereicht, so dass deren tatsächlicher Wert nicht als Sicherheit für die Kredite ausgereicht hat. Daher verfügen die Banken über zu wenig werthaltige Forderungen um die Einlagen ausreichend bedienen zu können. Als Reaktion darauf haben die Staaten mit Garantien und der Bereitstellung öffentlicher Mittel für die Stabilisierung der Bankbilanzen gesorgt.[57]

Die Wurzel für das Grundproblem der Schuldenkrise in der Eurozone sieht Bofinger darin, dass es eine Finanzkrise gegeben hat. Dies betrifft aber nicht nur Europa, sondern die globale Ebene. In der Eurozone sieht er das Problem, dass diese nicht als Einheit agiert, sondern, dass hier 17 Nationalstaaten sich an der Problembewältigung versuchen.[58]

Chronologischer Verlauf der Schuldenkrise in Europa:[59],[60]

Im Oktober 2009 revidiert die neu gewählte griechische Regierung die Zahlen zur Staatsverschuldung. Diese gibt an, dass das Defizit nicht bei sechs sondern bei 12,5 Prozent liegt, was dazu führt, dass das Vertrauen in die Staatsfinanzen Griechenlands sinkt. In weiterer Folge senken Ratingagenturen die griechische Kreditwürdigkeit und es beginnen Spekulationen auf eine Staatspleite des Landes. Neben Griechenland sind auch Spanien, Portugal und Irland angeschlagen. Der Begriff PIGS-Staaten für diese Länder kommt in Gebrauch.[61],[62]

Bei einem EU-Sondergipfel im Februar 2010 wird Griechenland politische Unterstützung aber keine finanzielle Unterstützung zugesagt, was zu einer Verunsicherung der Märkte führte. Im März 2010 einigen sich die Euro-Länder schließlich auf einen Rettungsplan für Griechenland. Am 23. April 2010 erfolgt das Hilfsansuchen Griechenlands bei der EU und dem IWF. Diese erklären sich zu einer Unterstützung im Ausmaß von 45 Milliarden Euro bereit.[63],[64]

Am 2. Mai 2010 bekommt Griechenland eine Finanzhilfe von 110 Milliarden Euro (80 Milliarden von den Euro-Staaten, 30 Milliarden vom IWF) zugesichert. Im Gegenzug muss sich Griechenland verpflichten sein Budgetdefizit bis 2014 auf unter drei Prozent des BIP abzusenken. Das hierzu von Griechenland beschlossene Sparprogramm stürzt die Wirtschaft des Landes in eine Rezession, wodurch die Steuereinnahmen nicht plangemäß steigen. Noch im selben Monat wird ein Rettungsschirm mit einem Umfang von 750 Milliarden Euro errichtet um Euro-Länder, falls notwendig, mit Krediten zu versorgen. Im November dieses Jahres beantragt Irland die Hilfe aus dem Rettungsschirm. Unter strikten Sparauflagen werden 85 Milliarden Euro zugesagt.[65],[66]

Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) wird am 07. Juni 2010 von den Euro-FinanzministerInnen gegründet.[67]

Am 30. September 2010 erfolgt die Herabstufung des Ratings von Spanien durch die Rating-Agentur Moody's.[68]

Im November 2010 wird Irland vom Euro Rettungsschirm aufgefangen. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wird als dauerhafter Krisenfonds von den FinanzministerInnen der Euro-Länder beschlossen.[69]

Beim EU-Gipfel am 25. März 2011 wird ein Gesamtpaket zur Überwindung der Schuldenkrise beschlossen. Teil dieses Pakets ist ein permanenter Rettungsschirm, eine Verschärfung des Stabilitätspakts und die Verpflichtung zu Strukturreformen.[70],[71]

Portugal ersucht am 6. April 2011 um Finanzhilfen. Es werden 78 Milliarden Euro an Krediten gewährt.[72],[73]

Im Mai 2011 wird seitens der EU von Griechenland ein noch strenger Sparkurs verlangt. Ein solcher ist aber aufgrund innenpolitischer Divergenzen schwer umsetzbar. Es droht die Staatspleite bis Mitte Juli. Ein Prüfbericht der Troika (bestehend aus der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem IWF) vom Juni sieht Fortschritte bei den Sparzielen und stellt fest, dass ein neues Hilfspaket notwendig ist. Der Bericht bemängelt weiters fehlende Reformen. Nachdem das griechische Parlament am 29. Juni 2011 dem Sparprogramm zustimmt kommt es zu schweren Unruhen auf den Straßen. Die nächste Teilzahlung des laufenden Hilfsplans wird von den FinanzministerInnen der Eurozone freigegeben.[74]

Am 8. Juli 2011 erhöhen sich die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen. Beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten wird ein neues Hilfspaket für Griechenland im Ausmaß von 109 Milliarden Euro und die Beteiligung privater Gläubiger beschlossen. Dem EFSF wird ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt.[75],[76]

Die EZB verkündet am 4. August 2011, dass sie wieder Staatsanleihen von Portugal, Irland und Griechenland ankaufen wird. Spanien und Italien werden wenige Tage später in dieses Programm aufgenommen.[77],[78]

Um Zweifel an seiner Bonität zu zerstreuen, verspricht Frankreich zusätzliche Sparmaßnahmen. Es sind hartnäckige Gerüchte in Umlauf, dass das AAA-Rating des Landes gefährdet sei, was auch Auswirkungen auf die Aktienkurse französischer Banken zeigt.[79]

Bei einem Treffen in Paris am 16. August 2011 bekräftigen Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy die Pläne zu einer europäischen Wirtschaftsregierung, einer Finanzmarkttransaktionssteuer und einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild. Merkel erteilt Eurobonds eine Absage.[80]

