Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Positive Psychologie
2.1. Ursprünge
2.2. Theorie des Wohlbefindens
2.3. Broaden- und Built-Theorie positiver Emotionen
3. Improvisations-Theater
4. Improvisationstheater im Kontext der positiven Psychologie
4.1. Improvisationstheater mit Kindern
4.2. Flourishing beim Improvisationstheater
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Positive Psychologie ist kurz gesagt die wissenschaftliche Auseinander-setzung mit dem glücklichen Leben. Es geht ihr in erster Linie nicht darum, wie Krankheiten entstehen und wie man sie behandelt o.ä., sondern darum, zu unterstützen und zu untersuchen, wie Menschen glücklicher werden. Bekannt wurde dieser Ansatz vor allem durch den US-amerikanischen Psychologen Martin Seligman Ende des letzten Jahrhunderts (vgl. Moneta 2014 : 1). Bis heute ist diese Strömung der Psychologie immer bedeutsamer geworden (vgl. Lopez / Snyder 2011 : 23). Sie prägt beispielsweise die moderne psychologische Auseinander-setzung mit der Frage nach guter Unternehmensführung und führte zu neuen Therapieansätzen. Ein weiterer Einflussfaktor der Positiven Psychologie ist mittlerweile die Schule. Das an ersten Schulen in Deutschland eingeführte Schulfach Glück geht in eine ähnliche Richtung und versucht wissenschaftliche Erkenntnisse der Positiven Psychologie in die Schule zu übertragen.
Eine zentrale Annahme bei Seligman und Ausgangspunkt für seine Theorie ist, dass Glück zu einem großen Anteil lernbar ist (vgl. Streit 2014). Dieser Prozess wird mit Flourishing bezeichnet, d.h. dem Aufblühen einer Person und der damit verbundenen Steigerung des Wohlbefindens. Diese Ausarbeitung beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit dieses Flourishing durch eine spezielle Form des Theaterspiels, dem Improvisationstheater, unterstützt und gefördert werden kann.
Improvisationstheater unterscheidet sich vom klassischen Theater insofern, als dass es weder ein Skript noch festgelegte Rollen o.ä. gibt, sondern das gesamte Spiel durch freies, improvisiertes Spiel der Schauspieler spontan entsteht.
Um die leitende Fragestellung zu beantworten wird zunächst die Positive Psychologie in ihren Grundzügen dargestellt. Dabei wird vor allem auf den wichtigsten Vertreter Seligman und seine Theorie des Wohlbefindens eingegangen. Eine weitere bedeutsame Arbeit innerhalb der Positiven Psychologie ist die von Fredrickson (2001) entwickelte Broaden- und Built-Theorie positiver Emotionen. Aufgrund des Rahmens dieser Ausarbeitung und der zu untersuchenden Aspekte beim Improvisationstheater beschränkt sich die Analyse der Positiven Psychologie auf diese Autoren[1].
Daran schließt sich eine genaue Betrachtung des Improvisationstheaters an. Es wird zum einen dargestellt, was das Improvisationstheater genau ist und zum anderen, inwiefern es sich vom klassischen Theater unterscheidet.
Im nächsten Kapitel werden die Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie aus dem zweiten Kapitel auf das Improvisationstheater übertragen. Es wird untersucht, welche Vorteile das Improvisationstheater haben kann. Eine genauere Betrachtung der Chancen der Theaterpädagogik im Ganzen würde an dieser Stelle zu weit gehen. Daher wird auf das Improvisationstheater mit Kindern im speziellen eingegangen und aufgezeigt, warum besonders diese Form des Theaters für Kinder vorteilhaft ist.
Das Wohlbefinden wird von Seligman anhand verschiedener Aspekte festgemacht, wie dem Erleben des Flows oder positiver Beziehungen. Der mögliche Einfluss des Improvisationstheaters auf jeden dieser einzelnen Bereiche soll dabei dargestellt werden.
Im Fazit folgt schließlich eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Dabei wird auch auf die Frage eingegangen, welche Erkenntnisse aus dieser Arbeit für die Praxis in der Schule gezogen werden können.
