Die Diagnose „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS)“ wird
heute öfter denn je gestellt. Die Behandlung dieses
Syndroms erfolgt in den meisten Fällen über die
Verabreichung eines Psychopharmakons, überwiegend des
Amphetamins Ritalin.
Eine der Schwierigkeiten beim Thema ADS besteht darin,
dass die Diagnose von der subjektiven Entscheidung des
Diagnostikers abhängt (vgl. Amft, Gerspach, Mattner, 17)
und diese u. a. auf den (wiederum subjektiven)
Beschreibungen des betreffenden Kindes von Eltern,
LehrerInnen usw. aufbaut. Die Diagnose weist also
eigentlich darauf hin, welches Verhalten vom Diagnostiker
bzw. dem sozialen Umfeld des betroffenen Kindes als
„normal“ erachtet wird und welches Verhalten die
Toleranzgrenze überschreitet und somit als „abnormal“
gilt.
In der vorliegenden Hausarbeit mit dem Thema „Kritische
Betrachtung des Normalitätsbegriffes am Beispiel des
Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms“ möchte ich mich mit der
Frage beschäftigen, was die Zunahme dieser Diagnose und
die damit verbundenen Behandlungsmethoden über die
herrschende Vorstellung von Normalität aussagen. Hierbei
werde ich im Besonderen den Norm-Begriff in der Schule
betrachten, weil sich dort meiner Meinung nach die
Differenz zwischen Anpassung und Abweichung in Bezug auf
das ADS am deutlichsten zeigt. Auf andere soziale
Zusammenhänge, wobei hier vor allem die Familie und
weitere nahe Bezugspersonen zu nennen wären, werde ich
aus Platzgründen nicht näher eingehen.
Ich werde im Folgenden so vorgehen, dass ich anfangs den
Normalitätsbegriff im Allgemeinen und dann die
Normansprüche in Institutionen, im Besonderen in der
Schule, erläutern werde. Als nächstes werde ich versuchen, das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom zu
beleuchten und zwar vor allem im Hinblick auf die
vorherrschende medizinische Perspektive und kurz die
ganzheitliche Perspektive anschneiden. Hierbei werde ich
mich ausschließlich auf das ADS bei Kindern beziehen und
mich nicht mit dem ADS im Erwachsenenalter beschäftigen.
Im letzten Teil werde ich die beiden vorangegangenen
Teile miteinander verbinden und herausarbeiten, warum das
ADS als abweichendes Verhalten betrachtet wird. Dabei
werde ich sowohl auf den Sinn einer Pathologisierung für
die Zuschreibenden zu sprechen kommen als auch auf den
subjektiven Sinn, den das Verhalten möglicherweise für
den Pathologisierten aufweist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Menschliches Verhalten in sozialen Zusammenhängen
- Definition des Normbegriffes
- Definition abweichenden Verhaltens
- Normen in Institutionen
- Die Schule als Institution
- Schulische Normen und Abweichung
- Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom
- Diagnosekriterien
- Die medizinische Perspektive
- Die Behandlung mit Psychopharmaka
- Die Fragwürdigkeit des medizinischen Paradigmas
- Die ganzheitliche Perspektive
- Pathologisierung des ADS
- Das ADS aus dem schulischen Blickwinkel
- Die Entlastungsfunktion der Diagnose
- Der Bedeutungsgehalt abweichenden Verhaltens
- Die Fragwürdigkeit von Anpassung
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die Zunahme der Diagnose „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS)“ und die damit verbundenen Behandlungsmethoden im Kontext des herrschenden Normalitätsbegriffes. Die Arbeit analysiert, wie die Diagnose und die Behandlungsmethoden die Vorstellung von Normalität widerspiegeln und welche Rolle die Schule in diesem Zusammenhang spielt.
- Der Normalitätsbegriff und seine Anwendung in sozialen Zusammenhängen
- Die Definition abweichenden Verhaltens und die Rolle von Normen in Institutionen
- Die medizinische Perspektive auf ADS und die Kritik an ihrer Dominanz
- Die Pathologisierung von ADS und die Entlastungsfunktion der Diagnose für die Umgebung
- Der Bedeutungsgehalt abweichenden Verhaltens und die Frage der Anpassung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ADS und die Problematik der subjektiven Diagnose ein. Sie stellt die Forschungsfrage nach der Bedeutung der Zunahme der Diagnose für die Vorstellung von Normalität und fokussiert die Analyse auf die Schule als Institution.
Kapitel 2 beleuchtet menschliches Verhalten in sozialen Zusammenhängen und definiert den Begriff der Norm. Es wird dargestellt, wie Verhalten durch Motivation, Situation und Verhaltenserwartungen geprägt ist und wie Normen in Institutionen, insbesondere in der Schule, wirken.
Kapitel 3 widmet sich dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, insbesondere den Diagnosekriterien und der vorherrschenden medizinischen Perspektive. Es werden die Behandlung mit Psychopharmaka und die Kritik an dem medizinischen Paradigma diskutiert.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Pathologisierung von ADS, insbesondere aus dem schulischen Blickwinkel. Es wird die Entlastungsfunktion der Diagnose für das Umfeld betrachtet und der Bedeutungsgehalt abweichenden Verhaltens diskutiert.
Schlüsselwörter
Normalitätsbegriff, abweichendes Verhalten, Normen, Institutionen, Schule, Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS), Diagnose, Pathologisierung, Psychopharmaka, Anpassung.
- Quote paper
- Stefanie Schmidt (Author), 2004, Kritische Betrachtung des Normalitätsbegriffes am Beispiel des Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35044