Am 29. September 2011 stimmt der Deutsche Bundestag einer Aufstockung des ESFS zu. Deutschland bürgt nun für 211 Milliarden Euro.[81],[82]

Die griechische Regierung erklärt am 2. Oktober 2011, dass sie die vereinbarten Defizitziele sowohl im laufenden als auch im folgenden Jahr nicht einhalten kann. Daraufhin einigen sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am 26. Oktober 2011 darauf, dass private Gläubiger auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten sollen, auf die Rekapitalisierung der Banken und auf die Hebelung des ESFS auf eine Billion Euro. Griechenland wird ein neuerliches Hilfspaket über 130 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Nur wenige Tage darauf kündigt der griechische Ministerpräsident Papandreou ein Referendum über die Sparmaßnahmen an. Politischer Druck seitens Deutschland und Frankreich führt dazu, dass Papandreou das Referendum wieder absagt.[83],[84]

Die Renditen für italienische Staatsanleihen übersteigen im November 2011 die sieben Prozentmarke. Ähnlich ist die Situation in Spanien. Auch Staaten Kerneuropas werden nun vom Misstrauen der Investoren erfasst. Es wird seitens der Politik und von Ökonomen gefordert, dass die EZB Staatsanleihen ankauft.[85]

Der November dieses Jahres ist auch von Regierungswechseln in Italien und in Spanien geprägt.[86],[87]

Am 21. Dezember 2011 setzt die EZB eine geldpolitische Offensive, die es den Banken ermöglicht sich für drei Jahre mit Geld zu versorgen. Diese Aktion ist eine Reaktion darauf, dass die Banken, mangels gegenseitigen Vertrauens, gegenseitig keine Kredite mehr vergeben. Es gelingt der EZB so das Bankensystem zu stabilisieren. Weiters kaufen die Banken dadurch wieder verstärkt Staatsanleihen.[88]

Österreich und Frankreich verlieren am 13. Jänner 2012 ihr AAA -Rating bei Standard & Poor‘s.[89],[90]

Der permanente Rettungsschirm ESM wird am 23. Jänner 2012 mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro vorzeitig beschlossen.[91],[92]

Nachdem das griechische Parlament am 9. Februar dem neuen Sparpaket zugestimmt hat, wird am 21. Februar 2012 das neue 130 Milliarden Euro Hilfspaket von den Euro-FinanzministerInnen beschlossen. Die Verhandlungen mit den Banken werden erfolgreich abgeschlossen, sodass diese auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen an Griechenland verzichten. Standard & Poor’s erklären das Land für bankrott und senken ihr Rating auf teilweisen Zahlungsausfall.[93],[94]

Am 30. März 2012 wird von den Euro-FinanzministerInnen beschlossen, den ESM auf 800 Milliarden auszuweiten, wovon der ESM aber nur 500 Milliarden ausleihen kann.[95]

Aufgrund der angespannten Lage im Bankensektor nach dem Platzen der Immobilienblase in Spanien und der schlechten wirtschaftlichen Lage, senkt Standard & Poor’s das Rating des Landes am 26. April 2012 von A auf BBB+. In den Bilanzen der Banken des Landes befinden sich unsichere Immobilienkredite im Ausmaß von etwa 180 Milliarden Euro. Dadurch schwächt sich das Vertrauen der Anleger in Spanische Staatschuldentitel weiter ab und verschärft so weiter die Schuldenkrise.[96],[97]

Die griechische Parlamentswahl vom 06. Mai 2012 führt zu Unklarheiten über die Zusammensetzung der neuen Regierung und somit darüber, wer über neue Kredite verhandeln wird. Derweil sich das Land am Rande des Staatsbankrotts bewegt, misslingt eine Regierungsbildung, sodass für den 17. Juni Neuwahlen angesetzt werden. In Frankreich gewinnt Hollande die Präsidentschaftswahl.[98],[99]

Ende Mai steigen die Risikoaufschläge für spanische und italienische Staatsanleihen erneut stark an. Spanien gibt an, dass es Probleme hat, frisches Geld an den Finanzmärkten zu bekommen. Letztlich flüchtet Spanien am 10. Juni unter den Schutz des Rettungsschirms. Am 20. Juli sagen die Euro-FinanzministerInnen Spanien Hilfen im Ausmaß von 100 Milliarden Euro zu.[100],[101]

Nach der neuerlichen Parlamentswahl in Griechenland gelingt am 21. Juni die Regierungsbildung in Athen. Mit Zypern beantragt ein weiteres Land den Schutz des Rettungsschirms. Die Ratingagentur Fitch stuft Zypern auf Ramschniveau herunter.[102]

Die EZB kündigt am 6. September 2012 an, dass sie im Notfall Staatsanleihen von Euroländern ohne Limit ankaufen wird.[103]

Nachdem das deutsche Bundesverfassungsgericht Klagen gegen den ESM abgewiesen hat, ist der Weg zum Inkrafttreten des Europäischen Rettungsschirms frei. Er tritt am 8. Oktober in Kraft.[104]

Mit dem Einlangen des Berichts der Troika über die Lage in Griechenland am 14. Oktober 2012 wird deutlich, dass Griechenland Fortschritte macht aber noch mehr Zeit braucht. Die Euro-FinanzministerInnen geben am 27. November die Auszahlung der nächsten Tranche für Griechenland frei.[105]