2. Positive Psychologie
Zunächst werden im Folgenden die Ursprünge der Positiven Psychologie dargestellt. Dann folgt die Darstellung der Grundzüge von den Ansätzen Seligmans und abschließend wird kurz auf die Broaden- und Built-Theorie positiver Emotionen von Fredrickson eingegangen.
2.1. Ursprünge
Die Positive Psychologie wurde maßgeblich von Seligman geprägt (vgl. Moneta 2014 : 1). Sie ist dabei nicht allein auf Seligman zurückzuführen, aber er verhalf dieser Strömung innerhalb der Psychologie erstmalig zu Popularität. Eine zentrale Erklärung für die Entstehung der Positiven Psychologie ist, dass die Psychologie als gesamte Disziplin seit dem zweiten Weltkrieg zu sehr darauf aus gewesen sei, lediglich die negative Seite der menschlichen Psyche zu betrachten und sich vor allem mit dem Verstehen und Heilen von allen Formen menschlichen Leidens zu beschäftigen (vgl. Seligman 2004 : 80; Csikszentmihalyi / Seligman 2000 : 7):
„Psychology is not just the study of pathology, weakness, and damage; it is also the study of strength and virtue. Treatment is not just fixing what is broken; it is nurturing what is best.”
(Csikszentmihalyi / Seligman 2000 : 7)
Nach dem klassischen Ansatz der Psychologie könnte man annehmen, dass das zu erreichende Ziel für die menschliche Psyche das Fernbleiben von psychischem Schmerz oder Unglück ist – zumindest hat sie lange Zeit an diesem Punkt weitestgehend aufgehört zu forschen. So erscheint es auch im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet zu werden, denn wer einen Psychologen aufsucht, tut dies i.d.R. nicht, weil er noch glücklicher sein möchte, als er ohnehin schon ist, sondern, weil er sehr unglücklich ist. Glück ist jedoch weit mehr als das Nichtvorhandensein von Unglück oder Schmerzen.
2.2. Theorie des Wohlbefindens
Nach Seligmans treiben fast alle Menschen danach, in ihrem Leben mehr positive Emotionen zu haben (und nicht nur weniger negative Emotionen), ihre Stärken auszubauen (und nicht nur ihre Schwächen zu minimieren) und darüber hinaus ein bedeutungsvolles, sinnstiftendes Leben zu führen (vgl. Seligman 2004 : 80).
Darauf aufbauend beschäftigt sich die Positive Psychologie wissenschaftlich mit drei Typen eines glücklichen Lebens. Zunächst ist dies das „angenehme Leben“, wofür positive Emotionen eine große Rolle spielen. Positive Emotionen oder Gefühle sind zum Beispiel Wärme, Lust oder Entzücken. Das „gute Leben“ hängt mit positiven Charaktereigenschaften oder Stärken zusammen. Positive Institutionen und Strukturen (wie Demokratie oder Familie) bestimmen den dritten Typ des „bedeutungsvollen Lebens“ (vgl. ebd.).
Eine ähnliche Unterteilung führt Seligman in der Theorie des authentischen Glücks auf, nach der man die drei Elemente des Glücks – positive Gefühle, Engagement und Sinn – um ihrer selbst willen anstrebt (vgl. Seligman 2012 : 27).
Engagement bezeichnet so etwas wie einen Zustand des Flows, in dem man sich befinden kann und dabei alles um sich herum vergisst. Es geht hier um eine Verschmelzung mit der Umwelt – ein besonderer Zustand, der die volle Konzentration auf den Moment unter Aufwendung aller kognitiven und emotionalen Ressourcen bedarf:
„Flow is a state of profound task-absorption, enhanced cognitive efficiency, and deep intrinsic enjoyment that makes a person feel one with the activity.“ (Moneta 2014 : 183)
Um diesen Zustand erleben zu können, ist es wichtig, sich selbst und seine Stärken zu kennen, zu nutzen und zu entfalten (vgl. Seligman 2012 : 28).
Diese einzelnen Elemente bedingen sich dabei nicht einander. So kann man positive Gefühle auch bei Aktivitäten haben, die einen weder in den Zustand des Flow bringen, noch einen tieferen Sinn haben (wie beim Konsum von Drogen). Oder man kann sich im Flow befinden, bei etwas, was für das eigene Leben keine große Bedeutung hat (wie bei einem Spiel) (vgl. ebd. : 30).