Die Einigung auf ein Rettungspaket in Zypern erfolgt in der Nacht zum 16. März 2013. Es wird beschlossen, dass das Land 10 Milliarden Euro erhält. Teil des Paketes ist die Zwangsabgabe für SparerInnen. Jene, die einen Betrag von unter € 100.000,-- auf einer zypriotischen Bank haben, sollen einen Beitrag in der Höhe von 6,75 Prozent zahlen. Für höhere Einlagen sollen 9,9 Prozent fällig werden. Kritiker warnen, dass es aus Furcht vor solchen Maßnahmen, in anderen Krisenstaaten zu Bank-Runs kommen könnte. In Zypern wird der Kapitalverkehr eingeschränkt, die Banken bleiben geschlossen und es bilden sich Schlangen vor den Geldautomaten. In der Woche darauf stimmt das Parlament in Nikosia gegen diesen Plan. Daher wird ein neuer Rettungsplan ausgearbeitet, welcher am 25. März 2013 von den Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone beschlossen wird. Das neue Paket beinhaltet die Schließung der Laiki-Bank und die Belastung von Einlagen über 100.000,-- Euro.[106]

Abbildung 6 im Anschnitt 1.3.1.3 zeigt, dass grundsätzlich die Furcht vor einem Bank-Run, wenn das Vertrauen in die Banken schwindet, nicht unberechtigt ist. Müssten dann doch mit der Bilanzposition Kassa die Sicht- und die Spareinlagen ausgezahlt werden.

Bofinger hält die Vorgangsweise in Zypern für einen Tabubruch, bei dem viel Vertrauen verloren geht. Im Gegensatz zu Bundesfinanzminister Schäuble, der meint, dass die Euro-Krise überwunden sei, meint Bofinger, dass wir mitten in der Krise stecken. Bei der Rezession im Euro-Raum und insbesonders in den Problemländern erkennt Bofinger überhaupt keine Trendwende.[107]

1.2 Globale Aspekte der Schuldenkrise

Laut dem Duden leitet sich der Begriff Schulden vom Althochdeutschen sculdōn ab, was so viel bedeutet wie: sich etwas zuziehen, es verdienen bzw. vom Mittelhochdeutschen schulden, im Sinne von schuldig, verpflichtet sein; sich schuldig machen.[108]

Gerade in Zeiten von Finanz- und Schuldenkrisen sind politische Slogans wie Zukunft ohne Schulden populär. In Deutschland wird dafür gerne die Haltung der schwäbischen Hausfrau, nämlich, dass man auf Dauer nicht über seine Verhältnisse leben kann, als vorbildhaft dargestellt und vom Wirtschaftswunder in der Nachkriegszeit gesprochen. In der aktuellen politischen Debatte geht es um ein Wachstum, welches ohne Pump auskommen soll. Bei näherer Betrachtung dieser Vergangenheit ist jedoch ersichtlich, dass diese Erfolge nicht ohne Schulden möglich waren. Auch das Wirtschaftswunder basierte auf Wachstum durch Schulden. Damit die Wirtschaft wachsen kann ist es notwendig, dass jemand einen Kredit aufnimmt. Dies können die Unternehmen sein, die auf Kredit Investitionen finanzieren oder KonsumentInnen, die auf Kredit konsumieren. Eine weitere Möglichkeit sind Exporte in die Nachbarländer, die sich dann für diese exportierten Güter verschulden. Wenn der Wohlstand wächst, so wachsen auch die Schulden. Letztlich würde ohne Schulden auch kein Geld[109] existieren.[110]

Kramer kritisiert, dass in den makroökonomischen Modellen Begriffe wie Geld, Überschuldung, Kredit, Vertrauen, Vermögen oder überzogene Hebelwirkungen überhaupt nicht modelliert sind und daher nicht vorkommen. Zwar kennen die Standard-Modelle Abweichungen vom Gleichgewicht und vom Wachstumspfad, doch werden in diesen Modellen durch eingebaute Stabilisierungskräfte oder durch antizyklische Eingriffe diese Abweichungen wieder entschärft. Die Modelle lassen unerwartet auftretende und schwerwiegende Krisen infolge des Platzens von Spekulationsblasen nicht zu, egal ob diese Modelle auf neoklassischen oder auf postkeynesianischen Theorien basieren.[111]

Internationale Entwicklung der Verschuldung von Staaten im Zeitraum vor und nach dem Ausbruch der Finanzkrise:

Bei der Schuldenkrise ist nicht nur der Euroraum betroffen, vielmehr handelt es sich um ein globales Problem. Beispielsweise stieg die Staatsverschuldung Japans im Zeitraum von 2003 bis 2013 von 169,57 Prozent auf 244,98 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.[112] Für denselben Zeitraum stiegen die entsprechenden Werte für die Vereinigten Staaten von Amerika von 60,43 Prozent auf 111,72 Prozent an.[113] Im Vergleich dazu hat Griechenland in dieser Zeit seinen Wert von 97,44 Prozent auf 181,84 Prozent nahezu verdoppelt.[114] In Österreich ist der Prozentsatz der Staatsverschuldung von 2003 bis 2007 von 65,27 Prozent auf 60,22 Prozent zurückgegangen (womit das diesbezügliche Maastricht Konvergenzkriterium von 60 Prozent[115] beinahe erreicht worden wäre) und ist in Folge bis 2013 auf 74,94 Prozent angestiegen.[116] Sehr deutlich war die Entwicklung in Großbritannien, wo sich die Staatsverschuldung als Prozentwert in Relation zum BIP mehr als verdoppelt hat und nunmehr bei 93,34 Prozent liegt.[117]

Eine Publikation des IWF gibt an, dass sich die Staatsverschuldung in den entwickelten Ökonomien von 2007 bis 2011 von 74 auf 105 Prozent rasch angestiegen ist. Prognostiziert ist, dass sich der Wert im Jahr 2014 auf 110 Prozent stabilisieren wird. Folgende Abbildung zeigt die durchschnittliche Entwicklung der Staatsverschuldung in den entwickelten Ländern und in den Entwicklungsländern:[118]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Gesamtstaatliche Bruttoverschuldung, Quelle: IWF

Die Abbildung zeigt, dass sich die Staatsverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt bei den sich entwickelnden Ökonomien relativ kontinuierlich entwickelt hat. Bei den entwickelten Volkswirtschaften zeigt sich für den Zeitraum von 2003 bis 2007 eine seitwärts Bewegung und danach ein deutlicher Anstieg.

1.2.1 Die neoliberale Sicht auf die Schuldenkrise

Schon Mitte der fünfziger Jahre bereiteten die damaligen Außenseiter Friedman und Hayek die Neoliberale Gegenoffensive vor. Ihre wesentlichen Angriffspunkte waren die Regulierung der Finanzmärkte und die (langfristige) Ineffizienz bzw. Schädlichkeit der Vollbeschäftigungspolitik.[119]

Der Zusammenbruch des Realsozialismus hat zum Sieg des Paradigmas des Neoliberalismus wesentlich beigetragen. Hagen sieht dies durch den Wegfall des noch so mangelhaften Gegenmodells bedingt.[120]

Der Neoliberalismus an sich kann als ein gesellschaftliches Reformprogramm angesehen werden.[121] Es handelt sich also um ein gesellschaftspolitisches und nicht nur um ein wirtschafts- und sozialpolitisches Konzept.[122]

Es wird im neoliberalistischen Denken davon ausgegangen, dass der Markt jeder anderen Form der sozialen Koordination überlegen sei. Radikal und konsequent zu Ende gedacht, produziert der Markt nach Hayek weniger fehlerhafte Resultate als die Demokratie. Demnach sei der Markt der Demokratie als Mittel zur sozialen Koordination überlegen. Darüber hinaus wird der bewussten Planung und Gestaltung von sozialen Prozessen, als einem zentralen Anliegen des klassischen Liberalismus, eine Absage erteilt. Der kreative Geist des Menschen wird als reaktiv, bezogen auf den Markt betrachtet.[123]

Die Grundmaxime lautet, möglichst den Konkurrenzmechanismus des Marktes über den Ressourceneinsatz und die Verteilung der erwirtschafteten Ergebnisse entscheiden zu lassen. Das Ziel dabei ist die Optimierung der wirtschaftlichen Prozesse.[124]

Der Neoliberalismus geht von zwei Grundthesen aus. Die erste betont den Primat der Ökonomie gegenüber der Politik. Es ist dies der Primat des Marktes und vertragstheoretischen Organisation. Der Kerngedanke dabei ist, dass der Markt nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern er ist selbst der Zweck. Das Marktprinzip beschreibt hier eine spezifische Variante der Vertragslogik, nämlich jene des freien Austausches. Dabei sei die allgemeine Wohlfahrt das Ergebnis der individuellen Tauschakte. Bei den Tauschakten wird davon ausgegangen, dass diese auf Zweckrationalität beruhen. Willkürakte werden durch das private Vertragsrecht begrenzt oder gar ausgeschlossen, sodass die Kooperation zwischen Individuen prinzipiell nicht gefährdet ist.[125]

Die zweite Grundthese ist die des Primates einer gesellschaftlichen Ordnung auf der Basis von kultur-evolutionären Entwicklungsgesetzen. Im Gegensatz zu einer kollektiven planerischen Ordnung tritt eine spontane Ordnung (Hayek).[126]

Die vertragstheoretische Variante der neoliberalen Theorie geht davon aus, dass die Möglichkeit zu spontaner Kooperation vorauszusetzen ist. Wie im Keynesianismus und im marktwirtschaftlichen Denken generell, wird von der Annahme der Akzeptanz der privaten Vertrags- und Eigentumsrechte ausgegangen. Im Sinne des Neoliberalismus sei der Markt ein Wissens- und Entdeckungsprozess. Er wird auch als ein Spiel beschrieben, welches sowohl Anteile eines Geschicklichkeitsspieles, als auch jene eines Glücksspieles aufzeigt. Damit dieses Spiel einen Sinn habe und es die Spieler motiviert, müsse dessen Ausgang ungewiss sein. Die Regeln für dieses Spiel sind nicht durch planerische Vernunft oder durch Machtinteressen entwickelt worden, sondern sie seien das Ergebnis von unbewusster evolutionärer Entwicklung und von Selektion. Das Marktprinzip solle die Politik erobern und die ihm zugrundeliegenden Spielregeln (Vertragsfreiheit, Privateigentum, Gleichheit vor dem Recht) seien unantastbar.[127]

Das verbindende Element zwischen den beiden Grundthesen sei der Wettbewerb als Entdeckungsprozess, bei dem alle TeilnehmerInnen etwas zu verlieren hätten. Das zweckrationale Individuum würde ohne diesen Überlebenskampf zum Trittbrettfahrer werden. Der einzige Anreiz zum Handeln sei es, das eigene Überleben zu sichern und die Sicherstellung der eigenen Überlegenheit. Der Wohlfahrtsstaat würde dazu führen, dass sich Menschen aus Gründen der Zweckrationalität auf die faule Haut legen würden.[128]

Weiters wird in der neoliberalen Theorie davon ausgegangen, dass der Markt die Freiheit weltweit und allgemein fördert. Der Freiheitsbegriff selbst bezeichnet dabei eine Handlungsfreiheit. Es ist die Freiheit, ungehindert von jeder sozialen Autorität am Markt frei zu tauschen. Dies inkludiert auch sich selbst bzw. die eigene Arbeitskraft zu tauschen. Das Soziale muss vom Konzept der Wirtschaft strikt getrennt werden, da der freie Markt ohnehin für seine eigene Gerechtigkeit sorgt, die das Ergebnis der Freiheit aller sei und die darum von allen akzeptiert werden müsse (Hayek).[129]