Dieser Ansatz wurde vielfach kritisiert. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist zum Beispiel, dass der Ansatz zu sehr auf oberflächliche Lebenszufriedenheit ausgerichtet ist, die vor allem mit einer bloßen Stimmung verwechselt wird und nicht echtes Glück beschreibt. Dies zeigt sich zum Beispiel dann, wenn in der aus dem Ansatz resultierenden Forschung, Menschen lediglich ihre Lebenszufrieden-heit mit einem Wert von eins bis zehn angeben müssen und daraus abgeleitet wird, wie glücklich sie sind (vgl. ebd.).
Weiterhin wird kritisiert, dass die aufgeführten Elemente nicht ausreichen, echtes Glück vollständig, in allen seinen Erscheinungsformen zu beschreiben. Es gibt mehr Elemente, die Glück ausmachen und um ihrer selbst getan werden als die drei genannten (vgl. ebd. : 32). Auf diese Kritik aufbauend entwickelt Seligman die Theorie des Wohlbefindens.
In diesem Ansatz löst zunächst Wohlbefinden den Begriff des Glücks ab und es wird versucht, Wohlbefinden zu operationalisieren. Wohlbefinden wird dabei so wie etwas verstanden, das wie das Wetter für sich genommen kein Ding ist, aber durch Temperatur, Luftdruck etc. immer näher beschrieben werden kann. Wohlbefinden setzt sich demnach aus den Elementen positive Gefühle, Engagement, Sinn, positive Beziehungen und Zielerreichung zusammen (vgl. ebd. : 32f.).
Diese fünf Elemente erfüllen die folgenden drei Eigenschaften: Sie tragen zum Wohlbefinden bei, man strebt Sachen um ihrer selbst willen an und sie sind exklusiv, d.h. sie sind nicht abhängig von den übrigen Elementen (vgl. ebd. : 34).
Das Element der Zielerreichung beschreibt das Streben erfolgreich zu sein, unabhängig davon um welche Aufgabe es konkret geht, also wie sinnerfüllend sie beispielsweise ist. Das bloße Erfolgsreich sein trägt dann zum Wohlbefinden bei (vgl. ebd. : 37f). Milliardäre, die immer weiter nach Gewinn streben, können als Beispiel hierfür gesehen werden.
Bei dem Element der positiven Beziehungen geht es darum, dass die Beziehung zu anderen Menschen als wirksamstes Mittel und daher zentral für das Streben nach Wohlbefinden eingeschätzt wird (vgl. ebd. : 40). Es ist aber fraglich, ob dieses Element alle oben genannten drei Eigenschaften erfüllt. Zwar haben sie Einfluss auf das Wohlbefinden und sind unabhängig von den anderen Elementen messbar, aber es ist unklar, ob sie wirklich nur um ihrer selbst willen angestrebt werden. Seligmann argumentiert jedoch, dass positive Beziehungen so elementar seien für das Glück, dass sie als eigenständiges Element berücksichtigt und aufgeführt werden sollten (vgl. ebd. : 42ff.).
Das Ziel der Positiven Psychologie ist für Seligman nicht allein dadurch beschrieben, dass alle Menschen oberflächlich glücklicher sein sollen, sondern es ist mehrdimensional und beinhaltet alle fünf genannten Elementen des Wohlbefindens. Er bezeichnet den Zielzustand als Flourishing, in dem der Mensch sich selbst und seine Stärken oder Talente entfaltet und so aufblüht. Hierfür elementar sind nun die sogenannten Kerneigenschaften wie positive Gefühle, Interesse, Engagement und Bedeutung im Leben. Es werden aber noch weitere Eigenschaft aufgeführt, die ebenfalls Flourishing begünstigen, nicht aber unabdingbar sind, wie zum Beispiel positive Beziehungen, Optimismus oder die Selbstachtung. Letzteres meint sowohl Selbstbewusstsein durch achtsames Hören auf sich selbst, als auch Selbstvertrauen im Sinne des Kennens der eigenen Stärken und Fähigkeiten und das Vertrauen auf diese. Bei vielen Autoren kommt diesem Aspekt im Flourishing bzw. im Wohlbefinden allgemein eine größere Bedeutung zu:
„[I] cannot think of a single psychological problem – from anxiety and depression, to fear of intimacy or of success, to spouse battery or child molestation – that is not traceable to the problem of low self-esteem.“
(Branden zit. nach Moneta 2014 : 59)
Will man das echte Wohlbefinden einer Person erfahren, ist es demnach zu wenig, danach zu fragen, wie sich die Person fühlt, sondern es sollte auch Fragen nach der Neugierde oder Bedeutung im Leben geben (vgl. ebd. : 48f). Das letztliche Ziel der Positiven Psychologie ist es „also, das Aufblühen von Menschen zu messen und zu unterstützen“ (ebd. : 52).