In der Nachkriegszeit wurde mit der weißen Arbeiterklasse der Nordatlantischen Staaten (von den USA bis Westdeutschland die Übereinkunft getroffen, dass wenn diese Arbeiterklasse den Traum von einem tiefgreifenden Systemwandel aufgibt, sie die Gewerkschaften behalten und eine Vielzahl von sozialen Leistungen, wie Krankenversicherung, bezahlten Urlaub und Renten in Anspruch nehmen dürfen. Dabei war das möglicherweise wichtigste Zugeständnis, dass den Arbeiterkindern durch den Ausbau und die Finanzierung von Bildungseinrichtungen, die reale Chance auf sozialen Aufstieg geboten wurde. Diese Ordnung brach Ende der Siebzigerjahre mit Ereignissen wie der Ölkrise, Finanzchaos und der Erwartung des Endes des Wachstums offensichtlich zusammen. Unter Ronald Reagan und Margaret Thatcher begann ein regelrechter Feldzug gegen die Macht der Gewerkschaften und die Hinterlassenschaften von Keynes. Auch wurde der Konnex zwischen Löhnen und Produktivität aufgebrochen. Bei stagnierenden oder sogar sinkenden Löhnen stieg die Produktivität weiter.[130]

Von Seiten der Neoliberalen wird eine moderate Lohnpolitik vorgeschlagen. Konkret solle der Reallohnzuwachs einen Prozent unter dem Produktivitätszuwachs liegen. Aus Solidarität mit den Arbeitslosen sollten sich die Beschäftigten damit begnügen. Wenn der Reallohnzuwachs unter dem Produktivitätszuwachs liegt, profitieren dabei die Arbeitgeber, wobei hier eine Solidarität der Eigentümer des Kapitals mit den Besitzlosen nicht gefordert wird. Untersuchungen dazu zeigen, dass beispielsweise die Reduktion des Lohnniveaus um einen Prozentpunkt, die Anzahl der Beschäftigten nur um 0,5 bis 0,8 Prozent erhöhen würde, und damit unterproportional wirkt.[131]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entwicklung der Produktivität und der Löhne in den USA

Quelle: The Berkeley Journal of Employment and Labor Law presents the Second Annual David E. Feller Memorial Labor Law Lecture: "How a Low Wage Economy with Weak Labor Laws brought Us the Mortgage Credit Crisis"[132]

Obiges Diagramm zeigt, dass sich in der Nachkriegszeit die Löhne und die Produktivitätszuwächse bis zum Ende der Siebziger Jahre parallel entwickelten. Danach stagniert die Entwicklung des Lohnniveaus weitgehend, wohingegen der Zuwachs an Produktivität ungehemmt weiter geht und sich am Ende sogar noch beschleunigt.[133] Die Situation in Deutschland und Japan zeigt die gleiche Entwicklung.[134] Der Anteil der Arbeitseinkommen am Gesamteinkommen ist in jenen 16 Mitgliedern der OECD im Zeitraum von 1970 bis 2010 von etwa 70% auf 65% gefallen.[135]

Zum Ausgleich dafür, dass die Löhne nun nicht mehr stiegen, wurden die Arbeiter ermutigt, selbst zu Investoren zu werden, indem sie sich einen Anteil am Kapitalismus (beispielsweise Aktien) kaufen. In den USA wurden Vorsorgepläne eingeführt, die es breiten Bevölkerungsschichten ermöglichte, in Wertpapiere zu investieren um sich so Anteile an den Gewinnen zu sichern. Zu den Grundprinzipien der Wirtschaftspolitik von Reagan und Thatcher zählte, dass für ArbeitnehmerInnen die Möglichkeit zum Erwerb eines Eigenheims geboten werden müsse, damit diese die Ansätze dieser Wirtschaftspolitik akzeptieren. Daher wurden die ArbeitnehmerInnen auch dazu ermutigt sich zu verschulden. Für den Erwerb der Eigenheime wurden ab den neunziger Jahren Hypothekenrefinanzierungspläne geschaffen. Unter der Prämisse, dass die Immobilienpreise immer weitersteigen, sollten sich diese auf Kredit basierten Finanzierungspläne zu Geldautomaten entwickeln. Diese Ordnung, die Reagan und Thatcher etablierten, wurde innerhalb der USA als Demokratisierung der Finanzen oder Finanzialisierung des Alltagslebens bezeichnet. Außerhalb der USA setzte sich dafür die Bezeichnung Neoliberalismus durch.[136]

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Vorsorgepläne für breite Bevölkerungsschichten dazu geführt haben, dass den Finanzmärkten in Summe erhebliche Mittel zugeflossen sind, welche die Exzesse zumindest begünstigt haben.[137]

Lösungsansätze für die Schuldenkrise aus neoliberaler Sicht:

Von neoliberaler Seite werden folgende Standardempfehlungen zur Budgetkonsolidierung ausgesprochen:[138]

- Konsolidierung durch Kürzung der Staatsausgaben, also durch eine konsequente Sparpolitik.
- Dabei sollen am stärksten jene Ausgaben reduziert werden, die Anreize zur Arbeitslosigkeit stärken bzw. die Eigenvorsorge hemmen.
- Erhöhung der Effizienz der staatlichen Verwaltung durch Einsparungen im öffentlichen Dienst.
- Subventionen an Unternehmen verzerren die Wettbewerbsbedingungen und Preise. Deren Streichung würde diese Verzerrungen verhindern und die Budgets entlasten.
- Wenn sich Steuererhöhungen nicht vermeiden lassen, so dürfen diese keinesfalls Leistungsanreize mindern. Insbesonders dürfen die hohen Einkommen und Vermögen der sogenannten LeistungsträgerInnen nicht zusätzlich belastet werden.
- Es wird empfohlen umfassende Privatisierungen vorzunehmen. Dies betrifft die Beteiligung an Industrieunternehmen, Banken und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge.