2.3. Broaden- und Built-Theorie positiver Emotionen
Fredrickson geht in der Broaden- und Built-Theorie auf die Rolle positiver Emotionen bei dem von Seligman beschriebenen Flourishing ein und untersucht diese. Neben einer allgemeinen Einführung in die Positive Psychologie und Ausführungen zu bekannten Studien sowie Implikationen für die psychotherapeutische Praxis, geht sie näher auf das Wesen positiver Emotionen ein.
Zunächst geben positive Emotionen an, wie glücklich man ist. Das heißt, je häufiger man Freude oder Lust verspürt, desto höher ist dann das objektive Glück (Fredrickson 2001 : 218). Die Bedeutung positiver Emotionen geht aber darüber hinaus. Positive Emotionen können auch das Aufblühen herbeiführen, und zwar nicht nur im Moment des Erlebens der positiven Emotionen, sondern auch über einen langen Zeitraum:
„[…] certain discrete positive emotions – including joy, interest, contentment, pride, and love – although phenomenologically distinct, all share the ability to broaden people’s momentary thought-action repertoires and build their enduring personal resources, ranging from physical and intellectual resources to social and psychological resources.“ (ebd. : 219)
Die positiven Emotionen sorgen auf diese Weise für psychologisches Wachstum und erhöhen so das langfristige Wohlbefinden. Das Flourishing ist damit zu einem hohen Maß an das Erleben von positiven Emotionen gekoppelt.
3. Improvisations-Theater
Improvisieren im Allgemeinen ist ein kreativer Prozess, bei dem spontan Neues erschaffen wird, während zwar auf Erfahrungen, aber nicht auf im Voraus Geplantes zurückgegriffen wird. Im Gegensatz zu anderen kreativen Prozessen bietet das Improvisieren keine Gelegenheit der Planung oder Korrektur.
„[Improvisation] is the process and product of creativity occurring simultaneously” (Lewis / Lovatt zit. nach Bermant 2013).
Improvisationstheater ist eine Form des Theaters bei der die einzelnen Szenen weder inszeniert noch eingeübt sind. Im Gegensatz zum klassischen Theater wird dem Schauspieler, wenn überhaupt, erst unmittelbar vor oder erst in der Szene ein Thema, eine Rolle, eine Emotion, eine Handlung etc. zugeteilt. Meistens jedoch müssen sich die Schauspieler diese spontan selbst ausdenken. Ein vorheriges Auswendiglernen eines Textes oder eines Scripts entfällt. Alles, was auf der Bühne passiert, entwickelt sich für die Schauspieler unvorhersehbar aus freien Assoziationen und Ideen der Schauspieler und Vorschlägen des Publikums. Beim Aufbau einer Szene oder gar einer ganzen Geschichte ist somit eine hohe Eigeninitiative und Spontanität gefordert. Der Schauspieler kann selbst entscheiden, wann er auf die Bühne geht, welche Emotion er dabei hat und welche Tätigkeit er ausführt. Er entfaltet dabei seine eigene schöpferische Individualität (vgl. Lemanczyk 2000 : 15). Jede Szene ist daher in ihrer Form einmalig.
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[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die Form des generischen Maskulinums. Selbstverständlich sind stets beide Geschlechter gemeint.