Arbeitslosenunterstützung wird im neoliberalen Denken deshalb abgelehnt, weil davon ausgegangen wird, dass die Menschen nur durch die Gesetze des Marktes zum Arbeiten animiert werden können. Die Arbeitslosenunterstützung würde daher die Gesetze des Marktes außer Kraft setzen und somit eine Wettbewerbsverzerrung darstellen.[139]

Hinsichtlich der Sozialpolitik wird argumentiert, dass diese den Zusammenhang zwischen Leistung und Einkommen zerstöre. Dies sei dysfunktional, da die Effizienz vermindert und Leistungsanreize beeinträchtigt werden würden. Resultat der Umverteilung sei ein Produktionsrückgang, sodass insgesamt weniger produziert werden könne als beim Fehlen der Umverteilung.[140]

Zu Subventionen wird die Überlegung artikuliert, dass damit Unternehmen am Leben erhalten werden, die nicht überleben bzw. gar nicht gegründet hätten werden sollen. Diese seien auf Kosten von SteuerzahlerInnen und KonsumentInnen ineffizient. Dabei wird ausgeklammert, dass Klein- und Mittelbetriebe gegenüber Großunternehmen im Wettbewerb oft unterlegen sind und so die Großen die Kleinen verdrängen können.[141]

Die Ablehnung von Steuererhöhungen für die LeistungsträgerInnen wird damit begründet, dass diese weniger leisten oder investieren, wenn durch diese Steuererhöhung sich deren Nettoeinkommen verringern.[142]

Betreffend Privatisierungen wird seitens der Vertreter des Neoliberalismus angeführt, dass diese den privaten Handlungsspielraum gegenüber dem Staat erhöhen soll. Hier wird von der Prämisse ausgegangen, dass Private besser wirtschaften würden und sich Märkte selbst effizient regeln. Wenn der Staat existiert, sollte er dies im Rahmen eines Nachtwächterstaates tun. In der öffentlichen Kommunikation wird statt vom Nachtwächterstaat vom schlanken Staat gesprochen.[143]

1.2.2 Die keynesianische Sicht auf die Schuldenkrise

Skidelsky sieht in der aktuellen Krise einen sogenannten schwarzen Schwan. Es ist dies ein Sturm, welcher aus heiterem Himmel und unerwartet über die Welt hereinbricht, wobei alle Welt glaubt, dass derartige Extremereignisse nur die Vergangenheit betreffen.[144]

Die Finanzkrise verursachte einen der heftigsten Einbrüche der Wirtschaft in den letzten hundert Jahren. Die Volkswirtschaften wurden von einem Schock getroffen. Laut Keynes kann eine Volkswirtschaft, wenn sie von einem Schock getroffen wird, ihre Dynamik nicht mehr aufrechterhalten. In diesem Fall kommen auf den Staat zwei Aufgaben zu:[145]

- Im Falle einer sich abzeichnenden Deflation sollen Staaten die Wirtschaft stimulieren.
- Es ist die Aufgabe von Staaten, zu verhindern, dass es überhaupt zu ernsthaften Schocks kommt.

Kramer sieht im Keynesianismus eher als in der Neoklassik das Potential, die Realität zu erkennen, die Ursachen der Krise richtig zu diagnostizieren und diese auch therapieren zu können.[146] Den Sozialstaat sieht Kramer eben nicht, wie von der Tea-Party dargestellt, als verdammenswert oder überwunden an. Die scheinbare Alternative, beispielsweise zur Altersversorgung durch Kapitaldeckung, wurde durch die Finanzmarktkrise desillusioniert.[147]

Für Tichy waren die steigenden Schuldenquoten weniger das Resultat von aus dem Ruder gelaufener Staatsausgaben, sondern vielmehr die direkte und auch indirekte Folge der Finanzmarktkrise. Die Ursachen der Finanzmarktkrise wiederum sieht er im unerwarteten Zusammentreffen mehrerer Ursachen in den USA. Das Überangebot von Finanzmitteln auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten in Verbindung mit einer expansiven Geldpolitik und eine exzessive Kreditexpansion bei Hypothekarkrediten führte zu einer Immobilienblase. Durch die Deregulierung der Finanzmärkte und neue Modelle zur Risikobewertung wurden Finanzinnovationen ermöglicht, die zur Bündelung dieser Kredite und deren Verkauf in Tranchen führten. Nach dem Platzen der Immobilienblase führte die weltweite Verflechtung der Banken und infolge der umfangreichen Anlagen in US-Immobilienwerten in Form komplexer Finanzderivate zu einem raschen Übergreifen der Krise auf Europa.[148]

Skidelsky, als profunder Kenner des Werkes von Keynes, interpretiert die Ideen des Keynesianismus für die Situation nach der Lehman Pleite folgendermaßen:[149]

Er sieht keinen Sinn darin nach der Schuld bei handelnden Akteuren wie etwa Politikern oder Bankern zu suchen. Vielmehr haben jene Ideen versagt, auf dessen Basis die beteiligten Personen gehandelt haben.[150]

Die beiden makroökonomischen Schulen, die Keynesianer (Neukeynesianer) und die Neoliberalen (neoklassische Ökonomen) bezeichnet Skidelsky als die Gravitationszentren der modernen Makroökonomie.[151] Beide Schulen teilen die gleichen Grundprämissen. Es sind dies:[152]

- die Hypothese der rationalen Erwartungen (Rational Expectations Hypothesis),
- die Theorie der realen Konjunkturzyklen (Real Business Cycle Theory) und
- die Effizienzmarkthypothese (Efficient Market Hypothesis).

Die Neoliberalen entwickelten die Hypothese der rationalen Erwartungen, um die Nutzlosigkeit bzw. die Schädlichkeit staatlicher Eingriffe zu begründen. Die ökonomischen Theorien fußen auf dem Fundament eines umfassenden und präzisen Wissens über künftige Ereignisse. Dieser Hypothese liegen zwei Annahmen zugrunde. Die erste besagt, dass der erwartete Wert eines Preises jenem entspricht, der vom Prognosemodell vorhergesagt wurde. Abweichungen ergeben sich aufgrund von Störgrößen wie Restunwissenheit oder Inkompetenz. Die zweite Annahme ist, dass Menschen zur Erstellung von Prognosen ein korrektes ökonomisches Modell verwenden. Die korrekten ökonomischen Modelle kristallisieren sich dabei durch einen Darwin’schen Ausleseprozess heraus. Von keynesianischer Seite wird die Hypothese der rationalen Erwartungen zwar, wie von den Neoliberalen, ebenfalls akzeptiert, aber sie geben die Existenz von Friktionen zu, welche eine sofortige Anpassung an andere Bedingungen verhindert. Für dieses Zeitfenster befürworten sie staatliche Interventionen im Interesse besserer Ergebnisse.[153]

[...]


[1] Vgl. Sustala/ Szalai (2008), [online].

[2] Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2010), S. VII.

[3] Vgl. Kramer (2012), S. 489.

[4] Vgl. Die Welt (2008), Hilfspaket lässt General-Motors-Aktie abheben, [online].

[5] Vgl. Skidelsky (2010), S. 14.

[6] Vgl. Horn (2013) [online].

[7] Vgl. Tichy (2011), S. 797.

[8] Vgl. Die Presse (2012), EZB beschließt Ankauf von Anleihen der Krisenländer, [online].

[9] Vgl. Uchatius (2012), [online].

[10] Vgl. Kramer (2012), S. 492.

[11] Vgl. Schulmeister (2010), S. 52f.

[12] Vgl. Busch/Hermann/Hinrichs/Schulten (2012), S. 1, [online].

[13] Vgl. Schulmeister (2010), S. 13f.

[14] Vgl. Schulmeister (2010), S. 14.

[15] Vgl. Schulmeister (2010), S. 93.

[16] Vgl. Skidelsky (2010), S. 260.

[17] Vgl. Kramer (2012), S. 487.

[18] Vgl. Frankfurter Allgemeine (2011), Scheitert der Euro, scheitert Europa, [online].

[19] Vgl. Bagus (2011) [online].

[20] Vgl. Berger (2012) [online].

[21] Vgl. Müller (2012) [online].

[22] Vgl. Kögler/Müllauer (2009), S 62.

[23] Vgl. Senf, (2009), S. 175ff.

[24] Vgl. Breuss, (2009), S. 61ff.

[25] Vgl. Fehr, (2008), [online].

[26] Vgl. Benes/Kumhof (2012), S. 1, [online].

[27] Vgl. Nixon (1971), [online].

[28] Vgl. Senf, (2009), S. 185.

[29] Vgl. Binswanger (2009), S. 3, [online].

[30] Vgl. Senf (2009), S. 187.

[31] Vgl. Graeber, (2011), S. 379.

[32] Vgl. Schulmeister (2010), S. 47.

[33] Vgl. Graeber, (2011), S. 385.

[34] Vgl. Huber, (2009), S. 2.

[35] Vgl. Schulmeister (2010), S. 47.

[36] Vgl. Schulmeister (2010), S. 24.

[37] Vgl. Schulmeister (2010), S. 25.

[38] Vgl. Schulmeister (2010), S. 25.

[39] Vgl. Schulmeister (2010), S. 47.

[40] Vgl. Schulmeister (2010), S. 109.

[41] Vgl. Schulmeister (2010), S. 26.

[42] Vgl. Schulmeister (2010), S. 48.

[43] Vgl. Schulmeister (2010), S. 26.

[44] Vgl. Graeber (2011), S. 395.

[45] Vgl. Schulmeister (2010), S. 27.

[46] Vgl. Schulmeister (2010), S. 27.

[47] Vgl. Huber (2009), S. 1f [online].

[48] Vgl. Huber (2009), S. 2 [online].

[49] Vgl. Skidelsky (2010), S. 27.

[50] Vgl. Skidelsky (2010), S. 27.

[51] Vgl. Neue Züricher Zeitung (2008), JP Morgan Chase übernimmt Bear Stearns [online].

[52] Vgl. Tichy (2011), S. 798.

[53] Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2010), S. VII.

[54] Vgl. Skidelsky (2010), S. 46.

[55] Vgl. Tichy (2011), S. 797.

[56] Vgl. Kramer (2012), S. 486.

[57] Vgl. Bofinger (2010) [online].

[58] Vgl. Bofinger (2013), [online].

[59] Vgl. focus (2013), [online].

[60] Vgl. Lang (2012), [online].

[61] Vgl. focus (2013), [online].

[62] Vgl. Lang (2012), [online].

[63] Vgl. focus (2013), [online].

[64] Vgl. Lang (2012), [online].

[65] Vgl. focus (2013), [online].

[66] Vgl. Lang (2012), [online].

[67] Vgl. Lang (2012), [online].

[68] Vgl. Lang (2012), [online].

[69] Vgl. Lang (2012), [online].

[70] Vgl. focus (2013), [online].

[71] Vgl. Lang (2012), [online].

[72] Vgl. focus (2013), [online].

[73] Vgl. Lang (2012), [online].

[74] Vgl. focus (2013), [online].

[75] Vgl. focus (2013), [online].

[76] Vgl. Lang (2012), [online].

[77] Vgl. focus (2013), [online].

[78] Vgl. Lang (2012), [online].

[79] Vgl. focus (2013), [online].

[80] Vgl. focus (2013), [online].

[81] Vgl. focus (2013), [online].

[82] Vgl. Lang (2012), [online].

[83] Vgl. focus (2013), [online].

[84] Vgl. Lang (2012), [online].

[85] Vgl. focus (2013), [online].

[86] Vgl. focus (2013), [online].

[87] Vgl. Lang (2012), [online].

[88] Vgl. focus (2013), [online].

[89] Vgl. focus (2013), [online].

[90] Vgl. Lang (2012), [online].

[91] Vgl. focus (2013), [online].

[92] Vgl. Lang (2012), [online].

[93] Vgl. focus (2013), [online].

[94] Vgl. Lang (2012), [online].

[95] Vgl. focus (2013), [online].

[96] Vgl. focus (2013), [online].

[97] Vgl. Lang (2012), [online].

[98] Vgl. focus (2013), [online].

[99] Vgl. Lang (2012), [online].

[100] Vgl. focus (2013), [online].

[101] Vgl. Lang (2012), [online].

[102] Vgl. focus (2013), [online].

[103] Vgl. focus (2013), [online].

[104] Vgl. focus (2013), [online].

[105] Vgl. focus (2013), [online].

[106] Vgl. focus (2013), [online].

[107] Vgl. Bofinger (2013a), [online].

[108] Vgl. Duden (2013a) [online].

[109] Vgl. Abschnitt 1.3.1.

[110] Vgl. Uchatius (2012), [online].

[111] Vgl. Kramer (2012), S. 492.

[112] Vgl. Statista (2013a) [online].

[113] Vgl. Statista (2013b) [online].

[114] Vgl. Statista (2013c) [online].

[115] Vgl. Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung (2013) [online].

[116] Vgl. Statista (2013d) [online].

[117] Vgl. Statista (2013e) [online].

[118] Vgl. Arslanalp/Tsuda (2012), S. 5 [online].

[119] Vgl. Schulmeister (2010), S. 46.

[120] Vgl. Hagen (1999), S. 13

[121] Vgl. Schui/Blankenburg (2002), S. 74f.

[122] Vgl. Schmee/Weissel (1999), S. 7.

[123] Vgl. Ötsch (2007), S. 4 [online].

[124] Vgl. Schmee/Weissel (1999), S. 7.

[125] Vgl. Schui/Blankenburg (2002), S. 76f.

[126] Vgl. Schui/Blankenburg (2002), S. 76f.

[127] Vgl. Schui/Blankenburg (2002), S. 79ff.

[128] Vgl. Schui/Blankenburg (2002), S. 81.

[129] Vgl. Ötsch (2007), S. 5 [online].

[130] Vgl. Graeber (2011), S. 392ff.

[131] Vgl. Weissel (1999), S. 68.

[132] Vgl. Silvers (2008), [online].

[133] Vgl. Silvers (2008), [online].

[134] Vgl. International Labour Office (2013), S. 46ff [online].

[135] Vgl. International Labour Office (2013), S. 43 [online].

[136] Vgl. Graeber (2011), S. 395.

[137] Vgl. Abschnitt 1.2.3

[138] Vgl. Schulmeister (2010), S. 52.

[139] Vgl. Zilian (1999), S. 41.

[140] Vgl. Weissel (1999), S. 70.

[141] Vgl. Weissel (1999), S. 72f.

[142] Vgl. Weissel (1999), S. 74.

[143] Vgl. Pirker (1999), S. 33.

[144] Vgl. Skidelsky (2010), S. 25.

[145] Vgl. Skidelsky (2010), S. 13f.

[146] Vgl. Kramer (2012), S. 492.

[147] Vgl. Kramer (2012), S. 495.

[148] Vgl. Tichy (2011), S. 797f.

[149] Vgl. Skidelsky (2010), S. 245ff.

[150] Vgl. Skidelsky (2010), S. 60.

[151] Vgl. Skidelsky (2010), S. 61.

[152] Vgl. Skidelsky (2010), S. 64.

[153] Vgl. Skidelsky (2010), S. 65ff.

Final del extracto de 129 páginas

Detalles

Título
Die Schuldenkrise. Über die didaktische Herausforderung aktueller Themen in der Volkswirtschaft
Universidad
University of Graz  (Institut für Wirtschaftspädagogik)
Calificación
3
Autor
Año
2013
Páginas
129
No. de catálogo
V349773
ISBN (Ebook)
9783668369825
ISBN (Libro)
9783668369832
Tamaño de fichero
1229 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Wirtschaftspädagogik, Schuldenkrise, Lehman, too big to fail, Abwrackprämien, Rettung des Euro, Schutzschirme, ESM, Austeritätsmaßnahmen, Wettbewerbsfähigkeit, didaktische Modelle, Sichtweisen auf die Schuldenkrise, Ende des Bretton-Wood-Systems, Liberalisierung der Finanzwirtschaft und deren Auswirkungen, Schönwetterwährung, Exportweltmeister, Geld, Zentralbankgeld, Giralgeld, Giralgeldschöpfung, Geldschöpfung, Keynesianismus, Neoliberalismus, Vollgeld, Dotcom Blase, Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, Rating, Bank-Run, Zwangsabgabe, Finanzkrise, Staatsverschuldung, Schuldenquoten, Derivate, Leerverkäufe, finanzielle Massenvernichtungswaffen, Geldmengedefinition, asymmetrische Wirtschaftspolitik, Stabilitäts- und Wachstumspakt, Maastrichter Konvergenzkriterien, Scheidemünzen, Goldkernwährung, gesetzliches Zahlungsmittel, Geldmengen, Hauptrefinanzierungsgeschäfte, Schöpfung von Zentralbankgeld, Vernichtung von Zentralbankgeld, Mindestreserve, minimale Eigenkapitalquote, Krise des Geldsystems, hundert Prozent Mindestreservesystem, Chicago Plan, Lehrplan für die Handelsakademien, Banking-Lehre, Currency-Lehre
Citar trabajo
Andreas Unger (Autor), 2013, Die Schuldenkrise. Über die didaktische Herausforderung aktueller Themen in der Volkswirtschaft, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/349773

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